At The Gates
Interview mit Anders Björler über "The Flames Of The End"
Interview
15 Jahre ist es her, dass AT THE GATES, heute als Begründer des Melodic Death Metals gefeiert, verehrt und von unzähligen Bands als Quelle der Inspiration benannt, damals jedoch nur Kennern bekannt, ein Album mit dem Titel “Slaughter Of The Soul” veröffentlichten, das der Band zu weltweitem Erfolg verhalf. Doch kurz darauf lösten AT THE GATES sich auf. In den folgenden Jahren gab es immer wieder Gerüchte um eine Reunion, die die Band jedoch stets dementierte. 2007 war es dann endlich soweit, eine Tour für 2008 wurde endlich bestätigt, die Band schloss jedoch immer aus, dass es auch danach noch mit AT THE GATES weiter gehen könnte. Anders Björler, Gitarrist und Kopf der Band, hat mit uns über die Zeit mit AT THE GATES, die Trennung und Reunion und über ihr neu erschienenes Box-Set “The Flames Of The End”, das sie anlässlich der kurzen Wiedervereinigung veröffentlichten, gesprochen.
Grüß dich, Anders. Wie geht es dir heute?
Alles ok. Ich bin gerade mit THE HAUNTED unterwegs durch Europa als Support von SLAYER.
Herzlichen Glückwunsch zum Release eures genialen Boxsets „The Flames Of The End“. Wie fühlt ihr euch damit? Schließlich war es eure letzte Veröffentlichung mit AT THE GATES.
Ich bin sehr glücklich damit. Wir hatten ein sehr geringes Budget, also haben wir jede Menge Hilfe von vielen Menschen gebraucht. Ich habe viele Bilder, Videos und Stories von anderen bekommen, das hat mir die Inspiration gegeben, das Ganze anzugehen.
Warum habt ihr euch eigentlich dazu entschlossen, euch nach über zehn Jahren der Trennung noch einmal zusammen zu raffen, um noch einmal auf Tour zu gehen? Hattet ihr das Gefühl, es euch selbst oder euren Fans schuldig zu sein, AT THE GATES einen würdigen Abschluss zu geben, nachdem ihr euch 1996 so plötzlich aufgelöst habt?
Der Hauptgrund, noch einmal alle zusammen zu rufen, war, ein angemessenes Ende zu finden. 1996 hat alles sehr abrupt geendet. Über eine Reunion hatten wir bereits seit längerem nachgedacht, aber Adrian war immer mit CRADLE OF FILTH beschäftigt und durfte das mit AT THE GATES nebenbei nicht machen. 2007 sah alles ziemlich gut aus, also habe ich alle angerufen.
Warum habt ihr euch damals eigentlich dazu entschlossen, gerade auf dem Höhepunkt eurer Karriere, kurz nach dem Release des bahnbrechenden Albums „Slaughter Of The Soul“ und mehreren großen Touren, aufzuhören? Dachtet ihr, es sei besser, aufzuhören, wenn man ganz oben angekommen ist? Oder spielten private Gründe eine Rolle?
Ich habe mich nie um Ruhm gekümmert oder ob man uns als bahnbrechend ansieht. Ich hatte einfach genug und wollte raus aus der ganzen Sache. Zudem hatte ich bei “Slaughter Of The Soul” ein Gefühl, etwas vollendet zu haben. Es war unser Meisterwerk und wir würden es nicht mehr toppen können.
Wer hatte eigentlich die ursprüngliche Idee, AT THE GATES noch einmal ins Leben zu rufen und waren sofort alle Bandmitglieder von diesem Vorschlag begeistert oder brauchte es erst Überzeugungsarbeit, um alle an Bord zu holen?
Ach, ich habe einfach jeden angerufen und es hat keinerlei Überzeugungsarbeit gebraucht. Jeder war von Beginn an begeistert dabei.
Wie verlief der Prozess, bevor es auf Tour ging? Wie habt ihr euch darauf vorbereitet, nachdem die Band so lange nicht bestand?
Wir waren alle mit anderen Bands auf Tour, also fielen die Vorbereitungen eher knapp aus. Wir haben nur drei Mal geprobt, bevor wir die erste Show in Japan gespielt haben, aber wir sind sehr schnell wieder in Form gekommen.
Die Tour selbst bestand aus fast 30 Shows, die euch rund um den Globus geführt haben. Zudem wart ihr auf sämtlichen namhaften Festivals zu Gast, u.a. dem Sweden Rock, Hellfest, Gods Of Metal, Graspop, Roskilde, Bloodstock und natürlich dem Wacken Open Air in Deutschland. Wie habt ihr diese Zeit erlebt?
Der Sommer war insgesamt sehr erfolgreich. Wir haben von den Fans sehr gutes Feedback bekommen und sind uns als Freunde wieder näher gekommen. Es hat also auf vielen Ebenen einfach funktioniert.
Auch habt ihr natürlich viele Club-Shows, besonders in den USA und Japan gespielt. Habt ihr bei all diesen Gigs einen besonders stark in Erinnerung und wenn ja, warum? Was bevorzugt ihr im Allgemeinen: Club- oder Festivalshows?
Wir haben uns entschieden, viele Festival Shows zu spielen, weil uns dort eine Menge Menschen sehen können. Wir wollten die Reunion-Erfahrung nicht ruinieren und auf ausgedehnte Touren gehen, aber in den Staaten gibt es keine Festivals so wie hier in Europa, also haben wir dort und in Japan eben getourt. Persönlich erinnere mich mich besonders an die Gigs in New York und Tokio. Einfach unglaublich.
Warum habt ihr gerade die Wacken-Show als eine der DVDs der Box ausgewählt? Viel Publikum, gute Stimmung und eine Top-Show hattet ihr bestimmt ja auch bei den anderen Festival-Shows, warum also ist gerade dieser Gig etwas so Besonderes für euch?
Wacken war das einzige Festival, das gefilmt wurde. Zudem war es (glücklicherweise) auch unsere beste Show. Spontan haben wir dann auch die Shows in Schweden gefilmt, aber die Mitschnitte wurden einfach nicht so gut. Vielleicht werden wir die irgendwann noch verwenden.
Hattet ihr nach dieser Tour, den vielen genialen Gigs, den überschwänglichen Reaktionen des Publikums und der gemeinsamen Zeit nicht das Bedürfnis, doch weiter zu machen?
Nein. Es fühlte sich einfach an wie ein perfektes Ende bei den letzten Shows in Griechenland und Schweden. Es war nicht zu lange und wir wollten diese Erfahrung nicht zerstören, indem wir wieder genauso anfangen wie damals.
Was mich auch gleich zu einer unglaublich wichtigen Frage bringt: Das letzte Kapitel von AT THE GATES ist dieses Mal endgültig abgeschlossen, oder? Schließlich habt ihr auch lange eine Reunion ausgeschlossen. Können Fans vielleicht doch noch irgendwann mit einer neuen ATG Scheibe rechnen?
Nein. Definitiv werden wir mit AT THE GATES nichts mehr aufnehmen. Aber ich kann nicht ausschließen, dass es andere Projekte mit AT THE GATES-Mitgliedern geben wird.
Doch zurück zu dem Box-Set. Enthalten ist auch eine Dokumentation über eure Bandgeschichte, in der jedes Detail eures Werdegangs akribisch aufgezeigt wird. Ausgeschmückt wird die Doku durch zahllose Fotos, Zeitungsausschnitte und Mitschnitte. Wo habt ihr das ganze Material nach so vielen Jahren wieder ausgegraben?
Das meiste Material haben wir bei Freunden gefunden. Alf hatte jede Menge Video-Material von damals, das hat uns sehr weiter geholfen. Es war wie ein großes Puzzle, wenn man die fehlenden Stücke finden muss.
Wie war es für dich, an all die Schauplätze zurück zu kehren, an denen eure Karriere ihren Lauf genommen hat? Kommen da nicht wahnsinnig viele Emotionen und Erinnerungen hoch?
Ja, die Doku aufzunehmen war ein sehr emotionales Erlebnis. Die ganzen alten Bilder zu sehen, Menschen zu treffen von damals, das war großartig und ich denke, ich habe diese Emotionen auch in der Doku gut einfangen können.
AT THE GATES wurden 1990 gegründet. Das heißt, rein theoretisch hättet ihr in diesem Jahr 20-jähriges Bandbestehen. Gibt es Momente in denen du dir wünschst, es wäre anders gelaufen und die Band würde noch bestehen? Gibt es vielleicht Dinge, die du heute anders machen würdest, um die Band zu retten?
1996 waren wir sehr unerfahren, also natürlich, wenn wir älter und erfahrener gewesen wären, als wir uns getrennt haben, wäre es vielleicht anders gelaufen. Aber man sollte nicht spekulieren, denn was passiert ist, ist passiert und wir hatten im Sommer der Reunion die Zeit unseres Lebens.
Nach der Trennung von AT THE GATES hat jeder von euch auch weiterhin in anderen Bands gespielt. Konntet ihr die Erfahrungen, die ihr bei ATG gesammelt habt, dort nutzen? Sprich, habt ihr aus der gemeinsamen Zeit, in der ihr alle zudem noch sehr jung wart, gelernt?
Mit allem, was man in seinem Leben tut, sammelt man Erfahrungen. Und wir haben natürlich die Tour-Erfahrung nutzen können und konnten einige Dinge anders machen. Aber ich denke, getrennt haben wir uns einfach, weil wir zu jung und unerfahren waren.
Wie ist es für dich, an die AT THE GATES-Zeit zurück zu denken? Schließlich habt ihr es, obwohl die Band nur sechs Jahre wirklich bestand, geschafft, ein komplettes Genre, den Melodic Death Metal, zu begründen (gemeinsam mit DARK TRANQUILLITY), habt bis heute enorme Geltung in diesem Subgenre und prägt den Stil unheimlich vieler anderer Bands. Das muss ein Wahnsinns-Gefühl sein, oder?
Wir sind wirklich sehr stolz darauf, was wir erreicht haben. Und es ist sehr schön, Bands zu sehen, die von uns beeinflusst werden.
Gibt es moderne Bands, in denen du euren Einfluss erkennen kannst?
Ich weiß nicht recht. Viele Bands sagen, sie seien von uns beeinflusst, aber ich habe noch keine Band gehört, die wirklich wie wir klingt.
Seit mittlerweile 20 Jahren bewegst du dich in der Metal-Szene. Wie würdest du die Entwicklung dieser Szene und der Musik in dieser Zeit beschreiben und wie stehst du dazu? Wenn du könntest, würdest du etwas daran ändern?
Der größte Unterschied ist das Internet als eine viel größere Plattform für Promo und Netzwerke.
Vielen Dank für das Interview.