Barren Earth
Interview mit Sami Yli-Sirniö zum neuen Album "On Lonely Towers"

Interview

Barren Earth

Neuer Sänger, neues Album – und damit haben BARREN EARTH gleich zwei Volltreffer gelandet: Der Färöer Jón Aldará ist vor einem guten Jahr als Frontmann bei den Finnen eingestiegen, und zusammen hat man einfach mal das beste Death-Doom-Album in diesem Jahr bislang rausgehauen. Von den famosen Progressive-Rock-Passagen ganz zu schweigen. Um zu hören, warum die Konstellation so gut passt, haben wir auf direktem Weg nach Helsinki gefunkt und bei Gitarrist Sami Yli-Sirniö angefragt.

Barren Earth

Euer alter Sänger Mikko Kotamäki (u.a. SWALLOW THE SUN) hat Euch im Juli 2013 verlassen, und Jón Aldará (u.a. HAMFERÐ) wurde schließlich im Januar 2014 als neuer Sänger präsentiert. Wie habt Ihr Jón gefunden?

Zu unserer Überraschung hatten wir nicht wenige Angebote aus der ganzen Welt, und auch richtig gute. Zu unserem Glück hatte Mikko allerdings im Herbst bereits Jón den Job angeboten, ohne dass wir davon etwas wussten. Unser Schlagzeuger Marko Tarvonen und unser anderer Gitarrist Janne Perttilä kannten ihn schon von früher und wussten, dass er unsere Musik mag. Der wichtigste Punkt war natürlich seine Stimme. Als wir ihn auf einigen Rough-Demos von „On Lonely Towers“ gehört hatten, war uns klar, dass er der neue Sänger von BARREN EARTH werden würde. Jón passt einfach perfekt zu uns. Schön war übrigens, als Mikko letztes Jahr bei Jóns Debütshow mit BARREN EARTH für ein kurzes Duett auf die Bühne kam.

Wie würdest Du Jón als Sänger und als Person charakterisieren?

Jón ist sehr kreativ. Er hat fast im Alleingang seine Gesangsmelodien und die Texte geschrieben. Er hat sich auch das Textkonzept zum neuen Album ausgedacht. Die einzelnen Lieder sind alle miteinander verknüpft, wodurch das Album eine noch tiefere Wendung nimmt. Über Jón wussten wir auch schon zuvor, dass er sehr bodenständig ist und man sehr unkompliziert mit ihm zusammenarbeiten kann.

Jón gelingt es, mit seinem Gesangsstil eine Extrafarbe zum BARREN-EARTH-Sound hinzuzufügen…

Das denke ich auch!

War er ins Songwriting zum neuen Album involviert, oder standen die Songs bereits, als er dazustieß?

Wir haben diesmal sehr lang für das Songwriting gebraucht, fast zwei Jahre. Wir haben Dateien hin- und hergeschickt, und wir haben uns auch ganz herkömmlich im Proberaum getroffen. Ein Teil der Songs stand also schon, als er zu uns stieß, aber er hat mit seinen Gesangsmelodien einen sehr wichtigen Teil zu allen Liedern hinzugefügt.

Ihr habt bei „On Lonely Towers“ ein neues Produktionsteam ausprobiert. Wie liefen die Aufnahmen diesmal ab?

„On Lonely Towers“ wurde zum größten Teil von Petri Majuri aufgenommen und abgemischt. Er ist ja vor allem durch seine Arbeit mit Michael Monroe und die späten HANOI ROCKS bekannt, und auch wenn wir komplett andere Musik machen, haben wir doch immer den zupackenden und lebendigen Klang dieser Alben geschätzt. Die Musik haben wir selbst produziert, aber Petri saß am Mischpult und hat uns dabei geholfen, die besten Takes auszusuchen. Wir haben kaum etwas zusammengeschnitten, und die meiste Zeit haben wir sogar ganz auf Click-Tracks verzichtet. Also nur die Band in einem großen Raum, die die Grundtracks einspielt.

Diesmal waren wir in den vor allem hier in Finnland legendären Finnvox Studios. Die gibt es schon seit den Sechzigern, aber sie sind modern und auf der Höhe der Zeit. Kasper (Mårtenson, Keyboards) hat sich sehr über den vorhandenen Flügel und eine originale Hammond B-3-Orgel mit rotierenden Leslie-Lautsprechern aus den Siebzigern gefreut. Wir hatten also eine Menge Spaß, und beispielsweise ist der Introsong „From The Depths Of Spring“ komplett akustisch.

Als Gäste waren bei drei Songs Mila Laine am Cello dabei sowie Petri Herranen, der bei „Sirens Of Oblivion“ (ist auf der Deluxe-Edition und auf dem Vinyl enthalten) Saxophon spielt. Den Rest haben wir selbst eingespielt.

Vor allem der zweite Teil des Albums ist wie eine Reise zurück in die heiße Phase des Progressive Rock in den Siebzigern. Steht bei Euch jede Note, wenn Ihr ins Studio geht?

Ich denke, es ist für eine Band sehr wichtig, dass das Grundgerüst der Lieder und die Arrangements stehen, wenn du ins Studio gehst. Wir lassen bei BARREN EARTH aber immer ein paar Stellen für Improvisationen offen und so Raum für diesen besonderen magischen Moment. Das ist etwas, was mir bei vielen heutigen Metalproduktionen fehlt. Einige der Prog-Parts waren hingegen extrem durchkomponiert und im Voraus durchdacht. Beispielsweise der Mittelteil von „The Vault“, der sich für uns als äußerst herausfordernd entpuppte.

Jón wird hinsichtlich der Produktion zu „On Lonely Towers“ mit den folgenden Worten zitiert: „Wir haben uns die Ärsche aufgerissen, um nicht nur ein weiteres Album zu erschaffen, sondern etwas, das wirklich Substanz und Gewicht hat in einer Welt voller billiger Tricks und bald wieder vergessener Gimmicks.“ Was hat er genau mit der „echten Substanz“ gemeint?

Von der Musik her glaube ich, dass das Album sich nach ein paar Hördurchgängen besser erschließt. Es gibt eine Menge zu entdecken, was allerdings Zeit und Entdeckergeist erfordert. Heutzutage gibt es viele Leute, die diese Zeit oder Konzentration nicht aufwenden können oder wollen. In diesem Fall ist die musikalische Substanz also das, was sich für denjenigen nach ein paar Durchläufen erschließt, der auch die Zeit dafür aufbringt. Wenn wir über Trends sprechen, können sie natürlich gut oder schlecht sein; aber ich hoffe einfach mal, dass die Musik von BARREN EARTH zeitlos ist und nicht an einem bestimmten Ort oder einer bestimmten Epoche festgemacht werden kann.

Die Aussage bezieht sich aber auch auf die Texte, die von der eigenen Akzeptanz der Sterblichkeit handeln und dem Glauben daran, dass man etwas bewirken kann, einfach indem man sich gegenseitig hilft. Das Konzept hinter den Texten ist eher komplex, lässt auch Raum für eigene Interpretationen, ist aber natürlich äußerst substanziell, wenn du mich fragst!

Barren Earth

Sami, Du spielst ja auch bei WALTARI und KREATOR – welchen musikalischen und persönlichen Stellenwert hat BARREN EARTH für Dich?

Ich habe immer in verschiedenen Bands und Konstellationen gespielt, seit ich Teenager war. Musikalisch wächst man immer weiter, und man lernt ständig neue Sachen dazu, je mehr man komponiert und mit so vielen Leuten wie möglich jammt. Die Jungs aus BARREN EARTH beispielsweise kenne ich schon sehr lange, Oppu (Olli-Pekka Laine, Bass) schon seit den Neunzigern, als er noch bei AMORPHIS spielte. Kasper sogar noch länger aus unserer gemeinsamen Zeit an der English School in Helsinki. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis wir uns mal wieder über den Weg laufen würden, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Wir haben uns also 2007 durch einen glücklichen Zufall gefunden, lange bevor wir einen Vertrag in der Tasche hatten.

Musikalisch finde ich BARREN EARTH so interessant, weil sich die Musik so sehr von der unterscheidet, die ich sonst so gemacht habe. Siebziger-Jahre-Prog lag mir aber immer am Herzen, und das Ganze mit Death Metal und finnischer Folk-Melancholie zu mischen und zusammen mit alten und neuen Freunden etwas gemeinsam zu erschaffen, ist einfach äußerst spannend.

Wie würdest Du Deinen eigenen Stil umschreiben?

Ich habe mit 13 angefangen, Gitarre zu spielen. Ein Jahr später habe ich die Aufnahmebestätigung an der Musikhochschule in Helsinki für klassische Musik bekommen. Von da an sind Rock und Metal auf den Plan getreten. Es gibt so viele Gitarristen, die ich bewundere. Damals war es vor allem Ritchie Blackmore, von dem ich beeindruckt war und der mich zum Gitarrenspielen gebracht hat.

Ich habe gehört, dass Du früher sehr auf Frank Zappa abgefahren bist. Wie haben er und andere Gitarristen Dich beeinflusst?

Zappa war definitiv ein wichtiger Einfluss für mich und wird es auch noch lange bleiben. Gibt es nicht sogar eine Frank-Zappa-Straße in Berlin? (So ist es; Anm. d. Red.) Er hat ein riesiges Repertoire, aber ich bin vor allem mit den Alben aus den Sechzigern und Siebzigern vertraut. Bei ihm gibt es auf jeden Fall eine Menge zu entdecken.

Von welchem Instrument oder von welchem Stil bist Du derzeit besonders angetan?

Ich spiele nach wie vor ein wenig Sitar, aber eher als Hobby und um auf dem Instrument nicht komplett einzurosten. Auf dem neuen BARREN-EARTH-Album habe ich mehr Slide-Guitar gespielt, was mir ziemlich viel Spaß gemacht hat und worin ich mich noch verbessern möchte.

Danke für das Interview!

Galerie mit 18 Bildern: Barren Earth - Winter's Gate Tour in Berlin
20.04.2015

- Dreaming in Red -

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