Carcass
Gitarre spielen ist therapeutisch, ich habe noch nichts gefunden, was es für mich ersetzen könnte.

Interview

„Torn Arteries“ lautet der Titel des neuen Albums von CARCASS, das in sich die Stärken der Band bündelt und stilistisch irgendwo zwischen „Heartwork“ und „Necroticism – Descanting The Insalubrious“ liegt. Wir sprachen darüber im Interview mit Gitarrist Bill Steer.

Cover Artwork von CARCASS „Torn Arteries“

Mit „Torn Arteries“ habt ihr ein neues Album herausgebracht, 25 Jahre nach „Swansong“, dass das Ende der ersten 10 Jahre markiert, und 35 Jahre nach der Gründung von CARCASS. Wie fühlt ihr euch dabei?

Wenn du es so ausdrückst, ist es beängstigend! Aber ja, wir haben Glück, dass wir so weit gekommen sind. Es war eine interessante Reise. Das Hauptgefühl in der Band ist einfach die Erleichterung, dass dieses Album endlich das Licht der Welt erblicken wird.

Das neue Album ist nach einer Demo aus den Achtzigern eures ehemaligen Schlagzeugers Ken Owen benannt. Natürlich möchten wir mehr über dieses Demo wissen – was kannst du uns darüber erzählen und welche Verbindung besteht zwischen dem Album und dieser Demo?

Soweit ich mich erinnern kann, war „Torn Arteries“ der Name einer Kassette, die Ken gemacht hat, als wir noch Kinder in der Schule waren. Er benutzte ein paar alte Kassettenrekorder, eine billige spanische Gitarre und einige Bücher als Schlagzeug. Zu all dem schrie er in das kleine Kondensatormikrofon eines der Kassettenrekorder. Durch die Überspielung zwischen den beiden Geräten wurde alles stark verzerrt und bekam diese brutale, verdorbene Atmosphäre. Leider habe ich keine Ahnung, wo dieses Band jetzt ist. Vor einigen Jahren erwähnte ich die Aufnahme gegenüber Jeff (Walker, Sänger und Bassist, Anmerk. d. Verf.), und er fand die Idee so gut, dass er sie als Titel für das Album verwendete, an dem wir gerade arbeiteten.

Dann haben wir auf „Torn Arteries“ den Song „Flesh Ripping Sonic Torment Limited“, mit einem akustischen Intro (!), benannt nach dem ersten CARCASS-Demo „Flesh Ripping Sonic Torment“ von 1987! Und „Wake Up And Smell The Carcass / Caveat Emptor“ bezieht sich auf die Compilation „Wake Up And Smell The Carcass“ von 1996. Also – was sind die Verbindungen?

Es gibt eigentlich keine, außer dem Offensichtlichen – Jeff bezieht sich auf Elemente unserer Vergangenheit. Der Titel „Wake Up And Smell The Carcass“ geht weiter zurück als diese Zusammenstellung. Er wurde ursprünglich von einem Journalisten geprägt, der für eine Mainstream-Musikzeitung hier in Großbritannien schrieb. Eine kurze Zeit lang haben wir überlegt, ihn für das Album zu verwenden, das später zu „Swansong“ wurde.

Natürlich müssen wir wissen, was „Kelly’s Meat Emporium“ ist?

Soweit ich weiß, ist das der Name einer Metzgerei in Liverpool.

Was kannst du uns über das Songwriting für „Torn Arteries“ erzählen? Wie haben sich die Songs im Laufe der Zeit verändert und weiterentwickelt?

Dan (Daniel Wilding, Schlagzeuger, Anmerk. d. Verf.) und ich begannen etwa 2015-16 mit der Arbeit an ein paar Songs. Es klang alles recht vielversprechend, aber zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass es weitere Tourpläne für die Band gab. Es vergingen also noch ein paar Jahre – mehr Tourneen, mehr Festivals – und ehe man sich versah, war ein halbes Jahrzehnt vergangen… Und zu diesem Zeitpunkt war Jeff bereit, sich einzubringen, so dass alles eine Stufe höher ging. Mit etwas frischeren Ohren kehrten wir zu den Songs zurück, an denen wir schon vor ein paar Jahren gearbeitet hatten, und gaben ihnen ein paar Drehungen und Wendungen. Und dann haben wir uns an einen Haufen neuerer Stücke gemacht.

Wie siehst du die musikalische Entwicklung von CARCASS seit den Anfängen bis heute, wie siehst du „Torn Arteries“ verglichen mit eurer Diskographie?

Es ist schwer, diese Dinge objektiv zu beurteilen, wenn man so nah dran ist. Meiner Meinung nach hat sich jedes CARCASS-Album ein wenig vom letzten unterschieden. Und „Torn Arteries“ setzt diese Tradition fort. Meiner Meinung nach ist es die stärkste Aufnahme, die wir gemacht haben. Aber natürlich würde ich das sagen.

Wie wichtig ist für dich musikalische Freiheit und Entwicklung?

Ich würde sagen, das ist ziemlich wichtig. Letztlich hängt das von der Band oder dem Künstler ab, von der Art und Weise, wie sie Musik betrachten. Manche Leute wollen ein wenig experimentieren, andere halten sich lieber an die gleiche Formel. Aber wenn man über mehrere Jahre hinweg Platten macht, ist es doch ganz natürlich, sich weiterzuentwickeln.

Das Cover von Zbigniew Bielak, das Gemüse in Form eines Herzens zeigt, ist etwas Besonderes und vom japanischen Kusôzu beeinflusst, was so viel bedeutet wie „Gemälde der neun Stadien eines verwesenden Leichnams“. Was kannst du uns darüber erzählen?

Um ehrlich zu sein, weiß ich nur sehr wenig darüber. Jeff hat eng mit Zbigniew zusammengearbeitet, als wir uns in der Endphase der Aufnahmen befanden, und hat uns dann das fertige Werk gezeigt, als es fertig war. Einige Leute haben sich darüber beschwert, dass es nicht wie ein Metal-Albumcover aussieht, aber vermutlich war das von vornherein die Absicht.

Die Aufnahmen und die Produktion fanden zunächst für das Schlagzeug in Schweden im Studio Gröndahl statt, während die Gitarren im The Stationhouse in Leeds, England, aufgenommen wurden. Und dann Gesang, Bass und andere Gitarrenarbeit wieder im Studio Gröndahl. Wie kam es dazu und wie verlief der Aufnahme- und Produktionsprozess?

Dan war mit einer anderen Band bei einer Session im Gröndahl zu Gast und er war sehr beeindruckt davon, wie David Castillo das Schlagzeug aufnahm. Er schlug vor, dass wir dort die Grundspuren für das CARCASS-Album aufnehmen. In der Zwischenzeit hatte ich bereits zugesagt, die Rhythmusgitarren mit James Atkinson im Stationhouse aufzunehmen. Sobald sie fertig waren, wollte Jeff, dass wir für den Rest nach Schweden zurückkehren. Also ja, der Großteil der Aufnahmen – Schlagzeug, Gesang, Bass, Leadgitarren – wurde in Stockholm gemacht. Und auch die Mixe wurden dort fertiggestellt.

Insbesondere mit euren ersten Alben „Reek Of Putrefaction“ (1988) und „Symphonies Of Sickness“ (1989) habt ihr eine ganze Generation von Grindcore-Lunatics beeinflusst, die ihre eigenen Bands gründeten und extreme und kranke Musik spielten. Wie denkst du darüber und wie betrachtest du die frühen Werke deiner Karriere?

Wenn wir ein paar Bands beeinflusst haben, ist das großartig. Diese ersten beiden Platten scheinen ihre eigene kleine, treue Anhängerschaft zu haben. Es gibt sogar ein oder zwei Gruppen, die sich in diese Richtung orientiert haben. Danach sind die späteren Platten vielleicht etwas schwieriger zu imitieren.

Was hält das Feuer in dir am Brennen?

Ich spiele Gitarre – und spiele in Bands – seit ich ein Kind war. Das ist so ziemlich die einzige Konstante in meinem Leben. Ich kenne nicht wirklich viel Anderes. Gitarre spielen ist therapeutisch, ich habe noch nichts gefunden, was es für mich ersetzen könnte.

Welche Musiker und Bands haben dich in deiner Kindheit und Jugend geprägt und dazu gebracht, ein Instrument zu lernen und in einer Band zu spielen?

Da gibt es so viele. Wir gehen eigentlich bis in die frühen Achtziger zurück. Damals wurde ich zum ersten Mal auf Musik fixiert und begann, Platten von Leuten wie MOTÖRHEAD, DEEP PURPLE, AC/DC, JIMI HENDRIX, LED ZEPPELIN, BLACK SABBATH und so weiter zu kaufen. All diese Musik ist sehr gitarrenlastig, also wollte ich nach einer Weile ein paar Akkorde lernen und sehen, wie weit ich kommen würde.

Was habt ihr in nächster Zukunft alles geplant?

In diesem Stadium eigentlich fast nichts. In der gegenwärtigen Situation ist es ziemlich schwer, Pläne zu machen. Wenn sich die Dinge weiter verbessern und die Beschränkungen gelockert werden, wird es für uns leichter sein, einen Weg zu finden, wieder auf Tour zu gehen. Im Moment haben wir einen Termin Anfang November beim Damnation Festival in Leeds. Und ich habe gehört, dass für den nächsten Sommer ein paar europäische Festivaltermine gebucht sind. Hoffentlich können wir das bald nachholen.

Ich danke allen, die uns über die Jahre hinweg die Treue gehalten haben!

14.09.2021

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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