Back to normal oder alles anders?
Interview mit Schnalli, Bastard Club, Osnabrück
Interview
Schnalli betreibt den Bastard Club in Osnabrück und sieht seinen Club mit einer 300er Kapazität im Underground. Die Veranstaltungsbranche muss den Verlust von qualifizierten Arbeitskräften verkraften, sodass er den Underground für einen möglichen Re-Start im Vorteil sieht. Ab Mitte 2022 hofft Schnalli, dass sich der Eventbetrieb wieder einpendelt.
Werden Veranstalter von Livemusik-Events künftig gezwungen sein, die dauerhaft erhöhten Kosten für verschärfte Hygiene- und Sicherheitsvorgaben auf ihre Ticketpreise umzuschlagen?
Ja. Momentan sieht es noch danach aus, dass es für jeden Veranstalter/Club ein Hygienekonzept geben wird. Der Bastard Club ist ein „kleiner“ Club (300er Kapazität) , trotzdem werden wir zu unserem „normalen“ Lüftungssystem zusätzlich Luftfiltergeräte kaufen müssen (ca. 1500€) und man will gar nicht wissen, was die ganzen Hygieneprodukte/Flüssigkeiten bei jeder einzelnen Veranstaltung kosten werden.
Werden bestimmte Praktiken und Erfahrungen aus der Pandemie uns weiterhin im Veranstaltungskontext begleiten? Könnten beispielsweise Impfnachweise, Symptomfreiheit und Quarantäneauflagen ein normaler Bestandteil des Konzerterlebnisses werden?
Das glaube ich schon. Mittlerweile hat sich ja wohl jeder daran gewöhnt, in jeder Kneipe und Restaurant einen Impfnachweis vorzuzeigen. Das wird wohl auch in den nächsten Monaten zur Normalität bei Veranstaltungen werden.
Wird sich der internationale Reiseverkehr jemals wieder auf einem vor-pandemischen Niveau einpendeln und zu welchem Preis? Wird die Live-Kultur nationaler bzw. kontinentaler werden?
Das werden wir sehen. Ich glaube, es wird noch für unser Land ein riesiges Problem werden, was mit dem Brexit und Co. passiert, da es definitiv andere Gagen und Steuern für englische Künstler gibt. Ich selber arbeite ja bei einer Bookingagentur ( VIBRA BOOKING// St.Vitus, Pentagram, Cro-Mags, Khemmis, Iron Walrus etc.) die mit vielen internationalen und auch britischen Künstlern arbeitet. Das wird viel mehr Arbeit und viel höhere Kosten werden zwischen EU, UK und auch den USA etc. und das wird sich auch auf die Eintrittskarten auswirken.
Neben den Coronaauflagen sorgen zum Beispiel Effekte aus dem Brexit für zusätzliche Kosten, welche sich auf die Ticketpreise auswirken werden
Werden wir die generelle Idee von Massenveranstaltungen mit 10.000 und mehr Menschen künftig gesellschaftlich in Frage stellen? Können mittelgroße Locations mit einer kleineren Auslastung jemals eine ökonomisch sinnvolle Alternative sein?
Ich glaube und hoffe, dass es diesen Fall nicht geben wird. Wir alle hoffen, dass wir Mitte 2022 wieder alle Größen normal nutzen können. Wollen wir mal abwarten, wie sich alles in den nächsten Wochen einpendelt.
5. Wird die Live-Kultur zum Luxusgut? Oder können gerade kleinere und nicht-kommerzielle Künstler und Veranstalter die Pandemie besser überstehen als große Umsatz-Maschinen?
Ich denke wirklich, dass sich „der Underground“ besser davon erholen wird als die „Stadion-Künstler“. Ich habe viele Freunde im „Big Business“ und ich glaube, wenn in 2022 wieder Maffay, Rammstein, Maiden, Lindenberg & Co. ihre Vorproduktionen beginnen, werden sie merken, dass es nicht mehr viele Selbständige in der großen Produktionsbranche gibt, da sie sich in den letzten 1,5 Jahren ganz viele, feste, andere Jobs gesucht haben (Tischler, Gerüstbauer, Elektriker, Dachdecker). Da dort viele Fehler in der Politik für Solo-Selbstständige passiert sind.
Wird sich die Publikumszusammensetzung bei Festivals und Konzerten verändern? Welche Klientel kann und will die erhöhten Preise noch zahlen?
Ich glaube schon, dass wirklich alle, egal ob Underground oder Kommerz, versuchen werden die Preise stabil zu halten. Aber eine Veränderung wird es geben, da es ganz viele Kosten und Neuheiten gibt, die man von der Politik nicht ersetzt bekommt und trotzdem erfüllt werden müssen um wieder einigermaßen normal eine Produktion durchzuführen. Ja, da wird etwas auf alle Seiten zukommen. Die Frage ist nur: „Wie derbe wird die ganze Sache für alle Seiten“?
Geht der Trend zu mehr Open Air? Auch außerhalb der Sommersaison? Wäre es sinnvoll, den Betrieb in kleinen und schlecht durchlüfteten Venues entsprechend einzudämmen?
Momentan sieht es so aus. Aber spätestens wenn die Politik ihre Gelder wieder einstellen wird, ist es vielen nicht mehr möglich Open Air-Produktion zu bezahlen. Wir machen hier in Osnabrück nun ein 12-wöchiges Open Air (Hafensommer’21) . Jeder Produktionstag kostet das dreifache wie eine Produktion in unserem Club. Obwohl Bühne, Technik, Bierwagen etc. dort 12 Wochen fest stehen werden. Und das kann man sich bei der Größe ohne momentane Unterstützung nicht mehr leisten. Ich glaube immer noch fest daran, dass ab Anfang 2022 wieder alles normal laufen wird.
Die Normalität kann wieder kommen, wenn sich 70% der Menschen impfen lassen und wir regelmäßige Kontrollen durchführen
Gibt es eine realistische Chance, dass wir 2022-2023 einen Live-Kultur-Betrieb wie vor 2020 werden erleben können?
Ich bin kein Virologe. Aber ich denke, dass, wenn sich über 70% Impfen lassen und wir regelmäßige Kontrollen (Tests etc.) durchführen, die Normalität wieder kommen kann.
Ist eine parallele Nutzung des Clubs oder der Bar (zum Beispiel als Tagesstätte für Obdachlose) dauerhaft denkbar, um die Lokation ökonomisch betreiben zu können?
Das glaube ich leider nicht. Es ist toll wenn der Gastronom/Besitzer dieses für sich entscheidet um weiter zu machen. Aber ökonomisch wird die Politik in den nächsten Monaten ihre Unterstützung sehr zurückfahren, damit wir in acht -zehn Jahren ungefähr wirtschaftlich da stehen, wie es vor 2020 der Fall war.
Bei den Grauzonen-Bands wurde in den letzten 2 bis 3 Jahren schon kräftig ausgesiebt
Es gibt Clubs und Musiker, welche während der Pandemie in Richtung “Querdenker” unterwegs sind (Eric Clapton, Nena, Wendler). Wird zukünftig ein Auswahlverfahren bei den Konzerten stattfinden? Würdest Du zum Beispiel einem Xavier Naidoo eine Bühne zur Verfügung stellen?
Tja. Ich denke mal, dass der Naidoo sowieso nicht in meinem Schuppen gastieren würde. Aber ich glaube, dass in den nächsten 2,3 Jahren schon „ausgesiebt“ wird, wie wir das z.B. auch machen mit Bands/Künstlern die mit „Grauzonen/Nazi-Bands/NSBM“ etc. zusammen gespielt haben oder bei komischen Labels unter Vertrag sind. Ja. Auch so wird das nun werden bei diversen Rock/Metal/Punk/HC- Musikern, die sich mit derben Kommentaren in das falsche Licht gerückt haben.
Es ist zu vermuten, dass zunächst ein gewisser Mehraufwand entsteht bei ggf. geringerer Auslastung. Gibt es für derartige Szenarien bereits Konzepte? Wie sieht das mit dem Ticketing aus? Nur noch “named tickets” und wie erfolgt ggf. eine Rückabwicklung, wenn ein Besucher einen positiven Test erhält? Oder soll es nur noch Abendkasse geben?
Momentan werden verschiedene Szenarien durchgetestet. Ich glaube, das kann ich momentan einfach noch nicht vernünftig beantworten. Es wird sich auch dort etwas ändern. Da müssen wir einfach abwarten wie in den nächsten Monaten diverse Arten angenommen werden und wie praktisch sie sind.
Wahrscheinlich werden die ersten Konzerte nicht mit einer 100% Auslastung der Lokation starten. Ab welcher prozentualen Kapazität lohnt sich die Wiederbelebung des Konzertbetriebs?
Da kann ich nur von unserem Club und der Größe reden. Wir haben ausgerechnet, das wir etwa 50% Auslastung brauchen, damit man die monatlichen Kosten etc. decken kann. Als wir im Herbst 2020 für 4 Wochen öffnen durften, hatten wir nur die Möglichkeit 20% zu nutzen. Da konnte man nur von „good will“ reden. Obwohl die Künstler fast alle „ohne Gagen“ gespielt haben, machen so Sachen wie Pacht, Nebenkosten, Gema, KSK, Technik ein riesiges Loch in die Hosentasche. Wir konnten uns nur diese kleine Variante leisten, da wir einen tollen Verein hinter uns haben. Aber letztendlich haben wir „draufgelegt“ – auch wenn fast alle Veranstaltungen ausverkauft waren.