Blind Guardian
Härtere Zeiten brauchen härtere Musik

Interview

Dann kommen wir doch mal zum neuen Album. „Beyond The Red Mirror“ ist schon wieder sieben Jahre her, auch wenn die Zeit durch das BLIND GUARDIAN TWILIGHT ORCHESTRA -Album gar nicht so lang wirkte. Ging es euch da ähnlich und habt ihr parallel zum Orchesteralbum auch schon an „The God Machine“ gearbeitet oder waren das jeweils komplett voneinander getrennte Prozesse?

Die Arbeiten zum Orchesteralbum liefen aus Gewohnheit nebenher und wir haben schon sehr früh angefangen, Ideen für „The God Machine“ zu sammeln. Das war so 2017/18 und die ersten Songs an denen wir gearbeitet haben waren „Architects Of Doom“ und „Secrets Of The American Gods“.

Da war aber noch alles offen und wir hatten keinen konkreten Plan, in welche Richtung es genau gehen sollte. Und dann haben wir ja auch noch das Live-Album gemacht, das war auch ein riesiger Aufwand, weil wir sehr viele Shows aufgenommen haben und unglaublich viel Material sichten mussten. 2019 haben wir dann „Legacy Of The Dark Lands“ fertig gemacht und Ende 2019, Anfang 2020 ging es dann richtig intensiv zur Sache.

Den Bombast habt ihr im Vergleich zu euren letzten beiden Veröffentlichungen deutlich zurückgeschraubt.

Wir hatten auf „Beyond The Red Mirror“ schon sehr epische Kompositionen, was teilweise auch daran lag, dass wir ja parallel eh bereits an den anderen Orchestersachen gearbeitet hatten. So ging das Hand in Hand und als wir „Legacy “ abgeschlossen hatten war für uns klar: „Ok, wir haben jetzt alles in der Stilistik gesagt, was wir sagen wollten. Wir müssen jetzt erstmal was anderes machen.“

Wir haben uns richtig danach gesehnt, die Metal-Band mit harten Drums und schnellen Riffs wieder zu fühlen. Und dann kam Anfang 2020 auch noch die Pandemie und auf einmal ändert sich dein ganzes Umfeld. Alles versinkt im Chaos, die Umgangsformen werden härter und es kommt eine andere Stimmung auf. Diese Vibes lässt du natürlich auch in deine Musik einfließen, in dem Moment bist du nicht mehr so melodiös, verspielt und pompös.

Die Zeit fühlt sich härter an und du brauchst irgendwie härtere Musik, die zum Zeitgeist passt. So kamen dann auch die ersten härteren Songs wie „Violent Shadows“ zustande. Den haben wir dann auf Wacken World Wide gespielt und festgestellt, dass das total gut ankam. Wir haben das dann als Wink verstanden, auch mit dem restlichen Material mehr in diese Richtung zu gehen.

Wir hatten außerdem zum ersten Mal in der Geschichte von BLIND GUARDIAN keinen Zeitdruck und Auswahl, weil wir ja schon einiges vorbereitet hatten. Wir haben uns dann entschieden, die etwas langsameren, trägeren Sachen erstmal wegzulassen und einen gradlinigen Flow ins Album zu bringen. So hat sich dann eine klare Linie herauskristallisiert.

Musstet ihr euch denn in Sachen Bombast ganz bewusst zurücknehmen? Durch die Pandemie hattet ihr ja wie du schon sagst eher mehr als weniger Zeit, an dem Material zu tüfteln.

Ja, wir hatten viel mehr Zeit aber zurücknehmen mussten wir uns gar nicht. Vom Gefühl her wollten wir einfach diesen Cut haben. Du kannst ja nicht immer das Gleiche machen, da wirst du wahnsinnig. Und wir versuchen als Band immer, uns ein bisschen vom letzten Album abzuwenden und was Neues zu starten. So gesehen war das für uns also ein ganz natürlicher Prozess.

Es war am Anfang aber nicht klar, dass das neue Album wieder schneller und härter werden würde, es hätte auch ganz anders klingen können. Hauptsache nur nicht wieder dieser epische Bombast.

Ich finde den direkten Ansatz von „The God Machine“ sehr erfrischend, die meisten Songs gehen eigentlich schon nach dem ersten Durchlauf gleich ins Ohr. Habt ihr nach dem eher komplexen Material des Vorgängers auch darauf abgezielt, wieder mehr dieser typischen Live-Hymnen zu schreiben?

Ich glaube nicht, dass man das erzwingen oder gezielt darauf hinarbeiten kann. Entweder du hast einen geilen Refrain oder du hast ihn nicht, uns liegt es aber einfach im Blut solche Songs zu schreiben. Das sind halt unsere Trademarks, die waren schon immer da und da mussten wir uns auch nie Gedanken drum machen.

Das ist aber auch sicherlich eine Sache der Einstellung zum jeweiligen Zeitpunkt. Bei „The God Machine“ haben wir schon nach hinten geguckt und geschaut, wo die jeweiligen Stärken bei unseren alten Alben lagen. Ich wollte aber auch auf keinen Fall ein Retro-Album machen.

Mein Ansatz ist, dass es nach vorne gehen muss, du darfst dich nicht nach hinten entwickeln. Speed Metal ist ein Teil der Essenz von BLIND GUARDIAN, damit haben wir angefangen und ich liebe das nach wie vor. Deshalb habe ich mir überlegt, wie man das in die Gegenwart transferieren kann. Ich finde da haben wir eine gute Kombination gefunden.

Wir haben die Energie von damals und die typischen BLIND-GUARDIAN-Melodien, aber trotzdem klingen die Songs modern und sind mit unserem Wissen von heute besser arrangiert und performt. Mein Ziel war auch, den jüngeren Fans von heute zu vermitteln was Speed Metal ist, ohne dabei eben mit angestaubten Retrosongs anzukommen. Die hören vielleicht zum ersten Mal einen Speed-Metal-Song und denken: „Geil, was ist das denn?“

War es euch wichtig, mit klassischen Speed-Nummern wie „Architects Of Doom“, „Violent Shadows“ und „Blood Of The Elves“ auch möglichst viele ältere Fans abzuholen oder war das beim Schreibprozess egal?

Nee, das war mir tatsächlich egal. Es tut mir auch leid, dass ich das so sagen muss, aber ich kann keine Rücksicht darauf nehmen ob ältere Fans unseren Werdegang noch gut finden oder nicht. Dann würde man sich total limitieren und anfangen Wunschmusik zu machen. Dann müsste ich ja „Somewhere Far Beyond II“ oder „Imaginations II“ machen.

Ich bin aber der festen Überzeugung, dass viele Leute sich das zwar wünschen und das laut herausschreien, wenn wir das aber tatsächlich machen würden, dann würden die selber merken, dass das gar nicht geil ist. Die „Somewhere Far Beyond“ hat zum damaligen Zeitgeist gepasst, das war authentisch.

Wenn wir jetzt ein Album machen würden das so klingt, dann würde sich das nicht richtig anfühlen. Die Leute verbinden damit ja auch eine Erinnerung an die Zeit, als sie das Album kennengelernt haben, da sind viele Emotionen mit verbunden, die sich nicht einfach so reproduzieren lassen. Da darf man sich als Musiker nicht fehlleiten lassen und muss auf seinem Weg bleiben.

Mit „Life Beyond The Spheres“ und „Destiny“ wollten wir auch unsere innovative Seite zeigen und einen langsamen Song haben wir auch dabei. Das Album ist also schon recht ausgewogen, wobei die schnellen Songs diesmal eben dominieren, das hatten wir schon lange nicht mehr. Schnelle Nummern gab es natürlich auf jedem Album, aber da war es halt nicht so auffällig.

Ich bin froh, wenn auch ältere Fans mit dem neuen Album wieder etwas anfangen können. Das ist ein riesiges Kompliment, aber ich hab‘ es nicht deswegen gemacht.

Galerie mit 28 Bildern: Blind Guardian - Wacken Open Air 2024

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Quelle: André Olbrich (Blind Guardian)
26.08.2022

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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