Asphyx
Ein Jahr ohne Bühne? – Das schaffe ich nicht!
Interview
ASPHYX und van Drunen – das ist schon eine besondere Beziehung, die nicht nur live vorzüglich funktioniert, sodern auch auf Platte. Und selbst wenn ihr neues Album „Incoming Death“ bei uns nicht die Höchstnote abgreift, lohnt es sich nicht zuletzt durch die interessanten kleinen Stories über blutsaugende Fische, Tunnel People und Trostmädchen. Keine Frage: Martin van Drunen ist nicht nur ein sympathischer Musiker und vorzüglicher Frontmann, er ist auch sehr belesen und hat einiges zu erzählen.
Martin, auf dem Summer Breeze warst Du in den letzten Jahren immer Stammgast, dieses Jahr haben wir Dich aber vermisst. Wart Ihr im Sommer mit ASPHYX nicht unterwegs?
Doch, doch. Dieses Jahr haben wir eine Menge live gespielt. Es gibt so viele Festivals in Europa, auch welche, von denen ich nie gehört habe. So langsam kommen gerade auch in Osteuropa kleinere Festivals hoch. Das ist richtig toll, fast jedes Wochenende haben wir etwas. (Pause) Nee, in diesem Sinne kommt überhaupt keine Langeweile auf, und ich glaube nicht, dass ich irgendwie sagen kann, ich kann ein Jahr ohne Bühne oder so, nää, das schaffe ich nicht. In dem Sinne bin ich wohl süchtig.
War es deswegen, dass Du gleichzeitig in drei Bands gespielt hast – neben ASPHYX noch HAIL OF BULLETS und GRAND SUPREME BLOOD COURT…
Ja… (überlegt) Das kam zufälligerweise alles auf einmal. Mit ASPHYX haben wir die Reunion auf dem Party.San endlich durchgezogen, und davor hatten wir schon die ersten Gespräche mit HAIL OF BULLETS, und ein oder zwei Jahre nach dem Party.San fing es auch bei Eric Daniels (ehemaliger ASPHYX-Gitarrist; Anm. d. Verf.) wieder an zu kribbeln. Deswegen haben wir GRAND SUPREME BLOODCOURT gestartet. Mir haben Leute aber auch gesagt, dass das ein bisschen eine Überdosis van Drunen sei. (lacht) Das war, als wir in einem Jahr drei Scheiben rausgebracht haben. Kann ich irgendwo nachvollziehen.
Warum bist Du bei HAIL OF BULLETS raus?
Öhm… (überlegt) Irgendwie ist das ein total dummes Missverständnis gewesen. Wir haben auf Pauls Hochzeit viel miteinander gebechert und auch einige Sachen durchgelabert. Da habe ich ein paar Sachen einfach nicht geschnallt. Sie haben mich falsch verstanden, ich habe sie falsch verstanden… Und dann habe ich eine Mail geschrieben, die nicht so diplomatisch war. Letzten Endes ist es dann halt so gekommen. Irgendwann kam dann eine Mail von ihnen, dass es besser wäre, wenn sich unsere Wege trennen.
Das ist halt so ein bisschen das Pech, dass man weit voneinander weg wohnt und die Kommunikation hauptsächlich über Mails läuft. Man kann sich nicht einfach mal in einer Kneipe treffen und fragen, was jetzt eigentlich los ist. Dass man sich in die Augen gucken kann. Es war aber nicht so, dass es einen richtigen Streit gab.
Wird nochmal was von GRAND SUPREME BLOOD COURT kommen?
Ja klar! Wir haben schon geiles Zeug auf dem Brett liegen. Wahrscheinlich wird jetzt Henri von GOD DETHRONED mitmachen, außerdem Franky Schilperoort (DEVIOUS, THE MONOLITH DEATHCULT), der bei seiner Tour mit FUNERUS gezeigt hat, dass er Old School noch drauf hat. Wir machen das alles ohne Stress, wenn wir mal ein paar Wochen keine Show mit ASPHYX und sonst nicht zu tun haben.
Aber auch bei ASPHYX ist einiges passiert: Bob Bagchus ist raus und stattdessen habt Ihr Stefan „Husky“ Hüskens (DESASTER) engagiert. Warum ist Bob raus, und warum Husky rein?
Bob zu uns kam und sagte, dass er ASPHYX nicht mehr mit Familie und Job vereinbaren kann und Schluss machen muss. Das war erstmal ein Schock für uns. Wir dachten, jetzt ist alles aus und vorbei, denn ohne Bob geht es einfach nicht. Er wollte aber, dass wir mit einem vernünftigen Drummer weitermachen – also nicht mit dem besten Schlagzeuger der Welt, sondern mit einem, der zu uns passt.
Wir kennen Husky und DESASTER schon lange, und es war Alwins Idee, ihn zu fragen. Er war megabegeistert und auch sehr geehrt, weil ASPHYX eine seiner Lieblingsbands ist. Er hat sogar ein Riesentattoo von uns auf dem Arm. Allerdings wollte er erst nicht: Er meinte: ‚Ich möchte ASPHYX eigentlich gar nicht auf den Rücken gucken, ich möchte Euch aus dem Publikum heraus sehen‘. (lacht) Da hat Bob gesagt: ‚Hey, wenn Du nicht meine Sticks übernimmst, dann übernimmt sie keiner, dann kannst Du Dir die Band nie wieder live anschauen!‘ – Es war also ein bisschen Erpressung! (lacht)
Hatte Husky das Tattoo vor seinem Einstieg schon oder erst ach seinem Einstieg machen lassen?
Nee, das riesige „Crush The Cenotaph“-Ding hatte er schon lange vorher. Er hat nur nachher das ASPHYX-Logo auf den Handrücken stechen lassen. Das hat er wahrscheinlich gemacht, um zu sagen, jo, jetzt bin ich drin.
Guter Mann! Hast Du ein ASPHYX-Tattoo?
Nee, bislang habe ich nur ein altes PESTILENCE-Tattoo. Ich habe mal gesagt: Wenn es klappt, dann schmeiße ich alle Bands auf meinen Rücken, in denen ich mal drin gewesen bin. Da muss ich nur noch ein bisschen Fitness machen, damit der Rücken ein bisschen breiter wird. (lacht)
Das neue Album „Incoming Death“ habt Ihr in mehreren Sessions eingespielt, die teilweise sehr kurz waren.
Genau, das Album wurde in kleinen Abschnitten eingespielt: Erst Husky und Paul, die die Drumparts mit den Guide-Gitarre aufgenommen haben. Dann haben Paul und Alwin in Pauls Heimstudio die Gitarren und die Bassparts eingespielt. Und dann gehe ich nochmal ins Studio für die Gesangsparts, weil man das zu Hause nicht machen kann. Das ist natürlich der Vorteil von der Technik von heute, dass man sich zu Hause ein kleines Studio einrichten kann. Das spart uns und das Label Geld, und es geht alles viel schneller und relaxter. Und man muss nicht wochenlang in einem Studio hocken.
Hat das auch Vorteile, wochenlang in einem Studio zu hocken?
Nää, ich fand das immer langweilig. Vor allem ich als Sänger muss immer bis zum Schluss warten. Am Anfang ist noch Enthusiasmus, aber wenn irgendwann die Gitarristen anfangen zu frickeln und ihre Soli machen müssen – wäääh! Vor allem gibt es ja auch Studios, die in kleinen Käffern liegen, und da ist nix los, da kannst du nicht mal in eine Kneipe gehen.
Das kann man wohl sagen. Ich würde gerne auf ein paar Texte zu sprechen kommen: Ich finde „Death The Only Immortal“ als Titel ziemlich anschaulich. Worum geht’s?
Um das ein wenig auszuführen: Der Grund, warum es Religion gibt, ist, weil die Menschheit Angst vor dem Tod hat. Sie soll die Angst nehmen, nach dem Motto: Wenn ihr euch benehmt, geht es nachher ins Paradies. Für mich ist nach dem Tod überhaupt nichts, man schließt die Augen, und es ist vorbei. Wenn ich aber dem Tod einen Körper geben sollte, dann wäre er weiblich. Ich sehe das so mit einer Umarmung und einem letzten Kuss, und dann ist es vorbei. Und deswegen sind am Anfang über dem Basspart lauter Namen von weiblichen Gestalten zu hören, die den Tod in verschiedenen Kulturen auf der ganzen Welt verkörpern. Darum geht es: Der Tod ist weiblich – und am Ende unsterblich.
Candiru ist eine Fischart – ist die besonders Death Metal?
Candiru ist ein ekelhafter kleiner Fisch, der im Amazonas lebt. Wenn man so blöd ist, in den Fluss zu pinkeln, kann es sein, dass der Fisch über deinen Urinstrahl in dein (lacht) Genital schwimmt. Dort steckt er dann fest und fängt an, Blut zu saugen. Den kriegt man nicht mehr raus, das geht dann nur noch mit Amputation. Das ist halt so eine böse Death-Metal-Geschichte. (lacht)
„It Came From The Skies“ – ist das ein Kriegssong über Flechettes, Bomben, die Atombombe?
Nää, über ein Monster, das ejakuliert. (lacht) Nee, es geht dabei um diesen Meteoriten, der dafür gesorgt hat, dass die Dinosaurier ausgestorben sind. Der Song geht darum, dass solch eine Naturkatastrophe nochmal passiert. Dann ist es für uns natürlich aus und vorbei.
Wovon handelt „Subterra Incognita“? Tunnelbauten?
Ja, fast. Es geht um die sogenannten ‚Tunnel People‘. Die gibt es überall auf der Welt, ob jetzt in New York, Mexico City, vielleicht auch in Berlin. Ich bin oft in Paris, wo meine Freundin wohnt. Es gibt tatsächlich kleine Gesellschaften von Menschen, die in verlassenen U-Bahn-Tunneln oder Abwasserkanälen wohnen und nicht mehr nach oben kommen. Das Wahnsinnige daran ist, dass sie da ihr eigenes Leben haben, da werden Kinder geboren, da sind welche, die die Kinder erziehen… und das sind nicht zehn oder zwanzig Leute – es gibt Städte, wo ein paar Tausend Menschen leben. Ich fand das einfach faszinierend.
Warst Du in einer dieser Städte schon mal in solchen Tunneln?
Selber noch nicht. Hier in Paris ist es so, dass die Katakomben neben den U-Bahnen unheimlich groß sind. Ohne Begleitung solltest du nicht reingehen, da wärst du hoffnungslos verloren. Ein Bekannter von mir kennt sich da aber aus und hat mir angeboten, mal einen Gang durch die Katakomben zu machen.
Was hat es mit „The Grand Denial“ auf sich?
Das ist im weiteren Sinn ein Kriegsthema. Eine sehr traurige Geschichte über die sogenannten… im Niederländischen sagt man ‚Trostmädchen‘. Das ist ein totales Scheißwort, weil es etws verheimlichen soll. Es ging darum, dass die Japaner im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende Frauen aus besetzten Gebieten in Korea, Vietnam oder den Philippinen verschleppt und in militärische Bordelle geschmissen haben. Die Sache ist, dass Japan dieses Thema auch heute noch leugnet. In Seoul treffen sich jeden Mittwoch immer noch alte Frauen und bitten um Anerkennung und eine Entschuldigung vom japanischen Staat.
In den Niederlanden war das aber auch ein Thema: Dort waren es indonesische Frauen, die in den niederländischen Kolonien verschleppt wurden. Es gab auch ein paar niederländische Frauen in diesen Bordellen, für die Offiziere. Eine davon hat auch ein Buch geschrieben und ist hierzulande eine Vorkämpferin für die Rechte dieser Frauen geworden. Ich fand das einfach ein sehr trauriges Thema, und es passt auch sehr gut zu der Musik, die Paul dazu geliefert hat.
Was zeichnet ASPHYX eigentlich am meisten aus – die Liveperformance, der Zusammenhalt innerhalb der Band, der Sound?
Alles zusammen. Es ist der Sound, die Heaviness auf der Bühne, der Spaß, den wir haben, vor allem auch die Leidenschaft. Für die Band, aber auch den Metal insgesamt. Wir sind einfach Metalheads. Wir sind einfach stolz und froh, dass wir auf die Bühne gehen können und Leute zu uns kommen, um uns zu hören, uns abfeiern und dann wieder mit uns zusammen feiern. Das ist einfach das Wichtigste an der gesamten Band. Es ist wie ein Traum, der wahrgeworden ist.
Danke für das Interview!
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Stile | Death-Doom Metal, Old School Death Metal |
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