Axel Rudi Pell
Völliger Bullshit

Interview

Axel Rudi Pell

Ich habe es im Review zu seinem neuen Album “Into The Storm” schon gesagt. Wer 25 Jahre (wenn man die Zeit bei STEELER mit einrechnet, sogar 30 Jahre) erfolgreich im Business unterwegs ist, verdient Respekt. Der Ruhrpott Saitenflitzer ist in all den Jahren bodenständig geblieben und zeigt sich auch im Interview mit metal.de sehr offen und auskunftsfreudig, was Themen wie den Wechsel am Schlagzeug, die Gesangsleistung von Johnny Gioeli oder das neue Album angeht, zu welchem Herr Pell von der Presse ausschließlich sehr lobende Worte erfahren hat.

Ja, die Resonanzen waren bis jetzt zu einhundert Prozent positiv. Ich hatte bislang keinen dabei, der der Meinung war, das Album würde wie immer klingen. So haben sich die Leute eher zu dem Vorgänger geäußert. Da hieß es häufiger, dass ein, zwei Songs herausstechen, ein paar andere aber nicht so gut sind. Das ist beim neuen Album gar nicht der Fall, wobei ich natürlich nicht weiß, womit du gleich um die Ecke kommst (lacht).

Ich denke, dass “Into The Storm” ein Album ist, das auf jeden Fall wachsen muss. Nach den ersten Durchläufen hat mir die Platte gar nicht gefallen. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass sich sehr viele gute Stücke auf dem Album befinden, ein paar Nummern aber das Qualitätslevel nicht halten können.

Ok. Welche wären das Deiner Meinung nach denn?

Ich finde zum Beispiel, dass “High Above” und der Titeltrack echte Killer sind. Wohingegen ich die Balladen eher störend finde.

Nein, ehrlich? Das ist ja ´n Ding.

Das hat u.a. mit Johnnys Gesangsleistung bei “Hey Hey My My” zu tun, die ich ehrlich gesagt grausam finde.

Oho,…das muss ich jetzt so hinnehmen. Es gibt aber – ohne Scheiß – eine Menge Leute die sagen, dass “Hey Hey My My” herausstechend ist, im positiven Sinn. Das war im Übrigen auch die vorherrschende Meinung, als wir das Album bei der Listening Session in Hannover vorgespielt haben. Man muss dazu sagen, dass der Song im Original ein Rocksong von NEIL YOUNG ist. Die Inspiration, den Song als Ballade aufzunehmen, habe ich durch die TV-Serie “Sons Of Anarchy” bekommen. Dort wurde der Song von einem zusammengewürfelten Projekt (BATTLEME – cb) in einer Pianoversion gespielt, was ich sehr cool fand. Wir wollten aber keine Coverversion eines Covers aufnehmen, weshalb wir das Ganze auf unsere Weise noch einmal interpretiert haben. Irgendwie finden die Version alle geil, aber es ist jetzt auch nicht schlimm, wenn Du den Song nicht so gut findest (lacht).


Danke. Ein Gedanke, den ich hatte, nachdem das Album nicht auf Anhieb gezündet hat, war, dass Du nach “Circle Of The Oath” vielleicht einfach zu schnell wieder ins Studio gegangen bist und die Songs nicht vollständig ‘bis zu Ende gedacht hast’.

Ich kann verstehen, dass Dir dieser Gedanke kommt. Aber ich selbst bin ja total zufrieden mit dem Album. “Into The Storm” ist keine Scheibe, bei der ich im Nachhinein sagen müsste, dass mir dieser oder jeder Part nicht so gefällt. Es sind zwischen den beiden Alben auch immerhin zwei Jahre vergangen, was ich persönlich nicht als eine zu kurze Zeitspanne betrachte. Ich setze mich zuhause nicht hin und sage mir, dass es jetzt Zeit für eine neue Platte ist, da muss ich jetzt ein paar Songs schreiben. Vielmehr nehme ich ständig irgendwelche Ideen mit meinem Smartphone auf. Dafür sind die Dinger echt gut (lacht).

Mehr als Gitarren aufzunehmen und zu telefonieren, muss ein Handy auch nicht können. Wie sieht es denn im Bezug auf Studioarbeit aus? Arbeitest Du lieber mit den Möglichkeiten, die die moderne Studiotechnik einem heute bietet oder präferierst Du die analoge Aufnahme?

Nein, ich bevorzuge ganz klar die digitale Aufnahmetechnik. Wir arbeiten im Studio mit einem kompletten Pro-Tools System und über einen Mac. Das ist alleine vom Arbeitsaufwand her wesentlich einfacher geworden. Die Aufnahmezeit verkürzt sich natürlich auch immens, verglichen mit der Aufnahmesituation von damals und schlussendlich macht es einfach mehr Spaß mit der modernen Technik zu arbeiten. Ich kann auch die Leute nicht verstehen, die sagen, dass sich die Aufnahmen heute kalt anhören und früher alles besser geklungen habe. Das ist völliger Bullshit.

Den Vergleich zwischen früher und heute kann man auch prima auf Dein Schaffen anwenden, finde ich. Wenn man sich Deine Platten so anhört, kann man, meiner Meinung nach, durchaus attestieren, dass Du früher härter zu Werke gegangen bist, heute aber wesentlich musikalischer agierst.

Ja, da gebe ich Dir völlig Recht. Grundsätzlich ist es so, dass ich mich von den technischen Fähigkeiten her auf der Gitarre, wesentlich verbessert habe. Ich weiß, dass ich nicht der technisch beste Gitarrist bin. Das will ich aber auch gar nicht sein. Ich finde, dass Leute wie Vai oder Malmsteen perfekt Gitarre spielen. Ich möchte das aber gar nicht nachspielen, denn ich finde Gefühl viel wichtiger. Man kann mit drei Tönen mehr sagen, als mancher, der die Skalen in Lichtgeschwindigkeit herunter brettert. Darum geht es nicht. Man darf nicht vergessen, dass man heute viel mehr Produktionszeit zur Verfügung hat. Wir haben “Wild Obsession” damals in einer Woche inklusive Mix fertig gestellt. Das war schon verdammt knapp, was man auch hören kann. Allerdings hatten wir zu dem Zeitpunkt auch gar kein hohes Budget zur Verfügung, weil niemand sagen konnte, ob AXEL RUDI PELL Solo überhaupt erfolgreich sein würde. Das hat sich glücklicherweise geändert. Ansonsten sehe ich das genau wie Du. Ich finde auch, dass mein Songwriting viel reifer geworden ist. Wobei ich allerdings der Meinung bin, dass die Härte immer noch vorhanden ist, aber in einer anderen Art und Weise. Früher war es oft so, dass ich mir gedacht habe, jetzt mache ich einen schnellen Song und habe dann Riff um Riff heraus gehauen. Heute denke ich da viel mehr drüber nach. Ich spiele immer noch gerne schnelle Songs, aber es muss Sinn ergeben (lacht).

Du spielst für meine Begriffe heute auch mehr offene Akkorde als früher, richtig?

Auf jeden Fall. Mein Toningenieur Charly (Bauerfeind – cb) bekommt im Studio immer die Krise, wenn ich da bin und die vielen offenen Akkorde spiele (lacht). Ich spiele viel mit Moll-Akkorden, nicht mit Powerchords. Die gehören zwar auch dazu, aber ich spiele viel lieber Moll-Akkorde, weil Powerchords für mich eigentlich langweilig sind. Wenn man nur Powerchords spielt, ist das Spiel quasi geschlechtslos und hört sich eher durig, als mollig an. Und wenn man viel in Moll spielt, so wie ich das tue, dann muss man auch Terzen und so weiter drin haben, sonst hört es sich nicht an.


Ich hatte im ersten Augenblick gedacht, dass das an der modernen Produktion von “Into The Storm” liegt. Es ist momentan sehr angesagt, möglichst viele Gitarrenspuren und -wände auf einer Platte zu haben. Kehrseite ist natürlich, dass man die einzelnen Spuren nicht mehr heraushören kann.

Korrekt. Das sehe ich genauso. Ich denke mir auch manchmal, was haben die denn da jetzt gemacht? Es gibt auch diesen Master-Wahnsinn, wo die Produktion vor und zurück wackelt, wie eine Wand. Mir ist das schon in den letzten Jahren aufgefallen, vor allem bei amerikanischen Produktionen. Da frage ich mich immer, was das eigentlich genau soll (lacht). Das ist nicht wirklich mein Ding.

Die Frage, die jetzt kommen muss, ist natürlich, ob Du mit Deinem heutigen Standard die alten Alben verändern würdest, wenn Du könntest.

Ja, klar. Bei fast allen. Ich würde mich aber nicht hinsetzen und mit der aktuellen Besetzung die ganzen alten Scheiben noch einmal einspielen. Das ist Quatsch für mich, weil ich zu meinen alten Platten stehe. Das würde ich nicht verändern wollen. Trotzdem würde ich heute einige Sachen anders machen, wenn ich vor der gleichen Situation noch einmal stehen würde. Aber meine alten Songs für ein neues Album aufnehmen? Da habe ich gar keinen Bock drauf.

Da gehe ich mit Dir konform. Ich finde, dass sich ganz viele Bands, die ihre alten Hits noch einmal neu aufnehmen, damit gar keinen Gefallen tun, weil das Flair und den besondere Charme der alten Aufnahmen verloren geht.

Richtig, genau so ist das. Ich will keine Namen nennen, aber es gibt Bands bei denen habe ich mich auch gefragt: Warum machen die das? Es ist genau das alte Flair, das fehlt. Eigentlich ist das doch albern, man kennt schließlich das Original. Ich würde es eher begrüßen, wenn man die alten Scheiben dann nochmal ordentlich remixen oder die Stücke komplett anders arrangiert würde. Dann sähe die Sache wieder anders aus.

Du klingst nicht wie jemand, der wenig selbstkritisch ist und alle seine Platten super findet. Wie selbstkritisch bist Du?

Nein, tue ich auch nicht. Wenn ich eine neue Scheibe rausgebracht habe, finde ich die natürlich erst einmal total geil. Zu meiner Schande muss ich sagen, dass ich auch immer behaupte, dass mein neues Album das beste ist. Das liegt aber daran, dass man aus dem Studio kommt und total happy mit dem ist, was man gerade aufgenommen hat. Blablabla. Nach ein, zwei Jahren ist es schon so, dass man feststellt, es ist doch nicht alles Gold, was glänzt. Es gibt Alben von mir, da denke ich mir heute, was habe ich denn da für eine Scheiße gemacht oder was habe ich da für ein kack Solo gespielt (lacht). Auf der anderen Seite setze ich mich zuhause aber nicht hin und analysiere meine ganzen alten CDs. Manchmal gelingt es einem eben ein richtig gutes Album zu machen und hin und wieder muss man aber auch Abstriche machen. Ich finde zum Beispiel, dass unser Album “Tales Of The Crown” das schlechteste der letzten fünfzehn Jahre ist. Das ist aber nur mein persönliches Empfinden. Als das Ding herauskam habe ich das natürlich nicht so gesehen (lacht).


Danke für die Aufrichtigkeit. Wie ist es denn zum Wechsel hinter dem Schlagzeug von Mike Terrana zu Bobby Rondinelli gekommen?

Das ist keine große Sache und schnell erzählt. Ich hatte das Album komponiert, das Studio gebucht und auch Mike war fest eingeplant. Parallel dazu haben wir zusammen mit meiner Konzertagentur auch schon die Tour geplant. Ich habe allen Bandmitgliedern dann den ungefähren Zeitraum genannt, in dem die Tour stattfinden soll und es kam von Mikes Seite zurück, dass er zu dem Zeitpunkt mit TARJA auf Tour ist. Wir haben hin und her überlegt, konnten zeitlich aber keinen Nenner finden und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir besser getrennte Wege gehen. Kein böses Blut oder dergleichen. Mike ist nach wie vor mein Kumpel und wenn ich ihn wieder sehe, trinken wir auf jeden Fall ein Bier zusammen. Ok, er trinkt Weizen, ich Alt. Da muss man Abstriche machen (lacht).

Genauso unspektakulär ist Bobby in die Band gekommen. Ich habe alle meine Lieblingsdrummer auf einen Zettel geschrieben und erst einmal geguckt, wer überhaupt für die Platte und die Tour verfügbar wäre, wobei die Tendenzen schon in Richtung Bobby gingen, weil ich ihn ja von seiner Zeit bei RAINBOW und BLACK SABBATH kannte. Über einen Kumpel habe ich die E-Mail Adresse von Bobby bekommen und habe ihn einfach mal angeschrieben. Er kannte zwar meinen Namen, hatte aber meine Musik noch nicht gehört. Also habe ich ihm Links und mp3s geschickt und ein paar Tage später war er in der Band und ich bin glücklich, dass er da ist (lacht).

Weniger glücklich bist du mit den ewigen Vergleichen was den ex-Gitarristen von DEEP PURPLE angeht. Das kann ich nachvollziehen. Auf der anderen Seite kokettierst du aber immer wieder mit seiner Arbeit. Einer der Bonustracks Deines aktuellen Albums ist sogar eine Coverversion von BLACKMORE’S NIGHT. Wie passt das zusammen?

Die Vergleiche an sich gehen mir gar nicht so sehr auf den Sack. Was mir hingegen auf den Sack geht, ist das die Leute das immer wieder erwähnen müssen. Heute hat sich das zum Glück schon gebessert, aber früher stand in den ganzen Magazinen immer: ‘der blonde Blackmore’ oder ‘der blonde Blackmore aus Wattenscheid’. Ich verstehe nicht, warum das immer noch zu herausgestellt werden muss. Das weiß doch sowieso jeder (lacht). Es geht mir zum Beispiel auch nicht auf den Sack, wenn jemand sagt, dass unsere Version von “Temple Of The King” der von RAINBOW in nichts nachsteht. Aber diesen Vergleich immer und immer wieder heran zu ziehen mag ich nicht. Ich hoffe, dass das irgendwann einmal ganz aufhört. Am Anfang meiner Solokarriere stand in den Artikeln immer der ex-STEELER Gitarrist. Logisch, ich habe da ja auch mal gespielt.

STEELER ist ein gutes Stichwort. Es wird auf dem diesjährigen Bang Your Head-Festival eine Reunion mit Deiner alten Band geben.

Eine kurze Reunion, richtig. Die Sache ist aber nur ein Teil der Anniversary-Show, die wir in Balingen spielen. Das wird ein schönes Spektakel und keine reguläre AXEL RUDI PELL-Show werden. Deshalb heißt es auch ‘Axel Rudi Pell And Friends’. Wir werden mit der aktuellen ARP-Besetzung fünf, sechs Songs spielen und die Reunion-Geschichte dauert auch nur 30-35 Minuten. Der Megapart wird aber so aussehen, dass ich alle Schaffensphasen meiner Karriere zelebriere und dabei auch versuchen werde, einige meiner persönlichen Heroes auf die Bühne zu bringen. Das checken wir gerade aus, von daher kann ich Dir da nicht viel zu erzählen. ich kann Dir aber sagen, dass ich versuchen werde, alle meine ex-Sänger, also Charlie Huhn, Rob Rock und Jeff Scott Soto, für die Show zu gewinnen. Das wäre eine coole Sache und würde mich sehr freuen.


17.01.2014
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