Baden Metal
"Wichtiger als ständig nur die alten Bands zu feiern und den alten Zeiten nachzutrauern, ist dafür zu sorgen, dass die lokale Szene stabil bleibt und genug konkurrenzfähiger Nachwuchs heranwächst." - Interview mit Yücel Erol
Interview
Yücel Erol und sein Team von Baden Metal setzen sich seit Jahren fleißig für die Metalszene in Baden und in angrenzenden Regionen ein. Ob Sampler, Unterstützung von Bands, Festivalstände – auf diese Jungs und Mädels ist Verlass! Wir nahmen uns nun Yücel Erol zur Brust und sprachen mit ihm über das Projekt Baden Metal, den Underground, die Szene im Generellen und folgende Projekte des Teams.
Hi Yücel! Ich wünsche dir und deinem Team erst einmal nachträglich ein frohes neues Jahr! Stellt euch unseren Lesern zum Einstieg doch bitte einmal vor.
Yücel: Ebenfalls frohes Neues euch allen. Baden Metal ist eine regionale Szene-Support-Seite, welche seit Oktober 2002 existiert. Mittlerweile kümmere ich mich neben der Badener Region auch um die direkten Nachbarregionen Hessen, Unterfranken, Rheinland-Pfalz, Württemberg. Elsass und die Schweiz. Die Hauptarbeit mit News und Terminen kommt von mir. Für die Sampler haben wir seit 2008 ein festes Team. Hier erhalte ich von Christoph (www.iguana-studio.de), Gerd (www.gugeiger.com) und Olli (www.bustersdesign.com) Unterstützung. Auf den Festivals habe ich an meinem Info- und Verkaufsstand ab und an wechselnde Helferlein, insbesondere bei den Open Airs. Die kleineren Konzerte und Hallenfestivals bewältige ich meist im Alleingang.
2015 war für euch sehr gehaltvoll. Ihr habt den dritten „Baden Metal Sampler“ sowie den ersten „Swabia Metal Sampler“ veröffentlicht. Was ist bei euch darüber hinaus alles passiert?
Yücel: Es ist das erste Jahr, in dem wir zwei regionale CD-Sampler veröffentlichten. Aus der Sicht schon einmal eine Steigerung, was die Tonträger-Veröffentlichung angeht. Wir hatten zudem über meinen Promotion-Service Infinite Metal vermehrt Release Promotion für regionale Bands betrieben. Ansonsten habe ich mich in einigen Bereichen im Stillen für 2016 vorbereitet.
Wie kam es, dass sich das Projekt Baden Metal entwickelt hat? Wie hat alles angefangen und was hat sich in den vergangenen Jahren verändert?
Yücel: Als ich Baden Metal gründete, war ich arbeitslos. Ich überlegte mir, was in der Szenelandschaft fehlt und Sinn machen würde. Metal sollte es sein. Zudem war ich fast zwei Dekaden semiprofessionell Judoka und eine Zeit lang im badischen Kader. Das gab mir die Idee, nach Metal-Seiten zu suchen mit dem Schwerpunkt “Metal aus Baden“. Ich konnte jedoch keine finden. So war die Idee geboren. Seither hat sich vieles verändert. Anfang 2006 hätte ich das Projekt beinahe zu Grabe getragen, ließ mir mit dieser Entscheidung aber zum Glück Zeit. Zu dieser Zeit lief bei mir einiges schief und ich nahm mir eine Auszeit. Als ich mich circa neun Monate nicht mehr darum kümmerte, wurden die ersten Stimmen laut. “Mach bitte weiter. Irgendwie verläuft sich das wieder, was du in den vergangenen drei Jahren aufgebaut hast.“. So kam es im vierten Jahr, nach einer fast einjährigen Unterbrechung, zu einem Neustart. Von da an nahm das Baden-Metal-Projekt erst richtig Form an. Egal durch welche Höllen des Lebens ich durch bin, nichts konnte mich mehr von Baden Metal abbringen. Aus der Arbeit wurde eine Mission und eine Motivation zugleich: Den bestmöglichen regionalen Szene-Support-Service aufzubauen.
Erzähl uns doch bitte etwas über eure laufenden Projekte. Soweit ich weiß habt ihr euch anfangs nur mit der Szene in Baden beschäftigt – korrigiere mich bitte, falls ich falsch liege. Vor einiger Zeit habt ihr allerdings den ersten „Swabia Metal Sampler“ released. Wie kam es, dass ihr eure Kapazitäten auf weitere Regionen ausgebreitet habt und mit welchen regionalen Szenen setzt ihr euch zurzeit auseinander?
Yücel: Richtig. Da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht. Anfangs beschränkten wir uns tatsächlich rein auf die badische Szene. Die ersten Regionen, denen ich mich aufschloss, waren mitunter die schwäbische und die pfälzische. Zum Teil durch bestehende Kontakte vor Baden Metal und dann jene, die mit Baden Metal hinzukamen. Wir warben sehr früh schon für Konzerte sowie Festivals in diesen Regionen, und hatten sogar bei einigen einen Stand, wie dem Zabbaduschder Open Air. Später kamen das Metallic Noise, das Burning Winter, Bleeding Nose’s Bleeding Hell und das Boarstream hinzu. In der Pfalz war ich regelmäßig auf dem Nuke The Hall, Flak You oder dem Pfalz Metal, beziehungsweise dem heutigen Pälzer Hell. Dank den Jungs von MESSENGER waren wir einige Male im Saarland auf dem Saarbangers Metal Festival präsent.
Durch diesen Radius unseres Betätigungsfeldes war es unumgänglich, dass für die ersten beiden “Baden Metal Sampler“ sowohl von pfälzischen als auch von schwäbischen Bands Bewerbungen ins E-Mail-Postfach eintrudelten. Doch ich wollte das thematisch getrennt halten, damit nicht alles verschwimmt. Also habe ich diesen Bands mitgeteilt, dass ich mich in der nächsten Runde mit um ihre Region kümmern werde. Für den “Rheinland Pfalz Metal Sampler“ kamen dieses Mal leider nicht genug Bands zusammen. Beim “Swabia Metal Sampler“ hingegen knappe 45. Doch ich gebe die Pfälzer Region nicht auf. Nächste Runde probieren wir einen erneuten Anlauf. Dann sollte es klappen.
Ihr genießt durch euer Engagement einen guten Ruf innerhalb der Szene. Kommen die Bands auf euch zu, um einen Platz auf den Samplern zu ergattern, oder nehmt ihr Kontakt zu den potentiellen Kandidaten auf?
Yücel: Sowohl als auch. Ich bin mir da keinesfalls zu fein, die Bands anzuschreiben. Schließlich will ich einen starken Sampler veröffentlichen. Je mehr Bewerbungen eingereicht werden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, einen guten Sampler für die jeweilige Region zu veröffentlichen.
Was sind die Auswahlkriterien für die auf den Samplern vertretenen Bands? Gibt es überhaupt welche oder möchtet ihr jeder jungen Band eine Plattform bieten können? Die drei „Baden Metal Sampler“ zeigen ja, dass der Andrang recht hoch zu sein scheint.
Yücel: Die Auswahl auf den Samplern soll einen stilübergreifenden Überblick gewähren. Ich versuche mein Idealziel zu erreichen, sprich, eine möglichst ausgeglichene, abwechslungsreiche und qualitative Zusammenstellung aus normalen und harten sowie traditionellen und modernen Klängen zu erreichen. Doch das wiederum hängt von der Qualität der Bewerbungen ab. Das heißt, bei uns wird nicht nach dem reinen “Wer zahlt ist dabei“-Prinzip zusammengestellt. Ich höre mir die Songs alle an und entscheide mich für die aus meiner Sicht stärksten Songs. Die Auswahl des dritten “Baden Metal Samplers“ ist beispielsweise dieses Mal härter ausgefallen. Beim ersten “Swabia Metal Sampler“ wiederum hatten wir aus den Bereichen Hard Rock und Power Metal mehr Bewerbungen. Das kann sich in der nächsten Runde wieder ändern. Da habe ich keinen Einfluss drauf. Wie denn auch? Die Bandszenerie entwickelt sich von alleine. Ich mache lediglich das Beste aus dem, was geboten wird.
Das Feedback der Magazine national und international sowie der unserer Käufer bestätigt, dass wir unsere Arbeit richtig machen. Wir haben einige Stammkäufer, die sich regelmäßig mehrere CDs bestellen. Entweder bestellen sie für Freunde mit oder sie verschenken sie im Freundes- beziehungsweise Familienkreis. Wer das Backprogramm nicht hat, bestellt das, was noch da ist, mit. Nach einer gewissen Zeit fragen sowohl Käufer als auch die Bands nach, wann es den nächsten Sampler gibt. Wir haben durch unsere Herangehensweise sozusagen nicht “noch einen (weiteren) Sampler“ erschaffen, sondern einen, womit die Leute mehr aus ihrer eigenen beziehungsweise der jeweiligen Region kennenlernen können. Wir haben sogar Bestellungen aus dem Ausland von Metalfans, die sonst mit unserer Region nichts zu tun, ihnen aber die Reviews gefallen haben. Einige wiederum kaufen sich die CDs, hören sich diese durch und ordern dann bei den jeweiligen Bands ihre Tonträger und Merchartikel. Genau das, was wir eben mit unserer Arbeit beabsichtigen. Das hat schon fast etwas von dem Spirit wie früher, als wir Reviews in Fanzines (bei mir waren es der Underground Empire, das That’s It und die legendäre Rockfabrik Zeitung) gelesen und dann bei der jeweiligen Band oder Plattenfirma/Distro bestellt haben.
Der Arbeitsaufwand für diese Sampler ist groß, wie ich mir vorstellen kann. Über die Bandfindung sind natürlich Dinge wie die Gestaltung des Digipacks, das Coverartwork und die Viralität entscheidend. Auf welche Probleme stößt man während der Produktion und inwiefern unterstützen euch externe Leute dabei?
Yücel: Das Einfachste vorweg. Mit Christoph Brandes (Mastering), Olli Buster (Layout) und Gerd Uwe Geiger (Artwork) habe ich drei kompetente Leute um mich, die mir diese Bereiche abnehmen. Ich teile lediglich dem Gerd meine Ideen und den Arbeitstitel mit, schicke ihm ein paar Songs rüber und überlasse ihm die Umsetzung des Artworks ganz alleine. Ich finde es sehr wichtig, dass hier ein jeder freie Hand hat. Nur bevor es ins Presswerk geht, wird es im gegenseitigem Interesse von mir durchgesehen, angehört und abgesegnet.
Den Rest, wie Ausschreibungen, das Einsammeln, Anhören und Auswählen der Stücke, übernehme ich ganz alleine. Gerade dieser Part ist mit am aufwendigsten. Danach wiederum das Beschaffen der notwendigen Materialien, wie das Teilnahmeformular und der Teilnahmegebühr, Bandfoto, -logo, -info, Anmeldung bei der GEMA. Ist alles da, sind alle wichtigen Angaben gemacht worden. Wenn du dann mehrere Sampler am Laufen hast, kann sich manchmal die eine Arbeit mit dem anderen überkreuzen und da ist es wichtig, den Überblick zu wahren, auch was den Schriftverkehr anbelangt. Bei 35-45 Bewerbungen pro Sampler und 16, 17 Bands, die es auf die Sampler schaffen, kommt schon so einiges an Schriftverkehr zustande. Doch mit der Zeit wird man eingespielter, was das angeht und überlegt sich aus der Erfahrung immer weitere Erleichterungen, damit die restliche Szene-Arbeit nicht in dieser Zeit darunter leidet.
Wenn du an euren ersten Sampler zurückdenkst: Inwiefern geht ihr die Sampler heute anders an? Mit der Zeit wird man durch Erfahrung professioneller. Was macht ihr heutzutage anders?
Yücel: Heute geht man natürlich erfahrener an die Sache heran. Du weißt, was alles nötig ist und wie du alles übersichtlich in Ordnern ablegst und tabellarisch Notizen anlegst. Die sogenannten “zu machen“- und “getan“-Listen. Wir weisen die Bands im Vorfeld schon darauf hin, wann die Bewerbungsphase losgeht, damit sie zeitig in die Startlöcher gehen können, Zeit haben bestmögliche Aufnahmen zu machen und nicht etwas hinwurschteln. Das hilft mir im Zeitplan zu bleiben und den Bands, sich stressfrei vorzubereiten. Verzögerungen sind dennoch nicht auszuschließen, da Christoph, Olli und Gerd noch andere Aufträge zu erledigen haben. Da stellt man sich anständig hinten an. Das Endresultat ist wichtig. Und da bin ich bei Ihnen in besten Händen. Da lasse ich mir weder Druck machen, noch leite ich den Druck weiter.
Was immer noch gleich geblieben ist, das ist die Spannung. Welche Band liefert was ab? Welche Band überrascht einen am meisten? Dass eine Band schon auf den Vorgängern vertreten war, ist kein Garant, wieder dabei zu sein. Da sind alle Bands gleichgestellt. Jede Band muss sich mit dem abgeliefertem Material erneut bewähren. Zudem gibt es der Abwechslung willen für jede beteiligte Band eine Runde Pause, ehe sie sich wieder bewerben kann. Somit wird ausgeschlossen, dass eine Band auf zwei Samplern hintereinander vertreten ist.
Abgesehen von den Samplern: Wie engagiert ihr euch sonst noch um die Szenen? Du wirkst meines Wissens nach auch an einem Label mit, oder?
Yücel: Wir unterstützen möglichst jeden, der in unserem Radius tätig ist und dem Hard-’n‘-Heavy-Sektor angehört. Bands, Veranstalter, Clubs, DJs, Plattenfirmen, Layouter, Fotografen, Tonstudios, eben alles, was zu diesem Bereich dazugehört.
In Zukunft wollen wir mit dem Baden-Metal-Label Veröffentlichungen von Bands realisieren. Ansonsten habe ich meinen Promotion Service Infinite Metal. Hier kümmere ich mich um Bands (mit und ohne Labeldeal) und Labels. Im Vergleich zu Baden Metal agiere ich hier international und nicht regional begrenzt.
Inwiefern hat dich die Arbeit mit den Szenen und Bands persönlich beeinflusst?
Yücel: Man wächst mit seiner Arbeit zusammen. Genau so, wie Menschen sich entwickeln und ihre Richtung, die sie beschreiten, durch neue Einflüsse und Wissen neu definieren, perfektionieren. Anfangs diente Baden Metal rein zur Übersicht über das, was es gibt. Heute ist es weitaus mehr und ich glaube, es ist aus dieser Region und Szene nicht mehr wegzudenken. In den letzten 13 Jahren haben wir so viel getan, dass zum einen unsere Arbeit immer größere Spuren hinterlässt und das Thema “Regionaler Szene-Support“ heute anders wahrgenommen wird als Ende 2002 bei unserer Gründung. Es ist zu einer Verantwortung herangewachsen. Schau dir heute die Bands und Veranstaltungen in der Region an. Wir haben nicht nur mehr von beiden sondern auch die Qualität ist heute höher.
Genau diese Entwicklung und das Feedback, welches ich erhalte, lässt mich weiter unermüdlich dafür kämpfen. Die Geduld zahlt sich mit der Zeit aus. Das Interesse an regionalen Bands und Veranstaltungen ist gestiegen und dadurch ihr Ansehen. Dieses ständige Geben und Nehmen untereinander hat alle Seiten gestärkt und gemeinsam wachsen lassen. Heute denkt man bei einer regionalen Band nicht mehr belächelnd zuerst an eine ambitionslose Kellerkombo. Da haben wir denke ich gute Überzeugungsarbeit geleistet, vor allem mit unseren Samplern. Oder wenn ich betrachte wie die Videoclips unserer Bands, die ich auf unserer Facebook-Seite poste, manchmal rege geteilt werden. Da haben schon viele Fans und Veranstalter neue Bands für sich entdeckt. Wenn man sich dann vor Augen hält, dass viele dieser Bands nicht einmal einen Plattenvertrag in der Hand haben, gute Songs schreiben, über einen klasse Sound verfügen und dann noch einen professionellen Videoclip abliefern und somit international etablierten Bands oft in nichts nachstehen.
Wir hoffen durch unsere Arbeit Anteil daran zu haben, all diesen tüchtigen Bands überregional und international zu mehr Beachtung und zu dem einen oder anderen Label- und Booking-Deal sowie zu Festival-Auftritten zu verhelfen und dass sie sich einen Namen machen. Sie sind die Aushängeschilder unserer Region. Wichtiger als ständig nur die alten Bands zu feiern und den alten Zeiten nachzutrauern, ist dafür zu sorgen, dass die lokale Szene stabil bleibt und genug konkurrenzfähiger Nachwuchs heranwächst.
Durch deine Auseinandersetzung mit dem „Underground“ hast du sicher einen guten Einblick in die Szenen selbst. Viele Metaller beschreien oft, dass der Metal den Bach runtergeht und dass nach dem Ende der aktiven Zeit der Szenegrößen – überspitzt gesagt – alles vorbei sein wird. Wie ist dein Eindruck dazu? Denkst du, dass es heutzutage aufstrebende Bands gibt, die das Format von Gruppen wie IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST oder den durch den tragischen Tod von Lemmy Kilmister kürzlich aufgelösten MOTÖRHEAD erreichen könnten?
Yücel: Wenn man sich objektiv betrachtet die einzelnen Dekaden der Rock- und Metal-Musik ansieht, wird man feststellen, dass es immer große Bands/Musiker gab, und dass in jeder Dekade neue Sterne geboren sind. Wenn diese Logik stimmen würde, dass die Musik, wenn die einstigen Größen weg sind, den Bach herunter geht, dann wäre die Musik heute überall tot. Ist die Gitarrenmusikwelt untergegangen, weil es keine BEATLES, LED ZEPPELIN oder ELVIS PRESLEY mehr gibt? Nein! Diese Bands und Musiker haben andere beeinflusst und ermutigt, ihnen zu folgen und ihre eigene Musikmischung zu kreieren, so wie sie wiederum einst von anderen Größen aus ihrer Zeit animiert worden sind. Stell dir die Musikwelt eher vor wie einen Staffellauf. Wenn der Eine fertig ist, reicht er den Stab an den Nächsten weiter. Es wird immer weiter gehen. Daher keine Sorge. Alte Größen treten ab, neue Größen wachsen heran. Das ist der natürliche Lauf der Dinge. Schließlich wächst mit den neuen Größen eine neue Generation an Metalfans heran. Wie singen PRIMAL FEAR so schön? METAL IS FOREVER!
Was bedeutet der Tod von Lemmy für dich als Metalfan?
Yücel: Er bedeutet keinesfalls den Anfang vom Ende. Lemmy hat viel geleistet, viele Fans erreicht, Musiker beeinflusst und ein mächtig großes Vermächtnis hinterlassen. Er wird fehlen, sicherlich. Doch es wird auch ohne ihn weitergehen. Es sind viele große Namen von uns gegangen, unter anderem Bon Scott, Dio, Joey Ramone. Und hat die Rockwelt deswegen aufgehört zu existieren? Uns bleibt übrig, ihnen zu danken für das, was sie uns an Erinnerungen und Musik hinterlassen haben. Ich denke, es wäre nicht in Lemmys Interesse, dass wir wegen ihm trauern, sondern an ihn gedenken und Party machen, Rock ’n‘ Roll eben. Das ist das beste Geschenk, das wir ihm und allen anderen verstorbenen Szenegrößen machen können.
Ich bin mehr der Prog- und Doom-Metal-Fan sowie durch meine Arbeit mehr mit dem Underground verbunden. Da sind mir Persönlichkeiten wie Peter Steele (TYPE O, CARNIVORE), Juhani Palomäki (YEARNING, COLOSSEUM), Carl Albert (VICIOUS RUMORS, RUFFIANS), Criss Oliva (SAVATAGE), Mike Baker (SHADOW GALLERY), Chuck Shuldiner (DEATH, CONTROL DENIED), Midnight (CRIMSON GLORY) nicht minder viel wert.
Oder wenn bei unseren regionalen Bands Musiker von uns gehen, wie zuletzt der Thassilo von DRAGONSFIRE oder Xaver von GUN BARREL, Daniel von FEHLGEBURT, Vadder von den 22 COLT SUCKERS. Oder Leute wie Manfred von Rebtownrock/Metal in der Räbe, Cordula Abston und Michael Trengert. Im Vergleich zu Lemmy stehen mir diese Personen viel näher. Entsprechend sitzt der Schock tiefer und die Trauer ist größer, zumal sie alle sehr früh von uns gegangen sind. Es kommt nicht drauf an, wie bekannt jemand ist, sondern wie nah Dir jemand steht.
Du bewegst dich schon seit vielen Jahren innerhalb der Metalszene. Wie hat sich diese in deinen Augen in den vergangenen Jahren verändert? Gibt es gravierende Unterschiede zu früher?
Yücel: Die ersten Konzerte habe ich 1987 besucht, in die Szenearbeit bin ich 1992 geschlittert. Aus der Sicht hat sich schon sehr viel geändert:
– Fanzines haben sich überwiegend als Webzines ins Internet verlagert.
– Underground-Konzerte bekam man oft über befreundete Bands und von s/w-Papierflyern aus dem Copy Shop mit. Heute sind es professionell designte 4-Farb-Flyer und farbige DIN A1- und 2-Poster sind ebenfalls keine Seltenheit.
– Bands von heute haben ihre Webseiten, Newsmails und ihre Seiten auf den sozialen Netzwerken.
– Aus Demotapes sind gepresste CDs geworden. Was damals für eine Band ohne Plattenvertrag unmöglich war, ist ebenfalls wahr geworden. Immer mehr Bands veröffentlichen heute 7“-Singles, 10“- und 12“-Vinyl und Picture-LPs. Das war für viele Unsigned- beziehungsweise Demobands damals nur ein Traum. Meist blieb es bei Demotapes mit s/w-Coverwartwork auf stinknormalem Papier oder Pappe.
So gesehen bin ich mit den alten Praktiken durchaus vertraut. Ohne Internet würde ich Baden Metal vermutlich heute fanzinegleich betreiben und verteilen. In meinem ersten DJ-Job habe ich hauptsächlich mit Demotapes und Vinyl Musik gemacht.
Wenn du ein Fazit unter 2015 setzen würdest: Wie lief das vergangene Jahr für euer Projekt – besonders im Rückblick auf frühere Jahre?
Yücel: Ich bin generell über die Entwicklung seit 2012 glücklich. In den ersten Jahren habe ich viel lernen müssen. Du musst dir vorstellen: Du stampfst so ein Projekt aus dem Boden, einen Rohbau quasi, der noch Form benötigt, denkst nicht viel dabei und es kommt auf Anhieb bei vielen Leuten an. Du hast aber deinen Arbeitsbereich thematisch abgesteckt, dem du treu bleiben möchtest und willst nichts unternehmen, das dein Thema unübersichtlich macht und verschwimmen lässt. Es kamen so viele auf mich zu und manche haben versucht, die Freundeskarte auszuspielen oder allgemein probiert, Einfluss auf Entscheidungen oder das Konzept auszuüben. Das ist etwas, was ich keinesfalls wollte. Ich habe lernen müssen, mit dieser Situation umzugehen und in meine Rolle als neutraler Szene-Supporter hineinzuwachsen. Ich habe mich den vorhandenen Problemen gestellt, mir Gedanken darüber gemacht wie ich diese lösen kann. So, dass es für mich Sinn ergibt und ich mich damit anfreunden kann. Ich bin natürlich für konstruktive Kritik, Ideen und Anregungen offen. Nur gegen ungewollten Druck reagiere ich allergisch. Da fallen mir immer diese aalglatten Verkäufer ein, die an einem schnellen und einseitigem Profit interessiert sind. Daher, wenn jemand für eine Sache Druck auf mich ausübt, über die ich mir erst noch Gedanken möchte und mir keine Gedenkzeit gelassen wird, gibt es sofort die rote Karte und es wird ad acta gelegt. Ich mache nichts, wo ich nicht persönlich dahinter stehe. Lieber verzichte ich, als etwas zu bereuen.
Das wäre so wie eine Plattenfirma, die an deiner Band interessiert ist, aber entscheiden möchte, welchen Weg du nehmen sollst. Wo und von wem es aufgenommen und produziert werden soll, das Coverartwork bestimmt, und je nachdem sich sogar ins Line-Up und Outlook der Band einmischt, womit sie die Band, ihren Sound und Look verfremden. Und das nur, um primär mit ihnen kurzfristig schnell Kasse zu machen. Die Band mehr als Produkt gesehen wird anstelle von lebenden Musikern mit eigenen Vorstellungen. Meine Aufgabe als Label wäre, die Band in ihrem Sinne entwickeln zu lassen und, weil sie mir gefällt, sie nicht zu verfremden sondern sie original ihrem natürlichen evolutionären Verlauf zu belassen. Solange ich etwas mit ihrer Musik anfangen kann, ihre Wünsche zu erfüllen, die machbar sind, damit sie motivierter und ihre Musik ergiebiger wird. Nur Bands, die authentisch bleiben, Spaß und vielleicht mit Glück obendrein Erfolg mit ihrer unverfälschten Musik haben, sind die glücklichsten, motiviertesten und, wenn sie anständig sind, die loyalsten Musiker, die den eigenen Einsatz mit einer Vertragsverlängerung danken. Siehe als Beispiel MY DYING BRIDE und DARKTHRONE mit Peaceville Records. Warum soll ich eine Band unter Vertrag nehmen, bei der ich so viel mitreden möchte und sie gegebenenfalls mit meinen aufgedrückten Vorgaben unglücklich mache? Das kommt für mich einem Verbrechen gleich. Nicht selten entstehen genau hieraus die schwächeren Alben oder Auflösungen von Bands. Dann kann ich auch eine Casting-Ausschreibung machen und mir eine “Band“ formen, wie ich sie mir vorstelle und die ausgewählten Bewerber wie Puppen nach meiner Pfeiffe tanzen lassen. Doch das widerspricht meinem Verständnis von Rock ’n‘ Roll.
Und so verhält es sich mit Baden Metal. Ich mache mir immer Gedanken, wie man den regionalen Support weiter verbessern kann, welche Aktionen man starten kann ohne die Grundausrichtung zu verfremden. Jede Neuerung im Konzept soll eine Bereicherung und eine natürliche, unverfälschte Weiterentwicklung dessen sein. Ich möchte etwas machen wollen und nicht machen müssen.
Yücel, danke für das Interview! Ich möchte dir und deinem Team noch einmal für euer Engagament danken. Worauf können wir uns in naher Zukunft von euch freuen?
Yücel: So einiges. Wir führen wieder unseren wöchentlichen E-Mail-Newsverteiler-Service ein. Die News werden in vier Themenblöcke wie “Termine“, “Bandnews und Musikerbörse“, “Videoclip Front“ und “Label/Partner & Mailorder“ über den ganzen Monat aufgeteilt. Durch diese Aufteilung möchte ich gewährleisten, dass die Newsletter kompakter und übersichtlicher werden und eine spätere Suche nach Infos gezielter und somit schneller erfolgt.
Demnächst laden wir unseren Mailorderkatalog hoch und führen damit ebenfalls einen Shop-Newsletter ein. Im Shop werden wir sogar pflichtgemäß die einzelnen Regionen hervorheben, sodass jeder sehen kann, welche Band welcher Region zugehörig ist und was alles von ihnen bei uns erhältlich ist.
Die Homepage muss natürlich auch in Angriff genommen werden. Nach dem Sommer geht es wiederum in die nächste Runde bei den Samplern, die dann 2017 im 15. Baden-Metal-Jahr veröffentlicht werden. Ich hoffe mit mindestens einer Region mehr. An mir soll es nicht liegen. Somit bleibt keine Zeit für Langeweile. Es gibt immer etwas zu tun im Hause Baden Metal.
Abschließend möchte ich Dir und metal.de für dieses Interview und Euren Support einen großen Dank aussprechen. Es war mir eine besondere Ehre.