Betontod
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Interview
Eine gute dritte Platte entscheidet sehr häufig den weiteren Werdegang einer Band. BETONTOD, mittlerweile fast eine Deutschpunk Rock-Institution, haben jedenfalls nach einem fünfjährigen Anlauf auch diese Hürde genommen. "Schwarzes Blut" heißt das Kleinod und warf in mir einige Fragen auf, die dringend einer Antwort bedurften. Erhalten habe ich überaus ehrliche – vielleicht sogar die ehrlichsten – Antworten, die man von einem Interviewpartner erwarten kann. Rede und Antwort stand mir Mawoj, der Gitarrist der Band.
Hi Mawoj, ich muss gleich vorweg nehmen, dass ich von euerer neuen Platte „Schwarzes Blut“ wirklich begeistert bin. Welchen Grund hatte es, dass ihr ganze fünf Jahre für das Album gebraucht habt?
Erst mal danke für dein Kompliment. Na ja, das mit den fünf Jahren hat mehrere Gründe:
Die leidige Proberaumsituation in unserer Heimatstadt. Wir mussten leider häufig den Proberaum wechseln. Das ist, wie man sich vorstellen kann, supernervig und mit viel Arbeit und Zeit verbunden, die man besser in das Komponieren neuer Songs stecken könnte.
Eine Band ist nichts homogenes, das heißt, sie unterliegt ständiger Veränderung und dem Wandel der Zeit, sei es privater Natur (mehrere Mitglieder wurden Väter) oder halt der Tatsache, dass gute Lieder und dazugehörige Texte halt, entgegengesetzt der landläufigen Meinung, nicht auf den Bäumen wachsen…
Euer neues Album wartet mit einigen Überraschungen auf. Zum ersten Mal benutzt ihr Gitarrensoli und seid insgesamt viel härter geworden. Warum dieser Wandel bzw. diese Weiterentwicklung?
Ich denke, dass es für eine Band immer wichtig ist, sich weiterzuentwickeln und ihren musikalischen und auch textlichen Horizont zu erweitern, obwohl das wohl eher ein unbewusster Prozess ist, da man ja mittendrin steckt. Beim Vergleich unserer Alben ist uns aber im Nachhinein auch aufgefallen, dass sich viel getan hat. Dass auf dem Album das erste Mal Gitarrensoli zu hören sind, liegt wohl auch am Tonstudio: Das aktuelle Studio arbeitet mit vielen Bands zusammen, die aus dem Bereich Metal kommen. Und wir haben zum ersten Mal einen Produzenten gehabt, der sich mit der Thematik Punk Rock, wie Ihn BETONTOD spielt, auseinandergesetzt hat, die Lieder auseinandergepflückt und wieder richtig zusammengesetzt hat. Das erinnerte phasenweise schon an Puzzeln…
Ihr macht schon ziemlich lange Musik zusammen. Hat sich eure Zusammenarbeit in all den Jahren verändert?
(lacht) Nein eigentlich nicht – es ist immer noch so chaotisch und unkoordiniert wie am Anfang. Das einzige, was wir im Laufe der Zeit bemerkt haben, ist, dass wir immer vollständig, d.h. in Komplettbesetzung proben müssen, damit sich Songs entwickelt können, von denen wir alle richtig überzeugt sind und die es dann auch bis auf die CD schaffen.
Besonders gelungen finde ich wieder die Lyrics – sie treffen genau auf den Punkt. So singt ihr z.B. von Revolution. Was sollte deiner Meinung nach in unserer Zeit verändert werden?
Die Ignoranz der Leute, die sich einfach in Ihr Leben fallen lassen, nicht wissen, das Sie an allen Ecken und Enden ausgebeutet werden, aber immer dieses wohligweiche, kuschelige Gefühl haben: Der Staat sorgt für mich und alles wird gut, bis es dann vorbei ist.
Ihr kritisiert die Gesellschaft und nehmt kein Blatt vor den Mund. Aber jetzt sollst du mal selbstkritisch sein! Was hättet ihr an der Platte besser machen können?
Die CD finden wir so wie sie ist gut. Allerdings hätten es ein paar Songs mehr sein können. Wir wollten aber nicht halbherzig irgendwelche Songs im Studio aufnehmen. In der Gewissheit, dass wir noch lange zusammen Musik machen wollen, haben wir irgendwann gesagt: Das ist jetzt erst einmal das dritte Album.
Und ehrlich gesagt: mehr Kohle war auch nicht da um noch mehr Lieder aufzunehmen.
Was mich etwas enttäuscht hat, ist die relativ kurze Spielzeit von 35 Minuten. Nach fünf Jahren sollte wirklich mehr kommen!
Ja, das haben wir schon häufiger als Rückmeldung gekriegt – ist auch echt verständlich. Deswegen gerade auch schon das Statement: Qualität vor Quantität….
Gott sei dank gibt es ja am CD-Player die Repeat-Taste (lacht).
Trotzdem werden wir versuchen, fürs nächste Album mehr Songs aufzunehmen.
Erfüllt ihr eurer Meinung nach eine Vorbildfunktion für die Jugendlichen? Wollt ihr überhaupt eine Art Vorbild sein?
Wir versuchen schon, den Kontakt zu unseren Fans möglichst so eng zu gestalten, dass wir für die Leute greifbar sind. Aber Vorbild? Wir versuchen halt immer unseren Spaß am Musikmachen authentisch rüberkommen zu lassen. Aber wenn Vorbilder, dann doch lieber nette kleine Jungs mit schönen Frisuren, aus schönen Glanzzeitschriften.
Wie auch schon bei euren früheren Veröffentlichungen, bemerke ich auch auf eurer neuen Platte eine musikalische Nähe zu den BÖHSEN ONKELZ. Wie steht ihr dazu?
Ja? Ist uns gar nicht aufgefallen. Nee mal ganz im Ernst, das ist natürlich nicht ganz so politisch korrekt, aber was soll’s, die Jungs sind eine der besten musikalischen Deutschen Bands, die es zur Zeit gibt. Jeder kann sich mal irren, nur wenn man dann den richtigen Weg einschlägt, sollte man es auch zulassen.
Ihr bewegt euch ja hauptsächlich in der Punk-Szene. Wurde euch schon mal diese Nähe zu den ONKELZ negativ angekreidet? Denn die ONKELZ haben durch die Medien einen gewissen, meiner Meinung nach, falschen Ruf weg!
Wir hatten eigentlich noch nie Probleme damit, weil wir, wie gesagt, sehr authentisch rüber kommen und man in uns wirklich nicht den Feind sehen kann, selbst auf den schlechtesten Drogen dieser Welt.
Gibt es für eure Punk-Attitüde eine Art Verfallsdatum? Auf „Viva Punk“ singt ihr „Viva Punk für ein Leben lang“ – geht das überhaupt?
Dazu kann ich nur sagen: Hoffentlich nicht und na klar. Jetzt im Ernst: Was in ein paar Jahren ist, kann keiner sagen… aber jetzt rockt BETONTOD und wir genießen jeden Augenblick!
Fühlt ihr euch nicht insgesamt zu alt für die Szene?
Wir sind um die 30, in Punkjahren gerechnet sind das über 100, ach Du Scheiße, Du hast recht. (lacht)
Was sagst du zu solchen Punk-Legenden wie SEX PISTOLS? Oder orientiert ihr euch eher an der deutschen Punkszene?
Eigentlich an beiden Szenen, wobei das eh eine Szene ist, die sich nicht klar trennen lässt.
Welche musikalische Gipfel gedenkt ihr noch zu erklimmen?
Einmal beim Rock am Ring dabei zu sein und alle Fans auf die Bühne holen zu können, so dass sie dann zusammenbricht. Das wäre schön.
Eine essentielle Frage: muss man als Punkband gleichzeitig auch politisch sein?
Nein.
„Kinder des Zorns“ ist ein Übersong! Warum habt ihr euer Album nicht nach diesem Song benannt? Wegen der Verwechslungsgefahr mit dem Horrorfilm?
Weil das Cover besser zu „Schwarzes Blut“ passte und weil „Schwarzes Blut“ auch ein genialer Song ist, genau wie der Rest der Lieder. Die nächste Platte heißt einfach wie alle Lieder zusammen, wird dann zwar etwas lang, aber was soll’s, ist ja nicht unser Problem, sollen sich die Plattenfirmen einen Kopf drum machen.
Ihr habt zum Teil Songs mit sehr persönlichen Inhalten – ich denke an „Sieben Schuss“ von „Stoppt Uns Wenn Ihr Könnt“ oder von neuen Album der Titelsong „Schwarzes Blut“. Habt ihr das tatsächlich so erlebt oder versucht ihr eurer Musik eine authentische und tiefsinnige Note zu geben?
Was soll ich jetzt darauf antworten? Nee, es ist tatsächlich so, dass manche Songs einen persönlichen Hintergrund haben, z.B. bei „Sieben Schuss“. Leider ist damals ein Freund der Band tatsächlich erschossen worden, was uns natürlich sehr betroffen gemacht hat. Mit dem Song haben wir etwas, was uns an ihn erinnert.
In „Schwarzes Blut“ geht es ja um Liebe und Trennung – das hat wahrscheinlich jeder mal erlebt und spricht dann vielleicht auch mehr Leute auf der persönlichen Ebene an.
Der Albumtitel „Schwarzes Blut“ ist sozusagen ein Oxymoron. Welche Bedeutung steckt dahinter? Und wie lässt es sich in einen Zusammenhang mit dem Frontcover bringen?
Schwarzes Blut sind die Tränen der Eifersucht!
Die beiden nächsten Fragen kommen von zwei Lesern: Warum spielt ihr so selten in Berlin? und: Wann kommt ihr nach Münster für die Pogo Partei?
Berlin ist geil – wir würden uns freuen, wenn mehr Anfragen kommen. Für den 23.09.2006 ist auf jeden Fall ein Konzert in Berlin geplant, auf das wir uns schon freuen.
Ladet uns doch einfach nach Münster ein – auch Münster ist geil!
So, die vorletzte Frage noch mal von mir: Was bedeutet Punk für dich?
Alles und Nichts!
Ich danke dir für das Interview und hoffe auch, dass ihr bald mal nach Berlin kommt! Die letzten Worte gehören dir.
Geht euren Weg, wie steinig er auch sein mag, hört niemals auf zu Laufen, denn Stillstand ist der Tod, wie schon Herbert G. einmal bemerkte. Haut rein!
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