Chthonic
Freddy Lim im Interview: "Wut, Traurigkeit, Frustration und Mitgefühl."
Interview
Habt ihr auf „Battlefields Of Asura“ musikalisch etwas anders gemacht? Mir kommt es so vor, als würden die traditionellen Instrumente mehr mit den orchestralen Arrangements im Hintergrund verschmelzen als auf früheren CHTHONIC-Alben.
Ja, auf jeden Fall. Diese Entwicklung hat sich durch unsere letzten Alben gezogen. Am Anfang wollten wir die Erhu, die zweisaitige Laute, in den Vordergrund stellen. Also haben wir diese traditionellen taiwanischen Melodien geschrieben. Mit all unseren anderen Instrumenten haben wir immer noch westlichen Metal gespielt. So haben wir also Songs geschrieben. Aber dann haben wir von Album zu Album gemerkt, dass wir alles miteinander vereinen müssen.
Wir können nicht nur einen Teil in den Fokus stellen. Das macht keinen Sinn, weil wir einen Song als ein Ganzes schreiben. Wir haben also alles immer mehr miteinander verwoben. Heute hörst du diese taiwanischen Melodien nicht nur als eigenes Element, sondern auch vermischt mit dem Orchester. Dann merkst du, dass sogar die Streicher und die Gitarren diese Melodien spielen.
Sprechen wir mal über Livetermine. Zumindest internationale CHTHONIC-Auftritte sollten mit deinem Terminkalender wahrscheinlich nur schwierig vereinbar sein.
Ich denke, nächstes Jahr werden wir ein paar Festivalshows für CHTHONIC auf die Beine stellen. Für mich ist es viel einfacher, für ein Konzert nach Europa zu fliegen, wenn es an einem Samstag ist. Das kollidiert dann nicht mit meiner Arbeit. Also ja, ich hoffe, das klappt nächstes Jahr.
Zu deinem Dokumentarfilm. Du hast es ja gestern Abend schon ein wenig angesprochen, aber kannst du für uns noch mal kurz abreißen, wie es zu dieser Zusammenarbeit mit einem deutschen Filmemacher kam? Und wie gefällt dir überhaupt das Endergebnis?
Marco kam vor zwei oder drei Jahren nach Taiwan, um seinen Film „Art War“ vorzustellen. Jemand hatte ihm von mir erzählt und er war der Ansicht, dass das ein interessantes Thema sei, zu dem er etwas machen sollte. Deshalb kam er auf mich zu und hat mich gefragt, was ich davon halte würde. Zuerst dachte ich, dass das eine gute Idee wäre. Aber dann hat er mich mehr als ein Jahr lang „verfolgt“. Es gab so viele Momente, in denen ich einfach nur explodieren wollte und es nicht mehr ertragen habe (lacht).
Doch das Ergebnis ist toll. Ich bin so froh, dass ich durchgehalten habe. Er hat mich immer wieder überzeugt, weiterzumachen. Es gibt darin viele Momente, die mich emotional berühren. Zum Beispiel der Teil mit dem Dalai Lama. Der Dalai Lama war neben meiner Familie die erste Person, der ich gesagt habe, dass ich Vater werde. Ich wollte mein Privatleben nicht so offen im Film haben, also habe ich ihn gebeten, das Material nicht zu verwenden. Er hat dann versucht, mich zu überreden und mir schließlich die erste Fassung gezeigt. Dann war ich überzeugt. Er hat eine sehr gute künstlerische Vision.
Im Film – oder auch jetzt gerade, denn schließlich machen wir dieses Interview hier gerade in der Botschaft – verschwimmen deine beiden Rollen immer wieder miteinander. Das scheint alles sehr gut zu funktionieren. Gibt es manchmal trotzdem Konflikte?
(Macht eine längere Denkpause) Ja, manchmal gibt es schon Konflikte. Hier muss ich den Dokumentarfilm als Beispiel nehmen. Wenn es um mein Privatleben oder meine Musikerrolle gehen sollte, wollte ich das erst nicht machen und habe gesagt, dass ich jetzt Abgeordneter bin, kein Schauspieler oder Entertainer. Das hat bei mir für einen inneren Konflikt gesorgt. Ich habe mein Team gebeten, mit Marco zu reden und ihm zu sagen, dass wir das Projekt beenden müssen. Ich konnte ihn mich nicht weiterhin begleiten lassen, denn ich war zwar immer noch Musiker, aber eben auch ein Abgeordneter, der professionell sein muss.
Manchmal, wenn wir unterwegs waren und er das Gefühl hatte, dass der Shot noch nicht gut genug war, ist er zu mir gekommen und hat gesagt, „kannst du noch mal von da nach da laufen?“ Da bin ich ausgerastet (lacht). Ich habe gesagt, „Nein! Ich gehe jetzt ins Büro. Ich arbeite. Ich bin kein Schauspieler!“ Er meinte dann, „bitte, der Take muss perfekt sein“, und so was alles. Das ist so oft vorgekommen! Ich musste mir selbst klarmachen, dass ich ein professioneller Abgeordneter bin und dass ich so was nicht mache.
Zu solchen inneren und äußeren Konflikten ist es oft gekommen. Doch eines Tages hat er mir gesagt, dass dieser Film für Taiwan sprechen wird. Er war überzeugt, dass das auch Teil meines Jobs ist, vor allem weil ich dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten angehöre. Diese Art von Soft Power ist sehr wichtig. Er hat mich überzeugt, und danach gab es solche Konflikte nicht mehr.
Zur letzten Frage, die ein wenig politischer ist. Ein Thema, dass vor Kurzem verstärkt in den Medien diskutiert wurde, ist das chinesische Sozialkredit-System. Welchen Einfluss wird das auf Taiwan haben? Man wird China schließlich nur schwer davon abhalten können, Daten über taiwanische Bürger zu sammeln.
Da das Sozialkredit-System in China besteht, werden alle Taiwaner, oder auch Bürger aller anderen Staaten, betroffen sein, wenn sie nach China reisen. Wenn die erst mal deinen Pass gescannt haben, speichern sie alle deine Daten und tracken dich dann überall. Das wird alle Ausländer betreffen, egal, was man tut. Der zweite Punkt, und das ist der gefährliche: Sie durchsuchen alles, was du online gepostet hast. Das ist in Taiwan schon passiert. Wenn du – außerhalb von China, sogar in Europa – etwas gegen China und deren Menschenrechtsverletzungen sagst, sammeln sie alle diese Informationen.
Wenn du dann die Grenze nach China überschreitest, kann es sein, dass sie dich verhaften. Manche Journalisten hatten in China schon diese Probleme. Viele Taiwaner haben Schwierigkeiten in China, weil sie mal etwas auf Facebook gepostet haben. Sie tracken also nicht nur die chinesischen Bürger, sondern die ganze Welt. Aktuell betrifft das Regisseure von Dokumentarfilmen und Journalisten, die keine China-Fans sind. Diese Art von Leuten betrifft es zuerst. Aber das wird sich ausweiten.
Ein Beispiel. Im Avengers-Film „Doctor Strange“ gibt es den Charakter „Ancient One“. Im Original ist das ein Tibeter. Im Film haben sie das geändert, um der chinesischen Regierung nicht auf die Füße zu treten. Es gibt also zwei Arten von Konsequenzen. Die eine ist, dass die Leute, die die chinesische Regierung nicht mag, entdeckt werden und dann Probleme bekommen, wenn sie nach China reisen. Die andere ist, dass die Leute sich bei der chinesischen Regierung einschleimen wollen, um eine Chance auf dem chinesischen Markt zu haben und nicht die Bösen zu sein. Sie müssen bei der chinesischen Regierung auf lieb Kind machen, selbst in Hollywood.
Taiwan steht hier an vorderster Front. Wir haben das vor 20 Jahren schon erlebt. In anderen Ländern hat das erst vor drei bis fünf Jahren angefangen. Für den Rest der Welt ist das also neu. Weil es Taiwan schon seit 20 Jahren so geht, können wir mit Informationen und Erfahrung zur Seite stehen. Wir müssen uns zusammenschließen, um einen Weg zu finden, mit China umzugehen. Das kann nicht jedes Land alleine bewältigen, weil die gerade so groß und so stark sind. Taiwan, die EU, die USA, Japan – alle können zusammenarbeiten.
Beim Umgang mit China sollte es nicht nur um Handel gehen, sondern es sollte auch die Menschenrechtslage und die freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit angesprochen werden. Ich denke, die Welt wird eine Lösung finden, aber wenn es jetzt so weiter geht, werden die Dinge schwieriger zu lösen sein. Ich hoffe, dass so was wie bei „Doctor Strange“ öfter vorkommt und sich die Filmemacher fragen, „wieso? Wieso sollte ich mein Script umschreiben? Da stimmt doch was nicht,“ und sich die Leute dann zusammentun.
Damit sind wir am Ende angekommen. Gibt es trotzdem noch was, was du loswerden willst?
Ich hoffe, allen gefällt das neue CHTHONIC-Album. Wenn ihr nicht warten könnt, bis wir zu euch kommen, kommt nach Taiwan zu unserer Show.
Danke für das Interview!
Danke!
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Stile | Melodic Black Metal, Melodic Death Metal |
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Sympathischer typ! Freue mich sehr auf das neue album, die letzten beiden scheiben waren großartig, die sachen davor klangen mir etwas zu sehr nach cof.
Vernünftig, sich bei den englischen lyrics helfen zu lassen. Hätte mancher deutschen metallegende auch gut getan. Ich denke da an rock ’n‘ rolfs grausame spoken word intros, chris boltendahls ruhrpott englisch from hell (kann grave digger deshalb bis heute nur in kurzen dosen ertragen) und wenn ich an hansi kürschs ansagen von der tokyo tales und an so manchen text denke….auwei.