Delain
Persönliche Songtexte und ein "hartes" DELAIN-Album? - Charlotte Wessels im Interview mit metal.de

Interview

Gerade erst haben DELAIN ihr fünftes Studioalbum „Moonbathers“ veröffentlicht, da stehen schon die nächsten Großereignisse ins Haus: Ihr Debütalbum „Lucidity“ feiert dieses Jahr seinen zehnten Geburtstag und auch die Feierlichkeiten anlässlich einer Dekade DELAIN werfen bereits ihre Schatten voraus. Grund genug für metal.de, sich mit Sängerin und Frontfrau Charlotte Wessels zusammenzusetzen und mit ihr über genau diese Dinge zu reden.

Charlotte Wessels im Interview mit metal.de

Zunächst möchte ich Euch ganz herzlich zu „Moonbathers“ gratulieren, das mir wirklich sehr gut gefällt. Hättet ihr Euch bei der Veröffentlichung Eures ersten Albums vor 10 Jahren schon vorstellen können, dass man Euer musikalisches Können mal mit solchen Szenegrößen wie AVANTASIA oder BLIND GUARDIAN vergleichen würde?

Um ehrlich zu sein, bist Du der erste, der uns mit diesen Bands vergleicht. Aber, wenn man sich nochmal vor Augen hält, dass unser Debutalbum als einmaliges Projekt gedacht war, hätten wir vor zehn Jahren tatsächlich nicht erwartet, dass wir heute so erfolgreich sind. Ich bin wirklich sehr glücklich, dass dieses Projekt so über sich hinausgewachsen ist und sich zu der Band entwickelt hat, die wir heute sind.

Während Eurer vergangenen Tour konnte sich mit Merel Bechtold eine junge, begabte Musikerin einen festen Platz im Bandgefüge von DELAIN erspielen. Hatte sie auch schon Einfluss auf das Songwriting für „Moonbathers“?

Bisher nicht. Martijn, Guus Eikens und ich schreiben alle DELAIN-Tracks und jede/r aus der Band kann daran mitwirken, wenn er/sie will. Was den Schreibprozess angeht, haben wir drei uns in den vergangen zehn Jahren zu einem gut eingespielten Team entwickelt. Für jemand außenstehendes oder neues in der Band kann es deshalb etwas länger dauern, sich in diesen kreativen Prozess einzubringen. Timo ist beispielsweise schon einige Jahre dabei. “Moonbathers“ ist aber das erste Album, auf dem sein Einfluss in den Gitarrenparts tatsächlich herauszuhören ist. Merel ist letzten Endes tatsächlich ein bisschen zu spät zur Band gestoßen, um noch Einfluss auf das aktuelle Album zu nehmen. Aber ich bin sehr gespannt, wie sich das in Zukunft entwickeln wird, da sie in meinen Augen großes Potential besitzt.

Merel Bechtold – 2016 – Foto by Sandra Ludewig

Wie kam es denn dazu, dass Alissa White-Gluz bereits ein zweites Mal als Gast auf einem Eurer Alben zu hören ist? Gibt es eine besondere Beziehung zwischen Euch?

Ich habe riesigen Respekt vor Alissa – und das sowohl auf der professionellen, als auch auf der persönlichen Ebene. Nachdem wir uns auf einer gemeinsamen Tour näher kennenlernten, haben wir sie während der Entstehung von “The Human Contradiction“ einfach gefragt, ob sie sich einen Gastauftritt vorstellen könne. Ihr Beitrag zu “The Tragedy oft he Commons“ hat uns so gut gefallen, dass es für uns eine logische Folge war, sie für “Moonbathers“ erneut zu fragen. Und ganz ehrlich – ich liebe ihren Part auf “Hands Of Gold“.

Wer nicht erst mit „Moonbathers“ zu DELAIN gefunden hat, weiß auch, dass ihr immer wieder mal mit der Mischung aus kräftigen Shouts und Deinem opernhaften Gesang experimentiert. Wäre denn in Zukunft auch denkbar, dass ihr ein komplettes Album auf diese Art einspielt?

Ich würde mich ja selbst nicht als opernhafte Sängerin bezeichnen, aber wir haben sicherlich schon öfters mit dem Kontrast von harten und weicheren Vocals experimentiert, um daraus einen möglichst interessanten Mix zu generieren. Ich glaube, dass wir Growls aktuell wiederentdeckt haben. Nachdem sie auf “April Rain“ und “We Are The Others“ nicht zu finden sind, konnten wir für unsere letzten beiden Alben sogar prominente Genrevertreter für uns gewinnen. Auf “Moonbathers“ habe ich mich sogar das erste Mal selbst an dieser Gesangsart versucht (auf “The Glory an The Scum“) und es als sehr bereichernd empfunden, diese Seite meiner Stimme auszuprobieren!

Im Begleittext zu „Moonbathers“ ist zu lesen, dass ihr das Album zwischen verschiedenen DELAIN-Tourabschnitten aufgenommen habt, und die große Varietät der einzelnen Songs darin begründet ist. Schaut man sich das äußerst gute Ergebnis an, scheint das ja ein Konzept für die Zukunft zu sein?

In mehreren kleinen Zeitabschnitten zu arbeiten, hat uns auf jeden Fall dabei geholfen, den Songs die Zeit und Aufmerksamkeit geben zu können, die sie brauchten. Allerdings standen wir letztendlich doch ganz schön unter Zeitdruck. Deshalb würde ich das Resümee ziehen, dass wir uns auf einem kommenden Alben weiter verbessern können, wenn wir uns in der Endphase seiner Entstehung nicht so beeilen müssen.

Charlotte Wessels – 2016 – Foto by Sandra Ludewig

Für die Texte auf „Moonbathers“ hast Du angeblich auf eigene Erfahrungen sowie Inspirationen zurückgegriffen, die Du Dir in der Literatur und im Kino holtest. Einige der Texte sind ganz schön düster geraten. Lass uns da ein bisschen in die Tiefe gehen: Welche Erfahrungen und Texte/Filme nahmen denn tatsächlich auf den Schreibprozess Einfluss? Und fand dieser ebenfalls etappenweise statt?

Die Texte für neue Songs runterzuschreiben ist immer ein persönlicher Prozess – egal, ob man dabei direkt durch Bücher und Filme inspiriert wird oder nicht. Schließlich gibt es einen Grund, warum etwas, das Du siehst oder liest, Deine eigene Kreativität anspricht. Sie wird ausgelöst, weil irgendetwas Deine eigenen Erinnerungen oder Erfahrungen anspricht.

Zu “The Glory And The Scum“ habe ich mich beispielsweise von Steven Pinkers Buch ‘The Better Angels Of Our Nature’ (auf Deutsch: “Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit“) inspirieren lassen. Es wurde mir von einem Freund zu einem Zeitpunkt empfohlen, als mich die Weltlage ziemlich runtergerissen hatte und mich verbittert machte. Das Buch beschäftigt sich mit der – zugegebener Maßen nicht sonderlich optimistischen – Geschichte der Gewalt in der Menschheit, kommt aber zu dem Schluss, dass wir uns derzeit in der bisher friedlichsten Ära aller Zeiten befinden und sie sich auch noch weiter in diese Richtung entwickelt (allerdings wurde das Buch vor 2016 geschrieben). Es war ein willkommener Hoffnungsschimmer und hat mich dahingehend inspiriert, dass “The Glory And The Scum“ davon handelt, dass jeder Mensch das Potenzial zum allerbösesten, aber auch gleichzeitig zum allerbesten auf der Welt besitzt.

Wie eingangs erwähnt, feiert das erste DELAIN-Album „Lucidity“ dieses Jahr sein 10jähriges Jubiläum. Andere Bands haben solche Feierlichkeiten schon zum Anlass genommen, ein Album komplett live zu spielen. Könntet ihr Euch so etwas auch vorstellen?

Vielleicht machen wir das irgendwann mal. Für jetzt haben wir uns dafür entschieden, eine ganz spezielle Show zu spielen, die die gesamte Dekade reflektiert, die DELAIN nun schon existiert. Dafür haben wir eine Kampagne bei PledgeMusic gestartet (siehe unten – der Autor) und sind dabei einen ganz besonderen Auftritt vorzubereiten, der am 10. Dezember diesen Jahres in Paradiso, Amsterdam steigen wird. Außerdem werden wir alles mitschneiden und im Anschluss auf CD, DVD, Blu-Ray und Vinyl veröffentlichen.

Vorab-Cover-Art der Jubiläumsausgabe von Lucidity

Im Laufe Eurer Karriere habt Ihr bereits an unterschiedlichsten Orten und auf den verschiedensten Bühnen gespielt. Habt Ihr so etwas wie eine Lieblingslocation, die bei keiner Tour fehlen darf und gab es so etwas wie den perfekten Gig, an den Ihr euch immer wieder zurückerinnert?

Wir hatten bisher schon zwei Mal das Glück ein Teil der “70.000 Tons Of Metal“ Kreuzfahrten zu sein – das gehörte auf jeden Fall zu meinen absoluten Highlights. Für mich persönlich ist unsere eigene Performance gar nicht mal das ausschlaggebende. Vielmehr kommt es auf die Atmosphäre und Stimmung eines Abends an, die dafür sorgt, dass ein Auftritt unvergesslich wird. Und wir hatten schon einige Auftritte, bei denen diese Art von Magie in der Luft liegt, die für einen ganz besonderen Platz in der Erinnerung sorgt. Konkret fallen mir Paris und London als Orte ein, wo so etwas passieren kann.

Großes Festival oder kleine Club-Show – was ist eher nach Eurem Geschmack und gibt es einen Ort an oder ein Festival auf dem Ihr unbedingt (noch) mal spielen wollt?

Ich schätze beide aus unterschiedlichen Gründen: große Festivals für die Möglichkeit, ein neues Publikum mit unserer Musik zu erreichen und kleine Club-Shows wegen der persönlichen Atmosphäre. Wir hatten gerade eine großartige Festivalsaison und ich hoffe, dass noch viele weitere folgen werden!

Auch wenn Euch die ganz großen Feierlichkeiten in diesem Jahr noch bevorstehen, gibt es schon Pläne für die Zukunft? Womit muss man bei DELAIN unbedingt noch rechnen?

Natürlich gibt es da schon Pläne – schaut Euch doch einfach mal die Kampagne an, die wir anlässlich unseres Jubiläums bei PledgeMusic gestartet haben, und mit der wir unsere Fans an diesem besonderen Ereignis teilhaben lassen wollen.

Da wir das angepeilte Kampagnenziel von 100 % bereits erreicht haben, heißt das, das von allen Angeboten, die dort gebucht werden, ein Teil an die Sophie Lancaster Stiftung geht, die sich unermüdlich und überall für die Beseitigung von Vorurteilen, Hass und Intoleranz einsetzt.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei all dem, was Ihr da dieses Jahr noch vorhabt!

06.09.2016
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