Caliban
"Wir haben uns mit der Vergangenheit beschäftigt"
Interview
Manchmal ist es gut, den Plan zu ändern. CALIBAN hatten einen Plan. Mit Betonung auf HATTEN. Erst ein neues Album, dann eine Tour, dann eine Special-EP. Was nicht ganz in den Plan passte, war eine weltweite Pandemie. Also musste umgedacht werden. Wenn nicht Album und Tour, dann zumindest die EP „Zeitgeister“, mit der uns die Band auf eine Art Zeitreise zurück schickt und Ausblicke auf kommendes Material gibt. Marc Görtz, der Mann für die Riffs und kreativer Kopf, erklärt uns wie, was zustande kam und warum das Ganze dann doch nicht so einfach war, wie ursprünglich gedacht.
Hallo Marc. Zuerst einmal Gratulation zum neuesten Release „Zeitgeister“.
Danke dir.
Ihr habt euch mit „Zeitgeister“ gegen die typische Variante, in der Corona-Zeit ein komplett neues Album zu veröffentlichen, entschieden, und bringt stattdessen eine EP mit neuen, alten Songs.
Das ist wirklich alles anders gekommen als geplant. Wir haben nämlich eigentlich ein neues Album in der Pipeline, welches im Oktober/November 2020 hätte veröffentlicht werden sollen. Wäre halt wieder eine englischsprachige Platte. Da wir aber in dem Zeitraum nicht touren konnten, haben wir die Veröffentlichung erstmal verschoben.
Die EP „Zeitgeister“ war eigentlich als Ad-On gedacht und zwar sollten erst die neuen Sachen rauskommen und dann die EP hinterher. Wir haben uns dann aber gedacht, dass jetzt nicht auch noch zu verschieben, weil keiner wusste, wie lang Corona jetzt noch anhält, sondern uns dafür entschlossen die EP im geplanten Zeitraum herauszubringen.
„….keine Angst wir bleiben englischsprachig..“
Deshalb finden sich auf „Zeitgeister“ bis auf einen neuen Song, das ganze neu bearbeitete Material. Und da kommen dann auch klar die Fragen, wie „warum singt ihr jetzt auf einmal auf deutsch und nicht auf englisch.“ Da sagen wir aber direkt „Keine Angst, wir bleiben englischsprachig. Das ist jetzt einfach mal wieder ein Special, welches wir machen wollten.“ Wir haben ja seit dem Rammstein-Cover immer mal wieder deutsche Songs eingespielt und das fanden wir immer ganz gut.
Dann hatten wir irgendwann mal ein Radiointerview in Berlin, Ewigkeiten her, aber da sagte der Radiomoderator, warum wir nicht einmal ein ganzes Album in deutsch machen, weil die deutschen Songs von uns auch immer gut bei den Hörern ankämen. Darauf haben wir dann herumgedacht, aber da wir eben auch mit dem englischen Songs international bekannt sind, war uns klar, dass wir jetzt nicht einfach alles komplett umswitchen konnten, und dafür aber lieber einen Special Release machen.
„…Was spielen die da für einen Quatsch..“
Wie es dann tatsächlich dazu kam, dass wir alte Songs verwendet haben, liegt ein bisschen an den Anfragen von älteren Fans, wo es dann hieß, wir würden gar nichts mehr von den alten Sachen spielen. Dann haben wir mal wieder ältere Sachen bei den Shows gespielt und das Publikum schaut einen fragend an (lacht). Ja, dann haben wir halt 1% der Fans glücklich gemacht, aber 99% wussten nicht worum es geht. Die dachten dann so: „Was spielen die da für nen‘ Quatsch??!!“ Das ist dann schon echt schwierig. Also haben wir gesagt, wir lassen was von den alten Sachen neu aufleben, so dass die Leute von früher, das vielleicht ganz cool finden aber auch die neuen Leute, weil es ja ein neuer Release ist, daran Gefallen finden. Wir fanden das als eine relativ interessante, und wie sich im Nachhinein herausgestellt hatte, große Herausforderung. Denn es war tatsächlich schwieriger das Ding zu machen, als das normale Album.
Warum schwieriger? Und warum genau diese Songauswahl für „Zeitgeister“?
Schwieriger in dem Sinne, das wir Anfangs gar nicht wussten, wie wir es angehen sollten. Wählt man es nach den Texten aus? Wählt man es nach der Musik aus? Wie nah bleibt man am Original. Da gab es dann auch Diskussionen innerhalb der Band. Zum Beispiel gab es die Idee, die Songs live im Studio einzuspielen und der Andy macht dann einfach den deutschen Text dazu. Das fand ich dann allerdings irgendwie zu unkreativ. Die alten Songs haben halt auch ihren alten Charme und sind gut so wie sie waren. Und dann das alte mit moderner Technik einfach nur neu aufzunehmen, hatte für mich keinen Reiz. Dann ging es um die Frage, wählen wir nach Text oder Musik aus. Ich war für Text, unser Sänger lustigerweise für die Musik. Dann ist es eine Mischung aus beidem geworden.
„…Wählt man nach den Texten aus?“
Wir wollten Songs haben, die eine gewissen Bezug und Wichtigkeit haben auf die aktuelle Zeit, was gerade so los ist, wie die Leute so drauf sind, wie z.B. „Intoleranz“. Deshalb haben wir diesen Song auch als erste Single, als erstes Video gewählt. Unsere Herausforderung war aber auch, dass wir Kleinigkeiten aus den alten Songs übernehmen wollten, so dass sie in neu dann auch einen Widererkennungswert haben. So dass der Song trotzdem neu ist, aber an den alten Song noch erinnert. Probleme gab es auch beim eins-zu-eins-übersetzen der Lyrics, was so gut wie gar nicht geht. Es klingt komisch, ist zu lang oder zu kurz, oder zu cheesy.
„…es war ein langer Prozess..“
Dann haben wir uns dazu entschlossen pro Song Kleinigkeiten zu übernehmen, textlich beim eigentlichen Topic zu bleiben, damit der Sinn der Lyrics erhalten bleibt. Das war ein relativ langer Prozess herauszufinden, wie man das am besten machen kann.
Ihr habt letztendlich noch einen neuen Track auf die EP gepackt. „nICHts“ ist schon ein mächtiger, düsterer Song. Geht es hierbei um Emotionen, Situationen, die ihr um euch wahrnehmt?
Man bekommt es schon öfter mit, dass einem Fans anschreiben und sagen „Mir geht es schlecht, aber eurer Song hat mir geholfen“. Zur Zeit kommen dann auch regelrecht Fragen dazu rein, was für uns eine Verantwortung darstellt, die wir so gar nicht tragen können. Wir werden teilweise nach Hilfe gefragt und versuchen in unsere Position dann auch das Richtige zu sagen. Wir bekommen das Thema schon sehr aus der Fangemeinde mit und deshalb ist auch etwas davon in den neuen Song geschwappt.
„…Wir werden nach Hilfe gefragt…“
Ich denke das neue Album ist auch düster und schwerer geworden. Dadurch, das wir das „Zeitgeister“ gemacht haben, ist das Ganze davon natürlich beeinflusst. Die letzten Alben („Gravity“, „Elements“) wird man sicherlich wiedererkennen in der neuen Scheibe, aber die Grundstimmung ist eine sehr düstere. Es ist härter. Vielleicht wirklich dadurch, dass wir uns so sehr mit der Vergangenheit beschäftigt haben und uns „Zeitgeister“ unbeabsichtigt doch sehr beeinflusst hat.
Denken CALIBAN denn schon ans Ruhiger werden, ans Aufhören?
Aktuell haben wir eher ganz viel Bock!! Ans Aufhören denken wir tatsächlich noch nicht, aber sicher sind wir ruhiger geworden. Wir würden jetzt keine fünf Touren à sechs Wochen mehr durchziehen, alleine schon aus familiären Gründen. Wir nehmen jetzt nicht mehr alles mit. Natürlich machen wir weiterhin Europa-Touren, Asien, Russland und die USA, wenn das wiederkommt, natürlich. Aber heute würden wir nicht mehr für sechs Wochen in den USA touren für 200$. Wir haben halt alle eine Verantwortung zu tragen, und sowas geht dann auch einfach nicht mehr. Ansonsten sind wir aber alle noch 100% CALIBAN.
„… Wir sind noch 100% Caliban…“
Ihr wurdet in einem Interview die Speerspitze des Metalcore genannt. Existiert für euch so eine Art Präsenzdruck, abliefern zu müssen, um weiterhin noch an der Spitze mitmischen zu können?
Eigentlich nicht. Wir haben das eigentlich immer so gemacht, wie wir es persönlich für richtig halten. Frei nach dem Motto: „So wir haben jetzt ein Jahr Pause gemacht, jetzt haben wir wieder Bock, jetzt könnten wir uns wieder an was Neues setzen.“ Das hat sich einfach bei uns so eingespielt. Das hat aber nichts damit zu tun, dass Management oder Plattenfirma uns da irgendwelchen kommerziellen Druck machen. Das hat sich von unserer Seite immer so in einem guten Zwei-Jahres-Rhythmus entwickelt.
Reden wir mal über die aktuelle Situation. Wie ist dein aktuellen Stimmungsbild zur Pandemie als Musiker. Kommen wir, wieder dahin zurück, wo wir mal waren?
Wir hoffen es natürlich. Was viele befürchten und was ich mir vorstellen könnte ist, dass einige Veranstaltungsbranchen die Preise erhöhen werden. Das ist so das, was ich in der letzten Zeit so gehört habe. Ich persönlich denke aber schon, dass sich die Situation mit den vermehrten Impfungen in ca. einem Jahr so einpendeln wird, dass ohne Probleme wieder Live-Shows möglich sein könnten.
„…Mist reinziehen und beim Impfen ‚Nein‘ schreien, muss man nicht verstehen…“
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einige Veranstalter festlegen werden, dass Zugang nur als geimpfte Person möglich ist, worüber einige sicherlich nicht so happy wären. Ich mache mir jetzt sicher ein paar Feinde, aber es gibt auch die Leute, die sich seit Jahren irgendwelchen Mist reinziehen und dann beim Thema Impfen „Nein“ schreien. Das kann ich dann natürlich nicht verstehen.
Thema Konsum. Herrlicher Übergang. Ihr habt zu „Zeitgeister“ einen kleinen „Zeitgeist“-Wein auf den Markt gebracht. Einen Riesling.
Daran war ich tatsächlich nicht beteiligt. Ich bin nicht daran Schuld (lacht). Nein, ich habe da wirklich nicht viel von mitbekommen. Das kam einfach so in unserer Whats-App-Gruppe auf, so „Wir haben da mal was vorbereitet, wir haben eine kleine Überraschung.“ Ich streame ja auch bei Twitch und ab dem Zeitpunkt, wo der Wein erhältlich war, kamen die Leute in den Stream und fragten mich, wie denn der Wein schmeckt und so. Ob Trocken oder süß. Und ich trinke ja keinen Alkohol, also null Ahnung, wie der schmeckt (lacht).
Kommen wir mal zurück zur Musik. Was inspiriert dich denn aktuell so, was dreht sich denn bei dir so auf dem Plattenteller?
Also wenn ich ehrlich bin, aktuell fast gar nichts. Weil, ich jetzt erst mit dem Album fertig bin und wenn ich ein Album schreibe versuche ich mich so weit es geht von fremder Musik fernzuhalten, so in meiner eigenen Blase zubewegen um mich nicht unbewusst soundtechnisch beeinflussen zulassen.
„…den Kopf so frei wie möglich zu halten..“
Klar, kann es immer passieren, das sich was ähnelt, weil man das Rad ja in dem Genre auch nicht komplett neu erfindet, aber ich versuche trotzdem meinen Kopf so frei wie möglich von anderen Einflüssen zu halten. Aktuell beschränkt sich dass dann eher auf Serien, Filme und Games und nicht auf Musik.
Du bist schon so ein Hardcore-Gamer, mit eigenem Kanal und allem Drumherum.
Ja total. Ich mache das halt seit dem in klein bin und zusätzlich, also den Kanal bei Twitch habe ich jetzt schon 3,5 Jahre ist es auch eine kleine zusätzliche Einkommensquelle, die gerade jetzt in Corona-Zeiten doch sehr zu Gute kommt. Durch Twitch kommt dann schon bisschen was herum was hilft um einigermaßen die Rechnung bezahlen zu können.
Das war es auch schon. Hast du noch letzte Worte an die metal.de-Leser?
Ok. Ich hoffe den Leuten gefällt das Album. Vor allem, dass die Leute dafür ein offenes Ohr haben, dass es jetzt mal in deutsch ist. Keine Gedanken machen, wir kommen wieder in englisch. Ich bin gespannt, was die Leute dazu sagen, wir haben uns auf jedenfall sehr viel Mühe gegeben und ich hoffe den Leuten gefällt es.