Battlelore
Interview mit Tomi Mykkänen zu "Doombound"
Interview
Mit „Doombound“ veröffentlichen BATTLELORE dieser Tage ihr sechstes Album. Musikalisch bietet die Scheibe ein episches Fantasy-Spektakel, wie wir es von den Finnen gewohnt sind. Dennoch gibt es kleine Kurskorrekturen, wie uns Sänger Tomi Mykkänen im Interview erklärt. Und er verrät uns auch, ob sich bei den Finnen wirklich alles nur um Tolkien und Rollenspiel dreht.
Wenn Du auf den Entstehungsprozess, die Proben und die Aufnahmen von „Doombound“ zurückblickst, was ist Dir da am meisten in Erinnerung geblieben?
Nun, eigentlich ist es so, dass wir nicht proben. Dazu muss ich ein wenig ausholen: Jussi (Rautio, Gitarre), Jyri (Vahvanen, Gitarre), Timo (Honkanen, Bass) und ich haben zunächst die Grundideen zu den Songs auf der Gitarre ausgearbeitet. Dann sind wir zusammen mit Henri (Vahvanen, Drums) in einen Proberaum gegangen und haben alles aufgenommen. Diese Tracks haben wir dann als Mp3-Dateien an die anderen Mitglieder verschickt, und sie konnten dann ihre Parts hinzufügen – und wenn die okay waren, war es eben okay. Generell arbeiten wir immer so.
Das Songwriting hatten wir im Januar 2010 begonnen, und fertig wurden wir im Mai, mal abgesehen von ein paar Texten oder Gesangsmelodien. Im Juni sind wir dann ins Studio gegangen, kurz nachdem wir einen einzelnen Gig auf Ibiza gespielt hatten, der richtig nett war. Im Studio war es auch richtig schick, es war Sommer und wir konnten immer rausgehen. Aber wenn ich zurückblicke, gibt es eigentlich keinen speziellen Moment, an den ich mich erinnere. Vielmehr gab es eine Menge harte Arbeit. Wir hatten drei Tage für das Schlagzeug, dann die Gitarren, später der Gesang. Meine Gesangsparts habe ich in zweieinhalb Tagen fertig gehabt, was wirklich schnell ist. Schließlich haben wir im Juli die Aufnahmen zu Dan Swanö nach Schweden geschickt der sie dann abgemischt hat. Als wir dann Anfang August die ersten Mixes gehört haben, war das eigentlich der bemerkenswerteste Moment, da wir dort endlich hören konnten, was wir produziert hatten.
Ihr wusstet also bis zum Mix noch nicht so genau, wie sich die Songs im Endeffekt anhören würden?
Ja, wir hatten vorher zwar schon Demos gemacht, aber da waren noch nicht alle Gesangslinien drauf. Außerdem ändert sich im Studio ja noch ein bisschen was. Im Studio wiederum arbeitest du mit einem anderen Mix, um die einzelnen Instrumente einzuspielen. Wichtig sind hierbei die Gitarren, während die Synthesizer kaum zu hören sind. Für uns ist also der endgültige Mix immer eine kleine Überraschung, weil wir dann das Zusammenspiel von allen Instrumenten hören. Und der erste richtige Mix von Dan war sehr wichtig, weil wir auf seine Interpretation unserer Musik gespannt waren. Wir hatten ihm die einzige Vorgabe gemacht, dass die Gitarren heavier ausfallen sollten. Und der Rest ist von ihm dazuinterpretiert worden.
Wenn Du sagst, dass das Album gitarrenlastiger ausfallen sollte, war das eine Sache, die Ihr von Anfang an im Blick hattet?
Hmm, eigentlich wollten wir kein gitarrenlastigeres Album haben, und im Endeffekt ist es auch keins geworden. Wir haben Dan nur gesagt, dass er einige Gitarrenparts hörbarer machen soll. Und in einem Song wie „Iron Of Death“ sind die Gitarren auch ein ganzes Stück heavier und im Vordergrund. Wenn wir die Songs schreiben, dann überlegen wir nicht lange, wie sich der Song anhören soll. Wir fügen die einzelnen Parts aneinander, und üblicherweise hört es sich immer an wie BATTLELORE, hehe!
Beim Track „Last Of The Lords“ habt Ihr sogar ein Gitarrensolo eingebaut – das ist aber definitiv etwas Besonderes bei BATTLELORE…
Na ja, wie Du vielleicht weißt, gibt es auf dem ersten Album einen Song mit einem Gitarrensolo, und danach hatten wir auch immer mal wieder Songs, wo wir halbe Gitarrensoli mit draufgepackt haben, haha! Bei „Last Of The Lords“ war es aber so, dass der Song noch kein Gitarrensolo hatte, als wir das Material zu Dan geschickt haben. Als Timo, der den Song komponiert hatte, den ersten Mix hörte, dachte er, dass dort noch etwas fehlt. Also hat er Dan angerufen und gefragt, ob er da nicht noch ein Solo einspielen könnte… Ein paar Stunden später hatten wir dann einen Mix mit Solo, und es hörte sich wirklich perfekt an, haha!
Ihr habt „Doombound“ im Sound Supreme Studio in Hämeenlinna aufgenommen, was von Eurer Heimatstadt Lappeenranta doch recht weit entfernt ist. Wie hat sich dadurch die Studioarbeit gestaltet? Hattet Ihr einen strikten Fahrplan, oder blieb auch ein wenig Zeit für Experimente?
Nun, Hämeenlinna ist ungefähr eine Stunde Fahrtzeit von Helsinki entfernt, wo die meisten von uns mittlerweile leben. Aber natürlich konnten wir auch über Nacht im Studio bleiben. Jyri beispielsweise lebt in Jyväskylä, was einfach zu weit weg ist, um nach Hause zu fahren. Also ist er drei oder vier Wochen im Studio geblieben. Es ist ziemlich einfach, sich auf die Arbeit im Studio zu konzentrieren, weil es nicht viel anderes gibt, was man nebenher machen könnte – außer mal vor die Tür zu gehen. Und dann haben wir unsere Demos, auf denen wir schon die Songsstrukturen festgehalten hatten. Aber es gibt dann immer Sachen, die man mit dem Produzenten noch ändern oder hinzufügen kann. Wir hatten auch mit drei oder vier Wochen genügend Zeit dafür.
Du teilst Dir ja den Gesang mit Kaisa (Jouhki). Wer von Euch entscheidet, wer was singen soll?
Üblicherweise fällt diese Entscheidung, nachdem ich die Texte geschrieben habe. Wir machen uns unabhängig voneinander Gedanken, wer was singen könnte, und meistens kommen wir zum selben Ergebnis. Und wenn wir beide dieselben Parts übernehmen möchten, müssen wir eben sehen, was am besten funktioniert. In einigen Songs gibt es aber auch so etwas wie ein Gespräch, das sich aus dem Text ergibt. Dann ist es klar, wer was singen muss. Beim Opener „Bloodstained“ gibt es anfangs einen Gesangspart, der sehr ruhig ist. Da habe ich Kaisa gesagt: „Okay, das ist Dein Part!“ Sie hatte dafür aber keine schmissige Idee, weswegen ich ihn letztlich selbst singen musste, haha!
Was war für Dich die größte Herausforderung auf dem Album?
Ich denke, das war der Opener „Bloodstained“ mit dem cleanen Gesang. Für mich ist es kein Problem, die harschen Gesangsparts schnell einzusingen, aber der Klargesang auf „Bloodstained“ war wirklich eine Herausforderung.
„Doombound“ ist ein Konzeptalbum, das die Geschichte des tolkienschen Helden Turin Turambar erzählt. Was kannst Du uns zu den Texten und der Story sagen?
Nun, wie Du weißt, ist die Lebensgeschichte von Turin sehr tragisch. Man könnte sie kurz zusammenfassen mit: Sein Leben ist eine einzige Katastrophe, und am Ende stirbt er. In den Grundzügen hat sich Tolkien bei Turin Turambar auf die Geschichte von Kullervo aus dem finnischen Nationalepos Kalevala bezogen. Es hat dieselben Motive und ist eine tragische Geschichte, wo am Ende die Hauptcharaktere alle sterben. Für BATTLELORE passt diese Verbindung natürlich perfekt, weil wir schon immer Motive aus dem Kalevala in unsere Texte eingebaut haben.
Eigentlich war es nicht geplant, dass „Doombound“ ein Konzeptalbum über Turin werden soll. Ursprünglich hatte Jyri ein paar Texte über Feanor geschrieben, aber dann schickte ich ihm zwei, drei Texte zu Turin und er ergänzte sie, bis wir Stoff für ein komplettes Konzeptalbum hatten. Allerdings sind die Texte nicht chronologisch geordnet, sondern behandeln einzelne Szenen aus seinem Leben. Dadurch konnten wir die Reihenfolge der Songs noch verändern.
Okay, Ihr habt diesmal auch zwei finnische Titel auf dem Album. Der letzte Song auf dem Album, das instrumentale „Kielo“ steht für „Maiglöckchen“. Was bedeutet aber „Kärmessurma“?
Das kann man mit „Erschlagen eines Drachens“ übersetzen. Dieser Ausdruck ist einem alten finnischen Zauberspruch entnommen, der bis in die Zeit der Entstehung des Kalevalas zurückgeht. Es war Jussis Idee, diesen Zauberspruch zu verwenden und ihn mit seinen Textzeilen zu verbinden. Übrigens eine schöne Abwechslung, weil uns Fans schon häufig gefragt haben, warum wir keine finnischen Texte schreiben.
Ihr seid ja vordergründig ausgewiesene Tolkien-Verehrer. Empfindet Ihr das nach sechs Alben eigentlich als Einschränkung oder vielleicht als Vorteil, weil Ihr dadurch so etwas wie unverwechselbar seid?
Nun, bezogen auf das Songwriting und die Texte würde ich es nicht als Einschränkung betrachten, weil wir über alles schreiben können. Beispielsweise hat unser „Evernight“-Album keinen ganz eindeutigen Bezug zu Tolkien, sondern einen eher universellen Ansatz. Mit „Doombound“ sind wir jetzt halt wieder mitten drin im Tolkien-Universum. Aber bezogen auf unser Image ist es natürlich schon eine gewisse Einschränkung. Napalm Records promoten uns ja als Fantasy Metal, was okay ist, weil alles irgendwie kategorisiert werden muss. Aber es gibt sicherlich viele Leute, die deswegen unsere Musik nicht anhören würden, weil sie uns als Rollenspielfreaks abstempeln.
Und das seid Ihr nicht?
Nein, wenn wir uns treffen, ist das eigentlich auch nie ein Thema. Wir unterhalten uns über ganz gewöhnliche Dinge. Dieser ganze Tolkien-Kram ist also eine Sache, die sich auf unsere Texte beschränkt.
Dann passt das ja sehr gut zu meiner nächsten Frage: Du hast mit EVEMASTER noch eine zweite Band, die sich von BATTLELORE ziemlich unterscheidet. Vor ein paar Monaten gab es ein neues Album von Euch. Welchen Stellenwert hat diese Band für Dich?
Hmm, ich habe EVEMASTER schon 1996 gegründet, weshalb man sagen kann, dass es meine Hauptband ist. EVEMASTER besteht aus mir und Jarno Taskula, der den Gesang übernimmt, und live helfen ein paar Freunde aus. Im Juni haben wir unser schlicht „III“ betiteltes Album veröffentlicht – zwar nur in Skandinavien, aber hoffentlich kommt es auch in Deutschland raus. Ich bin sehr stolz darauf und würde behaupten, dass es das beste Material enthält, was ich geschrieben habe.
In welche Richtung geht die Musik von EVEMASTER?
Ich würde es als Dark Metal bezeichnen. Wir sind zwar schon häufig mit Black Metal in Verbindung gebracht worden, aber thematisch hat es damit nichts zu tun. Ich finde, es bezieht sich sehr stark auf meine alten Helden, wie IRON MAIDEN mit „The Number Of The Beast“ – das war das erste Album, das ich mir je gekauft habe. Ich war schon immer ein Heavy-Metal-Fan. Man könnte EVEMASTER als Mischung aus IRON MAIDEN und QUEENSRYCHE bezeichnen, nur extremer.
Nochmal zurück zu BATTLELORE. Was sind Eure nächsten Schritte – habt Ihr schon irgendwelche Tourpläne?
Ja, wir sind gerade dabei, die nächsten Gigs klarzumachen. Im April spielen wir auf dem Ragnarök Festival in Lichtenfels und einen Tag später in Dresden. Im Sommer wollen wir ein paar Festivals spielen, aber wahrscheinlich werden wir nicht auf Tour gehen können. Wir sind sieben Leute in der Band, die alle ihren Job und ihre Familie haben. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist wirklich schwer geworden. Aber ich hoffe, dass wir trotzdem einige Festivalsshows spielen können.
Alles klar. Danke für das Interview!
(Fotos: Jarma Katila)