Cellar Darling
Von eklektischer Spontanität und kalkulierter Planlosigkeit
Interview
Mit „The Spell“ veröffentlichen CELLAR DARLING ihr zweites Studioalbum. Dieses trägt zwar eindeutig die Handschrift, die man seit dem ersten Album „This Is The Sound“ von der Band kennt, es zeigt sich aber auch vielseitiger, experimenteller und sperriger als der Vorgänger. Bandkopf Anna Murphy wird dieser Aussage im Interview teilweise widersprechen, was an sich schon auf das Potenzial dieses Albums hindeutet, die Meinungen zu spalten. Neben Anna nahm sich auch Gitarrist Ivo Henzi die Zeit, sich über das neue Werk von CELLAR DARLING ausfragen zu lassen. So erhielten wir Einblicke in den kreativen Prozess, in das Konzept, das dem Album zugrunde liegt, und erfuhren, wie sich „The Spell“ möglicherweise auf der Bühne machen wird.
Hallo ihr beiden! Danke für eure Zeit.
Beide: Danke dir!
Ich hatte euch ja gebeten, euch fünf Adjektive zu überlegen, die das neue CELLAR DARLING-Album „The Spell“ für euch beschreiben. Damit würde ich dann mal direkt anfangen und mir unvoreingenommen anhören, was ihr so sagt.
Ivo: Also das erste wäre „verträumt“.
Anna: „Emotional“.
Ivo: „Poetisch“.
Anna: „Progressiv“.
Ivo: Und „schwer“.
Habt ihr dazu auch noch eine Erläuterung parat? Wie ist es zum Beispiel dazu gekommen? Das muss sich ja irgendwie so entwickelt haben. Oder auch, wieso empfindet ihr es so?
Anna: Bei uns passieren eigentlich alle Entwicklungen sehr natürlich. Die passieren wie von selbst. Aber ich denke, was jetzt eine sehr große Rolle gespielt hat, war das Konzept, und dass wir vom Konzept geleitet wurden.
Ivo: Genau. Das Konzept hat uns gestützt. Musikalisch vor allem.
Darüber will ich später natürlich auch noch mehr erfahren. Ich habe aber erst mal auch fünf Adjektive, die teilweise etwas anders sind als eure. Dazu würde ich gerne wissen, ob ihr diese hier auch passend findet. Das erste wäre „eklektisch“.
Anna (lacht): Das ist lustig, denn das wollte Ivo eigentlich sagen. Wir haben dieses Wort schon sehr oft verwendet und ich hatte immer so das Gefühl, dass das Gegenüber, sei es jemand von den Medien oder ein Fan – der Konsument quasi – nicht so einordnen kann, wie das gemeint ist. Deswegen habe ich dann „eklektisch“ auf „progressiv“ geändert. Aber ihr wart jetzt so im Einklang diesbezüglich.
Das nächste wäre „avantgardistisch“.
Ivo: Ja. Ja doch.
Dann hätten wir „experimentell“.
Ivo: Bestimmt, ja.
„Beklemmend“.
Ivo: Ja. Das meinen wir wahrscheinlich auch mit „schwer“.
Das letzte wäre – und hier spielt das Eklektische auch wieder mit rein – „sperrig“.
Anna: Ja, das hat unser Produzent ein paar Mal gesagt (lacht).
CELLAR DARLING haben da also einen echten Brocken fabriziert, der gar nicht so leicht rein geht. Ich bin selbst auch noch nicht ganz durchgestiegen. „The Spell“ kommt mir wie schon erwähnt auch sehr experimentell vor, was insofern überrascht, weil man das vielleicht eher vom ersten Album erwartet hätte, wo vorher nichts da war und alles ging. Wie kam es dazu, dass sich der Stil jetzt geändert hat?
Anna: Ich empfinde das komischerweise anders. Ich finde die erste Scheibe viel experimenteller als die zweite. Für mich waren wir bei „This Is The Sound“ noch ein bisschen am Suchen. Nicht im Negativen. Nicht, dass wir keine Ahnung hatten, was wir machen. Aber der eine Song ist mal so, und der andere ist ganz anders, und wir erzählen verschiedene Geschichten. Für mich ist „The Spell“ viel mehr aus einem Guss und wir wissen, was wir machen. So wirkt es auf mich, aber ich finde es auch spannend, dass Empfindungen völlig anders sind.
Ich hatte schon einige Momente, wo ich dachte, „wow, das hätte ich so nie erwartet“. Zum Beispiel der kleine „Techno-Beat“ am Anfang von „Freeze“. Gibt es, was solche Elemente betrifft, auf diesem CELLAR DARLING-Album etwas, das ihr schon immer mal machen wolltet, aber vielleicht vorher nicht konntet? Oder etwas, von dem ihr nie gedacht hättet, dass ihr es mal macht?
Ivo: Schwer zu sagen, denn wir machen einfach. Dann kommen natürlich immer neue Sachen hinzu, die uns einfallen. Da gibt es Sachen, die wir noch nie gemacht haben, aber wir setzen uns nicht hin und überlegen „was sollten wir machen, was wir noch nie gemacht haben.“ Es kommt natürlich. Bestimmt haben wir viele neue Elemente drin, aber keine davon waren geplant.
Anna: Nicht wirklich. Also außer das Konzept halt.
Ivo: Außer das Konzept, genau.
Anna: Das war auch ein erstes Mal für uns, das haben wir noch nie gemacht. Viel mehr Sachen waren spontan, zum Teil sogar live eingespielt. Und komische Sachen, zum Beispiel ein Theremin zu verzerren. Aber wie Ivo schon gesagt hat, das ist nicht kalkuliert, solche Sachen passieren irgendwie einfach.
Ivo: Ich glaube, wir alle sind neugierige Menschen, und wahrscheinlich machen wir das automatisch. Einfach neue Sachen ausprobieren, dann für gut oder schlecht befinden. Das gehört bei uns irgendwie dazu. Das genießen wir auch.
Auf Planung sollte die Frage eigentlich gar nicht so sehr abzielen. Ich hatte eher gedacht, es gab vielleicht etwas, von dem ihr sagt „Mensch, das wollte ich schon immer mal machen, aber es hat nie gepasst, und jetzt machen wir es!“
Anna: Also das war für mich schon das mit dem Theremin. Ich war wirklich froh, dass das noch Platz hatte. Ich kann das überhaupt nicht spielen. Wir hatten da wirklich einen Tag eine Art Experimentier-Session, als wir „Sleep“ aufgenommen haben. Der Song wurde live eingespielt, von mir und Fredy Schnyder [Pianist, Anm. d. Red.]. Zusammen in einem Raum auf einem total abgefuckten Upright Piano, das total verstimmt und alt ist.
Das unterstützt einfach diese beklemmende Atmosphäre des Songs. Und dann haben wir einfach Soundscapes gebastelt mit dem Theremin und einem alten MS-20-Synthie. Das habe ich mir immer ein bisschen gewünscht, dass wir uns Zeit nehmen für komische Sachen. Dass man nicht unter Zeitdruck schnell schnell den Song irgendwie so gut wie möglich hinkriegt. Das haben wir dieses Mal wirklich gemacht, wir haben uns einfach Zeit genommen und experimentiert.
In den Album-Trailern hat man auch gesehen, dass ihr das Schreiben und die Aufnahmen parallel gemacht habt. Wie habt ihr das im Vergleich zum traditionellen „erst schreiben, dann aufnehmen“ empfunden? Sind vielleicht auch gerade dadurch spontane Sachen erhalten geblieben, die sonst im Prozess wieder rausgeflogen wären? Ist das Album also vielleicht gerade deshalb so eklektisch geworden?
Ivo: Das kann gut sein. Für uns war es wichtig, dass wir dieses spontane Gefühl auch rüberbringen können. Und dass wir nicht zu viel kalkulieren. Wir hatten im Vorfeld auch einige Songs geschrieben.
Anna: Wir hatten auch schon fertige.
Ivo: Genau. Ich würde mal sagen, das war so 50/50.
Anna: Ja, ich glaube, das war wirklich ungefähr so.
Ivo: Wir haben einen Teil wirklich spontan gemacht und der andere Teil war dann eigentlich kalkuliert. Aber die ganze Atmosphäre war anders. Es war viel intensiver. Man konnte viel mehr den spontanen Moment, das gute Gefühl, dass man gerade etwas Gutes schreibt, nutzen und aufnehmen. Das war etwas, was wir vorher noch nicht so hatten.
Anna: Es waren auch mehr Leute beteiligt, dieses Mal. Mit Tommy [Vetterli, Produzent; Anm. d. Red.] und Fredy [Schnyder, Pianist; Anm. d. Red.] haben wir schon immer zusammengearbeitet, aber sie hatten vorher nie diese Rolle, die sie jetzt eingenommen haben. Sie haben jetzt wirklich Parts geschrieben, mit uns zusammen. Das war auch sehr bereichernd, finde ich. Und wie Ivo schon gesagt hat, dieses spontane, erste Mal ist einfach irgendwie magisch. Das kriegt man nicht mehr hin, wenn es schon das Demo gibt, mit dem, ich sage jetzt mal „magischen Gesangs-Take“. Dann kriegt man das nicht mehr so hin im Studio, und das nervt einen so. Wenn du diesen Gesangs-Take aber zum ersten Mal im Studio machst, dann hast du keinen Vergleich. Das ist – für mich zumindest – besser.
Seht ihr an den finalen Produkten einen tatsächlichen Unterschied zwischen den beiden Herangehensweisen?
Ivo: Ich denke schon, ja.
Anna: Ja. Ich finde schon. Zum Beispiel bei „Insomnia“. Da hatte ich ein Demo gemacht, von dem Gesang, und das war einfach so magisch, ich habe das hinterher nicht mehr so hingekriegt im Studio. Ich habe alle wahnsinnig gemacht, weil ich immer wieder den Song noch mal aufnehmen wollte. Und alle immer: „Hey, es ist gut. Komm, wir lassen’s.“ Und ich: „Nein, noch mal, nein, noch mal, nein, noch mal.“ Bis es einfach ein bisschen von dieser Magie hatte. Das hatte ich bei einigen anderen Songs auf dem Album nicht, denn es gab dieses Demo nicht, an dem ich mich messen wollte.
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Stile | Alternative Rock, Avantgarde, Folk Rock, Progressive Rock |
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