Athena
Athena
Interview
Die italienischen Power-Mucker von Athena haben mit "Twilight of Days" dieser Tage ihr drittes Album herausgebracht. Da die Band mit einigen besetzungstechnischen Umstellungen fertig werden musste, und sich das Resultat dennoch recht gefällig präsentiert, war es für mich an der Zeit, mal mit dem Lead-Gitarristen der Truppe, Graziano Poggetti, über den Werdegang und Zukunft der Band zu plaudern.
Das mit dem Line-Up lässt sich am besten dadurch erklären, dass bei Athena immer zwei musikalische Einflüsse miteinander wetteiferten. War die Band Anfang der Neunziger als traditionell Heavy-Metal-Combo ins Leben gerufen worden, ohne Keyboarder übrigens, kamen später Tendenzen aus dem progressiven Bereich, also Marke Genesis und Jethro Tull, zum musikalischen Spektrum der Band hinzu. Man konnte sich eben nie wirklich auf eine Spielart einigen, und beim zweiten Longplayer „New Religion“ ging das soweit, dass jeder im Grunde etwas anderes spielen wollte, deshalb gab es selbstverständlich Probleme und Reiberein, was natürlich zwangsläufig zu Wechseln in der Besetzung führen musste.
Zur Frage der Labels: Den ersten Vertrag hatte Athena mit Pickup-Records, einem kleinen italienisches Label, zu dem immer noch guter Kontakt gepflegt wird, weil wir unseren Manager aus dieser Zeit behalten haben. Dann kam „Rising Sun“, sehr professionell natürlich, doch als es schließlich Probleme mit der Bezahlung gab, musste man sich auch von dieser Firma trennen. Und nach einer kurzen Zeit ohne Vertag kam man dann schließlich bei unserem jetzigen Label unter, welches uns natürlich sehr stark unterstützt, und diese professionelle Arbeit kann man „Twilight of Days“ auch anmerken, denke ich. Bei Noise hat man uns so genommen, wie wir sind, und uns optimal auf unserem Weg unterstützt.
Mit Fabio Lione, der für das zweite Album eingesungen hat, habt ihr ja ein kräftiges Zugpferd für die Band eingebüßt, sowohl was seinen Bekanntheitsgrad als auch seine stimmlichen Fähigkeiten anbelangt. War es sehr schwer für die Band, sich mit dem neuen Mann Francesco Neretti anzufreunden, und wie war der Einstand für ihn?
Nun, nach der letzten Scheibe gab es wohl ernstere Probleme, als sich nur auf einen neuen Sänger einzustellen, denn man musste ja davon ausgehen, dass es mit Athena zu Ende geht, schließlich verließen ja nicht nur der großartige Sänger, sondern auch andere Bandmember die Truppe. Dass sich alles zum Guten gewendet hat, ist vor allem der Verdienst von Gabriele und Simone, denn die Zwei bauten ein komplett neues Athena-Line-Up auf. So rekrutierten sie Ross als Drummer, der vorher bei Labyrinth tätig gewesen war. Mario, der Sänger von Eldritch, konnte leider nicht für die Band singen, er hatte aber die Nummer von Francesco Neretti am Start, der nun seinem großen Vorgänger mehr als gerecht wird. Meine Wenigkeit kam als letztes dazu. Ich hatte Simone damals in meiner Musikschule kennen gelernt und so rief er mich eines Tages im Proberaum an. Es war also keine richtige Umstellung für die Band, sondern eher ein kompletter Neuanfang, und so wuchsen wir auch schnell zu einer Einheit zusammen.
Was macht eigentlich Athena als eigenständige Band aus? Braucht die Welt denn wirklich noch eine Power-Metal-Band aus Italien? Wo liegen die Eigenheiten im Gegensatz zur großen nationalen und internationalen Konkurrenz?
Es ist wohl war, dass es gerade hierzulande viele Bands aus diesem Genre gibt, aber trotzdem haben wir durchaus eine eigene Identität und unseren eigenen Charakter, wie auch jede andere Band aus Italien. Rhapsody würde ich beispielsweise als sehr orchestral, symphonisch und durchaus klassisch angehaucht beschreiben. Wir mögen jedoch mehr die ursprüngliche Power, prägnante Gitarrenriffs und haben sogar ein paar Progressive-Rock-Elemente in unseren Songs verarbeitet. Dann finde ich auch, das unsere Songs zwar durch Keyboards an Atmosphäre gewinnen, aber sie sind nicht darauf angewiesen um zu funktionieren. Wir können Live beispielsweise immer unsere Songs performen, denn Keyboards sind bei uns intelligent integriert, mehr wie dezent gesetzte Gitarrensoli zu sehen, als wie ein durchgehende Präsenz. Schließlich ist eben auch die ganze Produktion auf uns zugeschneidert und dadurch komplett unterschiedlich zu der von anderen Acts.
Was sind denn deine Einflüsse und Quellen der Inspiration was deine Gitarren-Arrangements anbelangt? Welchen Gitarrist bewunderst du besonders, und wie siehst du deine Rolle in der Band?
Naja, Einflüsse habe ich natürlich unzählig viele! Ich will dir vielleicht an dieser Stelle zuerst mal etwas über die „Philosophie der Musik“ (Aufgemerkt!) erzählen. Grundsätzlich mag ich Rock! Doch ich verstehe unter Rock etwas anderes als nur Heavy-Metal oder Hard-Rock, es ist ein sehr weites Feld, in dem ich progressive Sachen und sogar Reggae, Funk und manche HipHop-Stücke sehe. Denn es gibt in der Musik nur drei grundlegend verschiedene Arten zu Arbeiten, und ein jeder Musiker muss alle drei meistern können. In einer bestimmten Sparte wird er aber immer seine besondere Stärke haben. Wir hätten da Improvisation, Interpretation und Komposition. Die erste Spielart ist die des Jazzmusikers, der ein Stück nie zweimal auf die gleiche Weise spielt. Dann haben wir Interpretation, das ist die Art, der sich Klassische- genauso wie Popmusik bedient. Und schließlich wäre da noch die Komposition, was für mich gleichbedeutend ist mit Rock. Rock bedeutet halt, dein eigenes Ding durchzuziehen und deinen eigenen Sound zu erschaffen. Wenn du aber Namen hören willst, könnte ich beispielsweise Mark Knoffler oder Dave Gillmore von Pink Floyd anführen, obgleich es natürlich noch viel mehr gibt. Meine Rolle in der Band ist nun mal die des Lead-Gitarristen, und obwohl ich all Arrangements gebastelt habe und alle Soli spiele, würde ich mir für die Zukunft wünschen, noch stärker mitzuarbeiten, vielleicht auch mal bei den Lyrics mitzumischen.
Wie ist denn das Verhältnis zwischen Athena und anderen Power-Bands aus Italien (Rhapsody, White Skull, Labyrinth)? Herrscht eher Konkurrenzdenken oder ist man eine große Familie, wenn man sich trifft?
Natürlich kann ich immer nur für mich und aus meiner Sicht sprechen, aber es gibt definitiv keinen Kampf um die Fans, wir wollen eher eine Gemeinschaft aufbauen. Musik hat für mich immer etwas mit Gemeinschaft zu tun, und wir sollten alle voneinander lernen. Kampf hat einfach keinen Sinn! Ich bin selbst sehr friedlich und immer gewillt, Wissen und Ideen mit anderen zu teilen. In der Realität könnte es zwar immer mal vereinzelte Konflikte geben, aber nie zwischen Bands, sondern immer nur zwischen Einzelpersonen. Zu Rhapsody und Labyrinth haben wir natürlich nach wie vor guten Kontakt, was wohl auf der Hand liegt, wenn man sich unser Line-Up anschaut.
Wie siehst du den Power-Metal-Boom im allgemeinen. Sind die daraus erwachsenen Bands eine echte Bereicherung, die auch in zwanzig Jahren noch ihre Fans haben werden, also zu Klassikern avancieren werden?
Das ganze Leben besteht aus doch Evolution, und die Musik ist da keine Ausnahme. Ich will es an einem Beispiel erklären. Ich halte Halloween für die erste Band, auf die man die Bezeichnung Power-Metal anbringen kann. Aber irgendwie haben die auch nichts komplett neues gemacht. Sie haben im Wesentlichen nur schneller gespielt als Maiden dies taten. Ich will damit nur sagen, dass wenn man sich weiterentwickelt und den Errungenschaften anderer neue Facetten und Feinheiten hinzufügen kann, also seinen eigenen Stil findet und originell bleibt, kann man immer etwas Gutes erschaffen, das Bestand hat. So verhält es sich auch mit den Power-Bands unserer Tage, es gibt eben gute und schlechte Musiker, und so werden auch heute Klassiker entstehen und Songs, die in Vergessenheit geraten.
Ist die italienische Szene denn tatsächlich sehr Power-Metal fixiert oder sind einfach nur die besten Acts aus dieser Szene international aufgestiegen? Werden Bands wie Rhapsody und Athena mittlerweile von den Labels in eine bestimmte Richtung gelenkt, so dass sie einem bestimmten, verkaufsförderndem Image gerecht werden?
Unsere Komposition ist natürlich und spontan, wir wollten ja nicht um jeden Preis Power-Metal machen. Wir haben zum Teil ganz andere Einflüsse, und haben trotzdem auch schon Power-Metal gemacht, bevor der große Boom kam und die Labels sich dafür zu interessieren begannen. Wir sind nicht von Rhapsody beeinflusst und haben schon unseren Stiefel gefahren, als diese noch keinen Erfolg hatten. Natürlich stimmt es, dass der Power-Metall hier sehr beliebt ist. Aber die Leute feiern auch den „New-Metal“ ungemein ab, so Sachen wie Korn, Slipknot oder Marylin Manson, von dem sich aber die Hardliner abwenden werden, weil das neue Album zu kommerziell ist. Naja egal, was wichtig ist: Athena ist definitiv keine konstruierte, sondern eine gewachsene Band.
Was hältst du denn von der „New-Metal“ Bewegung aus den USA? Kannst du mit der Musik was anfangen?
„New-Metal“ hat für mich zu viele Elemente des Industrial, eben zu synthetisch. Ich mag Gitarren so, wie sie natürlicherweise klingen, und nicht in verzerrter Form. Teilaspekt dieser Musik mag ich dann aber doch. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich auch mit Death- und Black-Metal nichts anfangen kann. Zwar stehe ich auf aggressive Musik und Härte, brauche aber auch Melodie und bin eher der klassische, romantische Typ.
Was treibst du denn so im normalen Leben, welchen Hobbys gehst du nach?
Ich arbeite natürlich, bin Gitarrenlehrer und mache viel Yoga. Das ist für mich kein simpler Sport, sondern der einzige Weg, wie man Körper und Seele zusammenbringen kann. Dann habe ich auch noch drei Projekte nebenbei laufen, zum Beispiel was in Richtung Funky-Rock und Pop-Groove mit indisch-angehauchten Melodien, spirituelle Meditationssongs eben. Letztgenanntes ist dann auch mein konkretestes Projekt.
Danke dir für das Interview! An letzter Stelle steht natürlich die obligatorische Frage: Wie sehen die Pläne für die Zukunft aus, wann geht ihr in Deutschland auf Tour und mit wem? Oder ist gar ein Festivalauftritt im Sommer in Aussicht?
Ich hoffe sehr bald! Touren ist uns sehr wichtig, weil wir nur so die Fans unmittelbar ansprechen können. Unser Label ist deutsch, deshalb werden wir wohl auch sehr bald nach Deutschland kommen, worüber ich mich freue. Ich kenne viele Leute in Deutschland und mag das Land. Zu Sommerfestivals bin ich ebenfalls sehr positiv eingestellt, denn man kann so Fans erreichen, die vielleicht nicht einem Konzert gekommen wären!