Chthonic
Freddy Lim im Interview: "Wut, Traurigkeit, Frustration und Mitgefühl."

Interview

Vordergründig geht es auf diesem CHTHONIC-Album aber um mythologische Themen. Kannst du uns die Handlung der einzelnen Songs kurz beschreiben?

Im Grunde handelt jeder Song von einem Gott oder einer Göttin. Ich beschreibe sie nicht nur, sondern versuche, die Werte und Geschichten zu vermitteln, für die sie stehen. Als Abgeordneter in Taiwan muss ich meinen Wahlkreis oft besuchen. Vor allem auch rituelle Feierlichkeiten in den Tempeln. Zum Beispiel zu den Geburtstagen der Gottheiten. Deshalb habe ich in den letzten paar Jahren viel über die Hintergründe dieser Gottheiten gelesen. Als Kind bin ich immer nur in die Tempel gegangen, weil meine Eltern oder Großeltern zum Beten hingegangen sind. Ich wusste aber nie über die Geschichten dahinter Bescheid, und es war nur eine Zeremonie für mich.

Heutzutage beschäftige ich mich viel mit diesen Geschichten. Ich muss sagen, dass es viele Politiker gibt, die nur so tun, also hätten sie etwas für diese Feierlichten übrig. Ich bin aber jemand, den Mythologie sehr begeistert. Ich glaube, dass diese Geschichten unsere Vorfahren auf eine Art inspiriert haben und mich auch heute inspirieren. Wenn ich also diese Texte über die Gottheiten schreibe, denke ich daran, wie sie mich inspiriert haben.

Im ersten Song, „The Silent One’s Torch“ geht es um die Göttin Ma-tso. Es geht darum, den Mut zu finden, sich in eine bisher unbekannte Welt vorzuwagen. Der nächste Song, „Flames Upon The Weeping Winds“, repräsentiert den Gott Thai-tsu-ia. Das ist ein Gott des Widerstands, der außerdem immer wieder aufersteht. Die Message, die ich mit den Lyrics rüberbringen will, ist, dass wir immer stärker und größer sein sollten, auch wenn wir scheitern. Wie man seine Stärke nach einer Niederlage wiedergewinnt.

Bild Chthonic - Battlefields Of Asura Cover

Der nächste Song heißt „A Crimson Sky’s Command“. Er steht für den Gott Te-ia-kong, den Gott des Krieges. Er kann die himmlischen Heerscharen aufmarschieren lassen, um große Schlachten zu schlagen. Ich denke, Fans, die den Text lesen, werden denken, es ginge darum, all seine Feinde auszulöschen. Die Message ist aber eigentlich, dass wir den Mut haben sollten, die Wahrheit aufzudecken, statt nur zu allem ja und amen zu sagen.

Speziell, wenn es um Menschenrechtsangelegenheiten geht. Wir müssen all die Wahrheiten aufdecken, die die Regierung vor uns zu verstecken versucht. Und manchmal tut das weh und schadet nicht nur der Regierung, sondern auch den Menschen, wenn sie die Wahrheit herausfinden. Das tut jedem weh, aber es ist nötig, weil jeder weiß, dass es nicht richtig ist, wenn der Staat die Menschen unterdrückt. Wir müssen das also aufdecken, auch, wenn es wehtut.

Das nächste Stück ist „Songs Of The Revolution“. In Taiwan gibt es in Tempeln immer verschiedene Fahnen. Die Fahnen haben verschiedene himmlische Kräfte inne. Im Song geht es darum, seine eigene Fahne zu finden und all seine Ideale darauf zu projizieren, und die Fahne dann hochzuhalten. Hier muss ich noch erwähnen, dass Randy Blythe von LAMB OF GOD Vocals zu dem Song beigesteuert hat. Ich hoffe, die Hörer werden raushören, welche Screams von ihm sind.

Chthonic - Band 2018

„Taste The Black Tears“ handelt vom Gott Ong-ia-kong. Von seiner Geschichte gibt es viele verschiedene Versionen, aber hauptsächlich geht es darum, dass er die Menschen vor Krankheiten schützt. Er ist deshalb ein sehr starker Gott in Taiwan. Die Message hier ist, die Erinnerung an Dinge, die wir bereuen, zu überwinden. Manchmal kann es uns lähmen, an etwas zu denken, das wir bereuen, und wir wissen nicht, wie wir weitermachen sollen. Ich denke, wir müssen uns von diesen Erinnerungen befreien. Als ich den Song geschrieben habe, habe ich mit den Erinnerungen an die Beziehung zwischen mir und meinem Vater gekämpft. Denn unser Verhältnis war nicht gut.

In den zwei Jahren vor seinem Tod hat es sich aber wieder sehr verbessert. Politik war ihm sehr wichtig, und als ich für das Parlament kandidiert habe, kam er auf mich zu und hat thematisiert, wie wir die Wahl gewinnen und einen Wandel hervorbringen können. Statt alte Familienfehden wieder aufzubringen, hat er mir viele konstruktive Vorschläge gemacht. So hat sich unser gutes Verhältnis in diesen zwei Jahren wiederhergestellt.

Doch dann ist er bei einem Unfall ums Leben gekommen und ich habe es so bereut, die Beziehung nicht viel früher wieder verbessert zu haben. So hatten wir nur diese ein, zwei Jahre miteinander. Es war sehr schwer, über dieses Gefühl hinwegzukommen und nach vorne zu schauen. Ich wollte aufgeben. Als ich den Song geschrieben habe, wurde mir bewusst, dass ich da durch muss und weitermachen muss. Ich werde mich immer im Positiven an meinen Vater erinnern, aber ich kann nicht in der Vergangenheit leben. Darum geht es also in dem Song, und ich denke, dass viele diese Erfahrung teilen.

Galerie mit 11 Bildern: Chthonic - Arch Enemy - Khaos Over Europe Tour 2011

„One Thousand Eyes“ ist ein Song, der die Göttin Kuan-im-ma repräsentiert. Diese Gottheit gibt es in ganz Ostasien und sogar in Indien als Avalokitesvara. Sie ist sehr mitfühlend und versucht, alles und jeden zu retten. Für mich ist die Message diese: Manchmal kommen wir uns sehr klein vor, verglichen mit dem Universum und dem großen Ganzen. Es ist, als wären wir nichts. Wenn du aber ein kleiner Teil des großen Ganzen bist, bedeutet das nicht, dass du nichts bist. Es bedeutet, dass du mit allem und jedem in Verbindung stehst. Statt uns klein zu fühlen, sollten wir Nächstenliebe und Mitgefühl empfinden.

„Carved in Bloodstone“ befasst sich mit dem Gott Sing-hong-ia, einem Schutzgott einer Stadt oder einer Nation. Es ist ein Song über Solidarität. Solidarität mit allen Wesen der Gegenwart, aber auch mit allen Seelen, die schon weitergezogen sind. Ich wünsche mir, dass alle Menschen eine Gemeinschaft sein können. Diese Solidarität ist wichtig für das unterdrückte Volk.

Der nächste und letzte Song heißt „Millennia’s Faith Undone“. Darin geht es um die Macht all der Gottheiten, die wir schon erwähnt haben. All diese Macht kommt in einer Figur zusammen, nämlich in der Hauptfigur unseres Albums „Mirrors Of Retribution“. Fans, die sich mit den Geschichten der früheren Alben auskennen, werden vielleicht merken, dass es sich hier um das Prequel dazu handelt. Die drei weiteren Songs, die Instrumentale, haben auch eine Verbindung zu anderen Stücken auf diesem Album und den letzten Alben, und man kann einige Melodien wiederfinden.

Seiten in diesem Artikel

123
Quelle: Freddy Lim, Chthonic
11.08.2018

headbanging herbivore with a camera

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37243 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

1 Kommentar zu Chthonic - Freddy Lim im Interview: "Wut, Traurigkeit, Frustration und Mitgefühl."

  1. BlindeGardine sagt:

    Sympathischer typ! Freue mich sehr auf das neue album, die letzten beiden scheiben waren großartig, die sachen davor klangen mir etwas zu sehr nach cof.

    Vernünftig, sich bei den englischen lyrics helfen zu lassen. Hätte mancher deutschen metallegende auch gut getan. Ich denke da an rock ’n‘ rolfs grausame spoken word intros, chris boltendahls ruhrpott englisch from hell (kann grave digger deshalb bis heute nur in kurzen dosen ertragen) und wenn ich an hansi kürschs ansagen von der tokyo tales und an so manchen text denke….auwei.