Blind Guardian
"Mit Herz und Seele kann ich sagen: Das ist ein Klassiker!"

Interview

Die Krefelder Vorzeige-Tüftler BLIND GUARDIAN würdigen den 25. Geburtstag ihres großen Klassikers “Imaginations From The Other Side” in einer speziellen Dreifach-Jubiläums-Edition. So bot sich die Gelegenheit, mit Sänger Hansi Kürsch in Erinnerungen zu schwelgen. Doch nicht nur in der Retrospektive war der liebenswürdige Fronter so redselig, dass wir den Zeitplan für dieses Interview völlig überzogen haben: Am Ende ließ sich Hansi sogar pikante Details zum neuen, 2021 erscheinenden Album entlocken. Für den Autoren dieser Zeilen glich es einem wahr gewordenen Kindheitstraum – sind BLIND GUARDIAN doch wie so oft der erste Zugang zum Metal gewesen und bleiben die große konstante Liebe in der Welt der harten Gitarrenmusik. Hansi und ich sind uns jedenfalls einig: “Imaginations From The Other Side” ist essentiell; ist ein Klassiker, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Das Original-Cover stammt von Andreas Marschall.

Hansi, zunächst mal die Frage, ob es euch zur Zeit gut geht. So wie ich euch kenne, dachte ich mir, dass ihr zumindest die gewonnene Zeit durch Corona noch intensiver zum Tüfteln im heimischen Studio nutzen konntet, da ihr ja gerade an einem neuen Album arbeitet.

Ja und nein. Es ist so, dass wir uns auf jeden Fall mit Herz und Seele in die Produktion rein begeben haben. Was die Kreativität angeht: Die haben wir für neue Sachen erstmal nach hinten gestellt. Da das, was wir gerade machen, also unser nächstes “richtiges” Album, jetzt erst mal Priorität hat, ist es für uns ganz gut, nicht auf Tour gehen zu müssen.

Wir wären aber eh nicht auf Tour gegangen, von daher ist es nicht ganz so schlimm. Ich kenne ’ne Menge Leute die häufiger auf Tour sind, als wir es mit BLIND GUARDIAN sind. Für die ist es natürlich schwierig und wenn wir ’ne Tour geplant hätten, dann wäre es ein absoluter Albtraum. Aber so gucken wir nur aufs nächste Jahr und denken “Okay, eventuell wird es da auch nicht besser.” Die Hoffnung stirbt ja zuletzt.

Für uns hieß es nur „Okay, wir haben noch ein bisschen mehr Zeit; wir können mehr Zeit in die Produktion investieren“ und das machen wir in vollem Umfang, sieben Tage die Woche und kommen gut voran. Wir haben durch unser Studio den Vorteil, dass wir uns nicht auf der Pelle hängen müssen und können uns, wenn es Vorschriften gibt, an diese Vorschriften halten.

Da würde ich später noch mal drauf zurückkommen und mich erst mal mit dir über 25 Jahre “Imaginations From The Other Side” unterhalten, wenn das für dich okay ist.

Ja, klar.

1995 war ich ca. drei Jahre alt, aber wie man so sagt, hat seinerzeit niemand groß einen Pfifferling auf traditionellen, melodischen Metal, wie ihr ihn spielt, gesetzt. Euch scheint das nicht groß interessiert zu haben. Wie war eigentlich die zeitgenössische Resonanz auf das Album? Hat es sofort gezündet oder hat es erst etwas gedauert, bis das Album bei Presse und Fans richtig “angekommen” ist?

Wie du gesagt hast, haben wir uns da nie wirklich Gedanken drum gemacht, was gerade angesagt ist, oder nicht. Wir sind auf einer Erfolgswelle geschwommen und die hat uns vielleicht auch etwas vor Arroganz blind gemacht. Wir sind mit stolz geschwellter Brust in das Songwriting und die Aufnahmen zu “Imaginations From The Other Side” gegangen. Von daher war es auf der Künstlerseite für uns überhaupt nicht spürbar, dass es da Trendveränderungen gegeben hat. Wir waren natürlich durchaus mit NIRVANA oder PEARL JAM vertraut und wir wussten, dass eine Band wie SEPULTURA und die harten Sachen halbwegs einen Run hatten. Aber vieles ist, glaub ich, auch im Empfinden der Leute verfälscht dadurch, dass die ganz großen, also IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST und OZZY OSBOURNE durch… ein Tal der Tränen gegangen sind, was teilweise auch selbst verschuldet war. Sprich: Line-up-Wechsel wurden vorgenommen, die Alben sind nicht ganz so toll gewesen. Wenn die Flaggschiffe leiden, hat man schnell den Eindruck, die ganze Szene leidet.

Aber neben uns waren auch Bands aktiv – ich nenn’ jetzt einfach mal NEVERMORE, die auch mit uns getourt sind oder ICED EARTH und GAMMA RAY – die sehr gute Alben veröffentlicht haben und von Erfolg zu Erfolg größer und größer geworden sind. Wir hatten dieses Momentum auf unserer Seite und haben es genutzt. Als Fan hab ich es genauso empfunden. Vieles von dem, was da so an neuen Sachen passiert ist, mochte ich auch: NIRVANA, PEARL JAM oder auch SOUNDGARDEN waren Bands, die ich gut fand, die aber überhaupt keinen Einfluss hatten auf meinen musikalischen Werdegang. Durch diese, ich nenne sie mal “Alternativ-Metal-Fans” kam ein bisschen so das Naserümpfen in Richtung “Normaler Metal”. Mit denen hatten wir aber gar nichts zu tun. Wir hatten eine eingeschworene “Metal-Gemeinde”, es gab auch genug Metal-Zeitschriften, die erfolgreich gewesen sind: Metal Hammer, Rock Hard, Heavy oder was!? und wie sie alle hießen und noch viele mehr. Die hatten alle ’ne ganz gute Zeit gehabt, insofern kann’s so schlimm nicht gewesen sein. Die Szene selbst hat sich nur immer mehr aufgesplittet, deswegen entstand so’n bisschen der Eindruck, da ist gerade eine Durststrecke. Wir haben die, wie gesagt, als Fans nicht wahrgenommen und als Künstler erst recht nicht.

Der Sprung, den wir verkaufstechnisch von “Somewhere Far Beyond” zu “Imaginations From The Other Side” gemacht haben, war super immens. Wir waren mit der “Somewhere…” in Deutschland und in Japan von den Verkaufszahlen her schon im Mainstream angekommen und konnten das mit “Imaginations…” exorbitant nach oben ausgestalten und sind im Rest der Welt doch wesentlich stärker wahrgenommen wurden. Unsere europäischen Erfolge mit “Imaginations…” waren wegweisend und andere Märkte wie Süd-Amerika sind gleich mit aufgesprungen.

Bei uns hat es deswegen insgesamt etwas länger gedauert, weil wir zunächst mit No Remorse bei einem Indie-Label waren und dann erst zum Major-Label Virgin gegangen sind. Major-Companies signen aber nur, wenn sie an kommerziellen Erfolg glauben, den wir dann auch hatten, sodass wir relativ lange, bis Mitte der 2000er, bei der Virgin geblieben sind. Es war auch eine gute Zeit, aber Major-Companies werden dich nicht auf Markt X oder Y veröffentlichen, wenn sie in dem Markt keine kommerzielle Chance wittern, da hast du keine Chance. In Nord-Amerika war das bei der Virgin zunächst eben nicht so, sodass wir zunächst da auch über die “Imaginations…” hinaus erst etwas aufgehalten wurden. Aber wenn wir insgesamt in der Zeit nicht erfolgreich gewesen wären, hätte uns die Virgin ohne groß mit der Wimper zu zucken auch aus dem Vertrag entlassen.

Konntet ihr den “fehlenden” Erfolg in Nord-Amerika aufholen oder findet ihr, da geht noch was?

Ja, da geht noch immer was, das ist das Gute an Nord-Amerika. Für uns ist es sogar so, dass Nord-Amerika immer wichtiger geworden ist und Märkte, die sich anders entwickelt haben, weil da Metal tatsächlich nicht mehr die Gewichtung hatte, dadurch kompensiert werden konnten.

Dadurch, dass wir erst Anfang 2000 ungefähr in Amerika Fuß fassen konnten, haben wir natürlich extrem viel Zeit verloren, die wir gern schon zu Zeiten von “Imaginations From The Other Side” gehabt hätten, das kann man schon sagen.

BLIND GUARDIAN in den Neunzigern backstage mit NEVERMORE

Ich denke, wir sind uns alle darüber einig, dass “Imaginations From The Other Side” ein unumstößlicher Klassiker ist. Ich habe mich gefragt, was eigentlich einen Klassiker ausmacht, und bin auf die folgenden Kriterien gekommen: Zum einen natürlich die Abwesenheit von schwachen oder auch nur unschlüssigen Momenten auf einem Album. Darüber hinaus gilt aber noch eine nicht ganz in Worte zu fassende Formvollendung, die über die reine Musik hinausgeht und das Zusammenspiel von Produktion, Artwork und die Dramaturgie, die durch die Tracklist entsteht, umfasst. Auch das zeichnet “Imaginations…” aus.

Ist euch die Anordnung der Songs damals leicht gefallen oder gab es eine Art “missing link”, bei dem ihr zunächst nicht weiter wusstet?

Ich weiß nicht mehr, ob’s uns schwer gefallen ist. Ich weiß nur noch, dass wir immer nach Geschmack gegangen sind und eben auch eine gewisse Dramatik aufbauen wollten. Das ist uns ganz gut gelungen, vielleicht, weil wir uns bei den Alben davor nicht großartig vertan hatten. Vielleicht auch deshalb, weil die Nummern einfach gut miteinander interagieren und man gar nicht so auf diese konkrete Reihenfolge angewiesen wäre. Vielleicht würden die Songs auch anders funktionieren, wenn man ein paar Ankerpunkte beibehält: Ich glaube schon, dass “Imaginations…” als Opener wichtig war, genau wie “And The Story Ends” als finaler Song.

Bis einschließlich “Somewhere Far Beyond” haben wir Alben für Vinyl produziert und noch nicht für CD. Das beinhaltet natürlich, dass wir immer in A- und B-Seite gedacht haben. So wären auch “The Script For My Requiem” und “Mordred’s Song” gute Nummern, um die Seiten jeweils zu beenden oder zu eröffnen. Vielleicht waren das unsere Fixpunkte bei der Songreihenfolge. Wo ich aber so drüber nachdenke, gefällt mir zum Beispiel “I’m Alive” an zweiter Stelle schon besser als “Born In A Mourning Hall”, obwohl man die beiden etwa hätte tauschen können.

Ein Glücksfall beziehungsweise “missing link” war “Bright Eyes”. Wenn André [Olbrich, Lead-Gitarrist und neben Hansi Kürsch Hauptsongwriter bei BLIND GUARDIAN – d. Verf.] während der Produktion nicht krank geworden wäre [bei dem Gitarristen wurde während der Aufnahmen ein seit der Geburt im linken Arm eingeklemmter Nerv festgestellt, der unverzüglich operiert werden musste – d. Verf.], hätten wir “Bright Eyes” nicht zu Ende bringen können. Das ist eine der ungewöhnlichsten Nummern auf dem Album und auch wegweisend, für das, was dann später passiert ist und entwickelt ein ganz eigenes Universum auf dem Album. Wir hatten jedenfalls diese Nummer noch zum Experimentieren offen und waren eigentlich überhaupt nicht glücklich, als wir diesen Song im Studio aufnehmen “mussten”, weil wir gerne noch ein bisschen Zeit investiert hätten. Ich bezweifle, dass wir’s besser gemacht hätten. Marcus [Siepen, Rhythmus-Gitarrist] und Thomen [Thomas Stauch, ex-Drummer] waren diejenigen, die gesagt haben “Super Nummer, das ist’n Hit!”

Der Zufall wie auch die perfekt zum Album passende Produktion von Flemming Rasmussen spielen also auch eine Rolle. Rückblickend für mich muss ich mit vollster Überzeugung sagen, dass das Album heute veröffentlicht den gleichen Erfolg haben würde. Deswegen kann ich mit Herz und Seele sagen, dass das Album ein Klassiker ist. In den Nummern ist einfach Zeitlosigkeit. Klar, es ist Metal. Wenn du Metal nicht magst, wirst du die Scheibe nicht mögen, egal, ob es 1995 der 2020 ist. Aber wenn du Metal magst, wirst du etwas finden, dass dir wahrscheinlich gefällt und dich auch längere Zeit beschäftigt.

Da du gerade Flemming Rasmussen erwähnst: Wärt ihr denn zu “Somewhere Far Beyond”-Zeiten hinsichtlich Arbeitsweise und Mindset schon bereit für eine Rasmussen-Produktion gewesen?

Von der Arroganz nach “Tales From The Twilight World” her schon (Gelächter). Im Hinblick auf die Erfahrungen, die wir dann im Studio sammeln durften, wäre es definitiv zu früh gewesen. Kalle Trapp war genau der richtige Produzent für “Somewhere Far Beyond” auch, wenn er aus unserer Sicht “Fehler” gemacht hat. Was letztlich aber dazu geführt hat, dass wir uns Gedanken gemacht haben, wer unsere Philosophie versteht, um groß rauszukommen. Da war Flemming Rasmussen genau der Richtige und das haben wir Kalle auch so kommuniziert. Wie gesagt, alle vier Alben, die er mit uns gemacht hat, sind auch genau richtig produziert gewesen, abgesehen von kleinen Details auf dem “Somewhere…”-Album. Für Kalle als Vaterfigur war es vielleicht auch erstmal schwierig zu sehen, dass da auf einmal eine emanzipierte Band steht, die selbst weiß, wo der Hase lang läuft. Dass dem nicht so war, haben wir dann dank Flemming gelernt.

Um zu deiner Frage zurückzukommen: Bei der “Somewhere…” wären wir mit dem, was uns bei Flemming an Präzision abverlangt wurde, gnadenlos auf die Schnauze gefallen. Die Präzision hatten wir noch nicht und hätten sie auch nicht erzeugen können, selbst wenn wir uns total angestrengt hätten. Die “Somewhere…”-Songs brauchten möglicherweise auch noch dieses Rohe, Analoge, was Kalle perfekt produzieren konnte.

BLIND GUARDIAN von ihrer modisch besten Seite auf Tour 1995.

Ihr habt ja “Imaginations From The Other Side”, wie auf der beiliegenden DVD zu sehen ist, schon in Gänze live gespielt und habt das nächstes Jahr – wenn alles gut geht – auch mit “Somewhere Far Beyond” vor. Wie ist es für euch, so ein älteres Album am Stück zu spielen? Ist es schwieriger, weil die Dynamik einer Live-Show ganz anders funktioniert als die Dynamik eines Studioalbums?

Theoretisch lassen sich unsere ersten fünf Alben am Stück live spielen. Ob das bei “Battalions Of Fear” oder “Follow The Blind” wirklich Sinn ergibt, sei mal dahin gestellt. Aber ab “Tales From The Twilight World” könnte man das machen. Ich muss sagen, gerade als Sänger entsteht daraus eine etwas einfachere Form der Performance, denn trotz allem befindest du dich innerhalb eines Zeitgeistes. Da ist zum Beispiel die Range des Gesangs ähnlicher. Das führt dazu, dass es eher einfacher ist, die Songs vom gleichen Album am Stück hintereinander zu singen. Ich find’s wesentlich schwerer von einer Nummer wie “The Ninth Wave” [2015 – d. Verf.] zu einer Nummer wie “Banished From Sanctuary” [1989 – d. Verf.] zu switchen.

Das geht nicht mit allen Alben. Bei “A Night At The Opera” zum Beispiel, wo alles high-pitched und gleichzeitig aggressiv ist, wird’s schon schwieriger. Aber die “Imaginations…” ist ein sehr dankbares Album, weil es dir viele Freiräume in der Interpretation, wie Oktavsprünge oder Wechsel zwischen den Harmonien, lässt. Die “Somewhere…” sehe ich relativ relaxed, aber irgendwann steht uns sowas auch mit “Nightfall In Middle-Earth” bevor und da wird es gerade für mich auch schon sportlicher.

Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen: “Imaginations…” dürfte so ziemlich das letzte eurer Alben sein, das sich ohne Abstriche von vorn bis hinten live umsetzen lässt, oder? Obwohl sich “Nightfall…” aufgrund der Theatralik ja geradezu anbietet.

Ist tatsächlich so, nach der “Imaginations…” wird’s schwierig, wie man auch an unseren Live-Sets sehen kann. Einen Song wie “Noldor” haben wir noch nie live gespielt, “The Curse Of Feanor” bisher nur angefangen. Wobei wir für “The Curse Of Feanor” inzwischen auch einen Weg gefunden haben, die Nummer umzusetzen. [Endlich! – d. Verf.] Aus diesen Gründen sind Songs wie “When Sorrow Sang” und “Thorn” auch immer hinten angestellt. Aber auch das wird irgendwann passieren, weil es mit der “Imaginations…” wirklich viel Spaß gemacht hat. Auch die “Somewhere Far Beyond” machen wir jetzt nicht, weil wir es müssen, sondern weil wir wirklich Bock drauf haben.

Ein bisschen was von dem Feuer nimmt man dann auch immer mit ins Songwriting für das nächste Album. Es wäre zwar zum Scheitern verurteilt, wenn wir jetzt noch mal genau so ein Album wie “Somewhere Far Beyond” machen wollten, aber – das kann ich jetzt schon mal übers neue Album sagen – ein bisschen was von der erneuten Arbeit an “Imaginations From The Other Side” hat schon abgefärbt.

Ein anderer Vorteil ist, dass langjährige Fans mal wieder selten live gespielte Songs hören können, wie zum Beispiel “Theatre Of Pain” oder “When Sorrow Sang”.

Stimmt. Das wollen wir aber so oder so ändern. Wir machen uns schon Gedanken darüber, welche Nummern man mal rein nehmen könnte, um das Set ein bisschen aufzufrischen. Wobei der Eindruck häufig falsch ist: Wir sind in den letzten Jahren meist so mit 40-50 Songs um die Welt gezogen. Auf der anderen Seite gibt es 10 – 20 Songs, die zu den absoluten Fan-Favorites gehören, die wir selten oder nie live gespielt haben. Du sagtest gerade “Theatre Of Pain” und da wird mir gerade etwas mulmig. Den Song haben wir, glaube ich, nur auf dem Coburg-Festival 2002 gespielt und es war super schwer. Das sind Songs, wo ich vom Publikum… sehr viel Liebe brauche. Ich bleibe aber dabei, nichts ist unmöglich und die “Somewhere…” wird auf alle Fälle eine gute Erfahrung.
Ich bin auf alle Fälle auch gespannt auf Sachen von “Beyond The Mirror” [bislang letztes BLIND-GUARDIAN-Studioalbum von 2015 – d. Verf.]. Wir haben auf der letzten Tour zum Beispiel “Grand Parade” nicht gespielt, obwohl das Andrés All-time-favorite von BLIND GUARDIAN und generell ein sehr starker Song ist.

Wir überziehen ja leider schon etwas. Bevor ich dann zum Schluss kommen möchte: Du hast eben schon das Album erwähnt, an dem ihr gerade arbeitet. Ich war von der ersten Single “Violent Shadows” etwas überrascht, weil du im Zuge der Veröffentlichung des TWILIGHT-ORCHESTRA-Albums “Legacy Of The Dark Lands” in einem Interview mal meintest, ihr würdet auch mit dem regulären nächsten BLIND-GUARDIAN-Album tendenziell eher orchestraler, als thrashiger werden.

Es wird ein sehr intensives Album, so viel kann ich sagen. Wir sind definitiv NICHT sinfonischer geworden. Mein Eindruck war mit “Legacy Of The Dark Lands”, dass wir mit der orchestralen Phase endgültig fertig sind und es in den nächsten Jahren bei uns um eine Neuausrichtung gehen wird. Es wird eher in Richtung Speed Metal gehen als die Sachen seit “A Night At The Opera”, aber ich möchte auch keine falschen Erwartungen wecken. Wir gehen nicht zurück in die Neunziger. Wir sind einfach nur wieder etwas schneller und haben weniger Schnickschnack dabei. Ansonsten sind es neue, individuelle Songs, die vielleicht manchmal an Älteres erinnern, aber letztlich immer nach vorne gerichtet sind.

“Violent Shadows” wird sich auf dem Album nicht groß anders anhören, außer dass es etwas mehr Text hat und an manchen Stellen eine zweite Gitarren- oder Gesangsstimme. Aber es ist auch von den Layern längst nicht so voll, wie irgendein Album, was wir seit “Nightfall In Middle-Earth” gemacht haben, weil es die Songs einfach nicht benötigen. Die Songs sprechen eine härtere Sprache und das leben wir auch aus. Du hast schon eine Menge progressives Kopf-Zeug dabei. Es ist kein “Geradeaus-Album”. Aber es wird ein hartes und sehr schnelles Album mit genügend Hooklines, sodass unsere Fans hoffentlich happy sind. Wir haben uns über die Jahre auch immer mehr den Dur-Harmonien geöffnet, was bis, sag ich mal, 2000 eher ungewöhnlich für uns war. Auch das ist in den Songs nicht verpönt.

Häufig wechseln wir im hohen Tempo von binären Parts in triolische, wie auch bei “Violent Shadows”. Das Feeling ist dadurch… wenn das im Studio noch präzise eingespielt wird, klingt das auch zackiger. Es gibt die epischen Momente – wir haben auf dem Album eine Nummer namens “Destiny”… aber auch die ist verspielter und weniger orchestral. Es sind auch klassische Elemente drin, aber ich weiß noch nicht mal, ob die vom Orchester aufgenommen werden müsse. Die Nummer hat ansonsten auch Freiraum in Richtung Freestyle und die Gitarren-Arrangements erinnern mich, wenn sie ein bisschen cleaner gespielt sind, an RUSH, obwohl es nicht RUSH ist.
Man kann schon ein hartes BLIND-GUARDIAN-Album erwarten, aber erwartet nicht von uns, dass wir uns zu weit zurückdrehen, oder irgendwie wie 1995 klingen.

Nee, das wäre wiederum ein ziemlicher Stilbruch für euch. Hansi, das war ein wunderschönes Schlusswort und ein sehr interessanter Ausblick. Ich könnte noch Stunden Fragen dazu stellen, aber ich habe langsam Mitleid mit dem Kollegen, der wahrscheinlich nach mir in der Leitung sitzt.

Hab lieber Mitleid mit mir! (Gelächter) Ich hoffe, wir quatschen irgendwann mal wieder.

Das hoffe ich auch.

 

Quelle: Hansi Kürsch
19.12.2020

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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