Blind Guardian
Interview mit Hansi Kürsch zur Single "Fly"

Interview

Was haben eine Fußballweltmeisterschaft und BLIND GUARDIAN gemeinsam? – Beide kommen nur alle vier Jahre. 2006 hat gerade erst begonnen, Deutschland ist im Fußballfieber und BLIND GUARDIAN schicken mit der Single „Fly“ einen Vorboten zum im September anstehenden nächsten Album vorweg, der unter Fans eine ebenso große Begeisterung verursachen dürfte, wie das runde Leder. Vier Jahre sind eine lange Zeit, doch besonders das vergangene Jahr hatte es mit einem Labelwechsel, dem Ausstieg von Urgestein Thomen Stauch und der Neubesetzung des Trommlerschemels ganz schön in sich. Der Wind bläst in die Blinden Gardinen und treibt sie zu neuen Ufern. Mit Hansi Kürsch unterhielt ich mich über die Single, das heiß erwartete neue Album, darüber wie es klingen wird, über Musik und einiges mehr.

Hi Hansi, wie geht’s Dir?

Haha, gut geht’s! Wir hatten gerade Karneval hier.

Ja, wat is mit Karneval? Warst Du unterwegs?

Ach, ich hab da nicht soviel mit zu tun. Ich bin am Sonntag mit meiner Frau und meinem Sohn auf einem Vorort-Karnevalszug gewesen und wir haben ein paar Süßigkeiten eingesammelt. Und das war im großen und ganzen mein Karneval. Ist aber auch OK, die letzten Wochen und Monate waren anstrengend genug. Da braucht man nicht so diesen Frohsinn. Das hab ich zwar sowieso noch nie übertrieben, aber jetzt schon ziemlich lange nicht mehr aktiv dran teilgenommen.

Also bist du kein Köln-Pilger?

Ja, wenn überhaupt, würde ich mir vielleicht mal den Kölner Karneval ankucken. Das ist schon ein bisschen anders und etwas besonderes. Traditioneller, lustiger, größer. Ich glaube, da hast Du von allem etwas, wobei der Rest schon ein wenig langweilig rüberkommt. Wobei ich jetzt nicht sagen könnte, dass ich mir bei irgendwelchen Karnevalsveranstaltungen auf die Schenkel klopfen müsste oder so. Man muss da auch entsprechend vorbereitet sein. Eine gewisse Promillezahl solltest Du da sicher nicht unterschreiten.

Das mag durchaus stimmen. Geht’s Dir denn wieder gut? Du warst ja eine Weile krank und musstest pausieren.

Ja, mir geht’s wieder gut. Es war jetzt auch nicht so, dass ich eine großartig schlimme Krankheit gehabt hätte. Es war im Endeffekt ein relativ normaler Virus, der aber einfach ein Pausieren mit sich bringt. Wenn man dann wieder zu früh anfängt, beinhaltet das immer das Risiko eines Rückschlags. Deshalb lässt man sich da ein bisschen Zeit. Wir haben vier Wochen pausiert – oder drei Wochen sogar nur – und die hab ich gut genutzt. Danach war ich gesund und hab zu Beginn des Jahres wieder mit dem Singen angefangen. Lief auch super. Wir sind gesangstechnisch an und für sich mit dem Album durch.

Wie hat sich das auf den Release ausgewirkt?

Der Release ist von April oder Mai auf September verschoben worden. Ein genaues Datum kenne ich nicht, aber ich gehe mal davon aus, dass Nuclear Blast den erstmöglichen Septembertermin wählen werden, da wir ab der zweiten Septemberwoche schon auf Tour in Deutschland sind, und das Album dann sinnigerweise schon draußen sein sollte.

Würde durchaus Sinn machen, zugegeben!

Würde Sinn machen, ja, haha! Wir haben diesmal sogar vor – oh Wunder! – ein paar Songs zu spielen, die auf dem Album sein werden. Glücklicherweise haben wir die Single jetzt vorab und könnten die Nummern präsentieren. Die sollten den Leuten dann auch geläufig sein.

Das denke ich schon, da die Single ja auch ziemlich eingängig ist. Am Anfang musste ich zwar kurz schlucken, aber nach ein paar Durchläufen entwickelt sich der Song wirklich zum Ohrwurm!

Du bist da nicht der Einzige, dem es so gegangen ist. Wir haben schon eine etwas provokantere Nummer gewählt, die auch ein Statement ist, die wir allerdings auch für gut genug gehalten haben, dass sie dem standhält. Zumindest dem geneigten Hörer, der nicht beim ersten Mal sagt ‚oje, dat is total nix für mich‘. Ich glaube, dass sich ein Großteil unserer traditionellen Fans mit den neuen Nummern identifizieren können wird.

Was die Single angeht auf jeden Fall. Die ist auf jeden Fall wieder einfacher als „A Night At The Opera“.

Ja, es ist einfacher. Es ist nicht ganz so kompakt, sagen wir so. Es ist schon sehr tricky, was in den einzelnen Passagen abgeht, nur wirkt es ein bisschen transparenter und deswegen wahrscheinlich auch einfacher für den Hörer. Generell kann man glaube ich sagen, dass wir auf dem Album ziemlich starke Refrains ausgearbeitet haben. Also zumindest aus meiner Sicht, und das ist eigentlich immer ein ganz gutes Zeichen. Das hilft eben dann, den Rest eines sonst sehr verschachtelten Songs genießen zu können. Wenn man weiß, dass irgendwann dieser fulminante Refrain kommt, der die Nummer trägt. Wobei „Fly“ dafür jetzt nicht so dermaßen repräsentativ ist, da es schon als Gesamtwerk dasteht.

Du meinst das Album als Gesamtwerk?

Nein, ich meine jetzt die Nummer an sich. Das Album so oder so, aber die Nummer basiert jetzt nicht unbedingt darauf, dass Du nur auf den Refrain warten müsstest. Sie entwickelt sich permanent und hat gerade in den Mittelsektionen dann auf einmal die earcatchy Parts.

Absolut! Ich finde die Strophen fast interessanter als den Refrain an sich.

Ist komisch, ja. Ich weiß, glaube ich, was Du meinst. Der Refrain – bzw. der Pre-Chorus – ist schon sehr gelungen. Einige Leute haben damit logischerweise die meisten Probleme, da es nicht diesen BLIND GUARDIAN Bombast und nicht diese BLIND GUARDIAN Fantasie hat, die man normalerweise erwarten würde. Deshalb fallen einige Statements in der Mitte mehr ins Gewicht, weil die dieses Screamige, Euphorische, BLIND GUARDIAN-mäßige haben.

War der zweite Song, „Skalds And Shadows“, dann eher, um zu beschwichtigen und zu zeigen ‚wir sind immer noch BLIND GUARDIAN‘, oder warum habt Ihr den ausgewählt?

Eher, um zumindest ansatzweise schon die Bandbreite des Albums darzustellen. Uns ist schon ziemlich früh in der Produktionsphase aufgefallen, dass man so eine Konstellation – also „Fly“ und „Skalds And Shadows“ – wählen würde, um damit ein ähnliches Konzept zu fahren, wie seinerzeit mit „Imaginations From The Other Side“ und „A Past And Future Secret“. Das hatte damals auch genau den Effekt, den wir erzielen wollten. Nämlich, dass die Leute neugierig geworden sind, und sowohl das Alte als auch das Neue schon etwas dargestellt bekommen haben. So ähnlich sieht’s jetzt auch aus. Uns war von vorne herein eigentlich nur bewusst, dass „Fly“ unseres Erachtens nach die Nummer mit dem Hauptaugenmerk sein sollte, und sie deshalb auch an eins gesetzt, während wir damals noch gesagt haben ‚OK, wir gehen den Mainstreamweg und setzen „A Past And Future Secret“ auf eins‘.

Würdest Du sagen, dass „Fly“ auch im gesamten Albumkontext heraussticht?

Ja, weil er einfach gut ist, haha! Subjektiv ist mein Empfinden: wir haben drei Nummern, die qualitativ auf dem gleichen Level wie „Fly“ sind, und auf der gesamten Platte ist keine Nummer, die auch nur im Ansatz Lückenfüllercharakter hat. Mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen. Das ist natürlich auch immer vom Empfinden des Hörers abhängig, aber wir haben sehr kompakt und qualitativ sehr gleichbleibend stark gearbeitet. Deswegen dauert das bei uns auch so lange. „Fly“ ist für die gewagteren Nummern repräsentativ.

Hattet Ihr aus Deiner Sicht jemals Füllnummern auf Euren Alben? Es hieß ja einmal, dass, wenn Ihr einen Song rückgängig machen könntet, das „Wizard’s Crown“ wäre.

Ja, aber das war keine Füllnummer. Momentan wüsste ich auch gar nicht, warum ich den noch mal neu machen sollte. Ich würde das sogar widerrufen, haha! Dafür lieber andere Sachen verbessern, die schlechter sind als „Wizard’s Crown“. „Wizard’s Crown“ ist ein Song aus der aller ersten LUCIFER’S HERITAGE Phase. Er steht natürlich für die blutjunge Songwritingphase. Da würde ich gar nichts dran ändern. Wir haben seltenst Lückenfüller dabei, aber es gibt immer Songs, die nicht ganz fertig waren, oder die während der Produktion an Qualität verloren haben. Und genau das ist diesmal nicht gegeben. Wenn ich mir jetzt z.B. eine Nummer wie „Wait For An Answer“ vom „A Night At The Opera“ Album anhöre, muss ich sagen: die Nummer ist zwar gut geworden, sie war von der ursprünglichen Auslegung her aber noch stärker. Die wäre unter BLIND GUARDIAN Fans mit Sicherheit auch ein Tophit geworden, aber da haben wir uns während der Produktion ein wenig verrannt. Alte Beispiele wären z.B. „Fast To Madness“ oder „Hall Of The King“ von der „Follow The Blind“. Das sind Nummern, die nicht ausgereift sind, und die ich noch eher als „Wizard’s Crown“ als Nummern bezeichnen würde, die ich rückgängig machen und noch einmal komplett überarbeiten wollte. Wenn ich jetzt zurückblicke, gibt es auf jedem Album mindestens einen Song, wo man sagen könnte ‚da ist beim Songwriting oder in der Produktion irgendwas falsch gelaufen‘. Diesmal hab ich das Gefühl, dass wir mit dem Songwriting fertig waren, bevor wir die Produktion angefangen haben, und das Album damit noch einmal zwischen fünf und zwanzig Prozent nach oben gehievt haben.

Worum geht’s denn bei dem Album eigentlich? Ist es wieder ein Konzeptalbum?

Nein, es werden verschiedene Themen aufgegriffen, die irgendwo zwischen Fantasy, Mythologie und realitätsbezogenen, poetischen, lyrischen Ansätzen liegen.

Und von der musikalischen Seite her? Wenn Du ein Mischungsverhältnis aus Euren bisherigen Alben festlegen müsstest – falls das möglich ist –, was käme dann in den Topf?

Ich würde es auf jeden Fall schon einmal als perfekten Spagatsprung zwischen Alt und Neu bezeichnen, und würde sagen, es ist zu 30% „BLIND GUARDIAN neu“, zu 25% eine Fortführung von „A Night At The Opera“ und dann… was hab ich dann noch? Dann hab ich noch 45%. Dann würde ich sagen: 20% Anlehnung an „Nightfall In Middle-Earth“, 20% Anlehnung an „Imaginations From The Other Side“ und 5% an die ursprünglichen Roots.

Wo siehst Du dann „Fly“ in diesem Verhältnis?

„Fly“ gehört auf jeden Fall zu den Songs, die zukunftsorientiert sind. Aber da sind Elemente drin, die mich zumindest auch an „Imaginations…“ erinnern.

Warum seid Ihr eigentlich jetzt zu Nuclear Blast gewechselt? Seit ich denken kann wart Ihr immer bei Virgin. Wie kam es nun zum Wechsel?

Wir wollten weg von den Major Companys. Man hat uns zum Glück gehen lassen. Wir waren nicht ganz zufrieden mit der Art, wie die DVD promoted worden ist, da sind ein paar Sachen einfach schief gelaufen. Nuclear Blast haben sich einfach am besten präsentiert. Die haben zum einen im Vorfeld mit NIGHTWISH, DIMMU BORGIR oder MANOWAR bewiesen, dass sie es können. Zum anderen haben sie auch den ambitioniertesten Eindruck im Bezug auf BLIND GUARDIAN gemacht. Ambitioniert in dem Sinne, was sie mit uns erreichen wollen.

Was gibt es denn für Euch noch zu erreichen?

Wir haben viel erreicht, aber es gibt Bereiche, wo man ganz klar sieht, dass wesentlich mehr drin gewesen wäre. Das predigen uns Leute aus dem professionellen Umfeld seit Mitte der Neunziger. Wir wären allerdings früher nie aus dem Vertrag herausgekommen. Deshalb war es sinnlos, darüber zu diskutieren. Es gab immer bestimmte Ansätze, wo man gesehen hat, dass wir auf weltweiter Ebene für die EMI und auch für die Virgin keine First Priority waren. Das ist bei Nuclear Blast anders. Das wäre sicher bei Century Media oder bei SPV auch anders gewesen. Aber wie gesagt: bei den Unterhaltungen, die wir mit den Firmen hatten, kamen Nuclear Blast als die Ambitioniertesten rüber.

Kann man denn als Metal Band bei einem Major Label First Priority sein?

In verschiedenen Ländern waren wir relativ nah dran. Von daher denke ich: ja, man kann. Es gibt dann natürlich auch Länder, wo es vielleicht schwieriger werden würde. Aber es ist für uns dann sehr enttäuschend zu sehen, dass es Länder gibt, wo entsprechend Power gemacht und ein Resultat erzielt wird – Spanien oder Deutschland als Beispiele. Und dann gibt es auf der anderen Seite Länder, wo man sieht, dass bis zum Mainstream Breakthrough eigentlich nicht viel fehlt, die Firma aber einfach nicht mitspielt. Da gab es mehrere Länder, unter anderem Schweden, wo es immer so war. Das ist dann schon enttäuschend. Aber die Länder, in denen es gut läuft, zeigen schon, dass man unter Umständen auch bei einer Major Company First Priority sein kann.

Es müsste ja eigentlich auch im Interesse des Labels liegen, die Band zu pushen.

Und genau das ist bei diesem Riesenmerger Virgin/EMI – und was weiß ich, wie viele Labels da noch mit drinhingen – nicht mehr der Fall gewesen. Wenn Du so willst, wurde dort nur noch verwaltet. Dadurch, dass die den Apparat dann gesundgeschrumpft haben, war er zu klein, um das komplette Künstlerrepertoire dementsprechend zu promoten. Dadurch hat natürlich ein Robbie Williams oder auch IRON MAIDEN auf einmal eine ganz andere Gewichtung bekommen, sodass BLIND GUARDIAN in der Relevanz einfach nach unten gerutscht ist. So haben wir das zumindest empfunden und konnten glücklicherweise eine Regelung finden.

Findest Du, dass generell zu viel veröffentlicht wird?

Ja. Aber das gilt nicht nur für Metal, sondern für jede Art von Musik. Da wird eben versucht, Qualität durch Quantität aufzuwiegen. Dieser Weg kann nie richtig sein. Es scheint aber Leute zu geben, die ein Interesse an bestimmter Musik und bestimmten Bands haben, und den Firmen dadurch anscheinend recht geben, sodass mit einem Umdenken erst einmal nicht zu rechnen sein wird. Zu unserer Zeit, Mitte der Achtziger, als es schwer war, einen Plattenvertrag zu kriegen und Platten zu verkaufen, konntest Du mit einem Demo noch Leute erreichen, die das Demo auch gekauft haben. Heute muss jede Band im Demostadium ihr Zeug auf eine Homepage stellen, damit es die Leute überhaupt downloaden, wenn sie Bock haben. Das ist natürlich eine ungünstige Entwicklung, die aber auch damit zusammenhängt, dass man eben alles umsonst kriegt und tausend kleine Bands schon einen Deal haben, etc. pp.

War Euer Vertrag eigentlich so gestaltet, dass er Euch die lange Zeit zwischen den Alben gelassen hat?

Ja, da sind eigentlich alle Plattenfirmen – egal ob Major oder Indie – sehr kulant. Wenn Du als Band diese Zeit brauchst und unter Beweis stellst, dass die Zeitabstände gerechtfertigt sind, dann hast Du eigentlich nicht so viele Probleme. Wir wären logischerweise selbst gerne schneller fertig geworden. Und wir sind für unsere Verhältnisse diesmal auch relativ schnell gewesen, weil wir ja doch ein paar Rückschläge hinnehmen mussten. Sei es jetzt Thomens Ausstieg oder die Suche nach einer neuen Plattenfirma. Wobei das nicht unbedingt ein Rückschlag war, sondern einfach zeitintensiv. Natürlich waren auch das BLIND GUARDIAN Festival, die DVD und das Livealbum, die veröffentlicht worden sind, sehr zeitintensive Sachen, sodass wir nicht wirklich die kompletten vier Jahre fürs Songwriting zur Verfügung hatten. Das war in der Vergangenheit anders. Deshalb muss man sagen, dass es diesmal doch relativ schnell ging. Probleme mit den Plattenfirmen hatten wir diesbezüglich aber noch nie. Eher mit dem Geldbeutel, haha!

Hast Du nebenbei noch einen Job?

Nee, wir sind Anfang der Neunziger professionelle Musiker, die auch keinen Zweitjob machen. Allerdings muss man dazu sagen, dass wir uns, bis auf eine ganz kurze Zeitspanne Mitte der Neunziger, immer selbst gemanagt haben, und da natürlich auch entsprechend viel Arbeit anliegt, die aber dafür sorgt, dass in der Gruppenkasse letztendlich ein wenig mehr Geld ist, sodass man mittlerweile recht passabel leben kann. Logischerweise hat keiner in der Band die Rente schon durch und logischerweise kann sich keiner von uns einen Porsche oder noch teurere Autos leisten. Aber es funktioniert.

Das nächste Thema – Du hast es schon angesprochen: die Geschichte mit Thomen. Wie kam es zu seinem Ausstieg?

Wir haben uns einfach nicht mehr verstanden. Es gab Reibungspunkte an allen Ecken und Enden, sodass eine weitere Zusammenarbeit sinnlos war. Man hat’s sehr lange noch probiert. Wir haben es vielleicht alle zu lange noch probiert, und irgendwann gab es ein Tischreinemachen, wo Thomen dann von sich aus auch gesagt hat, dass er eigentlich kein Interesse mehr hat, in der Band zu bleiben, was wir dann auch akzeptiert haben.

Waren das musikalische Differenzen?

Es waren generelle Differenzen, inklusive musikalischer. Ohne jetzt für Thomen sprechen zu wollen oder zu können, hätte man unrecht, wenn man das eine oder das andere überbewerten würde. Es war ein Komplettpaket, wo das eine zum anderen geführt hat.

Die Frage drängt sich einfach auf, da sich SAVAGE CIRCUS schon extrem nach BLIND GUARDIAN anhört.

Ja, aber ich denke nicht, dass das einen Ausschlag gegeben hat. Mag sein, dass das für Thomen die Sache erleichtert hat. Er hat ja schon an SAVAGE CIRCUS gearbeitet, als er noch mit uns aktiv gewesen ist. Das wäre auch kein Problem gewesen.

Also war sein Ausstieg für die Band eine Erleichterung?

Ja, auf jeden Fall. Und zwar nicht nur für die Band, sondern auch für ihn, denke ich. Für uns war es an und für sich ein längst überfälliger Schritt, den wir gut und gerne schon anderthalb Jahre früher hätten tun sollen. Vielleicht hätte man sich damals direkt nach den Festivals trennen sollen. Bis dahin ging es eigentlich noch, wobei da auch schon einiges im Argen lag.

Wie ist denn der aktuelle Stand Eures Orchesterprojekts?

Wir arbeiten jetzt seit geraumer Zeit – etwa acht, neun Jahren – daran, haben eine Menge Material kompositorisch fertig gestellt, sind jetzt mit Leuten in Kontakt getreten, die die klassische Umsetzung für uns bewerkstelligen können, und wollen nach dem derzeitigen Stand der Dinge auf dem kommenden Album einen Demotrack als Vorgeschmack präsentieren. Anvisiert haben wir, dass wir das [Orchester-]Album 2007 fertig stellen werden.

Wie sieht das aus: wird es BLIND GUARDIAN plus Orchester sein, oder ausschließlich klassische Musik ohne Stromgitarren usw.?

Momentan sind überhaupt keine BLIND GUARDIAN üblichen Instrumente dabei, wenn man mal von meinem Gesang absieht. Wir wollen es trotzdem unter BLIND GUARDIAN veröffentlichen, weil es in das Gesamtkonzept sehr gut reinpassen wird. Musikalisch wird es eher eine konsequente Weiterführung von „Nightfall In Middle-Earth“ und wird wohl auch thematisch in diese Richtung gehen. Von daher denke ich, dass es gerechtfertigt ist, wenn es unter BLIND GUARDIAN läuft. Vielleicht wird auch der eine oder andere noch aktiv werden und noch ein Instrument hinzufügen. Speziell Frederik, der auf sehr vielen klassischen Instrumenten bewandert ist, könnte sich auch noch als Musiker einbringen.

Werden auch Gäste von der Partie sein?

Zur Zeit planen wir erst einmal Band plus Orchester, aber es könnte durchaus noch zu einem klassischen Musical werden, was bedeuten würde, dass der eine oder andere Musiker oder Sänger noch aktiv werden würde.

Welche Musik hörst Du Dir denn privat an?

Ich höre wieder verhältnismäßig viel Metal. Wenn ich jetzt meine drei Lieblingsmetalscheiben der letzten drei Jahre aufzählen sollte, wären das wohl „Death Cult Armageddon“ von DIMMU BORGIR, die „Mezmerize“ von SYSTEM OF A DOWN und „This Godless Endeavor“ von NEVERMORE. Das sind so die Metalsachen, die mir in den letzten Jahren gefallen haben. Ansonsten höre ich von Country, Rock, Hard Rock bis hin zu Jazz fast alles.

Die musikalische Vielfalt hört man jetzt ja auch auf der Single. Hat Dich die Musik dabei auch irgendwie inspiriert? DIMMU BORGIR für den Bombast und NEVERMORE für das Progressive… sind das Dinge, die Dich beeinflussen?

In gewisser Weise schon. Ich bin ja beim Songwriting nur zum Teil für die musikalische Ausrichtung zuständig. Die basic elements kommen ja meistens von Andrés Seite. Der hört schon wieder ganz andere Sachen. Er mag MARILYN MANSON, NEVERMORE oder SANCTUARY. Er hat eine etwas andere Palette, sodass Deckungsgleichheiten eher Zufall sind. Ich – für meinen Teil – liebkose solche Einflüsse schon etwas. Wir werden aber nie versuchen, irgendjemanden zu kopieren. Das wäre uns zu billig. Aber die Herangehensweise an bestimmte Sachen schaut man sich schon einmal ab, oder versucht, sie in irgendeiner Form auch zu assimilieren.

Um zu kopieren seid Ihr wohl selber auch schon zu stilprägend.

Hoffe ich doch, haha! Das ist auch ein großer Vorteil, den wir haben. Wir müssen nicht mehr wirklich nach links und rechts kucken. Und wir müssen auch nicht unsere „Imaginations From The Other Side“ noch einmal neu einspielen, um es allen recht zu machen.

Das nächste Thema hast Du auch bereits angesprochen: Euer eigenes Festival. Wird es davon eine Neuauflage geben?

Wir liebäugeln immer noch damit, bräuchten allerdings einen richtigen Aufhänger dafür. Der wäre ja rein theoretisch mit dem Orchesterprojekt gegeben. Die früheste Möglichkeit wäre damit in 2008. In welcher Form, ist momentan allerdings noch schwer abzusehen.

Wie sieht es dieses Jahr mit Festivals aus? Die Tourdaten sparen ja genau die Monate Juni bis August aus…

Ja, das hat aber andere Gründe. Wir sind erst im April bzw. Anfang Mai mit der eigentlichen Albumproduktion fertig und spielen dann erst einmal ein paar Warm-Up Gigs. Danach müssen wir uns auf die Tour vorbereiten. Wir können praktisch gar keine Festivals spielen, weil wir noch gar nicht fit sind.

Eine Frage, die mich schon länger beschäftigt: wie sieht es bei Euch mit einem festen Bassisten aus? Warum wird Oliver Holzwarth kein richtiges Mitglied?

Zum einen, weil wir an diese Viererkonstellation glauben und eigentlich nicht mehr Musiker direkt in der Band involviert haben wollen. Das reicht schon. Es war in der Vergangenheit ja schon schwer, vier Leute unter einen Hut zu bringen. Eine fünfte Person würde die Sache nicht gerade einfacher gestalten. Zum anderen wollen wir uns einfach alle Optionen offen halten. Für uns ist ein Bass ein wichtiges, tragendes Instrument, besitzt in unserem Songwriting zunächst aber überhaupt keine Priorität, sodass wir ihn auch so ausgegliedert lassen können, wie das derzeit der Fall ist. Für Oliver ist das auch kein Problem. Er spielt in einigen anderen Bands und von daher ist die Notwendigkeit nicht gegeben. Solange Oliver den Job machen will und wir uns einigen können, ist er dabei. Der Posten ist jedoch auf keinen Fall personenbezogen. Sollte mich irgendwann einmal der Wahnsinn reiten und ich mir größenwahnsinnig wieder zutrauen sollte, den Bass zu spielen, dann wäre selbst das eine Option. Obwohl ich das überhaupt nicht sehe.

06.03.2006
Exit mobile version