Charon
Charon
Interview
Mit ihrer dritten Platte "Downhearted" sind sie endlich auf Europatour und damit zum ersten Mal auf deutschen Bühnen: Die Jungs von Charon haben Nightwish auf ihrer Reise durch sämtliche Konzerthallen in Deutschland, Belgien, Holland, Frankreich und Spanien begleitet. Zwischendurch ein Stop beim Summer Breeze und dann beim Metalfest in Wien und weiter ging es. Am 20 August ging es los – jetzt sind alle wieder zu Hause. Gothic Metal oder Gothic Rock ist vielleicht die richtige Bezeichnung für die Musik von Sänger Juha-Pekka Leppäluoto und seinen Mannen. Gothic Metal, der mal an Sentenced, mal an HIM erinnert, aber doch seinen eigenen Stil hat. Und wo sonst sollte die Band herkommen als aus Finnland? Melodisch, eingängig, hart und teilweise aggressiv sind die Songs. Aber vor allem darf eines nicht fehlen: Die melancholische und dunkle Atmosphäre, für die finnische Bands bekannt sind… und nicht zu vergessen die Emotionen, die in den Songs stecken. Ihr erstes Album "Sorrwburn" kam Ende 1998 auf den Markt, "Tearstained" etwa ein Jahr später. Danach wechselte man zum finnischen Label Spinefarm, nachdem man es vorher erst bei Emancipation Productions und dann bei Diehard Records versucht hatte. "Downhearted" wurde in ihrer Heimat Ende 2001 veröffentlicht und schoss auf Platz drei der Charts. Deutschland musste auf das Werk bis Anfang September warten: Als Charon bei Spinefarm unterschrieben, konnten sie nicht gleich einen Lizenzvertrag für Deutschland abschließen. Jetzt sind sie bei Motor Music. Und die Fans im nicht-skandinavischen Europa können die Jungs endlich live auf der Bühne sehen. Wirklich bekannt waren sie hier nicht, nur einige wenige wussten mit dem Bandnamen etwas anzufangen, aber durch gute CD-Kritiken zum Beispiel im Hammer und der Tour sollte sich das ein wenig geändert haben. Etwas Besseres hätte Charon eh nicht passieren können: Nightwish haben oft vor ausverkauftem Haus gespielt und nicht selten bedeutete das mehr als 2000 Zuschauer. Und wie sonst hätten die Jungs so eine Möglichkeit bekommen, sich einem so großen Publikum zu zeigen. Eine bessere Chance gibt es fast gar nicht. Und so erschien Sänger J-P gutgelaunt zum Interview vor dem Auftritt in der ausverkauften Großen Freiheit 36 auf der Hamburger Reeperbahn.
Erzähl doch ein wenig über das Summer Breeze. Es war Euer erster Festival-Auftritt in Deutschland, richtig?
Ja, das stimmt. Und es war unser zweiter Auftritt in Deutschland überhaupt. Der erste war kurz vor dem Summer Breeze in Dortmund. Den allerersten Tourgig haben wir jedoch in Antwerpen in Belgien gespielt – und es war wirklich gut! Das Festival natürlich auch. Mir hat es wirklich sehr gut gefallen, denn wenn Du in Finnland zu dieser Uhrzeit spielst (Charon haben am frühen Nachmittag gespielt), ist das Publikum anders. Dort aber war es super. Alle anderen waren auch der Meinung, dass das Publikum überraschend gut war.
Was denkst Du generell über dieses Festival?
Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit gehabt, um über das Festivalgelände zu gehen und verschiedene Leute und überhaupt den ganzen Platz zu sehen. Unglücklicherweise habe ich nur den Backstage-Bereich zu Gesicht bekommen. Wir hatten nicht so viel Zeit, weil wir am nächsten Tag einen Gig in Wien spielen sollten. Unser Fahrer wollte schlafen und wir mussten zu einem Ort, an dem das möglich ist. Also entschieden wir uns, das Summer Breeze zu verlassen. Natürlich wäre ich gerne noch länger dort geblieben.
Diese Europa-Tour mit Nightwish ist doch die größte, die Ihr bisher gemacht habt…
Ja und ich denke, dass Nightwish derzeit die größte finnische Band ist, mit der wir touren können. Ich glaube, viele Finnen verstehen gar nicht, wie groß Nightwish hier in Deutschland und in vielen Teilen Europas sind. Sie sind wirklich ein großartiger – sagen wir mal „Partner“ – für uns. Wir haben Pläne für eine weitere Tour hier in Deutschland, aber bis jetzt ist noch nichts sicher. Abwarten. Das ganze würde mir Paradise Lost über die Bühne gehen, was für uns natürlich großartig wäre.
Wie war der erste Tour-Gig hier in Deutschland für Dich? Nervös gewesen?
Ja, natürlich. Ich musste mehrmals aufs Klo, um zu sch… Ich war also wirklich nervös. Bei dem Tourauftakt in Belgien vorher war ich nicht so aufgeregt gewesen. Die Location dort war irgendwie anders als in Dortmund, wo 3000 bis 4000 Menschen hineinpassen. Oh mein Gott… Aber ich glaube, dass es gut gelaufen ist. Das Publikum war der Wahnsinn! Du kannst nur dann einen großartigen Gig spielen, wenn Du aufgeregt bist. Wie schon gesagt: Ich muss unter Druck sein.
Vor etwa zwei Jahren wart Ihr mit Sentenced auf Finnland-Tour. Warum seid Ihr also nicht mit den Jungs auch hierher gekommen, schließlich sind sie im November auf Tour?
Sie spielen in kleineren Locations … (lacht). Ich denke, der Hauptgrund ist, dass wir bei der gleichen Plattenfirma – Spinefarm – sind wie Nightwish. Außerdem haben wir mit Kingfoo Entertainment die gleiche Agentur.
Was für eine Erfahrung war die Tour mit Sentenced?
Es war eine tolle Erfahrung. Die Jungs sind wirklich großartig. Sie kommen aus derselben Gegend wie wir. Die Auftritte, die wir mit ihnen hatten, waren ziemlich gut, weil das Publikum unserem eigenen ähnelt. Das waren damals unsere ersten großen Gigs in Finnland. In diesem Jahr haben wir in unserer Heimat eine eigene Tour mit 36 Auftritten gespielt. Es war schön zu sehen, dass wir ein eigenes Publikum haben. Ich muss wirklich sagen, dass uns die Sentenced-Tour sehr geholfen hat. Dadurch haben wir den Vertrag mit Spinefarm bekommen – wir wurden vom ersten Auftritt an von den Leuten der Plattenfirma bemerkt. Diese Tour war also für die Band sehr wichtig.
„Downhearted“ wurde Anfang September hier veröffentlicht. Warum gerade durch Motor Music?
Keine Ahnung. Ich hab mir von der ganzen Sache noch kein Bild gemacht, da das für mich und die Band etwas Neues ist. Also mal sehen, was passiert. Ich hoffe, dass etwas Großes geschieht und Motor Music seinen Job macht.
Wie würdest Du Eure Entwicklung vom ersten bis zum neuesten Werk beschreiben. Auf „Sorrowburn“ sind ja Songs von insgesamt vier Jahren vereint.
Yeah. „Sorrowburn“, veröffentlicht vom dänischen Label Emancipation Productions, war eine Art Sammlung von dem, was wir zwischen 1994 und 1998 gemacht haben. Es ist unser erstes Album und wir müssen einfach stolz auf die Platte sein. Wir haben auf dieser Scheibe viele Dinge ausprobiert, so dass die Leute erkennen können, welche Richtung wir von den Songs aus „Sorrowburn“ gewählt haben, welche Songs also unseren heutigen Stil repräsentieren. Ich denke, es ist gut, drei Alben zu haben. Denn so können die Leute die Entwicklung der Band heraushören. Ich persönlich würde sagen, dass wir mit der Zeit angefangen haben, Musik emotionaler und weniger technisch zu machen. Mehr und andere Wege finden als zuvor. Versuchen, mehr Emotionen in den Songs zu transportieren, nicht bloß den technischen Teil.
Denkst Du, dass „Downhearted“ Euer bestes Album ist?
Ich würde es nicht auf diese Art und Weise betiteln, weil es irgendwie anders ist als „Tearstained“, welches rockiger ist. „Downhearted ist eher eine ruhige CD. Als ich anfing, die Vocals für das Album zu machen, wollte ich es gar nicht so ruhig haben. Das Album sollte eigentlich rockiger sein, aber es kam einfach anders. Vielleicht war die Zeit, in der wir an dem Album gearbeitet haben, eine Periode in meinem Leben, in der ich ruhiger geworden bin. Ich habe keine Ahnung.
Wie lange habt Ihr im Studio für „Downhearted“ gebraucht? Und wie hart war die Zeit?
Es war nicht hart. Als wir ins Studio gingen, waren die ganzen Songs bereits fertig. Natürlich verändert sich jeder Song noch während der Studio-Zeit. Da die Songs aber fertig waren, war es wirklich leicht, sie aufzunehmen. Wir waren so ungefähr zwei oder drei Monate im Studio und dann ein paar Wochen bei Finnvox, um zu mixen und zu mastern.
Was ist mit dem ersten und zweiten Album? Es ist schwierig, diese hier zu bekommen. Die Geschäfte müssen sie importieren oder können sie nicht einmal in ihrem PC finden. Eigentlich dachte ich, Ihr hättet die CDs hier veröffentlicht…
Ja, „Tearstained“ wurde veröffentlicht. Wir dachten jedenfalls, dass es auch in Deutschland veröffentlicht wurde, weil wir zu dem Zeitpunkt beim Label „Die Hard“ waren. Sie haben die Promotion aber nicht in der Weise betrieben, wie wir es uns gewünscht hätten. Das war der Hauptgrund, weshalb wir zu einem anderen Label wollten. Was Interviews und solche Sachen betrifft, hat es zwar gut geklappt, aber die Leute konnten unsere Platte nirgends finden. Sie war also irgendwie versteckt… im Untergrund. Wir hatten dann Kontakt zu Spinefarm Records. Das war auch die Zeit, als wir mit Sentenced auf Tour waren. Danach haben wir den Vertrag bei Spinefarm unterschrieben. Das war insgesamt eine tolle Situation für uns.
Bist Du der einzige, der die Texte schreibt?
Unglücklicherweise ja.
Deine Lieblingsthemen scheinen Liebe und Tod zu sein…
Ja, das sind sie. Denn beides ist Dir jeden Tag so nah. Es ist so einfach, darüber zu schreiben. Das ist der Grund, warum das meine Lieblingsthemen sind. Mein Englisch ist nicht sonderlich gut, also habe ich mir die Themen ausgesucht, bei denen es am einfachsten ist, sie in Worte zu fassen. Es ist einfach darüber zu schreiben, weil Du es jeden Tag siehst und manchmal Dinge erlebst, die damit zu tun haben. Oder Deine Freunde erleben solche Sachen. Du bist wie ein Beobachter.
In welcher Stimmung bist Du, wenn Du Songs schreibst?
Das ist unterschiedlich. Ich kann eigentlich überall und jederzeit schreiben. Ich muss dafür nicht inmitten von schwarzen Kerzen oder solchen Sachen sein. Ich kann schreiben, während ich sch… (lacht) – das sind dann die besten Songs. Aber mal ernsthaft: Die beste Zeit für mich, um zu arbeiten oder zu schreiben, ist dann, wenn alle anderen schlafen. Das ist zwar ein Klischee, aber so mache ich es. Ich mag es, nachts und unter Druck zu arbeiten. An jedem Arbeitsplatz, den ich hatte, habe ich es immer so gemacht. Ich denke nicht, dass es der richtige Weg ist, aber ich bin jemand, der von Montag bis Donnerstag nichts tut und am Freitag mit der Arbeit beginnt. Ich sitze die ganze Woche nur herum und am Freitagmorgen beginne ich und muss bis 17.00 Uhr fertig sein. Und das, weil ich gerne unter Druck arbeite. Ich glaube, dass ich dann die Arbeit am allerbesten machte.
Was ist es für ein Gefühl, als Sexsymbol – verglichen mit Peter Steele oder finnischen Sängern – betitelt zu werden?
Ich fühle mich nicht in dieser Rolle. Aber es ist so, dass manche mir so ein Image auf den Leib schreiben wollen, aber ich selbst denke das nicht über mich. Ich bin doch schon alt… Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt. Ist es gut? Ist es schlecht? Wir wollen einfach nur eine Band sein und keine Gruppe, aus der einer hervorsticht. Das alles ist so neu für mich – alles, was im Moment mit uns passiert: Diese Tour, unser Erfolg in Finnland… all das. Ich bin wirklich glücklich darüber, aber irgendwie habe ich das noch nicht ganz realisiert. Ich weiß nicht, wie mein Bild in den Medien ist. Solche Sachen weiß ich einfach nicht.
„Downhearted“ kletterte bis auf Position drei in den finnischen Albumcharts. Bedeutet das jetzt, Du siehst kreischende Mädels in der ersten Reihe?
Ja, die gibt es. Ich würde lügen, wenn ich das verneinte. Ich erinnere mich an den Auftritt, bei dem mir aufgefallen ist, wie viele Mädchen da vor der Bühne stehen. Das war schon lustig. Es war das erste Mal, dass ich das bemerkte und ich dachte nur „oh scheiße, hier sind ja keine Männer“. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, wer unsere Musik hört. Naja, das war jetzt natürlich übertrieben. Es gibt auch genügend männliche Wesen, die unsere Musik hören. Immer, wenn ich welche sehe, freue ich mich.
In etwa 1 ½ Stunden müsst Ihr auf die Bühne. Ich hoffe, Ihr spielt auch ein paar alte Sachen.
Ja natürlich. Bei einigen Auftritten wie dem Summer Breeze, wo wir nur etwa 25 Minuten zum Spielen haben, müssen wir Songs weglassen. Ich weiß nicht, warum wir entschieden haben, dass die älteren Sachen wegfallen sollten, aber hier – natürlich spielen wir auch alte Songs. Ich weiß, dass so etwas für Fans wichtig ist und ich spiele sie auch gerne.
Und dann musste er schleunigst auf die Bühne und seinen Job machen: ein etwas verspäteter Soundcheck. Eile war geboten: Noch etwa eine halbe Stunde bis 20 Uhr – und das bedeutet Einlass. Bis zum Auftritt war es also nicht mehr lange und Charon mussten wie jedes Mal vor After Forever und Nightwish als erstes auf die Bühne.
Und sie machten ihre Sache gut, rockten, was das Zeug hielt und rissen viele aus dem Publikum mit. Neue Fans garantiert. Und ein neues Album wird nicht allzu lange auf sich warten lassen. Immerhin ist „Downhearted“ bereits über ein halbes Jahr alt und neues Material gibt es auch schon.
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