Catastrophe Ballet
Catastrophe Ballet
Interview
Neuanfang nach 17 Jahren und sechs Alben – genau das trifft auf die Hamburger Catastrophe Ballet um Sänger Eric Burton zu. Sechs Jahre hat es gedauert, bis jetzt mit "…all beauty dies" die siebte Platte der Band herauskommt (VÖ: 12. Mai). Ende vergangenen Jahres hatten Catastrophe Ballet mit der EP "The Seed of Beauty" bereits einen Vorboten geschickt, der allerdings nicht im freien Verkauf erhältlich war. Wer nun denkt, das neue Album entspricht in etwa der EP, der hat sich getäuscht – jedenfalls zum größten Teil. Wo genau der Zusammenhang ist und vieles andere erzählte Eric Burton im Interview.
Ihr habt Euch auf Euren Alben gut ausgetobt, sie klangen immer wieder anders. Nach dem Vorgänger „Modern Primitives“, das die Einflüsse der vergangenen Platten vereint hat, nun ein völlig neues Kapitel?
Wir waren anfangs eher eine dark-rockige, eher auf Gitarren fokussierte Band mit Keyboard, die im Laufe der Zeit in ihren Alben immer elektronischer wurde – auch durch die Zusammenarbeit mit den Krupps, Girls Under Glass und anderen. Letztendlich gipfelte das in der Platte „Menschenfeind“, die schon eher 80% Electro mit 20% Gitarre war. Von 80% Gitarre und 20% Elektro auf das Umgekehrte. Das alles haben wir auf der letzten Studio-CD „Modern Primitives“ unserer Meinung nach in einem Electro-Rock-Album zusammengefasst. Damit war das für uns dann auch abgeschlossen. Auf dem neuen Album hört man weniger Gitarren, weniger Keyboard. Es ist eigentlich eine ganz eigene, für mich ganz neue Richtung, die wir machen. Viele sagen, wir seien back to the roots gegangen, seien sehr szenig, sehr düster, gothic-rock-lastig, was sehr witzig ist, weil eigentlich keiner in der Band damit großartig etwas zu tun hat, sich in dieser Szene gut auskennt oder da aktiv ist. Da bin ich noch die große Ausnahme. Ich kann die Platte gar nicht richtig beschreiben. Es ist kein Electro, Industrial Rock passt auch nicht, es ist kein richtiger Gothic Rock oder Dark Rock – was auch immer „richtiger Gothic Rock“ ist.
Wie seid Ihr an die Platte herangegangen – mit einem halbwegs klaren Plan im Kopf, was am Ende dabei heraus kommen soll oder mit dem Gedanken, wir machen und schauen, wohin die Songs wollen?
Wir haben zum ersten Mal überhaupt nicht darüber nachgedacht, in welche Richtung es gehen soll. Wir hatten keinen Plan im Kopf. Bei den anderen Alben hatten wir uns alleine schon durch die Produzentenwahl musikalisch festgelegt. Wenn du eine Produktion mit den Krupps fährst, möchtest du nicht wie The Mission klingen. Der Einfluss dieser Produzenten war ja gewollt. Beim neuen Album haben wir uns darüber keine Gedanken gemacht. Wir haben einfach Songs aufgenommen – das, was in dem Moment in uns drin war. Wir haben sehr viel experimentiert, uns freien Lauf gelassen. Und es hat sehr viel spaß gebracht, nicht im Hinterkopf zu haben, ob das Ergebnis der oder der Szene gefallen wird.
Klingt, als ob du rückblickend sagst, es war ein Fehler, sich immer diese Gedanken gemacht zu haben.
Ja, letztendlich war das einer der größten Fehler, die wir in unserer Karriere gemacht haben. Zu viel zu überlegen, wem könnte es am Ende des Tages gefallen. Man hofft zu sehr, dass das, was man gerade zusammenstrickt, zu einem bestimmten Ergebnis führt und das klappt eigentlich nie. Man kann bestimmt Sachen konstruieren, aber es kann auch zum Gegenteil führen. Wir haben immer so ein bisschen das Pech gehabt, dass die Leute das, was wir gemacht haben, nicht total scheiße fanden, aber irgendwie war es auch nicht richtig originell. Die Krupps oder Girls Under Glass haben ihren eigenen Sound definiert und erfunden – dadurch, dass man davon ein bisschen abhaben wollte, war es dann eben auch nicht originell. Man hat versucht, es auf sich selbst zu projezieren oder zu assimilieren und mit seinem eigenen Sound zusammenzuführen und das hat auch mal mehr und mal weniger geklappt und wurde mal mehr, mal weniger akzeptiert. Wir waren ja kein Clon einer anderen Band, aber eben auch nicht 100% originell.
Und das neue Album ist 100% Catastrophe Ballet?
Ich hätte keine Ahnung, von was es etwas hat. Es ist kein Einfluss von nichts anderem drauf, keine große Handschrift eines Produzenten. Mich macht es zum ersten Mal richtig froh, weil es das erste Album ist, das ich mir selber zu hause anhören kann, was ich normalerweise nie gemacht habe. Es ist nichts auf der Platte, das mir irgendwie Unbehagen bereitet, was bei den früheren Produktionen oft so war. Da habe ich oft gedacht, hier und da klingt es nicht so, wie ich es gerne gehabt hätte. Es ist natürlich immer noch nicht das perfekte Album, aber das darf es auch nie werden, denn dann verliert man glaube ich auch die Lust, weiter zu machen.
„…all beauty dies“ ist nicht nur Songtitel, sondern auch der Titel des Albums. Der Song wirkt bedrohlich, drückend, anders irgendwie, experimenteller. Ihr habt auch Ohrwurmsongs wie „Consequently“ und „The lovers delight“ auf der Platte – warum ist „…all beauty dies“ der Albumtitel geworden?
Die Songs sind über einen längeren Zeitraum entstanden. „The key to your world“ und die beiden, die du genannt ist, sind die poppigsten Lieder auf der CD und ältere stücke, die wir vor drei Jahren schon einmal aufgenommen hatten. Wir haben sie jetzt nochmal aufgenommen, so dass sie besser in den Kontext passen. Die Songs sind in den Originalversionen auf der EP „The seed of beauty“ drauf. Ich finde es sehr langweilig, wenn eine Platte so ein Drei-Gänge-Menü ist, bei dem du dreimal dasselbe vorgesetzt bekommst. Die drei Stücke sind vielleicht der süße Nachtisch, es gibt aber auch den schweren Hauptgang und noch dazu die experimentelle Vorspeise. Im Prinzip ist „…all beauty dies“ ein Lied, das im Vergleich zu den drei poppigeren stücken einen kompletten Gegensatz bildet. Das Album ist in sich so strukturiert – ich weiß nicht, ob das jemals jemandem auffallen wird, aber zumindest hab ich es mir so gedacht -, dass es genau wie die ganze EP mit sehr poppigen und eingängigen Stücken beginnt – sehr jung und unbeschwert, wie etwas, das wächst und mit der Zeit immer schwerer und auch vom Feeling her etwas älter und abgeklärter wird und am Schluss dann eben auch vergeht. Das Album ist, auch im Zusammenhang mit der EP, so gestrickt, dass man so ein bisschen das Gefühl hat, dass es ein Aufwachsen und ein Zu-Ende-Gehen ist. Die EP ist die Saat und die unbeschwerte Jugend und das Album ist dann quasi bis zu Song 13 ein Leben – nicht inhaltlich aber klanglich. Deshalb wird die Platte eigentlich von Song zu Song immer schwerer, düsterer.
…und vertrackter.
Ja, denn am Anfang erscheint alles immer ganz einfach und danach wird es immer komplizierter.
„Consequently (inconsequently)“ ist Track Nummer 1 – was bist Du? Konsequent, inkonsequent oder konsequent inkonsequent?
Wenn Du Dir unsere Diskographie anschaust, ist es das, was die Band seit so vielen Jahren eigentlich ausmacht und vielleicht ist es auch das, was uns seit 17 Jahren am Leben erhält. Konsequent in dem Sinne, immer an das anzuschließen, was als nächstes sinnvoll erscheint und was an das Vorhergehende anschließt, um darauf aufzubauen, waren wir nicht. Wir bauen etwas auf und wenn es dann steht, macht es einfach Spaß, alles wieder umzuschmeißen und nochmal zusammen zu bauen. Das einzige Konsequente an uns ist diese Inkonsequenz, nach einem eher elektronischen Album z.B. ein eher gitarrenlastiges Album zu machen. Mir wird relativ schnell langweilig und wenn ich dreimal dasselbe gemacht hätte, hätte es uns schon Mitte der 90er nicht mehr gegeben. Wir haben ja mit vielen Mitstreitern angefangen, die sehr konsequent waren und dreimal dasselbe Album gemacht haben – die haben sich dann aber auch wieder aufgelöst. Das war einfach nicht unser Ding.
Konsequent inkonsequent trifft auch auf Dich persönlich zu?
Ja, natürlich. Ich war noch nie derjenige, der etwas lange hintereinander immer gleich haben will, bin niemand, der sich zehn Jahre lang dieselbe TV-Serie ansieht, der immer in dieselben Clubs geht… Ich mag dieses Ewigwährende, Langanhaltende nicht. Mir ist das zu langweilig. Es gibt Leute, die finden das toll, etwas konsequent beizubehalten. Ich möchte niemanden verurteilen oder sagen, dass ich es besser weiß. Ich mache es eben für mich so. Ich mag Neues entdecken und das auch ausprobieren. Mal klappt es, mal nicht. Neues muss ja auch nicht immer besser sein.
Mit „Licht in meinen Träumen“ habt ihr einen deutschen Songtext auf der Platte – warum nur einer oder warum überhaupt einer oder fühlte er sich einfach deutsch an?
Es ist das erste Mal, dass wir ein Lied auf einem Album haben, bei dem ich nicht den Text geschrieben habe – abgesehen von den Coverversionen. Wir hatten schon einmal auf „Menschenfeind“ einen deutschen Song und als wir noch keinen Plattenvertrag hatten, waren auf unseren Demos witzigerweise viele deutsche Lieder, da ist das für uns jetzt nicht so ungewöhnlich. Es ist ein Text, den ein Freund von mir geschrieben hat. Mark Pittelkau. Er hat mir diesen Text zu dem Song quasi geschenkt. Die Musik stand fest und Marks Text passte direkt drauf.
Wie lässt sich die Musik überhaupt mit Deinem ja doch sehr regelmäßigen Job bei Hardbeat Promotion verbinden? Braucht die Entstehung so eines Albums daher länger, als es Dir eigentlich lieb ist?
Es ist hart. Der normale Ablauf bei mir sieht so aus: Um 10 Uhr fange ich bei Hardbeat an und während der Studioaufnahmen habe ich bis ca. 19-20 Uhr im Büro gearbeitet, bin danach sofort ins Studio gefahren, war bis 3-4 Uhr mit den Aufnahmen beschäftigt, bin dann nach Hause gefahren und habe 4-5 Stunden geschlafen – das ging ein halbes Jahr so.
Das klingt nicht wie die perfekte Voraussetzung für ein Album.
Mir ist diese Arbeitsweise ganz recht. Ich habe gemerkt hat, dass ich abends und nachts besser an Musik arbeiten kann als tagsüber. Denn wenn ich morgens um 10 Uhr ins Studio gehe, laufe ich da in der falschen Spur. Das kann ich irgendwie nicht. Ich bin auch kein Morgen- oder Tagmensch, brauche drei Stunden, um wach zu werden. Alles vor zehn Uhr ist Nacht. Natürlich wäre es perfekt, wenn ich bis 16 Uhr schlafen könnte und dann ins Studio gehen könnte, aber der Stress, der da in dieser Zeit mitschwingt, setzt auch irgendwie einen Energieschub frei, der auch beflügeln kann. Wenn ich nach Hardbeat ins Studio gegangen bin, stand ich noch unter Strom, wollte dann auch loslegen und arbeiten. Wenn man um drei Uhr aus dem Studio kommt, ist man richtig alle und der nächste Morgen ist echt hart. Soziale Kontakte, telefonieren, einkaufen, Wohnung aufräumen – da muss man ein halbes Jahr lang sagen: später wieder. Man muss Kleinigkeiten genau planen. Ein normales Leben nebenbei gibt es nicht, denn in den freien Minuten muss man schlafen. Aber ich glaube, das geht fast jeder Band so.
Ihr habt unter anderem in den Staaten und in Mexico City gespielt – stand die Tür zum Full-Time-Musiker nicht offen?
Ja, doch, ich habe das lange versucht. Wir haben das auch eine Zeitlang gemacht. Von Anfang der 90er bis 96-97 habe ich nur Musik gemacht und davon mehr oder weniger gelebt. Eher weniger als mehr. Der Job, den ich jetzt mache, ist dadurch auf mich zugekommen, durch die Musik, durch Verbindungen und Kontakte, die ich daher gehabt habe. Das ist eine Alternative, die sich für mich ergeben hat, in der ich berufsmäßig das machen kann, was ich vorher sowieso den ganzen Tag gemacht habe. Ich bin meine eigene Firma und mache jetzt nur professionell das, was ich vorher für meine eigene Band gemacht habe und mache das eben auch als Dienstleistung für andere. So habe ich einen Job gefunden, den ich gut mit meiner Musik verbinden kann. Ein glücklicher Zufall.
Bist Du durch die lange Zeit, die es die Band gibt und durch Deine Arbeit um ein paar Illusionen ärmer geworden?
Ich weiß gar nicht mehr, welche Illusionen wir damals hatten. Illusionen verloren würde ich nicht sagen, was aber so ein bisschen verloren gegangen ist und was sehr schade ist, aber was im Leben bei allem, was man länger tut, normal ist: Die Naivität geht verloren. Ich habe nicht die Gründe, Ideale oder Ideen verloren, warum ich Musik mache. Das ist immer noch dasselbe. Was ich über die Jahre verloren habe – natürlich auch durch meinen Job – ist der Glaube daran, dass das, was ich mache, jemals die Möglichkeit hat, im Großen zu funktionieren. Das, was wir machen, ist einfach sehr speziell. Wobei ich jetzt nicht sagen will, dass wir komplett speziell sind, ich sehe das einfach nur im Vergleich zu Mainstream-Bands. Es gibt keine Möglichkeit, das über ein gewisses Maß hinaus zu kommunizieren, in die Welt hinauszutragen. Sprich, ich war nie derjenige, der sich gedacht hat, die Welt ist hinterm Zillo, hinterm Orkus vorbei. Ich habe aber die Illusion verloren, dass es jemals die Bedingungen geben wird, dass Menschen außerhalb einer gewissen Bandbreite davon erfahren, was ich tue. Und das ist sehr schade, weil die Möglichkeiten, dass sie es erfahren können, heute besser denn je sind. Du kannst alles dafür tun, Menschen außerhalb einer Szene zu erreichen und dennoch passiert es nicht und das ist schon etwas frustrierend. Es gibt gewisse Mechanismen und Kontrolleure, die das einfach verhindern. Noch frustrierender ist, dass dies nur eine sehr kleine Zahl ist, aber leider an einer exponierten Stelle, an der man nicht vorbeikommt. Natürlich gibt es immer mal wieder einzelne Ausnahmen, aber es sind eben Ausnahmen.
Das Wissen, die Erfahrung, die Du jetzt im Gegensatz zu den Anfängen der Band hast, die verloren gegangene Naivität – hindert Dich das heute oder bewirkt es eher, dass du freier bist?
Es hat mich einige Jahre lang behindert – ab Ende der 90er bis 2003 würde ich sagen. Da hat mich das wirklich behindert, weil ich sehr stark so geprägt war zu denken: „Wenn ich jetzt eine Platte aufnehme, dann muss es doch damit irgendwie etwas werden. Das muss doch ein Ziel haben, warum die erscheint – was ist denn das Ziel?“ Irgendwie war da nichts mehr zu erreichen, ich würde nicht mit der nächsten Platte bei Rock am Ring spielen, nicht die Große Freiheit in Hamburg füllen, ich habe aber schon in der Markthalle gespielt, ich würde sie aber nie voll bekommen. Es würde immer nur so sein wie alles, was ich bisher schon gemacht habe. Ich habe da einfach kein Erfolgsziel mehr gesehen und irgendwann hat sich diese Frustration dahin gewandelt, dass ich mir einfach erlauben konnte zu machen, was ich will, weil es einfach kein Ziel mehr gab. Früher habe ich immer gedacht: „Jetzt habe ich so und so viel 1000 Platten verkauft, beim nächsten Mal muss ich aber doppelt so viele verkaufen.“ Es ist mir ehrlich gesagt egal, ob das Album mehr oder weniger verkauft als das letzte. Im Prinzip hat mich das Wissen und auch die Erkenntnis, dass es kein „The sky ist the limit“ für mich nicht gibt viele Jahre behindert, frei Musik zu machen. Aber irgendwann hat es auch dazu geführt, dass ich die freiste Platte seit unserer ersten Aufnahme eingespielt habe. Und das Resultat ist, dass ich so zufrieden bin wie noch nie.
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