Bonded
Das Recht auf Bullshit

Interview

Exakt 742 Tage nach der Bekanntgabe der Trennung, haben die ehemaligen SODOM-Mitglieder Bernd „Bernemann“ Kost und Markus „Makka“ Freiwald mit ihrer neuen Band BONDED das Album „Rest In Violence“ herausgebracht, welches gute Resonanzen hervorrief. Deshalb haben wir uns mit den Thrashern zusammengesetzt und über die Trennung, die musikalische Weiterentwicklung und die Freiheit des Wortes gesprochen.

Fangen wir mit der obligatorischen Frage an: Was ist beim SODOM-Split passiert?

Bernemann: Eigentlich ist das eine ganz normale Entwicklung. Vor allem in den letzten Jahren wollte Tom stärker an die Anfänge anknüpfen, auch in der Setlist. Und ich fand das immer sehr schade, denn wir waren gerade mit der „Decision Day“ ziemlich erfolgreich und sind auch ziemlich kreativ. Wir wollten einen Kompromiss: Wir spielen die alten Klassiker und arbeiten auch an neuen Songs. Uns hat das Spaß gemacht und der Erfolg der „Decision Day“ hat uns da Recht gegeben.

Ich finde es langweilig, wenn ich gute Songs schreiben kann und mir dann immer krampfhaft vorstellen muss, dass ich in den Achtzigern lebe. Das ist nicht mein Ding. Natürlich verstehe ich die Fans, die die Klassiker hören wollen, das war auch nicht das Problem. Wir wollten zumindest eine gute Balance halten. In den letzten Jahren war es Toms Wunsch gewesen, sich stärker zurück zu besinnen. Das kann er ja auch machen. Wir haben keinen Streit gehabt. Das mit dem Geld, was einige Leute behaupten, ist auch Blödsinn. Es war einfach so: Tom fühlte sich da unverstanden, vermute ich, weil wir diesen Weg nicht mitgehen wollten. Dann muss ich aber auch damit leben, dass er ohne uns weitermacht. In dieser Hinsicht finde ich das nachvollziehbar. Was ich sehr schade finde ist, dass wir nach all der Zeit, die wir zusammen erlebt haben, uns erst noch in den Arm nehmen und uns einen guten Rutsch wünschen und er dann nicht mal ein offenes Wort reden kann. Selbst wenn er für sich festgestellt hat, dass es mit uns nicht weitergeht, dann hätte man das auch sagen können. Aber das war es auch. Ich bin da jetzt nicht sauer. Im Grunde war dieser Schritt wahrscheinlich notwendig, wenn er das so machen wollte.

SODOM live auf Zeche Zollverein, Essen, im Januar 2017

Wie hat sich der Split auf die Beziehung zwischen euch, Bernemann und Makka, ausgewirkt? Hat er euch näher zusammengeschweißt?

Bernemann: Natürlich hat er das. Wobei wir beide uns wirklich ewig kennen und schon immer zusammen stark waren. Wir haben ja auch die meiste Zeit alleine im Proberaum verbracht. (lacht) Heute wissen wir noch mehr zu schätzen, wie es ist, jemanden zu haben, der gnadenlos mitzieht. So gefordert waren wir vorher nicht.

Ich meine da schon die ein oder andere Spitze gegen Tom rausgehört zu haben. Da würde ich gerne wissen, ob eine Annäherung zu ihm stattgefunden hat.

Makka: Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir keinen Kontakt. Er hat uns einfach komplett gelöscht aus seinem Leben. Aber wir ihn dann auch. Wir haben tatsächlich versucht, mit ihm nach dem Split zu sprechen, aber es kam keine Reaktion. Und dann ist das auch für uns gegessen.

Bernemann: Im Endeffekt ist das aber auch kein Thema mehr für uns. Auf meiner „Best-friends-list“ ist er nicht mehr drauf, aber es ist auch nicht so, dass wir uns daran hochziehen. Das ist vorbei und das bringt ja auch nichts, jetzt wieder darauf rumzureiten. Das wollen wir auch nicht. Wir haben eine eigene Band, auf die wir uns konzentrieren.

Wie habt ihr die Band zusammengestellt?

Bernemann: Wir kennen die Lümmel halt schon lange. (Alle lachen.) Mark ist als Gitarrentechniker mit uns seit 2004 oder 2005 auf Tour gewesen. Chris kenne ich auch seit vielen Jahren. Und weil wir uns mögen, ist er bei uns auch Techniker geworden. Weil wir genau wissen, dass er professionell ist und das war uns auch wichtig. Dass wir uns nicht nur zwei tolle Musiker geholt haben, sondern auch zwei Menschen, mit denen wir prima auskommen. Bei denen wir seit vielen Jahren schon wissen, dass wir uns auf sie verlassen können. Das ist eigentlich der Idealfall. Uns kam nie die Idee, großartig zu casten oder irgendwelche Annoncen zu schalten. Das ist nicht unser Ding. Wir haben mit Mark und Chris zwei gute Musiker dabei, die gute Freunde sind und wir schon ewig kennen. Besser geht es nicht.

Wie hat sich die Arbeit an „Rest In Violence“ von der Arbeit an den letzten SODOM-Alben unterschieden?

Bernemann und Makka unisono: Gar nicht.

Makka: Der gleiche Prozess im Grunde. Berni schreibt die Riffs, dann kommt das Schlagzeug.

Bernemann: Wir arrangieren dann zusammen. Ich mache eine Basis mit den Riffs . Ich schick das an Makka. Bevor wir uns alle einig waren haben wir die Zeit genutzt um weiter Songs zu machen und haben zusammen arrangiert. Ein bisschen etwas umgeschmissen, als der Gesang kam. Aber unterschieden hat sich das überhaupt nicht. Es war exakt das, was wir auch vor 20 Jahren gemacht haben.

In der Pressemitteilung gab man sich zu ‚Godgiven‘ kryptisch. Es hieß, man könne reininterpretieren, was man will. Mit welcher Intention hast du den Text geschrieben, Ingo?

Ingo: Jetzt versuchst du mich festzunageln. (lacht) Der Song hat für mich eine sehr persönliche Message, die ich nur schwer bis gar nicht erklären kann und auch nicht mag. Aber ich habe trotzdem versucht, ihn von den Formulierungen so zu halten, dass man sich selber dazu Gedanken machen kann und sich gegebenenfalls auch mit ihm identifiziert. Für mich hat es mit zwischenmenschlichen Dingen zu tun.

Dann machen wir weiter. Wer ist der ‚Suit Murderer‘ ?

Ingo: ‚Suit Murderer‘ ist ein Ausdruck, der all die Big-Bosse, Politiker und Bänker beschreibt, die den Tod und das Elend anderer Menschen zur Profitmaximierung in Kauf nehmen. Der Anzug als solcher ist eine Art Maske. In erster Linie ist er nur ein Kleidungsstück, aber eine gewisse Elite wandet sich in ihm und ich habe einen Oberbegriff für solche Menschen gesucht. Man kann auch mal Tacheles reden, ohne in das übliche Polit-Propaganda-Horn zu stoßen, aber ich persönlich meine Leute wie Trump, Erdogan, Putin, Kim Jong-Un, die ich allesamt für sehr gefährlich halte. Menschen, die ein bewusst menschenfeindliches Programm fahren und schockierenderweise dabei erwischt werden, was ihnen egal ist. Die dürfen und können einfach weitermachen. Das ist so ein Ding, das mich schockiert und dazu habe ich eine klare Meinung. Und die kommt in Songs wie ‚Suit Murderer‘ raus.

Wobei du da vorsichtig im Song bist und deine eigene Meinung gerade auch als Polit-Propaganda gebrandmarkt hast…

Ingo: Sowas ist immer schwierig. Wir sind eine Thrash-Metal-Band und keine Polit-Punk-Gruppe oder ähnliches. Politik ist immer ein schwieriges Thema, ähnlich wie Religion. Das sind Dinge, mit denen man Leuten ganz schnell auf die Füße treten kann, teilweise auch unbewusst, wobei ‚Suit Murderer‘ das definitiv soll. Wer sich davon verletzt fühlt, muss zu dieser Riege auch irgendwie dazu gehören. Alle anderen Leute, die wissen, was ich damit meine, sind dann eher auf unserer solidarischen Seite. Wenn du damit meinst, dass ich nicht noch konkreter geworden bin, wie gerade im Interview, dann hat das auch damit zu tun, dass mir das zu platt ist. Ich möchte BONDED nicht dazu „benutzen“, um nur meine Meinung kund zu tun. Letztlich bin ich auch ein Sprachrohr der Band. Außerdem halte ich es für stilistisch ansprechender, wenn man Dinge nicht direkt beim Namen denkt, aber trotzdem jeder weiß, was gemeint ist.

Besprecht ihr in der Band auch die Texte?

Ingo: Jein. Es ist schon so, dass die Jungs sich dafür interessieren, was ich singe und worum es da geht, aber ich habe auch die Freiheit, dass zu machen, was ich möchte. Und letztlich ist es beim Songwriting so, dass man mit der Musik anfängt, dann krieg ich ne Blaupause, mach mir dazu Gedanken, in welche Richtung das geht und entwickle darüber den Text und meine Gesangslinien.

Ihr habt ja auch einen Song über den IS-Terror geschrieben, ‚Je Suis Charlie‘, und da würde mich interessieren, warum besonders dieser Anschlag auf Charlie Hebdo dich so getroffen hat.

Ingo: Weil das für mich die Initialzündung war, obwohl es vorher schon fundamentalistische Attentate gab, aber nicht auf diese Art, dass nicht-politische, nicht-militärische, also Menschen wie du und ich, Satiriker zu Schaden gekommen sind. Für mich ist damit eine absolute Grenze überschritten worden, denn die Freiheit, grundsätzlich sagen zu dürfen, was man möchte, ist mir sehr wichtig. Es ist ein Recht, welches wir uns in Europa über Jahrhunderte erkämpft haben. Und ich finde es schlimm, wenn ich mir überlege, dass wir durch solche Typen Gefahr laufen, diese Freiheit wieder zu verlieren. Es kann nicht sein, dass wir Angst haben müssen, vor die Tür zu treten. Es kann nicht sein, dass man Angst haben muss, das zu sagen, was man denkt. Das kann der größte Bullshit sein, das ist gar nicht der Punkt. Niemand anderes muss gut finden, was ich sage, aber ich muss grundsätzlich das Recht dazu haben. Und es kann nicht sein, dass irgendjemand, auch ein Staat nicht, aber speziell keine fundamentalistischen Attentäter dieses nehmen, weil sie auf so feige Art Menschen töten, die einfach ihre Meinung sagen.
Mich hat beeindruckt, dass die Franzosen da auch ein ganz klares Naturell haben, sonst wären die nicht am nächsten Tag mit zwei Millionen Menschen auf der Straße gegangen. Und ‚Je Suis Charlie‘ ist da einfach ein klares Solidaritätsstatement zur Freiheit und auch Solidarität dazu, dass zu sagen und zu sein, was man möchte, ohne dass man dabei mit dem Tode bedroht wird.
Die Wichtigkeit des Themas für mich kommt auch dadurch zustande, dass ich seit vier Jahren der Vater eines Sohnes bin und mir natürlich Gedanken darüber mache, in welcher Welt dieser Bursche aufwachsen wird, wie sie wohl sein wird. Und ich mache mir auch Sorgen darüber, dass er in einer Welt leben könnte, in der er nicht mehr frei seine Meinung sagen kann, ohne Repressalien oder sogar den Tod fürchten zu müssen. Ich werde alles tun und dafür kämpfen, dass mein Sohn in einer freien Welt aufwachsen wird, in der man das sein darf, was man möchte und auch anders sein darf. Das ist nicht schlimm. Ich war mein ganzes Leben lang auch anders.

In ‚The Rattle And The Snake‘ kam eine Mundharmonika zum Einsatz. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Makka: Das war eigentlich Ingos Idee. Er hat da so einen Touch von Western-Style erkannt und textlich geht es ja auch ein bisschen darum. Das passt da mit der Mundharmonika wunderbar herein. Wir haben zuerst gesagt: „Boah, lass den Müll“, aber dann fanden wir es super.

Ingo: Ich spiele aus Spaß ein bisschen Blues-Harp, hab auch ein Faible für Southern-Rock und ähnliches. Und ich fand es einfach witzig an der Stelle etwas anderes zu machen. Bisher haben wir von den Rezensionen den Eindruck bekommen, dass das ganz gut ankommt. Die Idee war also doch nicht so schlecht.

Das Tolle an ‚Rest In Violence‘ ist, dass es auch ein bisschen Abwechslung hat und ihr nicht die ganze Zeit straight durchzieht und man da Sachen hört, die man so nicht erwartet.

Ingo: Ich hoffe, dass das in diesem Fall nicht zu albern rüberkommt. Ich denke, dass es uns gelungen ist, die Mundharmonika so einzubetten, dass sich einige Thrash-Metaller an der Stelle ein Schmunzeln nicht verkneifen können. Es soll letztendlich ja Spaß machen. Es ist nur Musik. Aber natürlich soll es nicht lächerlich sein. Und das war am Anfang, als ich mit der Idee ankam, auch die Sorge, dass das passieren könnte. Anscheinend ist es mir gelungen, das einigermaßen umzusetzen.

Wie seht ihr die These, dass euer Sound eher an amerikanischen als an deutschen Bands angelehnt ist?

Bernemann: Ich kann da ganz gut mit leben. Bands wie EXODUS, TESTAMENT, MEGADETH sind uns da nahe. Das ist aber auch maßgeblich Ingo geschuldet, der mit seinem Gesang das ganze auch in diese Richtung schiebt. Die Einordnung überlasse ich anderen. Solange es den Leuten gefällt, können sie auch schreiben, dass das Teutonen-Thrash ist. Aber ich sehe mich eher in dieser Ecke als im Teutonen-Thrash.

‚No Cure For Life‘ fällt durch seinen melancholischen Unterton auf.

Bernemann: Ich mag schon immer, seit den frühen Neunzigern mit CROWS, so super verdrehte Akkorde, was die Songs melancholisch klingen lässt. Bei SODOM musste ich damit dann runterfahren, aber ich mag das sehr. Das klingt einfach mal ein bisschen anders als die typischen Power-Chords und so kriegt das ganze einen düsteren Touch. Ich steh da schon drauf.

Dann wollte ich noch ‚The Outer Rim‘ ansprechen. Ich fand es gut, dass ihr das als Finale gesetzt habt, auch nach den Bonus-Tracks. Was für eine Rolle spielt der Song für euch?

Bernemann: Wir wollen natürlich abwechslungsreich klingen, das ist für uns sehr wichtig. Wir wollten keinen langsamen Song erzwingen, aber wir hatten halt die Idee dazu. Ingo kam in die Band, als die Songs weitestgehend fertig waren und wir haben gesehen, dass auch so etwas mit ihm geht. Wir haben schon Bedenken gehabt: Ob wir jetzt zu viel riskieren und damit ein paar Leuten vor dem Kopf stoßen. Aber dann haben wir uns doch dafür entschieden, denn wir haben ja auch genug schnelle Nummern. Uns macht es Spaß, den Song zu spielen. Aber er polarisiert. Es gibt Leute, denen gefällt das, aber irgendwelche Old-School-Fanatiker halten sich den Finger in den Hals. Aber das ist egal. Wir sollten das machen, wozu wir stehen und was wir cool finden.

Und wovon handelt der Song, Ingo?

Ingo: ‚The Outer Rim‘ ist ähnlich wie ‚Godgiven‘ ein sehr persönlicher Text. Ich bin ein großer CROWBAR-Fan. Und CROWBAR war, gerade in schweren Zeiten bei Herzschmerz oder ähnlichen, eine Quelle der Kraft. Das war ein Ding, wo ich mich wiedergefunden, verstanden und aufgehoben gefühlt habe und natürlich habe ich den Wunsch, einigen Fans mit der Musik genau das geben zu können. Wenn mir das gelingt, und speziell ‚The Outer Rim‘ eine solche Nummer sein kann, dann habe ich mein Ziel erreicht. Es ist aber auch eine Nummer, wo viel Interpretationsspielraum bleibt, in welche Richtung es gehen soll. Ich finde es bei anderen Bands immer interessant, wenn man ein Lied hört und erstmal versucht, ihn zu verstehen, ihn auf seine eigenen Dinge bezieht und guckt, ob der mit mir etwas zu tun hat. Nicht nur im Sinne von Informationsübertragung, sondern auch in bezüglich Identifikation, wenn es persönlichere Texte sind. Da möchte ich unseren Hörern gerne die Freiheit lassen, zu überlegen, in welche Richtung das geht, da gibt es ja kein richtig oder falsch.

Ingo Bajonczak, Sänger von BONDED und ASSASSIN

Als Musikhörer finde ich es grundsätzlich interessant, die Perspektive des Texters einzubeziehen.

Ingo: Vielleicht kann ich diesbezüglich ein klares Statement an dich und alle anderen setzen: Ich habe in einem Kommentar auf Facebook zu unserer Platte etwas gelesen, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Da hat jemand geantwortet, dass er die Texte bislang noch nicht gelesen hat, sondern nur den Chorus von ‚To Each His Own‘ gehört hat und darauf hingewiesen hat, dass es nach seiner Meinung sehr leicht antisemitisch interpretiert werden könnte. Da ist mir das Mittagessen aus dem Gesicht gefallen, weil ich mich gefragt habe, wie der Mensch darauf kommt. „To Each His Own“ heißt „Jedem das Seine“ und ich habe relativ klar in den Sätzen von einer Abgrenzung gesprochen, im Sinne von „Jedem Tierchen sein Pläsierchen“. Es ist eben so, dass man es tolerieren muss, wenn andere Menschen Dinge machen, die man selbst nicht so cool findet oder nachvollziehen kann. Inwiefern man darin etwas antisemitisches interpretieren kann, ist mir beim besten Willen nicht aufgegangen und ich möchte hier nochmal klar sagen, dass ich definitiv gegen Nazis bin und definitiv kein Antisemit bin. Ich habe überhaupt kein Problem mit Menschen anderer Hautfarbe, Religion etc. Für mich sind Menschen in erster Linie Menschen und da spielt es keine Rolle, welche Hautfarbe oder welche Religion sie haben. Entweder, ich komme mit diesem Menschen klar oder nicht. Das ist für mich eine ganz normale Grundeinstellung und Weltansicht, die nichts besonderes ist, sondern etwas normales. Ich finde es schade, dass ich mich diesbezüglich nochmal klar positionieren muss. Lass dir von mir ganz klar bestätigen, dass ich kein Antisemit bin. Im Gegenteil, ich habe auf dem With Full Force den Stunt gebracht, mich mit so einem Nazi-Cop aus Schweden anzulegen, der die ganze Zeit judenfeindliche Sprüche gebrüllt hat, bis er mir so auf den Sack ging, dass ich zu ihm hingegangen bin und gesagt habe, dass ich jüdisch bin. Dann wurde er auf einmal ganz klein und sagte, dass er mich ja gar nicht gemeint hätte und es nicht offensiv gemeint war. Und ich fragte, was dann offensiv ist. Er verurteilt meine Religion, meine Familie, meine Leute, machte hier einen tierischen Wind. Wenn das kein Angriff ist, dann weiß ich auch nicht. Ich habe mir gesagt: „Stell dir vor, du wärst ein Jude in dieser Situation. Du würdest Angst haben und nicht einschätzen könntest, ob der Typ zuschlägt.“ Er hatte das Pech, dass ich keine Angst vor ihm hatte und ihm das klar gezeigt habe. Das sollte nochmal verdeutlichen, dass ich mit Sicherheit kein Antisemit bin.

Das zeigt aber auch eine grundsätzliche Gefahr von kryptischen Texten, dass es in die falsche Richtung gehen kann.

Ingo: Da hast du sicherlich Recht, aber das ist die Gefahr der Freiheit. Letztlich ist es ja ähnlich wie mit der Freiheit des Wortes, dass man damit auch den allergrößten Bullshit sagen darf. Ich bin gegen Zensur. Ich würde nicht auf die Idee kommen, den Leuten das Wort zu verbieten. Ich drehe mich um und gehe. Ich will mir so einen Quatsch nicht anhören und kann auch Stellung beziehen, wenn es darauf ankommt.

Kommen wir nochmal auf die Band zu sprechen. Der wesentliche Unterschied zu SODOM ist, dass BONDED eine Band mit gleichberechtigten Mitgliedern ist.

Bernemann: Das haben wir von Anfang an gesagt. Es ist scheißegal, wer einen Song schreibt oder sonst etwas macht. Wir teilen gleichmäßig, so ist das bei der GEMA angegeben. Das ist alles ganz transparent. Wir haben alle ganz normale Jobs und eine ähnliche Situation wie bei SODOM wollten wir von Anfang an verhindern. Dass die anderen nicht wissen, was wir bei Shows verdienen und solche Geschichten. Das gibt es bei uns nicht. Da weiß jeder, was in der Kasse ist. Wir haben ein Bandkonto, da kann jeder das sehen. Es ist egal, ob jemand mehr oder weniger macht. Alle Einnahmen werden gleichmäßig geteilt.

Findet ihr es dann schade, dass ihr beiden in der Außenwahrnehmung dominiert?

Makka: Nein, das war klar, dass wir erstmal im Fokus stehen. Der Bekanntheitsgrad ist da und die Leute fokussieren sich auf die Leute, die da gerade bekannt sind.

Bernemann: Das wird sich aber ändern. Man merkt das jetzt schon, wenn man in den Reviews liest, dann rückt der Sänger in den Fokus und das ist gut so. Ingo ist dann eigentlich das Gesicht und die Stimme von BONDED. Und auch Chris. Guck dir mal an, was der für Soli spielt. Im Moment ist das aber normal. Ich kenne diese Situation gut. Wenn wir mit SODOM ein Interview gemacht haben, dann hab ich stundenlang daneben gesessen und letztendlich hat der Tom geredet. Ich bin da gar nicht böse drauf. Aber ich denke, im Laufe der Zeit wird sich das auch ein bisschen ändern.

Ingo: Ich habe damit überhaupt kein Problem. Als Frontmann bin ich ohnehin bis zu einem gewissen Grad im Fokus und da genieße ich es gerade, mal nicht immer bei Interviews oder Fotos ran zu müssen.  Aber es ist nicht so, dass ich mich übergangen fühle. Was ich an BONDED u.a. sehr mag, ist die momentan sehr gute Stimmung. Die anderen Jungs kennen sich teilweise schon seit Jahrzehnten. Ich kenne die Anderen jetzt noch nicht so lange, aber wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Das passt zwischenmenschlich und musikalisch seit dem ersten Moment. Deswegen ist der Bandname BONDED so passend.

Wenn ich mal aus persönlichen Interesse fragen darf: Verfolgt ihr noch die aktuellen Thrash-Veröffentlichungen und was sind da eure Highlights?

Bernemann: DUST BOLT finde ich sehr geil und frisch. Da waren ein paar Sachen dabei, die mir persönlich gut gefallen. Ich mag keine Bands, wo es die ganze Zeit nur durchgeht, sondern auch von einem Song etwas hängen bleibt. Bei vielen Bands höre ich mir das an und finde es geil, aber nach zehn Minuten fängt es an, mich zu langweilen und wenn du mich dann danach fragst, was hängen geblieben ist: Nichts. Und da waren bei DUST BOLT ein paar Sachen dabei, das hat mir ganz gut gefallen.

Makka: Ich freu mich total auf eine neue DEATH ANGEL. Ich arbeite ja auch bei Century Media. Ich habe da auch täglich mit coolen Releases zu tun und kann mir da fast alles anhören. Das macht Spaß.

Ingo: Ich muss zugeben, so richtig informiert bin ich da nicht. Das liegt einfach daran, dass ich nicht genügend Zeit habe. Ich bin bei ASSASSIN eingebunden, habe mit BONDED im letzten halben Jahr viel um die Ohren gehabt, speziell weil es sich durch organisatorischen Zufall so ergeben hat, dass ich zwei Album-Produktionen in einem halben Jahr gleichzeitig fahren musste und dadurch eine Menge um die Ohren hatte. Ich geh nebenbei auch noch 38,5 Stunden regulär arbeiten und habe mittlerweile einen vierjährigen Sohn, der auch Zeit benötigt, die ich ihm auch gerne geben möchte und all das ist natürlich eine Hausnummer. Das hat auch dazu geführt, dass ich nicht mehr so gut informiert über die aktuelle Thrash-Szene bin.

29.01.2020
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