Axxis
"Laut Spotify wird Musik heute eben so gehört: Song anklicken, kurz reinhören, zur Playlist hinzufügen und weiter suchen."

Interview

Im Jahr 1988 gründeten sich AXXIS und belieferten die Heavy-Metal-Gemeinde seitdem mit grundehrlichem Hardrock. Für viele waren nicht die SCORPIONS sondern die Dortmunder der eigentliche Einstieg. Die Band war nicht so schnell wie CHROMING ROSE und sie war eingängiger als HEAVENS GATE, war aber stets mit einem Song auf jedem Mixtape vertreten.

Jetzt löst sich die Band nach 35 Jahren und 16 Studioalben auf, was umso überraschender erscheint, als dass AXXIS mit „Coming Home“ ein neues Album veröffentlichen. Die enthaltenen Songs sind längst nicht mehr so ungeschliffen wie noch vor drei Dekaden, vielmehr segeln die Rocker auf seichtem Gewässer und erreichen womöglich endlich ein breiteres Publikum. Wir haben die Gelegenheit genutzt und konnten mit Sänger Bernhard Weiß über die letzten 35 Jahre sprechen.

35 Jahre AXXIS – Was war in all den Jahren die schwierigste Entscheidung für Euch als Band?

Werner Kleinhans, den Gründer der Band BOLD AS LOVE, dann ANVIL, dann AXIS und dann AXXIS rauszuschmeißen. Das tat weh. Vor allem, weil mich Werner damals in die Band reingeholt hat.

„Coming Home“ veröffentlicht Ihr nicht nur Euer 16. Studioalbum. Es wird auch Euer letztes sein. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Es war nicht meine Entscheidung. Aber Harry (Oellers, Keyboards – Anm. d. Red.) hat sich entschieden auszusteigen und ich allein kann mir zum jetzigen Zeitpunkt schwer vorstellen, wie eine GBR aus zwei Leuten, mit nur noch einer Person funktionieren soll. Der Prozess fing bei uns in der Coronazeit an. Die ganze Kulturbranche, so auch wir, mussten feststellen, welchen Wert sie in der Gesellschaft und Politik hat. Da wir von AXXIS und Phonotraxx (der bandeigene Musikverlag – Anm. d. Red.) leben, war es ein harter Einschnitt, ein Berufsverbot zu bekommen und nicht auftreten zu dürfen. Wir mussten Soloprojekte, wie ich meine „Rock Chansons“, produzieren, um Fördergelder zu bekommen. Gutes Album, trotzdem krank. Auch die Tatsache, dass nach Corona viele Crew-Leute weg waren, machte das Organisieren von Gigs echt schwer. Harry hat sich deshalb dazu entschlossen auszusteigen und will mit dem ganzen Stress nichts mehr zu tun haben. Und ich steh jetzt da und muss erstmal schauen, was passiert. Ab dem 31.12. ist er nicht mehr dabei. Die Konzerte im Januar spielen wir ohne ihn.

Die Tracklist auf „Coming Home“ lässt einigen Interpretationsspielraum. Haben Titel wie „Coming Home“ oder „I Won’t Sell My Soul“ etwas mit der Bandauflösung zu tun?

Das stimmt. Aber das hat sich so dahin entwickelt. In „Coming Home“ geht es um ein ganz anderes Thema. Auch fand ich den Titel erst für ein AXXIS Album zu schwach. Aber mit dem Inhalt gefüllt, dass wir nach jahrelangem Touren in den fast immer gleichen Städten und Venues, immer das Gefühl haben, nach Hause zu kommen und vor unseren Fans zu spielen, das gab „Coming Home“ eine tolle Tiefe und Sinn. Und dann noch mit dem Gedanken, dass nach dem Ausstieg von Harry AXXIS nicht mehr AXXIS sein werden und sich somit ein Kreis schließt, noch mehr.

Um welche Themen geht es bei „Coming Home“ sonst so?

Vor 15 Jahren war ich mal im Marine Museum in Wilhelmshaven und habe eine Brief gelesen, der mich immer noch beschäftigt hat. Die Geschichte um Tjark Evers, der auf dem mühsamen Weg nach Hause, im starken Nebel auf einer Sandbank vor Baltrum ausgesetzt wurde, in der Annahme, dass sei der Strand von Baltrum. Als die Flut kam, nutzte er die letzten Minuten, um einen sehr emotionalen Brief zu schreiben, der nun im Museum ausgestellt ist. Über viele Umwege landeten wir bei der Anzahl der Soldaten, die nach dem Ende des 1. und 2. Weltkrieges auf ihrem Weg nach Hause noch starben. In vielen Kriegsgebieten kam die Nachricht einfach noch nicht an.

Die Platte besitzt eine wuchtige, glasklare Produktion und hebt sich damit vom ungeschliffenen Sound der Anfangstage ab. Wäre es nicht auch verführerisch gewesen, auf der „Old-School-Welle“ zu reiten und ein Retroalbum zum Abschied zu veröffentlichen?

Nun schon mit „Retrolution“ sind wir damals so an die Produktion rangegangen. Bei diesem Album wollten wir – ähnlich wie auf der Black und White Edition von „Kingdom of the night II“ – versuchen, das ganze AXXIS-Spektrum abzudecken. Und auch bei „Coming Home“ sind wir genauso rangegangen wie 1989. Versteckte Soundelemente, die man beim oberflächlichen Hören nicht  wahrnimmt. Damals wie heute ist es das Schwerste in einer Musikproduktion, die Songs einfach klingen zu lassen. Was da aber alles im Hintergrund abläuft, wird nur der Fan entdecken, der denn die Songs auf einer gute Anlage hört und sich mit der Musik beschäftigt. Da sind wir in den 80ern hängen geblieben (lacht).

Auf welche Specials dürfen wir uns während der Abschiedskonzerte freuen?

Nun, die ausverkauften Anniversary-Shows in Memmingen und Bochum sind wieder so geplant, dass wir mit Freunden, Gästen und Fans 35 Jahre AXXIS Revue passieren lassen. Videos aus alten Tagen werden gezeigt, die Setlist wird sehr speziell werden und wir werden nicht Trübsal blasen, sondern Gas geben….so wie immer!

Wie steht Ihr zur Entwicklung von der Schallplatte zur CD, zurück zur Platte, bis hin zum Musikstreaming? Oder anders gefragt: Sollte ein Album nicht als Gesamtwerk gehört werden, anstatt nur ein paar Songs in einer Playlist zu „besitzen“?

Da gebe ich dir völlig recht und auch da sind wir oldschool. An der Reihenfolge unserer Songs auf CD und Vinyl sitzen wir Tage. Für mich ist nicht der einzelne Song wichtig, sondern die Dramaturgie einer ganzen CD. Diese Dramaturgie wird bei Playlisten zerstört und spiegelt wieder, wie Leute heute Musik hören. Bei Vinyl wäre es schon technisch aufwendig, nur einen Song rauszupicken, dann auf der nächsten Vinyl den nächsten Song usw. Dort hat man sich meistens auf die gesamte Seite einer Vinyl einlassen müssen. Laut Spotify wird Musik heute eben so gehört: Song anklicken, kurz reinhören, zur Playlist hinzufügen und weiter suchen. Motto: Click, hear, collect and go. Genau dahin wird dann der Algorithmus von Streaming-Diensten programmiert und optimiert.

Was war das schönste Erlebnis in 35 Jahren Bandgeschichte?

Puh, da könnten wir jetzt ein Buch drüber schreiben: Der EMI Plattenvertrag an sich war geil, die BLACK-SABBATH-Tour, eine Produktion in New York, Philadelphia, Los Angeles. Aber auch die Auftritte beim Rock Am Ring, Wacken, Full Metal cruise, 70000 Tons Of Metal oder die Gründung von Phonotraxx. Es gab viele kleine, tolle Erlebnisse und Geschichten mit den Fans und, und, und.

Und was war Euer schrägster „Spinal-Tap-Moment“?

Eine TV-Live-Show in Bremen Anfang der Neunziger, bei der durch das falsche Abschießen von Flammenwerfern, die Haare unseres Bassisten Feuer fingen. Er spielte einfach weiter, als ob nichts wäre. Den Geruch von verkohltem Haar und den Gesichtsausdruck des „TV-Sprengmeisters“ werden wir nie vergessen.

Was müsste passieren, damit AXXIS doch noch ein 17. Studioalbum veröffentlichen?

Gute Frage. Aber ich muss erstmal den Kopf freibekommen, da vieles gerade im Umbruch ist. Da Harry raus sein wird, wird es kein neues AXXIS-Album so wie ab 2000 geben können. Ob ich alleine unter dem AXXIS-Logo weitermache, kann ich zu diesem Zeitpunkt schwer sagen. Aber wenn, wird es nicht mehr AXXIS sein, so wie es mal war. Dieser Kreis hat sich mit „Coming Home“ geschlossen.

Werdet Ihr ohne AXXIS in anderen Bands weiter Musik machen?

Nein, ich jedenfalls nicht. Ich war nie ein Freund davon, auf mehreren Hochzeiten zu tanzen. Was Harry macht, weiß ich nicht.

Eure „Famous Last Words“?

Die Welt dreht sich weiter, egal was auf ihr passiert.

18.07.2024

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