Avantasia
Interview zu "Moonglow"

Interview

Eine Veröffentlichung aus dem Hause AVANTASIA lässt die Metalgemeinde immer aufhorchen. Tobias Sammet hat mit „Moonglow“ ein neues Album am Start, das neben eingängigen Riffs, einer phantasievollen Geschichte und einer gehörigen Portion Bombast auch noch neue Gastsänger am Bord hat. So geben Candice Night von BLACKMORE’S NIGHT und Mille von KREATOR ihre AVANTASIA Premiere. Was es sonst noch Wissenswertes über das neue Werk zu erzählen gibt, erfahrt Ihr hier.

(metal.de): Hallo Tobi, zuallererst: wie geht es dir so kurz vor dem Release von „Moonglow“?

(Tobi): Eigentlich ziemlich gut. Jetzt beginnt langsam die Arbeit. Es stehen viele Promotermine an, man hat einige Interviews. Jetzt sind wir in der heißen Phase. Während das Komponieren und Abmischen für mich fast schon Entspannung sind, müssen wir nun liefern. Die CD ist fertig und ich bin wirklich mehr als zufrieden mit dem Ergebnis.

 „Moonglow“ erscheint in verschiedenen Versionen und mit einem atemberaubenden Artwork. Wie bist du auf den Künstler Alexander Jansson aufmerksam geworden?

Ich wollte etwas Einzigartiges haben und bin auf Alexander durch eine Internetsuche aufmerksam geworden. Normalerweise zeichnet er Kinderbücher, sehr mystisch und faszinierend, da liegt ein Plattencover vielleicht nicht auf der Hand. Aber wir haben Kontakt aufgenommen und zu meinem Glück hatte er Bock drauf und so bekam „Moonglow“ sein Cover. Mir ist das Erleben der Musik mit allen Sinnen auch wichtig, da spielt das Cover und das Booklet natürlich eine große Rolle. Ich habe auch bewusst alle Entscheidungen selbst getroffen und mir die Entwürfe angesehen, denn schließlich runden die Bilder die Musik von AVANTASIA ab.

Die Gestaltung und die Sehnsucht nach dem Erleben der Musik mit allen Sinnen ist in den letzten Jahren wieder größer geworden, was man an dem Vinyl-Hype spüren kann. Wie empfindest du diese Rückkehr des Formats?

Ich finde, dass man sich Zeit für eine neue Scheibe nehmen sollte und das ist eher bei Schallplatten möglich, als bei einer CD oder MP3. Natürlich bieten die digitalen Formen ganz andere Möglichkeiten, aber das bewusste Erleben der Musik ist bei der Vinyl ausgeprägter. Man nimmt die Platte aus dem Cover, legt sie auf, überprüft die Nadel und dann beginnt das Album. Nach 4 Songs muss man aufstehen und die Platte umdrehen. Es ist halt eine komplett andere Art sich mit der Musik zu identifizieren und das gefällt mir sehr.

Bei „Moonglow“ geht es um eine Kreatur, die in eine grelle Welt hineingeworfen wird, mit den Lebensumständen nicht zurechtkommt und sich deshalb in die Dunkelheit zurückzieht. In unserer Gesellschaft braucht jeder Mensch eine Art Rückzugsort. Wie ist das bei dir?

Also wenn ich grade nicht im kreativen Prozess bin, dann schalte ich im Wald ab, allerdings kommen mir da auch immer wieder neue Ideen für Songs und so muss ich sagen, dass die Musik mein Ausgleich ist. Wir haben ein professionell ausgestattetes Studio zuhause, in dem ich hervorragend arbeiten kann.  In die aktuelle Produktion bin ich ja auch reingestolpert, nachdem ich mir überlegt habe, jetzt erstmal kein neues Material zu machen. So hat es auch mit der Musik bei mir angefangen, als eine Art Therapie oder Hobby und es ist nach wie vor das Größte für mich an der Musik zu basteln und damit den Ausgleich zu schaffen. Ich bin schon etwas anders als andere Kinder in meinem Alter.

Woher kamen die Inspirationen zu „Moonglow“?

Diesmal kamen viele Einflüsse aus meinen Gedanken und meinem Seelenleben. Aber natürlich auch im Alltag, der mich auf neue Ideen gebracht hat. Meine Emotionen und mein Innenleben haben immer einen großen Anteil an den Tracks von AVANTASIA. Ich gehe nicht an ein Projekt mit dem Ziel ein Konzeptalbum zu schreiben. Es ergibt sich einfach aus den Dingen, die mir auf der Seele liegen oder mit denen ich mich beschäftige. Das frühe Stadium wirkt immer sehr therapeutisch, man sitzt am Klaviar und probiert einige Tonfolgen aus, bis die richtige dabei ist. Diese Idee verfolgt man weiter und hat eine Melodie und dann entsteht langsam ein Song. Es kann auch passieren, dass man diese Idee erstmal in die Schublade legt und erst später weiter komponiert, daher ist mir genügend Zeit immer wichtiger für eine Produktion. Ich will nicht jedes Jahr eine neue CD herausbringen, auch wenn ich früher nie verstanden habe, weshalb DEF LEPPARD sich so unendlich viel Zeit für ein neues Album lassen. Und so lange die Ideen zu mir kommen, kann es auch ruhig ein paar Tage länger dauern, bis es eine neue CD gibt.

„Ich bin schon etwas anders als andere Kinder in meinem Alter“

Gibt es einen Unterschied, ob du einen Song für AVANTASIA oder EDGUY schreibst?

Im Anfangsstadium noch nicht. Erst kommt eine Melodie, von der ich noch nicht weiß, wohin sie mich führen wird. Das kristallisiert sich erst später heraus. „Love Tyger“ war ursprünglich für AVANTASIA gedacht und ich hatte Zweifel daran. Schließlich hat der Song fast schon ein VAN HALEN-typisches Riff und das konnte ich bei AVANTASIA nicht glaubwürdig unterbringen, daher ist es am Ende ein EDGUY Track geworden.Die Arbeitsweisen für beide Bands sind sehr unterschiedlich, dass liegt zum einen an den verschiedenen Musikern oder Gästen oder einfach an der Meinung der einzelnen Bandmitglieder. Bei EDGUY haben fünf Mitglieder auch fünf Meinungen, daher ist es schon schwieriger für EDGUY zu schreiben.

Es finden sich auf „Moonglow“ auch wieder einige Gastmusiker. Candice Night sticht da sicher heraus, schließlich singt sie mit dir den Titeltrack. Wie bist du auf diese Musikerin aufmerksam geworden?

Ich höre BLACKMORE’S NIGHT wirklich schon lange. Ich fand auch das erste Album genial, auch wenn die Presse und insbesondere die Fans nicht begeistert waren. Ich finde die Einstellung von Richie Blackmore einfach sympathisch. Mit dieser Band hat er sich vom Hardrock entfernt, weil er Bock auf was Neues hatte und die Fans haben getobt. Das hat mir wirklich gut gefallen. Der Song „Moonglow“ wurde ursprünglich für „Ghostlights“ komponiert, ist aber runtergeflogen und wurde nun neu aufgelegt und ich dachte mir, dass dieser Track zu Candice passen würde. Im Nachhinein wurde ich angesprochen, dass dieser Track eher ungewöhnlich für Candice sei und je öfter ich ihn höre, desto besser kann ich diese Kritik nachvollziehen.

Du hast bei AVANTASIA alle Schritte des Produktionsprozesses im Auge. Gibt es dennoch eine Art „Wow-Effekt“, wenn ein Song dann fertig ist?

Ja, natürlich. Man stellt sich Vorfeld zwar den fertigen Song im Kopf vor, aber es ist dann am Ende doch noch viel geiler. Bei „The Raven Child“ fand die Gesangsparts von Hansi Kürsch und Jorn Lande sehr beeindruckend und man muss ja irgendwie es geil finden, was man so macht. Sonst kann man die Fans ja nicht überzeugen, wenn man selbst nicht begeistert ist. Deshalb bin ich ziemlich begeistert über das Endergebnis. Das sind die schönsten Momente, wenn du dann den Rohmix bekommst und einen richtigen Eindruck von dem fertigen Song bekommst.

 Die erste Single ist „The Raven Child“ und verfügt über gut 11 Minuten Spielzeit. Hast du dir diesen Track gezielt ausgesucht, da er stellvertretend für den Sound von AVANTASIA im Jahr 2019 stehen soll?

Ich habe mir da nicht wirklich viele Gedanken drum gemacht. Ich fand den Song einfach geil und fand, dass er als Single rauskommen muss. Die verschiedenen Elemente dieses Werkes sind einfach atemberaubend und deshalb hat sich dieser Beitrag angeboten und er kann einfach immer wieder überraschen und wird einfach nicht langweilig.  Die Spielzeit ist natürlich extrem lang und ist sicher nicht unbedingt radio-tauglich, allerdings haben solche kommerziellen Überlegungen nie eine Rolle gespielt, da wir sowieso kein Airplay bekommen. Ich fand es schön ein so langes Statement abzugeben und zu zeigen, dass AVANTASIA nicht den Weg des geringsten Widerstandes geht. In einer Welt, in der die Aufmerksamkeitsspannung immer geringer wird, ist dieser Track natürlich ein Zeichen. Viele Tracks werden halt nur schnell produziert und mit viel Effekthascherei versehen, damit die Musik schnell konsumierbar ist und diesen Weg will ich nicht einschlagen. Bei AVANTASIA muss man sich auch mal Zeit nehmen und ein dreiminütiges Solo ertragen, ehe es dann richtig losgeht.

Nach dem Release von „Moonglow“ ist eine ausgedehnte Tour angekündigt und die ersten Locations melden bereits ausverkauft. Auf welche Überraschungen können sich die Fans freuen?

Die Tour wird großartig, aber ich hoffe, wir können Überraschungen vermeiden. Denn Überraschungen bedeuten für mich eher negative Erlebnisse. Wenn eine Band ein ganz besonderes Set spielen will, geht es meistens schief, weil die Spielfreude einfach nicht da ist und es zu professionell wirkt. Wir spielen ein langes Set und haben großartige Gäste dabei. Geoff Tate, Jorn Lande, Bob Catley, Eric Martins, Ronnie Atkins, Herbie Langhans, also die ganze Sippe ist wieder mit dabei. Wir werden aus allen Werken von AVANTASIA was spielen. „Moonglow“ wird dabei zwischen 30 und 45 Minuten eine Rolle spielen, ansonsten viele ältere Tracks. Die Bühne wird größer und es wird definitiv schön werden, wobei die Musik natürlich weiterhin im Mittelpunkt stehen soll.

Wie bewertest du die Teilnahme am ESC (Eurovision Song Contest) in der Rückschau?

Wir sind in Deutschland eh schon ein bisschen als Plastik-Metal verschrien. Aber ich kann es nicht wirklich verstehen, ich bin in den 80er Jahren mit dem guten Metal großgeworden und habe mit Alice Cooper oder Klaus Meine zusammengearbeitet, daher entfällt diese Diskussion mit den Puristen, was man nun darf oder eben nicht. Wenn Steve Harris nach einer Show von uns zu mir kommt und sagt, er fands geil, dann bedeutet es mir mehr, als irgendwelche Scheindiskussionen. Wir wurden eingeladen und ich wäre ja blöd gewesen, wenn ich diese Chance nicht ergriffen hätte. Viele Millionen Zuschauern, denen wir unsere Kunst näherbringen konnten, waren ein starkes Argument. Die anschließende Tour war eh schon fast ausverkauft, also haben geschäftliche Interessen keine große Rolle gespielt. Die anderen Teilnehmer waren absolut nett und cool. Aber es gab natürlich Unterschiede zu einem normalen Konzert, so war beispielsweise Alkohol hinter der Bühne verboten und auch die Auftrittszeit war bis auf die Sekunde geplant. Die Erfahrung war es aber wert und es hat Spaß gemacht.

metal.de: Vielen Dank für deine Zeit und für das Interview!

15.02.2019
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