Birdflesh
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Interview
Erst kürzlich veröffentlichen BIRDFLESH ihr Drittwerk "Mongo Musicale" über das schwedische Label Dental Records. Die Band weiß sich seit jeher von der breiten Masse abzuheben – Grund genug Schlagzeuger und Sänger Adde, beziehungsweise seinem Alter Ego Smattro Ansjovis, Rede und Antwort abzuverlangen. Dass ich es hier mit einem redseligen und äußerst freundlichen Gesprächspartner zu tun hatte, vermögen die Promo-Pics nicht zu verraten. Und gleich aufs Ganze…
Die Aufnahmen wurden bereits im Februar 2006 für abgeschlossen erklärt, der Veröffentlichungstermin wurde für Mitte des Jahres angelegt, doch immer wieder aufs Neue verschoben. Seit Anfang Februar steht nun endlich das Werk in den Regalen.
Bereits die Aufnahmen waren beschwerlich; der Aufnahmeprozess begann im November 2005 und wurde, wie du schon erwähntest, im Februar beendet. Ich war zu der Zeit mit SAYYADINA [eine seiner vielen Spielwiesen – Anm. d. Verf.] auf einer dreiwöchigen Tour unterwegs durch Europa, die anderen fanden nur am Wochenende Zeit, sich der Band zu widmen. Bis das Album unseren Vorstellungen entsprechend abgemischt und gemastert war, hat ebenso seine Zeit gedauert. Das übliche eben: Ein bisschen mehr Gitarre hier, weniger Bass dort und so fort. Andererseits mussten wir diverse Verzögerungen bei der Fertigstellung unseres Artworks hinnehmen. So kommt schlichtweg einfach alles zusammen.
BIRDFLESH wurden bereits 1993 aus der Taufe erhoben und können mittlerweile auf eine mehr als amtliche Diskographie zurückblicken – auffallend ist hierbei die immense und stetige Entwicklung hinsichtlich des Songwritings.
Als wir damals begonnen haben, besaßen wir lediglich Instrumente, doch wussten wir sie in keinerlei Hinsicht zu bedienen. Schlichtweg der Wunsch, eine eigene Band an den Start zu bringen, gab uns den nötigen Antrieb, um uns weiter zu entwickeln. Unabhängig davon fingen wir auch umgehend an Songs zu schreiben. Entsprechend unserem Können hörten sich die ersten Gehversuche auch an. Doch mit Titeln wie „You’re Dead“, „Cars Are Really Driving“ und „…And Justice For Paul“ waren wir von unserem Potenzial überzeugt und wussten bereits in jenen Tagen, dass wir in eine rosige Zukunft blicken dürfen. Bestärkt durch jene Gewissheit probten wir unablässig und ließen uns von nichts aus dem Konzept bringen. Ob heutzutage noch eine derartige Entwicklung bei uns auszumachen ist, kann ich nicht oder nur schwer einschätzen. Das dürfte für Außenstehende, die nicht in den stetigen Prozess involviert sind, leichter zu beurteilen sein. Möglicherweise ist „Mongo Musicale“ im direkten Vergleich zu unseren Vorgängern eine Idee melodischer und, nun ja, langsamer ausgefallen.
Wie darf man sich den typischen Entstehungsprozess eurer Songs vorstellen? Oder fällt der Begriff „typisch“ in Hinblick auf BIRDFLESH völlig aus dem Rahmen? Eure aberwitzigen Eruptionen klingen spontan und impulsiv…
Wenn wir zu arg darauf bedacht sind… und geradezu verbissen versuchen uns Songs aus dem Ärmel zu schütteln, endet das unabdingbar in einer Sackgasse. Die besten Ideen sprießen, nachdem wir uns erstmal wieder mit unseren alten Gassenhauern vertraut gemacht haben. Einige Stücke resultieren aus den üblichen Jam-Sessions, andere wiederum werden individuell von uns allen komponiert – da würde der Begriff „typisch“ schon greifen, aber universelle Blaupausen gibt es bei uns nicht. Herausragende Riffs entstehen bei uns meist innerhalb von wenigen Sekunden, welche dann nur noch sinnvoll aneinander gereiht werden – man würde sagen aus dem Bauch heraus. Nach diesem Prinzip entstehen die meisten BIRDFLESH-Evergreens.
Der erste Eindruck beim Blick auf die grenzdebilen Cover und Bandfotos ist, dass man es hier mit einer Horde nicht ernstzunehmender Gestalten zu tun hat. Songtitel wie „Mongoloid Wannabe“, „Whirlpool Whiplash“ oder „Moonwalk Massacre“ unterstreichen das ganze noch mal. Ernsthaftigkeit ist relativ, oder doch nicht? Und wer von euch zeichnet denn für die skurrilen und schrägen Texte verantwortlich?
Die Lyrics entstammen allesamt aus meiner Feder. Ich kann Dir nun aber nicht verraten, woher ich meine Inspiration nehme – das weiß ich selber nicht. Die Texte sind vielmehr alle meinen kranken Gedanken entwachsen… BIRDFLESH sind kindisch und schlichtweg verrückt. Logik oder sonstige Konzepte sind uns fremd. Uns ist es primär wichtig, Spaß zu haben und unseren Vorstellungen entsprechende, schnelle Musik zu spielen. So verhält es sich auch mit dem gesamten Konzept hinter BIRDFLESH. Wir gaben unserem Layouter für das aktuelle Cover lediglich die Vorgabe, dass es witzig aussehen muss. Das entsprechende Ergebnis ist, wie ihr sehen könnt, bescheuert und zugleich wunderschön. Wir nehmen uns einfach selbst nicht sonderlich ernst und machen immer genau das, was wir wollen. Weder ist es unser Anliegen, verhalten und in herkömmlichen Klamotten auf der Bühne zu stehen, noch mit unseren Lyrics politische oder sonstige langweilige Themen aufzugreifen. Häufig wird der Vorwurf erhoben, dass wir keine ernstzunehmende Band sind. Das sind BIRDFLESH aber in der Tat, es ist quasi meine zweite Familie; wir ziehen unser Ding auch immerhin schon seit 14 Jahren durch.
Kommen wir nun auf die schwedische Musikszene zu sprechen, welche generell einen hohen Stellenwert genießt. Würdest du mir beipflichten, dass die Szene durch ihre Vielzahl an Bands und ihrem wohl funktionierenden Geflecht etwas Besonderes in unserer extremen Musiklandschaft darstellt? Macht es euch Spaß in Schweden die Bühnen zu entern?
Es ist in Schweden tatsächlich einfach eine Band zu gründen, da viele Proberäume zu erschwinglichen Mietpreisen zu haben sind und stets die Möglichkeit besteht, beispielsweise in der Schule, neue Instrumente nahezu kostenfrei zu erlernen. Die staatliche Hilfestellung dürfte mit ein Grund sein, dass derartig viele Bands aus dem Boden sprießen.
Im Wesentlichen bereitet es uns keine große Freude in Schweden zu aufzutreten, was zum Großteil mit den strikten Jugendschutzgesetzten zu tun hat. Jugendliche unter 18 Jahren wird der Eintritt in Musikclubs, in denen alkoholische Getränke verkauft werden, verwehrt; was wiederum zur Folge hat, dass Konzerte schlecht besucht sind und die entstandenen Kosten, die Konzerte eben mit sich bringen, nicht mehr eingespielt werden. Keiner will das finanzielle Risiko tragen. Natürlich finden ab und an auch hier gute Konzerte statt, doch machen kaum ausländische Bands in Schweden halt. In Deutschland und Tschechien werden wesentlich häufiger kleinere Underground-Konzerte veranstaltet und das mit deutlich größerer Resonanz. Zudem bekommen wir, aufgrund der hohen Steuern, als Band bei Konzerten ganz selten Freigetränke.
Eine für mich bislang unbekannte Problematik des schwedischen Undergrounds. Konkrete Einflüsse lassen sich bei BIRDFLESH nicht ausmachen. Der satte und rasante Grindcore steht zwar im Vordergrund, doch wird jener durch genrefremde Elemente aufgelockert. Und natürlich durch den unbändigen, ausgefallenen Humor.
Wir wurden von sehr vielen, von Grund auf verschiedenen Musikstilen beeinflusst; eine detaillierte Aufzählung würde nur eine Sprengung des Formats zur Folge haben. Die extreme Musik ist meinem Herz natürlich am nächsten, aber ich höre auch viel cheesy Punkrock und seichten Pop. Ich muss mit Bedauern feststellen, dass ich in letzter Zeit nur sehr wenig Erstklassiges aus dem extremen Sektor gehört habe – an die alten Recken, wie REPULSION, NAPALM DEATH und MORBID ANGEL, kommt kaum einer heran.
BIRDFLESH ist ein sehr prägnanter und zugleich eher ein untypischer Bandname.
Wir dachten damals, dass er wunderbar zu unserer Ausrichtung passt – bestialisch, erbarmungslos und einfach Death Metal. Wir behielten ihn und vergaßen ihn umzuändern. Nun haben wir den Salat.
Ihr habt euch in den letzten Jahren in Deutschland, oder generell in Europa, sehr rar gemacht. Bleibt zu hoffen, dass sich dies in naher Zukunft ändern wird. Wie dürfen sich diejenigen, die euch noch nicht auf der Bühne erleben durften, eine BIRDFLESH-Show vorstellen?
Unsere Shows sind energiegeladen und völlig wahnsinnig – wir geben schließlich immer fünfzig Prozent. Wir geben unser Bestes, dass sich die Leute amüsieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob 10 oder 1000 Menschen vor der Bühne stehen. Leider müssen sich unsere Fans vorerst noch eine Weile gedulden. Eine Tour ist zu diesem Zeitpunkt nicht in Planung.
Bleibt zu hoffen, dass sich in der Hinsicht noch etwas tun wird. Mit „Mongo Musicale“ liefern BIRDFLESH ihr Debütantenwerk für die erst kürzlich gegründeten Dental Records ab. Zuletzt veröffentlichte man über das, in der Grind/Gore-Szene hochangesehene und äußerst passionierte Razorback-Label (u.a LORD GORE, MACHETAZO, GHOUL). Meiner Ansicht nach passten die Schweden ohne Umschweife perfekt in das Konzept des amerikanischen Labels. Wie kam es zu dem Split mit Razorback?
Die primären Gründe, die uns dazu bewogen haben, zu Dental Records zu wechseln, waren rein kapitalistischer Natur, ergo der finanziellen Unterstützung. Ein Studioaufenthalt ist bekanntlich sehr kostenintensiv; es wären Kosten entstanden, welche wir hätten nicht tragen können. Da kam uns das lukrative Angebot von Dental Records gerade richtig. Ich muss Dir absolut zustimmen, dass Razorback Records ein überaus fantastisches Label ist.
Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung von „Mongo Musicale“, wurden noch zwei Splits von BIRDFLESH auf den Markt geschmissen. Eine Split habt ihr euch mit den amerikanischen HATEBEAK geteilt; einer Deathgrind-Band, die ihren Sängerposten mit einem Papageien namens Waldo besetzt hat. Es würde doch auf der Hand liegen, dem Federvieh einen Gastauftritt auf einem der kommenden Veröffentlichungen zu gewähren.
Es wäre klasse, wenn Waldo auf einem unserer Songs krächzen würde. Vielleicht kommt er einfach mal vorbei geflogen. Ich habe schon seit geraumer Zeit Pläne meine Katze in das BIRDFLESH-Lineup zu involvieren. Mal schauen, was daraus wird.
An skurrilen Ideen scheint es Adde und seinen Mannen nicht zu mangeln. Wem BIRDFLESH bislang noch kein Begriff sein sollte, hoffe ich ihm die Band ein stückweit näher gebracht zu haben. Für das aktuelle Album „Mongo Musicale“ spreche ich hiermit meine uneingeschränkte Empfehlung aus. Danke Adde, äh, Smattro, dass du Dir die Zeit genommen hast, uns Rede und Antwort zu stehen!
Kein Problem. Das Vergnügen lag ganz auf meiner Seite. Ich hoffe euch alle in naher Zukunft über den Weg zu laufen. Cheers!
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