Belphegor
"Es klingt, als wenn zwei Maschinengewehre feuern und miteinander ficken" – Interview mit Bandkopf Helmuth Lehner zu "Conjuring The Dead"

Interview

Belphegor

Dass sich die Geister gerne mal scheiden, beweisen viele Bands, BELPHEGOR aus Österreich kann man aber zweifelsohne auf den vorderen Plätzen finden. Welche Meinung Frontmann Helmuth dazu hat und dass zwischen all dem triefenden Blut und Geballer beim sympathischen Bandkopf auch so etwas wie Toleranz durchscheint, kann man in unserem Interview zum kürzlich veröffentlichten Neuwerk „Conjuring The Dead“ nachlesen. Außerdem spricht er über die überstandene Krankheit, über Mozart als Inspirationsquelle, gibt selbstbewusst reichlich musikalische Details zu den neuen Songs und einen interessanten Einblick in die Zusammenarbeit mit Produzent Erik Rutan und den Gastmusikern Glen Benton und Attila. Und macht dabei gerne mal den einen oder anderen spannenden Exkurs.

Belphegor

Hallo Helmuth, erst mal Gratulation, dass Ihr Euren Status als Garant im Black-Death-Bereich wieder mal eindrucksvoll untermauern konntet. Trotzdem interessiert es mich zunächst, wie es Dir Stand heute gesundheitlich geht?

Danke für deine Würdigung und Gratulation. Ja, es geht mir wieder richtig gut, nach einem langen steinigen Weg zurück an die Metal-Front.

Das neue Album ist definitiv 100 % BELPHEGOR, geht hier und da aber auch neue Wege. Was habt Ihr aus Deiner Sicht diesmal anders gemacht, insbesondere beim Songwriting? In meinen Ohren klingen die Riffs tatsächlich noch diabolischer als sonst.

Absolut. Das Liedgut ist noch besessener, teuflischer und dynamischer geworden. Durch meine Krankheit hatte ich immer im Hinterkopf: Das wird wahrscheinlich das letzte Album sein, was du machen kannst oder darfst, daher hab ich noch mehr Energie, Blut und Schweiß reingesteckt als bisher. Ich wollte einfach alles richtig machen, keine Gimmicks. Und mehr zu unserem brachialen Death-Metal-Sound zurückkehren. Wer heftige „Musick“ verehrt, wird mit „Conjuring The Dead“ seine Freude haben. Im Death-Black-Sektor findest du nichts, was an das Album rankommt. Die Soundwall gießt dir Blei ins Maul. Wir haben viel experimentiert, viele neue Elemente und Songstrukturen in unseren Sound einfließen lassen, um alles auf die nächste Stufe zu hieven. Immer noch zelebrieren wir Death-„Musick“ mit obskuren Melodien, die sich anfühlen, als wenn dir ein Panzer über die Fresse rollt.

Deine Stimme tönt vor allem im tiefen Bereich verändert – aus meiner Sicht noch bösartiger. War das eine bewusste Neuerung?

Danke dir. Ich wollte wieder mehr Death-„Vokills“ haben, ja. Es sind nach wie vor meine typischen Grunts auf dem Album, die Death-Growls überwiegen dieses Mal aber, und das ist gut so für die Atmosphäre. Ich habe noch nie so viel Zeit damit verbracht, das im Studio aufzunehmen. Es ist genauso geworden, wie ich mir das vorgestellt habe.
Einige Leute würdigen, was wir machen, das ehrt uns natürlich sehr. Einige hassen es oder fühlen sich angepisst, alles okay für mich. Ich mag auch nicht alles, was ich sehe und höre. Ich supporte, was ich mag, und ignoriere den Rest. Das Ding ist, man kann es nie allen recht machen. Das war auch nie der Masterplan dieser Truppe, im Gegenteil: Wir waren immer ein Geschwader mit Ecken und Kanten, hermetisch abgeriegelt vor all diesen selbst ernannten Szenetrotteln und den ganzen dahinsiechenden Trends, die kamen und gingen. Nur Elite-Bands halten sich und marschieren weiter und weiter … die Spreu trennt sich vom Weizen. Diese archaisch-erhabene Art von „Musick“ muss aufregen, primitive Urinstinkte wecken, nicht beruhigen.

Der Song „In Death“ fällt für mich ein wenig aus dem Rahmen, ist aber eine der stärksten BELPHEGOR-Nummern überhaupt. Kannst Du uns etwas über den Text erzählen, es scheint, als wäre das Stück inhaltlich sehr viel persönlicher?

In dem Text verarbeitete ich meine Rückkehr zur „Musick“ auf die Bühne, nachdem ich ca. acht Monate nicht das machen konnte, was ich immer gerne gemacht hatte. Wie es ist, in seinem angeschlagenen Körper „gefangen“ zu sein. Ja, der Weg war eine Art Zwangsläuterung. Ich könnte hier ein Buch über dieses Kapitel schreiben. Es ist jetzt zweieinhalb Jahre her und es fängt an, mich zu langweilen, darüber zu reden. Das ist bereits mein 95. Interview für „Conjuring The Dead“.
Das Feedback von der relevanten Metal-Presse ist jedenfalls der Hammer. Zum Song selber würde ich sagen, dass er untypisch für BELPHEGOR ist, ein weiteres Experiment auf dem Album. Wir wollten eine Death-Thrash-Granate kreieren, mit präzisen rasenden Gitarren.

Bei „Flesh, Bones And Blood“ haben wir zum Beispiel erstmals Slam-Death-Metal-Gitarren in unseren Song integriert und der Chorus ist Industrial-lastig. Das Lied versprüht einen Ritual-Vibe mit den sich wiederholenden ketzerischen Versen. Für „Rex Tremendae Majestatis“ hatte ich als Inspiration die Komposition „Requiem“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Ein Wahnsinnsstück, das er im Totenbett schrieb. Er war bereits bettlägerig und ihm war klar, die Uhr läuft bald ab und er hat nicht mehr lange zu leben – eines seiner intensivsten Stücke, das er nicht mehr ganz fertig stellen konnte. „Rex Tremendae Majestatis“ ist ein erhabener, majestätischer Track mit viel klassischen Gitarren, abgedrehtem Death-Riffing und übertiefen „Vokills“ und Chören.

Es ist jetzt einige Zeit ins Land gezogen, seitdem Du die Krankheit besiegt hast. Inwiefern hat sich Dein Leben denn nachhaltig verändert, auch in Bezug auf die Band, das Tourleben und dergleichen?

Den Exzess von früheren Tagen kann ich mir natürlich nicht mehr leisten, das kann ich meinem Körper nicht mehr antun. Das muss ich aber auch nicht, ich habe so viel gefeiert etc., dass ich wahrscheinlich noch die nächsten 20 Jahre in meiner eigenen „Twilight Zone“ kreise. Doch die Leidenschaft, extreme „Musick“ zu erschaffen, das Feuer ist noch immer in mir.

Nergal von BEHEMOTH hatte auch mit einer schweren Krankheit zu kämpfen, die sein Leben bedroht hat. Habt Ihr Euch mal darüber ausgetauscht? Man kennt sich ja sicherlich mehr oder weniger und trifft sich auf Festivals etc.?

Wir haben die erste Europa-Tour mit den Polen 1998 gespielt, damals waren ANCIENT Headliner und wir hatten gerade unser „Blutsabbath“-Album via Last Episode Records entfesselt, wo wir auch wieder immense Schwierigkeiten hatten mit den Moralaposteln, sprich Zensurstelle in Deutschland. Erstmals musste ich einen Rechtsanwalt hinzuziehen, um die Klage abzuweisen. Was für ein sinnloser, abartiger Verein.

Wie auch immer, ja wir treffen uns des Öfteren auf Festivals, haben letzte Woche mit denen ein Open Air in der Ukraine gespielt. Nergal hat sich auch wieder aufgekämpft. Klar haben wir darüber geredet und sind beide dankbar, dass wir medizinisch gut versorgt waren und die Ärzte unser Leben gerettet haben. Aber das Wichtigste ist der Wille, die Disziplin. Wenn du ein Nahtod-Ereignis hattest, Erlebnis wäre nicht das richtige Wort dafür, das verbinde ich mit Freude und Herausforderung, verschieben sich einige Prioritäten. Du musst vieles verändern, neu überdenken in deinem Leben, und Du musst lernen, damit umzugehen.

Ihr habt kürzlich auf dem UTBS in der Nähe von Berlin gespielt. Metal.de war auch vor Ort und nach meinen Informationen ist die Entscheidung, die Position mit INQUISITION zu tauschen, recht kurzfristig gefallen. Woran lag es denn genau?

Ja, ich sehe keinen Sinn darin, um drei Uhr morgens die Stage zu entern. Die Spielzeiten hatten sich doch arg verschoben. Die Leute sind müde oder liegen bereits im Zelt oder im Delirium. So hatten wir noch die ganze Masse vor der Bühne. War ein heftiges Open Air mitten im Wald, archaisches Ambiente, eine passende dunkle Atmosphäre für unseren Sound. Die Stage war umringt von Bäumen und Natur, die Bühne auf Erde gebaut. Magick! Jörg, der Veranstalter, hat das alles sehr gut gemacht. Er kümmert sich wenig um Gelaber von irgendwelchen Schafen und zieht sein „eigenes“ Ding durch. Sowas respektiere ich, das ist heutzutage selten der Fall. Und man sieht Bands, die nicht auf jedem zweiten Festival zu sehen sind.

Belphegor

Zurück zum neuen Album. Mit „The Eyes“ habt Ihr ein reines Instrumentalstück am Start, das extrem gelungen, für BELPHEGOR-Verhältnisse überraschenderweise aber beinahe „zu schön“ klingt. Soll die Nummer auch ein wenig als Kontrast dienen, um das extrem brachiale „Legions Of Destruction“ noch brutaler erscheinen zu lassen? Oder welche Bedeutung hat „The Eyes“ für Dich im Kontext des gesamten Albums?

THE EYES ist ein Gitarren-Intermezzo, eine klassische Gitarre und darüber schreit eine Lead-Gitarre. Dadurch bekommt der drauffolgende Death-Track „Legions Of Destruction“ noch mehr Über-Kraft.

Stichwort „Legions Of Destruction“: Ihr habt zum ersten Mal mit Gastmusikern zusammengearbeitet, in dem Fall gleich mit zwei sehr bekannten Namen: Glen Benton von DEICIDE und Attila von MAYHEM. Wie kam der Kontakt denn zustande und wie lief die Zusammenarbeit?

Das war was Besonderes für mich. Ich wollte diese zwei haben, nicht einfach irgendwelche Sänger von anderen Bands, das war meine Vision. Entweder die zwei oder fuck den Plan. Wir haben mit beiden Truppen Shows gespielt, sind mit DEICIDE durch die USA und Europa getourt in 2011. Attila ist im Black/Avantgarde-Bereich mein Fave-Sänger und Benton ist der Chef, wenn es um brutale „Vokills“ geht, denn sein Organ ist Magie. Da kommt keiner nur halbwegs ran, der brüllt alles in Grund und Boden. Ich habe das bereits geplant, als ich an den Track ranging, die brutalen Death-Metal-Strophen perfekt passend für Benton arrangiert und den orchestralen Chorus, wo Attila sich austoben konnte. Das Experiment ist ein Genuss, ich bin sehr stolz, dass diese beiden inspirierenden Sänger dem Track ihren Zauber eingeimpft haben. Einer der brutalsten Songs auf „Conjuring The Dead“, mit viel Disharmonie und Tritones – Töne, die im Mittelalter von der Kirche verboten waren, da es Teufelsmusik war, „Diabolus In Musica“, wie sie es nannten. Der bekannteste Tritonus-Song ist wohl der Song „Black Sabbath“ von der gleichnamigen Band, die ich noch immer sehr verehre.

Produziert wurde „Conjuring The Dead“ diesmal von HATE-ETERNAL-Chef Erik Rutan. Wie zufrieden bist Du mit dem Sound der Platte, die erfreulicherweise sehr viel organischer als die letzten Alben klingt, ohne an Druck einzubüßen.

Das war das Ziel, als ich mit dem Komponieren begann: erdiger, organischer und aggressiver – mehr Death Metal, eben BELPHEGOR mit einem USA-Florida-Sound. Ich hatte mir BELPHEGOR-Tracks mit einer brutalen USA-Soundwall schon immer vorstellen können, aber hatte mir nie träumen lassen, dass wir das irgendwann verwirklichen können und dürfen. Es ist vollbracht. Der Recording-Prozess war genial, viel besser, als ich mir das jemals vorgestellt hatte. Erik is the man!!! Er war so involviert in das Projekt, als wenn er ein Bandmitglied wäre. Er hat alles gegeben und uns einige Male richtig „gezwungen“, bestmögliche Resultate auf Band zu bannen. Wo ich dachte: Fuck, was will der eigentlich von mir, das war doch super gespielt, nachdem mir die Finger schon abgeraucht waren. Es war intensiv, die ca. sechs Wochen, gesplittet in vier Sessions, wie immer, haben alles abverlangt. Erik hat uns eine metallische Soundwall geschmiedet. Es klingt, als wenn zwei Maschinengewehre feuern und miteinander ficken. Wenn du die Anlage aufdrehst, glaubst du, die Band steht mit dir im selben Raum.

Helmuth, besten Dank für das Interview. Was willst Du noch loswerden?

Danke für den Space André. Seit Freitag, den 8. August, steht „Conjuring The Dead“ in den Läden. Die limitierte Digipack-Version kommt mit Bonus-DVD mit über 70 Minuten Laufzeit. Unterstützt unsere Legacy und legt euch diesen vertonten Knochen-Crusher zu. Reitet mit uns in die Hölle. Ich schwöre, ihr werdet es nicht bereuen. Hail Metal!!

Galerie mit 20 Bildern: Belphegor – 30 Year Anniversary Processions 2023 in Essen
12.08.2014

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