Behemoth
"Ich kann nicht ändern, wer ich bin."

Interview

Satan ist schließlich eine Gottheit aus dem christlichen Pantheon. Indem BEHEMOTH diese Figur thematisieren, machen sie auch Werbung für das Christentum, auch wenn vielleicht eine andere Ansichtsweise vertreten wird. Ist das etwas, das ihr bewusst tut?

Nergal: Ich glaube, die katholische Kirche hat die besten PR-Leute aller Zeiten und braucht wahrscheinlich keinen Nergal als PR-Guy. Aber vielleicht hast du da Recht. Mal anders gefragt, kennst du die TV-Serie „The Young Pope“? Glaubst du, dass der Typ, der den Jungen Papst spielt, Jude Law, Werbung für das Christentum macht? Ich sehe das nicht so. Als Künstler nimmt man etwas und spielt damit. Manchmal tue ich das und die Leute haben bestimmte Assoziationen. Vielleicht haben sie Recht, vielleicht nicht, ich weiß es nicht. Das ist nicht wirklich mein Job. Darüber kann sich ein Soziologe Gedanken machen. Wenn wir Werbung für das Christentum machen, zeigen wir dabei das wahre Gesicht des Christentums. Die Leute vergessen gerne, dass die Bibel verdammt Angst einflößend und brutal ist.

Mal ein anderes Thema. Business. Von BEHEMOTH gibt es mittlerweile Bier, Kaffee, Schmuck, Sportkleidung, etc. Wie wichtig sind solche Nebeneinkünfte für eine Band, selbst für eine Band mit dem Status, den BEHEMOTH erreicht haben?

Nergal: Dieses Genre hat so viel Potenzial, und die meisten Bands realisieren das glaube ich nicht. Neue Biere, oder was auch immer, zu designen, ist auch ein kreativer Prozess. Es ist aufregend, das zu tun. Ich sehe BEHEMOTH als eine alte Eiche, die all diese verschiedenen Äste hat. Ich will dafür sorgen, dass sie wächst und sich noch weiter ausbreitet. Man muss sie mit Inspiration nähren und sie wird wachsen und wunderschön sein. So sehe ich BEHEMOTH als Gesamtkonzept. Eine meiner Lieblingsbands ist LAIBACH. Und LAIBACH ist mehr als nur eine Band.

LAIBACH ist ein Land, LAIBACH kann ein Bewusstseinszustand sein. Es ist eine künstlerische Organisation, deren Fundament die Musik ist. Aber darüber hinaus ist da so viel mehr. Und so wachsen auch wir. Wir wachsen über die Musik hinaus. Manche werden denken, es sei nur Geldmacherei. Aber wenn es nur ums Geld ginge, würde ich mir glaube ich nicht die Arbeit machen. Wenn man etwas mit Leidenschaft macht, ist dabei auch Geld drin. Man wäre ein Idiot, es nicht zu nehmen. Das ist die Belohnung für all die Leidenschaft, die man reingesteckt hat.

In ein paar Wochen veranstalten wir eine Pop-up-Gallery mit einer BEHEMOTH-Ausstellung. Die wird es in Berlin, London, Danzig und wahrscheinlich in Warschau geben. Wir werden auch versuchen, sie nach Los Angeles und New York zu bringen. Nur ein Tag in jeder Stadt. Sie wird einen starken Bezug zum Album haben. Ich würde allen empfehlen, sich das anzuschauen. So was verursacht natürlich Kosten, aber wir investieren gerne in Dinge, die aufregend sind. In Dinge, die wir als Erste machen. Ich liebe es, so was zu machen.

Du warst vor ein paar Jahren ein Juror bei „The Voice of Poland“. Allgemein ist dein Bekanntheitsgrad in Polen ein ganz anderer als außerhalb. Wie darf man sich das da vorstellen?

Nergal: Der Status der Band ist in etwa gleich. Wir haben in Polen und außerhalb eine ziemlich große Anhängerschaft. In Polen wird mir aber eine Aufmerksamkeit zuteil, auf die ich nicht gerade scharf bin. Manchmal bekomme ich ungewollt Aufmerksamkeit von Klatschzeitungen. Das schaue ich mir dann aber nie an. Ich nenne das gerne die Steuer, die ich dafür zahle, wer ich bin. Verschiedene Situationen und Lebensabschnitte haben mich an diesen Punkt gebracht und mich zu dem gemacht, der ich jetzt bin. Ich kann das nicht mehr ändern, aber bereue auch nichts davon. Es ist, wie es ist. Ich kann damit umgehen. Manchmal wird es etwas viel, aber das geht auch vorbei.

Galerie mit 12 Bildern: Behemoth - MetalDays 2018

Zurück zur Musik. Bei der „I Loved You At Your Darkest“-Listening Session hast du auch gesagt, dass du so voller neuer Musik warst, dass die Band dich sogar bremsen musste. Da sollte also noch was übrig sein. Kriegen wir das noch als EP zu hören, oder wird es seinen Weg auf das nächste Album finden?

Nergal: Nicht auf das nächste Album. Wenn wir anfangen, daran zu arbeiten, werde ich wieder neue Ideen haben. Manche Bands gehen ins Studio und haben danach einfach zwei neue Alben fertig. Das macht vielleicht Sinn, wenn man nicht auf Tour geht. Aber wenn man das tut, sein Leben hinter sich lässt, dann zurückkommt und an einem völlig neuen Punkt angekommen ist, dann will man nicht etwas, das man vor drei Jahren geschrieben hat, auf ein neues Album packen. Das bin zwar immer noch ich, aber das bin ich vor drei Jahren.

Aber ja, es gibt noch einiges, cooles Material. Es wird vielleicht früher oder später noch das Licht der Welt erblicken. Das hoffe ich zumindest. Etwas, worauf ich sehr stolz bin, ist das THE CURE-Cover „A Forest“. Niklas von SHINING und ich singen das gemeinsam. Es ist sehr cool, ich liebe es. Wir haben es diesen Sommer auch schon zwei Mal live gespielt. Diesen Song will ich auf jeden Fall veröffentlichen, wahrscheinlich 2019.

Eher aus persönlichem Interesse: Stimmt es, dass du vor ca. sechs Monaten aufgehört hast, Fleisch zu essen?

Nergal: Ich glaube nicht, dass es vor sechs Monaten war, denn ich sage jedes Mal, dass es vor sechs Monaten war. Vielleicht war es also schon vor einem Jahr. Ich bin Pescetarier, ich liebe Fisch und Meeresfrüchte, aber Fleisch habe ich nie wirklich gemocht. Jahrelang ist mir immer wieder aufgefallen, dass ich einen Monat lang kein Fleisch mehr gegessen hatte. Ich habe einfach kein Bedürfnis danach. Schweinefleisch habe ich schon vor Jahren aufgegeben, weil ich das einfach total eklig finde. Ich habe immer noch Rind gegessen, bis ich gemerkt habe, dass ich das auch nicht mehr will. Geflügel war dann das Letzte, das ich aufgegeben habe.

Vielleicht fange ich damit wieder an, oder auch nicht, keine Ahnung. Aber ich denke, ich brauche das nicht. Und wenn ich es nicht brauche, dann esse ich es auch nicht. Vielleicht höre ich irgendwann auch auf, Fisch zu essen. Ich kann aber auf keinen Fall auf das hier verzichten [kramt in einer Papiertüte auf dem Tisch, holt ein gekochtes Ei heraus und lacht]. Ich bin dafür bekannt, dass ich immer mit gekochten Eiern unterwegs bin. Das ist mein Lieblingssnack. Viele Leute lachen darüber. Ich finde Eier toll. Sie sind gesund und haben gute Proteine. Wenn ich mitten in der Nacht Hunger bekomme, esse ich ein paar Eier und Hummus und bin glücklich. Mit leerem Magen kann ich nicht einschlafen.

Bild Behemoth Bandfoto 2018

Behemoth 2018

Ich erzähle dir mal eine wirklich lustige Anekdote. Wir sind mal von den USA nach Kanada gefahren. Dieses Mal waren die kanadischen Grenzbeamten richtige Arschlöcher zu uns. Wir saßen also draußen, sie haben den Bus gefilzt und es hat ewig gedauert. Irgendwann kam einer raus, war total angepisst und hat nur nach einem Grund gesucht, uns eins reinzuwürgen. Er meinte dann „Wessen Tasche ist das ganz hinten im Bus?“ Ich darauf: „Meine, wieso?“ „Ich habe darin zwei Eier gefunden!“ „Okay…“ „Was hast du damit vor?“ Ich war dann etwas verwirrt und meinte: „In Polen essen wir die normalerweise.“ Ich glaube, da wurde der Typ nur noch wütender. Sie haben uns dann aber weiterfahren lassen.

In den Zeiten des Kommunismus in Polen hatten die Leute immer Eier dabei. Deshalb lachen die Leute mich ab und zu aus, wenn ich heute welche dabei habe, wie so ein Hinterwäldler. Wenn du aber nach New York oder so gehst, gibt es am Flughafen immer gekochte Eier. Auch am Düsseldorfer Flughafen, das habe ich erst gestern gesehen. Das ist der beste Snack ever. In manchen zivilisierten Ländern, wie Deutschland, kennt man das also. In Polen noch nicht, aber vielleicht kommen wir da ja auch noch hin.

Damit wäre ich durch, aber wir haben noch eine Minute. Hast du noch was zu sagen?

Nergal: Das Letzte, das ich noch sagen will ist [er spricht auf Deutsch weiter]: „Wir müssen diese ganze Anlage schnellstens nach Berlin schaffen!“ Klang das gut?

Gibt es dazu einen Kontext?

Nergal: Naja, wir sind in Berlin, also macht es Sinn. Oder besser, wir sind in Berlin, also macht es keinen Sinn. Das ist ein Zitat aus einem Film, in dem ich mitgespielt habe. Es ist eine Komödie über Nazis und ich habe Joachim von Ribbentrop gespielt. Das ist die Zeile, an die ich mich noch erinnere.

Danke für das Interview!

Nergal: Danke auch!

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Quelle: Nergal, Behemoth
29.09.2018

headbanging herbivore with a camera

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