Axel Rudi Pell
Axel Rudi Pell

Interview

AXEL RUDI PELL ist mittlerweile ohne Zweifel die konstanteste Hardrockband in deutschen Landen. Was sich bisher immer in qualitativ großen Alben im zweijährlichen Abstand ausgewirkt hat, sorgte aber insbesondere mit der letzten Platte "Tales Of The Crown" für ein unangenehm hohes Maß an Stagnation. Grund genug, den blonden Gitarristen mit dem starken Ruhrpottdialekt zu Traditionen, Innovationen und dem neuen AC/DC-Album auszufragen!

Axel Rudi PellHey Axel!
Wie läuft die Promoarbeit? Das ist ja ganz schön schwer nen Termin mit dir zu kriegen!

Hm. Wirklich?

Jaja! Ich hab letzte Woche schon probiert.

Oh! Das ist ja’n Ding! Also ich mache schon die ganzen letzten Wochen Interviews, eigentlich so viele wie sonst noch nie! [lacht] Naja, jetzt hast du ja auch deinen Termin gekriegt.

Ist das ne steigende Entwicklung das du immer mehr Interviews machen musst?

Ja, auf jeden Fall! Ich mein, vor 15 Jahren als ich angefangen hab, war das noch nicht so viel. Hehe.

Und dein Zuhörerkreis steigt auch Album für Album?

Ich denke schon. Ich mein, im Hardrockbereich kennt mich ja jetzt beinahe jeder. Von daher wird das Interesse natürlich immer größer. Vor allem wenn die neue Platte dann auch immer besser wird, als die davor! [lacht]

Apropos neue Platte: Jetzt ist ja „Tales Of The Crown“ vor kurzem erschienen. Wo liegt denn deiner Meinung der besondere Charakter der Scheibe?

Der besondere Charakter? Naja, natürlich in dem genialen Verhalten aller meiner Musiker! Was willste jetzt genau hören?

Naja, im Sinne von: Wodurch zeichnet sich die Platte aus, welchen Platz in der Diskographie wird sie einnehmen. Wenn man alle Platten von dir hat, warum braucht man die neue?

Na weil es natürlich das perfekteste von mir bisher ist! Im songwriterischen Bereich gab es wieder einen großen Fortschritt… [lacht] Nein, im Ernst, wir haben wieder ein paar neue Nuancen reingebracht, die es auf den vorherigen Alben nicht gab. Insbesondere im Drum/Groove-Bereich, bei so Sachen wie Crossfire oder so. Oder auch beim Instrumental, bei „Emotional Echoes“, da haben wir nen Rhythmus verwendet den wir vorher nie bei uns drin hatten. Aber das sind so kleine Nuancen, den Stil groß verändern wollten wir natürlich nicht.

Wie kam es eigentlich zu „Emotional Echoes“? Das ist ja mal richtig experimentiv gewesen.

Ja! Ich hab zuhause eigentlich nur vor mich hingeklimpert und bin auf dieses Riff gestoßen. Und da hab ich mir gedacht, „hey, da kann man ja eigentlich was draus machen“. Ich hab es dann in ein Digitalgerät eingespielt, ein bisschen weiterentwickelt und dann fiel mir auch gleich ne Melodie dazu ein. Das ging auch relativ schnell. Also, Riff, Melodie… In ner Stunde war die Sache gegessen.

Wird das jetzt Tradition werden, das jetzt auf jedem Album ein experimentives Instrumental stehen wird? So wie auch die „Haunted Castle Serenade“ in „Mystica“?

Ne, eigentlich nicht. Also die „Haunted Castle“ war ja eher klassisch angehaucht, was ja auch in der Tradition der Instrumentale von früher stand. Das war jetzt reiner Zufall. Vielleicht machen wir mal nen Song mit Vocals der mal etwas experimentierfreudiger wird, aber wer weiß das schon.

Gibs da auf dem neuen Album ein Lieblingsstück bei dir?

Naja, das variiert, je nachdem in welcher Stimmung ich gerade bin. Zum Beispiel gerade find ich „Ain’t Gonna Win“ ganz toll, gestern wars „Crossfire“.

Gab es schon ein paar Liveauftritte mit den Songs?

Ne, noch gar nicht. Wir haben ja im August erst gemischt und jetzt muss ich ja erstmal ganz viel Promotion machen. Das erste Mal spielen wir sie dann auf unserer Tour im Januar.

Okay. Neues Thema: Jetzt steht hier in meiner Promobeilage, dass die Platte die 17te Veröffentlichung in 19 Jahren Bandgeschichte ist…

Hm? Das stimmt nicht.

Das stimmt nicht?

Nene, das ist die 18te. Ohne die DVDs natürlich.

Na gut. Also die daraus resultierende Frage wäre jetzt, welche Motivation vor jedem Album herrscht. Erwartungsgemäß ist da ja nicht mehr vor jeder Platte ein jugendliches Aufstürmen etwas richtig innovatives und neues machen zu wollen.

Ne, natürlich nicht. Aus dem einfachen Grund, warum ich mittlerweile auch meinen eigenen Stil gefunden habe, den ich natürlich bis auf die angesprochenen kleinen Nuancen nicht großartig ändern werde. Aber was mich dazu bewegt weiterhin Musik zu machen ist natürlich die Leidenschaft. Und wenn das Feuer weiter in mir brennt, werd ich das natürlich auch noch die nächsten zwanzig Jahre machen. Aber das steckt einfach in mir drin. Wenn es nur noch ein Job wäre, dann würd ich es einfach sein lassen. Dann würde es auch keinen Spaß machen.

Also kann man davon definitiv auch leben?

Ja klar!

Ja gut. Haste eigentlich das Gefühl, jetzt auch zum Thema 19 Jahre Bandgeschichte, alles erforscht zu haben was es in diesem nicht so weit abgesteckten Genre gibt?

Hm… In dem Genre sicherlich. Man kann natürlich noch experimentierfreudige Songs machen, aber das sehe ich als relativ sinnfrei an. Ich glaube das würde bei den Fans nicht so gut ankommen und das möchte ich auch selber nicht.

Welche Innovationen wären denn noch zu erwarten in den nächsten Jahren? Im Sinne neuer Nuancen oder neuer Strukturen.

Naja, also Innovationen wirst du wohl von keinem Musiker mehr hören, es sei denn da erfindet jemand nen neuen Musikstil.

Nein, so meinte ich das ja nicht, eher im Sinne dass du jetzt auf der nächsten Platte ein 14minütiges Superepos raushaust.

Achso! Na das kann natürlich immer passieren! Ich habe sogar schon seit längerer Zeit mal vorgehabt einen einzigen Song auf ne Platte zu bringen, der dann ruhig anfängt und in nem richtigen Metalsturm endet. Also richtig durchgängig, ohne Pausen, natürlich aber mit diversen Tempowechseln und allem möglichen drin. Das wird aber sehr schwer umzusetzen sein, zumal auch – wenn das mit Vocals kommt – das in Gefilde fallen könnte, die mir dann doch nicht so gefallen.

Inwiefern?

Naja, ich sag mal, du kannst sowas erst richtig machen wenn du in den Opernbereich gehst, und das ist mir wirklich dann zu viel. Zumal ich auch selbst keine Opern mag! [lacht] Was ich mir aber sicherlich vorstellen kann, dass ich ein längeres Ding mach was vielleicht schon auf dem nächsten Album kommt, das dann über 18 bis 20 Minuten geht und dann wirklich ein paar Tempowechsel und verschiedene Inhalte hat.

Das wäre auf jeden Fall cool. Zumal ich letztens auch mit nem Fan geredet hat, der sich beklagte, es hätte die letzten Jahre keine epischen Songs mehr von dir gegeben.

Hallo! Was ist das denn? Da gibt es doch auf dem Album das Titelstück, und auf dem letzten Album „Mystica“ das Titelstück…

Ja, aber er meinte wohl eher Epik im Sinne von umfassenden dynamischen Wechseln und fetten Streichern und sowas.

Ah! Ja gut. Naja, ich mein, ich setz mich jetzt nicht hin und sag mir „ich muss jetzt gerade ne epische Nummer schreiben“. Das muss schon gut vorbereitet sein, und wenn ich mal ein oder zwei Alben ohne epische Nummer drin hab, dann ist das okay, solange mir dann noch für andere Songs genug Ideen einfallen. Das kann aber auch durchaus sein, dass dann auf der nächsten Platte schon zwei epische Nummern drauf sind.

Es ist mir nebenbei auch irgendwie aufgefallen, dass das Konzept der Alben zuletzt immer mehr oder weniger gleich geblieben ist. Es gibt den Midtempo-Opener, den Uptempo-Song, die Ballade in der Mitte… Ist das Methode oder entwickelt sich das zufällig?

Das entwickelt sich zufällig. In dem Zeitraum indem ich Ideen sammel, und das sind dann meistens so um die zwei Monate, da fällt mir mal eine Strophe ein, oder ein Gitarrenriff, oder ich klimper irgendwas vor mich hin, und wenn ich dann genug gesammelt hab, setz ich die einzelnen Ideen zusammen. Und es kann natürlich auch passieren, dass mir mal keine Idee für nen schnellen Song einfällt, aber dann setz ich mich auch nicht hin und sag mir „du musst jetzt nen schnellen Song schreiben“. Also das was nachher auf die Platte kommt, ist dann schon das natürliche Outcoming, sag ich mal.

Okay. Neues Thema: Die Bandbesetzung. Die ist jetzt sehr konstant geblieben. Hat sich das bewährt oder hat sich das willkürlich so ergeben?

Ne, das hat sich eigentlich so bewährt. Zumal ich auch mit den Musikern sehr glücklich bin. Jede Person im Zirkus Pell ist ziemlich cool und wir verstehen uns super. Auch wenn wir uns natürlich nicht regelmäßig sehen.

Ist das denn mittlerweile zu einer festen Band geworden, oder hat man immer noch das Gefühl: „Ja, das ist eben der Schlagzeuger aus der einen Band, und der Sänger von der anderen…“

Naja. Wo würdest du jetzt zum Beispiel Mike [Terrana, Anm. d. Red.] einordnen? Er spielt in etlichen Bands, bringt dann noch etliche Schlagzeugschulen raus… Bei Johnny [Gioeli, Anm. d. Red.] kann man das noch besser sagen, ich glaub der macht nur noch parallel HARDLINE. Es ist schon so, dass sich das mittlerweile als Band herauskristallisiert hat, obwohl ich natürlich der Chef bin. [lacht]

Gibt es irgendwas, was die Besetzung auszeichnet? Im Sinne von Dingen die sie absolut einzigartig macht, im Gegensatz zu allen anderen Hardrockbands.

Die Spielfreude auf jeden Fall. Und natürlich die Fähigkeit live zu improvisieren, das können ja viele Bands heutzutage gar nicht mehr. Was ich auch persönlich sehr schade und langweilig finde. Einfach dieses blinde Verständnis innerhalb der Musiker. Da kennt jeder die Zeichen auf der Bühne und im Studio, und dann weiß jeder: „Aha, der Pell will noch ein fünf Minuten längeres Solo spielen“. Und jetzt sind wir schon zehn Jahre zusammen, da klappt alles natürlich noch viel besser.

Bringen die sich eigentlich auch im Songwriting ein? Also insofern, dass man im Studio auch mal was anderes spielt.

Ne, ist bis jetzt noch nicht passiert. Wird auch nicht passieren, weil ich die Nummern daheim alleine schreibe und den Musikern dann immer vor der Aufnahme ein paar Demos schicke. Und dann gehen wir sie im Studio durch und spielen die Parts ein. Das hat sich so bewährt. Aber natürlich bringt da auch jeder ein paar kleine Ideen bei.

Jetzt ist ja Anfang des Jahres die „Live Over Europe“ DVD rausgekommen. Was sprach denn generell für die Aufnahme einer neuen Live-DVD?

Hm. Also generell sprach dafür, dass die „Knights Live“ schon relativ alt ist. Die zweite Sache war, dass das Rock Hard Festival sowieso von einem Kamerateam aufgenommen wurde. Wir haben dann gesagt, dass wenn das Konzert okay ist, man die Idee ins Auge fassen kann, ne DVD rauszubringen. Und das war auch alles prima, die Fans haben für gute Stimmung gesorgt, und bis auf ein paar Fehlerchen lief alles reibungslos.

Liegt die DVD bei dir auf demselben Level wie die „Knights Live“ von 2002?

Auf jeden Fall! Ich find sie sogar noch ein bisschen besser, weil ein Festival immer was anderes ist als im Club. Wir haben da ein paar Effekte die wir in der Zeche nicht mehr abballern dürfen, und das sieht auch einfach cooler aus.

Aber hat ein Festival nicht auch Nachteile für ne DVD? Wegen der eingeschränkten Spielzeit und so?

Ja, schon. Wir hatten ja nur 75 Minuten Spielzeit, weil wir nur Co-Headliner waren. Und ne normale Pell-Show geht schon um die 2 Stunden rum. Aber dafür haben wir ja die Bonus-DVD mit den ganzen Bootlegs draufgepackt, wo auch ein paar Songs drauf sind, die nicht in der Show drin waren.

Eine weitere CD die letztens rausgekommen ist, ist die „Diamonds Unlocked“. Jetzt hab ich die zwar nicht gehört…

Aha!

… aber da wär es natürlich auch spannend zu erfahren wie es dazu gekommen ist. Und warum ich sie mir natürlich kaufen sollte.

Hehe. Weil da Coverversionen drauf sind, die wirklich nicht mehr wie das Original klingen, und das ist mir auch glaub ich recht gut gelungen, diese Songs in das AXEL RUDI PELL-Gewandt zu packen. Man könnte also sagen, es ist ein ganz normales Pell-Album, nur das eben eigentlich Fremdversionen drauf sind.

Hörst du denn auch privat Coveralben?

Von TESLA hab ich letztens noch eins gehört, das ziemlich zeitgleich mit unserem rauskam. Das war glaub ich sogar ne Doppel-CD.

Okay, dann bin ich sogar schon fast fertig. Aber es wär noch interessant zu wissen, was du von der neuen AC/DC hältst.

Hm… Ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Also für die lange Wartezeit find ich sie einfach zu schlecht, im Grunde genommen ist sie aber besser als die drei Alben zuvor. Viele Songs sind relativ cool, aber was mir fehlt sind einfach die coolen Refrains von früher. So ein Song der einfach links reingeht und dann auch drinbleibt, und nicht rechts wieder rausfliegt. So richtig okay find ich das eigentlich nur bei der Single, „RocknRoll Train“, aber der Rest fängt zwar immer gut an, aber dann warte ich vergeblich auf einen Knaller im Refrain. Gut, vielleicht nicht bei allem, aber bei 80% des Materials sicher.

Kann das vorkommen, dass man bei dir in zehn oder zwanzig Jahren auch mal so lange auf ein Album warten muss?

Mit Sicherheit nicht! [lacht] Meine Plattenfirma muss mich sogar immer noch zurückhalten, denn wenn es nach mir ginge, würde ich drei bis vier Alben pro Jahr rausbringen! Wenn ich diese Ideensammlung hab, die ich alle paar Monate durchgehe um Songs draus zu basteln, dann sind da viel zu viele dabei und das meiste kann ich eh nicht verwursten. Und ich hol wirklich immer nur die raus, wo ich meine dass sich das tatsächlich lohnt. Aber kreativ könnte ich eigentlich noch viel mehr machen.

Wie lange schreibst du eigentlich an einem Lied?

Hm, das ist unterschiedlich. Du kennst den Song „Caspar“ von mir?

Uh, das ist ein älterer.

Ja, das ist auch so ein epischer von mir. Der war in ner halben Stunde fertig. Aber da gibt es auch manche, da sitze ich drei Tage dran. Das schwierigste sind immer die Songs, die man gleich mitsingen kann. Sowas wie „Riding On An Arrow“ vom neuen Album. Da sitz ich immer viel länger dran als bei einem epischen Ding von 30 Minuten.

Okay, dann bin ich fertig! Danke fürs Interview!

Danke dir auch! Tschöhös!

Galerie mit 33 Bildern: Axel Rudi Pell - Lost XXIII Tour 2022 in Stuttgart
22.11.2008

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