Carach Angren
Interview mit Ardek
Interview
CARACH ANGREN haben sich mittlerweile einen gewissen Status und eine standfeste Fanbase erspielt. Das liegt nicht zuletzt an ihren ausgeklügelten Kompositionen und an ihrem fulminanten Auftreten. Wer die Band schon einmal live gesehen hat, weiß die Atmosphäre der Shows zu schätzen. Anfang des Jahres haben die Niederländer ihr aktuelles Album „This Is No Fairytale“ veröffentlicht – ein wahrer Leckerbissen symphonischen Black Metals. Heute nahmen wir uns Ardek zur Brust und sprachen mit ihm unter anderem über Drinks mit FLESHGOD APOCALYPSE, das Summer Breeze, neues Material und die Entwicklung von CARACH ANGREN.
Hi Ardek! Seit dem Release von „This Is No Fairytale“ ist jetzt einige Zeit ins Land gezogen. Denkt ihr, die Platte ist gut angekommen?
Ardek: Im Februar ist der Release des Albums ein Jahr her und ich denke, dass „This Is No Fairytale“ den Leuten gefällt. Es ist in gewisser Weise anders als unsere vorigen Alben. Es ist immer schwierig – man möchte sich nicht wiederholen, doch man möchte sich auch nicht komplett von seinen Wurzeln trennen. Wir haben viele positive Reaktionen auf „This Is No Fairytale“ erhalten. Oft kam dabei die Direktheit der Platte zur Sprache. Wir wollten die Geschichte des Albums wie in einem Kinderbuch erzählen. Sehr direkt und ohne großen Spielraum für Fantasie und Interpretationen. Das Ergebnis gefällt uns sehr gut.
In der Tat habt ihr auf „This Is No Fairytale“ ein hartes Konzept bearbeitet. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, das Album in dieser Form umzusetzen? Worum geht es genau?
Ardek: Wir hatten schon seit einigen Jahren die Idee im Hinterkopf, ein „Fairytale“-Album aufzunehmen. Dieses Mal wollten wir unsere Idee umsetzen. Seregor und ich haben uns zusammengesetzt und darüber geredet, wie wir das genau machen wollen. Wir kamen zu dem Schluss, dass wir die Geschichte auf links drehen wollen. Im Original werden die Kinder von den in Armut lebenden Eltern im Wald ausgesetzt. Wir dachten uns: Was wäre, wenn eine bestimmte Situation gegeben ist, welche die Kinder zum Fliehen bewegt? Wir fanden die Idee klasse. Irgendwann rief Seregor mich an und meinte, er hätte die Geschichte für einen Song zusammen. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese Geschichte schon zu dem Zeitpunkt so weitgreifend war, dass man damit ein ganzes Album füllen konnte.
Ich habe zu der Zeit auch an neuem Material gearbeitet. Aus irgendeinem Grund war die Musik, die in dieser Zeitspanne aus mir heraussprudelte, sehr hart und negativ. Es waren nur wenige Melodien vorhanden und ich dachte: „Das ist es! So hat das zu klingen!“. Man folgt halt seiner Intuition. Wir haben uns nie direkt vorgenommen, das Album so zu schaffen, wie es letztendlich herauskam. Die Geschichte war unser Leitfaden
Eure Musik setzt sich generell aus vielen verschiedenen Facetten zusammen. Wie gestaltet sich das Songwriting bei CARACH ANGREN?
Ardek: Wir arbeiten seit Jahren sehr intensiv an unserer Musik. In der Regel folgt das Songwriting aber einem ähnlichen Muster: Ich komponiere die Grundstruktur der Songs, das Orchester, und füge diesem einige Drum-Rhythmen hinzu. Anschließend kümmert sich Seregor um die Gitarren. Er bringt die vielen Solos und Melodien über die Basiskomposition. Manchmal verändern wir noch ein paar Sachen am Orchester und im Anschluss kümmert sich Namtar um die Drumtracks – und stellt dabei gelegentlich alles auf den Kopf. Ich kann mich erinnern, dass ich bei einem Part für „This Is No Fairytale“ Blastbeats vorgesehen habe und Namtar mit einem komplett anderen Rhythmus daherkam, welcher viel besser war, als der ursprünglich gedachte.
Die Lyrics kommen zum Schluss, wobei ich die Geschichte bereits im Kopf habe, wenn ich die Grundstruktur des Songs komponiere. Das dritte Stück von „This Is No Fairytale“ dreht sich beispielsweise um die Flucht der Kinder. Ich dachte mir: Wie würde es klingen, wenn die Kinder die Flucht ergreifen, Angst haben und der Tod ihnen im Nacken sitzt? Ich saß am Piano und habe versucht, diese Angst musikalisch umzusetzen. Irgendwann kommt dann die Idee für ein Riff – welches allerdings nicht zwangsläufig auf dem Piano umgesetzt werden muss.
Und so haben wir bisher fast jedes Album in Angriff genommen. Es funktioniert in dieser Form sehr gut für uns.
Wie seht ihr eure musikalische Entwicklung von „Lammendam“ bis hin zu „This Is No Fairytale“?
Ardek: Das ist eine gute Frage. Ich denke, dass wir uns ganz natürlich entwickelt haben. Als wir „Lammendam“ geschrieben haben, und das ist immerhin fast zehn Jahre her, hätten wir uns nie träumen lassen, dass wir irgendwann dort stehen, wo wir heute sind.
Damals haben wir mehr Wert auf die einzelnen Riffs gelegt und uns nicht so sehr auf das Storytelling fokussiert. Mit der Zeit haben wir gemerkt, dass die Leute dieses Storytelling-Konzept mögen und uns gefällt es auch. So haben wir uns von Album zu Album mehr darauf konzentriert. Wir haben uns in unserer musikalischen Umsetzung von den Geschichten leiten lassen, nicht mehr andersherum. Früher haben wir die Stücke geschrieben und uns erst dann Gedanken über die Geschichte gemacht. Heute haben wir die Geschichte von vorneherein im Kopf und lassen uns davon beim Schreiben der Songs beeinflussen. Mit der Zeit sind wir darin viel besser geworden. Wenn man etwas zum fünften Mal macht, entwickelt man sich darin weiter. Mit diesem Konzept ist auch unsere Identität als Band gewachsen. Wir lieben „Lammendam“ zwar immer noch, doch wir würden nicht mehr auf die Idee kommen, ein Album genauso zu schreiben. Wir haben uns musikalisch, als Personen und als Band weiterentwickelt.
Mit „This Is No Fairytale“ ist es für uns so wie bei vielen Bands: Das neueste Album ist das, welches sie zu dem Zeitpunkt am meisten lieben. Man steckt seine neuen Fähigkeiten und Ideen in das neue Werk. Aus diesem Grund ist die Musik auf „This Is No Fairytale“ komplexer – auch wenn wir versucht haben, einige Catchy-Parts beizubehalten.
Ihr agiert seit eurer Gründung 2003 in derselben Bandbesetzung. Das ist vermutlich auch wichtig, um sich als Band weiterzuentwickeln und zu wachsen. Kam es dennoch schon einmal zu großen Streitereien und Auseinandersetzungen innerhalb von CARACH ANGREN, oder harmoniert ihr als Band derart gut
Ardek: (lacht) Ich denke es ist normal, dass man sich als Band von Zeit zu Zeit streitet. Klar gibt es auch bei CARACH ANGREN Reibereien. Doch im Großen und Ganzen würde ich sagen, dass wir gut harmonieren. Wir drei sind sehr unterschiedliche Charaktere. Jeder ist in etwas anderem gut. Für jede Band ist es eine Herausforderung, zusammenzuarbeiten. Wir haben aber einen guten Draht zueinander und wenn es Konflikte gibt, versuchen wir diese konstruktiv anzugehen. In der Regel klappt das auch.
Eine Band erfordert viel Arbeit. Man kann sich nicht hin und wieder in den Proberaum setzen und erwarten, dass etwas Großes dabei rauskommt. Man muss jeden Tag an der Band arbeiten und ein Auge auf seine Bandkollegen haben. Besonders auf Tour kann es sehr anstrengend werden und da ist es wichtig, dass man sich gegenseitig unterstützt. Mit der Zeit lernt man aber damit umzugehen und rückt als Band näher zusammen.
Richtig großen Krach hatten wir allerdings nie. Wir arbeiten auch aus diesem Grund nur in einer Dreierkonstellation. Ich denke, dass es in einer Band mit beispielsweise sechs Mitgliedern schwieriger ist, solche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Jeder hat seine eigenen Ideen, sein eigenes Ego und seine Probleme. Wir sind also froh, dass wir es zu dritt hinbekommen. Wir haben über die Jahre viel Unterstützung durch Freunde, Fans oder Musiker bekommen, die uns bei Live-Auftritten den Rücken gestärkt haben. Ohne diese Leute wären wir nie so weit gekommen.
Ich denke, das sorgt auch für euer Selbstbewusstsein während eurer Live-Shows. Ich habe euch vor ein paar Monaten auf dem Summer-Breeze-Festival in Deutschland gesehen. Wie fandet ihr die Show und das Festival? Euer Auftritt ist bei einem Großteil der Fans gut angekommen.
Ardek: Die Show war der Wahnsinn! Wir haben mitten in der Nacht gespielt und dennoch kamen so viele Leute um uns zu sehen. Das war super. Wir hatten einen unserer Live-Gitarristen – wir haben mehrere, da nicht jeder von ihnen immer und überall dabei sein kann – am Start und das hat die Qualität der Show gesteigert. Seregor konnte sich zur Gänze auf seinen Gesang und das Storytelling konzentrieren. Die Reaktionen auf den Auftritt waren durchweg positiv.
Das Summer Breeze ist ein großartiges Festival. Wir haben zum zweiten Mal dort gespielt und ich hoffe, dass wir diese Chance erneut bekommen.
Um beim Thema Festivals zu bleiben: Full Metal Cruise, Motörboat usw.: Das Konzept des Festival-Kreuzfahrtschiffes ist recht jung. Was haltet ihr davon?
Ardek: Wir werden nächstes Jahr auf dem 70000 Tons Of Metal spielen. Ich finde das Konzept verdammt cool. Für vier Tage ist man mit vielen Leuten auf diesem Schiff und da geht eine Menge verrückter Kram ab. Ich weiß nicht, was uns erwartet, doch es ist mal etwas anderes, eine neue Erfahrung.
Ihr wart vor Kurzem zusammen mit FLESHGOD APOCALYPSE auf Tour in Mexico. Wie war es denn?
Ardek: Es war großartig! Wir lieben Mexico. Wir sind letztes Jahr im November bereits mit BEHEMOTH dort aufgetreten und würden es jederzeit erneut tun. Außerdem sind FLESHGOD APOCALYPSE eine klasse Band. Den Leuten dort wurde also ein gutes Paket an harter Musik präsentiert. Wir sind zwar nur für vier Shows auf die Bühne gegangen, doch die Leute in Mexico sind sehr passioniert was die Musik angeht. Wir mussten für die Tour viele Reisen und Flüge in Kauf nehmen, doch es hat sich absolut gelohnt. Wenn man endlich vor den Fans steht und seine Show abliefern kann, vergisst man schnell, wie viel Energie man dafür aufbringen muss.
Da waren doch sicher auch einige Drinks mit FLESHGOD im Spiel, oder?
Ardek: (lacht) Aber selbstverständlich.
Viele eurer Shirts haben euch selbst als Motiv im Vordergrund. Hat das einen bestimmten Grund? Die Dinger scheinen ja wegzugehen wie warme Semmeln.
Ardek: (lacht) Das ist auch so eine Sache, die sich mit der Zeit entwickelt hat. Wir sind zwar eine Band, die Geschichten erzählt, doch haben wir auch ein starkes Image mit den Corpsepaints und Masken. Ich kann mich erinnern, dass das Cover von „Lammendam“ sich sehr von denen anderer Bands unterscheidete, als das Album released wurde. Dieses Tier mit dem Geist, welcher in seinem Auge auftaucht. Damals haben wir uns gedacht, dass wir uns selbst in den Vordergrund der Shirts stellen sollten, um uns den Leuten vorzustellen. Das hat gut funktioniert. Wir waren ja auch auf dem Cover von „Death Came Through A Phantom Ship“ zu sehen und den Leuten schien es zu gefallen.
Wir versuchen immer den schmalen Grat zwischen Ernsthaftigkeit und Humor zu bewahren, auch bei den T-Shirts. Zum Beispiel unser „You Came To The Wrong Forest Motherfucker“-Shirt: Wir hatten ein ernstes Album vorliegen und haben im Gegensatz dazu etwas Cooles und fast schon Lustiges auf das Shirt drucken lassen. Den Fans gefällt es – uns ebenso. Wir finden es klasse, dass wir in unserer Drei-Mann-Band unsere Identitäten haben. Die Leute erkennen uns. Sie denken sich: Das ist Seregor, der sieht so aus. Das ist Namtar und das ist Ardek. Das kommt gut an. Warum sollten wir es ihnen vorenthalten?
Besonders dieses „You Came To The Wrong Forest“-Shirt. Ich liebe das Teil.
Ardek: (lacht) Ja, das ist echt cool. Die Fans lieben es und besorgen sich das Shirt um uns zu supporten, damit wir weiterhin durchgedrehten Kram machen.
Wer entwirft eigentlich die Motive eurer Shirts? Macht ihr das selbst?
Ardek: Den Denkanstoß zu dem „Forest“-Shirt hat uns eigentlich ein Fan gegeben. Wir fanden die Idee klasse und wollten sie auf ein Shirt bringen. Das schlussendliche Motiv hat Eric Reynolds, ein Freund von uns, entworfen. Er kreiert die meisten unserer Shirt-Motive. So auch z.B das „Did You Like The Meat“-Shirt – ein Zitat aus dem Album, wo der Killer Gretel fragt, ob sie das Fleisch ihres Bruder essen möchte. Wir hatten dann die Idee, Seregor als Clown einzubringen. In der Regel kommen wir also selbst mit den Ideen daher und das Design übernimmt dann Eric.
Wann können wir mit neuem Material rechnen?
Ardek: Wir haben bereits angefangen, an neuen Songs zu arbeiten. Aber um dir konkrete Informationen zu geben, ist es zu früh. Wir möchten noch einige Shows mit dem aktuellen Album spielen. Das neue Material wird aber im Sinne der vorigen zwei Alben fortgesetzt. Leichen und Märchen. Außerdem wird es ein weiteres Konzeptalbum werden. Wir haben schon viele coole Ideen und lasst euch gesagt sein: Diese sind grauenerregend. Mir gefällt, was wir bisher zustande gebracht haben. Wir wollen uns genügend Zeit lassen, damit das Album gut wird. Viele Bands beenden eine Tour und stürmen direkt auf ein neues Album zu. Wir möchten nichts überstürzen und voll hinter dem Album stehen können. Wir wollen nicht, dass es sich nachher anfühlt, als wären es nur 70 Prozent. Wir wollen 100 Prozent, auch wenn das länger dauert.
Danke für das Interview, Ardek! Irgendwelche abschließenden Worte?
Ardek: Wir lieben Deutschland und wir lieben es, dort aufzutreten. Wir werden auf jeden Fall zurückkommen und freuen uns schon sehr darauf!