Bonded
Das Recht auf Bullshit

Interview

Dann machen wir weiter. Wer ist der ‚Suit Murderer‘ ?

Ingo: ‚Suit Murderer‘ ist ein Ausdruck, der all die Big-Bosse, Politiker und Bänker beschreibt, die den Tod und das Elend anderer Menschen zur Profitmaximierung in Kauf nehmen. Der Anzug als solcher ist eine Art Maske. In erster Linie ist er nur ein Kleidungsstück, aber eine gewisse Elite wandet sich in ihm und ich habe einen Oberbegriff für solche Menschen gesucht. Man kann auch mal Tacheles reden, ohne in das übliche Polit-Propaganda-Horn zu stoßen, aber ich persönlich meine Leute wie Trump, Erdogan, Putin, Kim Jong-Un, die ich allesamt für sehr gefährlich halte. Menschen, die ein bewusst menschenfeindliches Programm fahren und schockierenderweise dabei erwischt werden, was ihnen egal ist. Die dürfen und können einfach weitermachen. Das ist so ein Ding, das mich schockiert und dazu habe ich eine klare Meinung. Und die kommt in Songs wie ‚Suit Murderer‘ raus.

Wobei du da vorsichtig im Song bist und deine eigene Meinung gerade auch als Polit-Propaganda gebrandmarkt hast…

Ingo: Sowas ist immer schwierig. Wir sind eine Thrash-Metal-Band und keine Polit-Punk-Gruppe oder ähnliches. Politik ist immer ein schwieriges Thema, ähnlich wie Religion. Das sind Dinge, mit denen man Leuten ganz schnell auf die Füße treten kann, teilweise auch unbewusst, wobei ‚Suit Murderer‘ das definitiv soll. Wer sich davon verletzt fühlt, muss zu dieser Riege auch irgendwie dazu gehören. Alle anderen Leute, die wissen, was ich damit meine, sind dann eher auf unserer solidarischen Seite. Wenn du damit meinst, dass ich nicht noch konkreter geworden bin, wie gerade im Interview, dann hat das auch damit zu tun, dass mir das zu platt ist. Ich möchte BONDED nicht dazu „benutzen“, um nur meine Meinung kund zu tun. Letztlich bin ich auch ein Sprachrohr der Band. Außerdem halte ich es für stilistisch ansprechender, wenn man Dinge nicht direkt beim Namen denkt, aber trotzdem jeder weiß, was gemeint ist.

Besprecht ihr in der Band auch die Texte?

Ingo: Jein. Es ist schon so, dass die Jungs sich dafür interessieren, was ich singe und worum es da geht, aber ich habe auch die Freiheit, dass zu machen, was ich möchte. Und letztlich ist es beim Songwriting so, dass man mit der Musik anfängt, dann krieg ich ne Blaupause, mach mir dazu Gedanken, in welche Richtung das geht und entwickle darüber den Text und meine Gesangslinien.

Ihr habt ja auch einen Song über den IS-Terror geschrieben, ‚Je Suis Charlie‘, und da würde mich interessieren, warum besonders dieser Anschlag auf Charlie Hebdo dich so getroffen hat.

Ingo: Weil das für mich die Initialzündung war, obwohl es vorher schon fundamentalistische Attentate gab, aber nicht auf diese Art, dass nicht-politische, nicht-militärische, also Menschen wie du und ich, Satiriker zu Schaden gekommen sind. Für mich ist damit eine absolute Grenze überschritten worden, denn die Freiheit, grundsätzlich sagen zu dürfen, was man möchte, ist mir sehr wichtig. Es ist ein Recht, welches wir uns in Europa über Jahrhunderte erkämpft haben. Und ich finde es schlimm, wenn ich mir überlege, dass wir durch solche Typen Gefahr laufen, diese Freiheit wieder zu verlieren. Es kann nicht sein, dass wir Angst haben müssen, vor die Tür zu treten. Es kann nicht sein, dass man Angst haben muss, das zu sagen, was man denkt. Das kann der größte Bullshit sein, das ist gar nicht der Punkt. Niemand anderes muss gut finden, was ich sage, aber ich muss grundsätzlich das Recht dazu haben. Und es kann nicht sein, dass irgendjemand, auch ein Staat nicht, aber speziell keine fundamentalistischen Attentäter dieses nehmen, weil sie auf so feige Art Menschen töten, die einfach ihre Meinung sagen.
Mich hat beeindruckt, dass die Franzosen da auch ein ganz klares Naturell haben, sonst wären die nicht am nächsten Tag mit zwei Millionen Menschen auf der Straße gegangen. Und ‚Je Suis Charlie‘ ist da einfach ein klares Solidaritätsstatement zur Freiheit und auch Solidarität dazu, dass zu sagen und zu sein, was man möchte, ohne dass man dabei mit dem Tode bedroht wird.
Die Wichtigkeit des Themas für mich kommt auch dadurch zustande, dass ich seit vier Jahren der Vater eines Sohnes bin und mir natürlich Gedanken darüber mache, in welcher Welt dieser Bursche aufwachsen wird, wie sie wohl sein wird. Und ich mache mir auch Sorgen darüber, dass er in einer Welt leben könnte, in der er nicht mehr frei seine Meinung sagen kann, ohne Repressalien oder sogar den Tod fürchten zu müssen. Ich werde alles tun und dafür kämpfen, dass mein Sohn in einer freien Welt aufwachsen wird, in der man das sein darf, was man möchte und auch anders sein darf. Das ist nicht schlimm. Ich war mein ganzes Leben lang auch anders.

In ‚The Rattle And The Snake‘ kam eine Mundharmonika zum Einsatz. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Makka: Das war eigentlich Ingos Idee. Er hat da so einen Touch von Western-Style erkannt und textlich geht es ja auch ein bisschen darum. Das passt da mit der Mundharmonika wunderbar herein. Wir haben zuerst gesagt: „Boah, lass den Müll“, aber dann fanden wir es super.

Ingo: Ich spiele aus Spaß ein bisschen Blues-Harp, hab auch ein Faible für Southern-Rock und ähnliches. Und ich fand es einfach witzig an der Stelle etwas anderes zu machen. Bisher haben wir von den Rezensionen den Eindruck bekommen, dass das ganz gut ankommt. Die Idee war also doch nicht so schlecht.

Das Tolle an ‚Rest In Violence‘ ist, dass es auch ein bisschen Abwechslung hat und ihr nicht die ganze Zeit straight durchzieht und man da Sachen hört, die man so nicht erwartet.

Ingo: Ich hoffe, dass das in diesem Fall nicht zu albern rüberkommt. Ich denke, dass es uns gelungen ist, die Mundharmonika so einzubetten, dass sich einige Thrash-Metaller an der Stelle ein Schmunzeln nicht verkneifen können. Es soll letztendlich ja Spaß machen. Es ist nur Musik. Aber natürlich soll es nicht lächerlich sein. Und das war am Anfang, als ich mit der Idee ankam, auch die Sorge, dass das passieren könnte. Anscheinend ist es mir gelungen, das einigermaßen umzusetzen.

Wie seht ihr die These, dass euer Sound eher an amerikanischen als an deutschen Bands angelehnt ist?

Bernemann: Ich kann da ganz gut mit leben. Bands wie EXODUS, TESTAMENT, MEGADETH sind uns da nahe. Das ist aber auch maßgeblich Ingo geschuldet, der mit seinem Gesang das ganze auch in diese Richtung schiebt. Die Einordnung überlasse ich anderen. Solange es den Leuten gefällt, können sie auch schreiben, dass das Teutonen-Thrash ist. Aber ich sehe mich eher in dieser Ecke als im Teutonen-Thrash.

‚No Cure For Life‘ fällt durch seinen melancholischen Unterton auf.

Bernemann: Ich mag schon immer, seit den frühen Neunzigern mit CROWS, so super verdrehte Akkorde, was die Songs melancholisch klingen lässt. Bei SODOM musste ich damit dann runterfahren, aber ich mag das sehr. Das klingt einfach mal ein bisschen anders als die typischen Power-Chords und so kriegt das ganze einen düsteren Touch. Ich steh da schon drauf.

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29.01.2020

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