Ascian
"Wir sagten: Nee, mach mal anders. Und da hat er einfach anders gemacht."
Interview
Nachdem das erste Album „Elysion“ leider ein wenig unter gegangen war, melden sich ASCIAN aus Braunschweig und Würzburg mit ihrem Zweitwerk „Sing To Me, Sweet Void“ zurück. Geboten wird darauf erneut eine Mischung aus Post-Metal und Death Doom, die aber dieses Mal noch deutlich weiter geht. Wir sprachen mit den beiden Gitarristen P. und T. über die Entstehung der Platte, Saxophon im Doom Metal und darüber, ob man als Underground-Band unbedingt auf ein Label setzen oder seine Musik doch lieber selbst herausbringen sollte.
Hallo P., hallo T. Danke, dass Ihr Euch Zeit für das Interview genommen habt. Da Euch wahrscheinlich relativ viele Leute noch nicht kennen werden, würde ich vorschlagen, erzählt doch bitte zum Start ein wenig Grundlegendes über ASCIAN. Wie lange gibt es Euch? Wann habt Ihr Euch gegründet und wie kam es eigentlich dazu?
T.: ASCIAN gibt es seit 2018 und ist auf der einen Seite aus den Ruinen von VIGILIA SEPTIMA, wo ich mit S. (Gesang, Anmerk. d. Verf.) zusammen gespielt habe, entstanden. Wir hatten uns zehn Jahre lang nicht gesehen und haben uns dann irgendwie wiedergefunden. Gleichzeitig war unsere damalige Band GOATS RISING nicht mehr so aktiv, also wollten unser Schlagzeuger A. und ich ein neues Projekt in Richtung Doom starten, da wir uns zuletzt mit GOATS RISING sowieso schon in diese Richtung bewegt haben und an der Stelle weiter machen wollten. P. kam dann auch relativ schnell dazu, da er ein ein Betätigungsfeld im Bereich Post-Metal suchte und schon waren ASCIAN geboren.
P.: Genau. Ich habe vorher schon bei ein paar anderen Bands gespielt. Ganz früher Gesang bei MEANS TO COLLAPSE, dann habe ich bei CYPHONISM gesungen. A. und ich sind bei MEANS TO COLLAPSE irgendwann ausgestiegen. T. hat mich dann irgendwann gefragt: „Hier, Du spielst doch auch Gitarre und so, hast du nicht Bock, da mitzumachen?“ Wir kannten uns nur ein bisschen über GOATS RISING, ich war mal bei einer Probe mit dabei, da ich A. eben bereits kannte, da hat man sich dann kennengelernt. Darüber bin ich quasi mit rein gerutscht. Ich habe vorher relativ lange auch nicht Gitarre gespielt, hatte mit A. hier und da mal mal eine EP oder mal ein Album gemacht, in diesem ganzen Post-Metal-Bereich. Eine EP ging so in Richtung Djent, entstanden mit zu viel Bier bei ihm in der alten Studentenbude, so in der Art. So fing das 2018 an, dass wir gesagt haben, wir machen das jetzt, mit der Doom-Chose mit A. und uns beiden. Es hat sich aber relativ schnell herausgestellt, dass das keine reine Doom-Band wird, da unsere Einflüsse dann doch zu unterschiedlich sind.
2020 kam dann ja Euer Debüt „Elysion“ raus. Wie glücklich wart ihr damit und in welchen Bereichen habt Ihr gesagt: „Das wollen wir auf jeden Fall ändern“? Wie seht ihr „Elysion“ heute?
P.: Ich sehe „Elysion“ heute immer noch als sehr starken Release. Ich bin auch der Meinung, dass das für einen ersten Release wirklich sehr sehr gut, schon sehr gelungen war und die Essenz von ASCIAN bereits sehr gut eingefangen hat. Ich glaube, dass das nicht so ist, wie es bei anderen Bands manchmal passiert, dass der erste Release soundtechnisch noch ganz anders klingt und dann entwickelt sich die Band weiter, bis sie einen Sound gefunden hat. Ich glaube, dass das Album auch immer noch sehr gut den Sound von ASCIAN wiedergibt, wie wir das Songwriting handhaben, wie wir Songs schreiben und was da mit enthalten ist. Die Doom-Parts, dass Black-Metal-Parts dabei sind, viele Tremolo-Leads, aber eben aus dem Doom wiederum sehr getragene Melodien. Das wird das Album auch in Zukunft immer noch sehr gut widerspiegeln glaube ich. Ich bin der Meinung, dass wir das von vornherein gut getroffen und unseren Stil relativ schnell gefunden haben.
Was wir jetzt anders machen wollten? Wir wollten den Schlagzeug-Sound auf jeden Fall noch ein bisschen verfeinern. Da waren wir beim letzten Mal nicht 100% zufrieden. Außerdem wollten wir bei der Produktion noch mehr Einfluss von einem Produzenten haben, was das reine Recording angeht. Beim ersten Album haben wir alles komplett selber gemacht, haben die Spuren eingeschickt und der Déhà (u.a. DÉHÀ, MALADIE, WOLVENNEST, Anmerk.d. Verf.), der das damals produziert hat, hat das komplett „In-The-Box“ gemischt, alles digital. Dieses Mal haben wir das Recording mit Aljoscha von Konstrukted Audio (REPULSIVE FEAST, EXCAVED, Anmerk.d. Verf.) zusammen gemacht, zumindest Gitarren- und Bass-Recording und die Vocals. Wir haben ihm auch gesagt, dass wir möchten, dass es analog ist, es gere-amped wird mit einem richtigen Amp und einer richtigen Box, zumindest die Standard-Rhythmus-Gitarren, so dass der Sound, der hauptsächlich zu hören ist, wirklich über den Amp kommt. Natürlich auch ein bisschen für das Gefühl, da ich der Meinung bin, das hat einfach ein bisschen mehr Schub, ein bisschen mehr Druck. Vielleicht hört man ihn auch gar nicht raus, den Unterschied!? Das kommt immer ganz drauf an, wie gut das Ganze engineered ist, aber für mein Seelenheil finde ich es gut, dass das dieses Mal analog gemacht wurde. Wir haben das Schlagzeug auch nicht komplett in Eigenregie aufgenommen wie beim letzten Mal, sondern sind damit zu Karsten (KAMBRIUM, Anmerk.d. Verf.) ins Wiesenberg Studio gegangen. Da A. ja mittlerweile auch bei KAMBRIUM spielt, hat sich das angeboten und das war auf jeden Fall schon sehr, sehr professionell, was das ganze Setup und den Sound angeht. Damit sind wir wirklich sehr, sehr zufrieden.
T.: Ja, das ist der große Unterschied zwischen „Elysion“ und „Sing To Me, Sweet Void“, dass wir weniger alleine aufgenommen haben und dadurch sowohl der Sound als auch das Timing einfach besser sind. Damals haben wir alles zu Déhà geschickt für den Mix und das Mastering und haben mit ihm die Gesangsspuren an einem Wochenende aufgenommen. Das war eine super geile Erfahrung und wir hätten das auch gerne wieder so gemacht, dann aber das volle Programm. Das war aber einfach zu aufwendig, dafür nach Brüssel zu fahren und sich dort tagelang in ein Studio einzubuchen und tagelang so viel Bier zu trinken (beide lachen). Bier trinken zu müssen und dann noch Gitarre spielen zu müssen. Deshalb sind wir dieses Mal eher in der Region geblieben, aber haben das Album wirklich komplett in einem Studio aufgenommen.
P.: Außerdem haben wir dieses Mal mehr Zeit gehabt. Wir haben im Grunde die Songs weniger im Proberaum geschrieben als beim letzten Album, sondern noch mehr zu Hause – auch Corona bedingt natürlich. Wir haben von vornherein gesagt, wir setzen uns nicht irgendeine eine krasse Deadline. Von der Gründung der Band bis zum Release von „Elysion“ verging im Grunde nur ein Jahr, in dem wir die fünf Songs geschrieben, aufgenommen und mit dem Label herausgebracht haben, damals mit Black Sunset. Jetzt haben wir gesagt, wenn es fertig ist, ist es fertig, Wenn es länger dauert, dauert es länger. Wir machen uns da keinen Stress. Wir machen das ja in erster Linie für uns. Das hat dem Ganzen auch gut getan, weil wir deutlich häufiger als beim ersten Album auch Ideen wieder verworfen haben, weil wir gesagt haben, die sind nicht stark genug fürs Album oder nicht kohärent genug im Zusammenspiel mit den anderen Songs oder einfach nicht so, dass wir 100% damit zufrieden sind. Also haben wir gesagt, das schmeißen wir raus, schreiben noch mal einen neuen Song und schauen, ob der besser wird. Fürs Recording haben wir uns Zeit genommen, fürs Mixen haben wir uns Zeit genommen. Ich bin der Meinung, dass man das auf dem Endprodukt auch noch heraushört, dass wir nicht so einen Zeitstress hatten.
Ihr habt gerade angesprochen, dass ihr ein bisschen regionaler geblieben seid. Hatte das hauptsächlich Zeitgründe, dass Ihr mit Aljoscha aufgenommen habt oder war das eine ganz bewusste Entscheidung, dieses Mal hier in der Region zu bleiben?
T.: Der ursprüngliche Plan, nachdem wir sehr überzuckert von Déhà zurückkamen, war definitiv, das wieder mit Déhà zu machen, sogar noch einen Schritt weiter zu gehen und auch für das Finalisieren der Songs mit ihm ins Studio zu gehen, ihn mitproduzieren zu lassen, damit er seine Ideen mit einbringen kann und sagen kann, dass manches nicht so gut ist und manches sehr gut passt. Das war 2020 die Idee, nachdem wir das erste Album herausgebracht hatten. Im Laufe der Zeit veränderte sich das aber. Déhà hatte weniger Zeit, weil er viel mehr produziert hat in den letzten Jahren durch seine vielen Projekte, die er gemacht hat. Er ist zwar immer noch Untergrund-Producer, aber ein großer. Für uns war es am Ende einfach zu aufwendig. Das Schlagzeug komplett dort aufzunehmen, Gitarren, alle Feinheiten. Deshalb haben wir uns gefragt, was wir in der Region machen können. Wir haben einen guten Draht zu Konstrukted Audio, wir haben einen guten Draht zu Karsten von KAMBRIUM, das bot sich einfach an.
P.: Es war aber auch eine Zeitfrage. Wir hätten für mindestens eine Woche nach Brüssel fahren müssen. Das mit vier Leuten koordinieren, die alle Vollzeit arbeiten und Familie haben, das alleine war schon schwierig. Es wäre natürlich deutlich teurer gewesen zu sagen: „Wir fahren da jetzt hin!“ Der Preis ist auch ein bisschen gestiegen dadurch, dass Déhà das nicht mehr zu Hause in seiner Wohnung macht, sondern jetzt in einem richtigen Studio arbeitet, usw. Wir sind dann auf Aljoscha zugegangen. Ich kannte ihn ja durch CYPHONISM schon, weil ich da mit ihm zusammen gespielt habe und er hat die Alben auch damals schon selber engineered. Das letzte Album hat er komplett selber gemacht. Er hatte auch schon einige andere Sachen aus der Region produziert. Was für mich dann so ein bisschen der Punkt war, der mir Sicherheit gegeben hat, dass es die richtige Entscheidung ist, war, dass er eine Underground-Black-Metal-Band aus den USA produziert hat. Ich fand den Sound extrem geil und das war der Punkt an dem ich dachte: „Er macht nicht nur Death Metal, er kann auch andere Sachen.“ Außerdem hat er noch das Demo von SMOKE WEAVER produziert, wodurch ich gemerkt habe, dass er auch Stoner, also die langsameren Sachen gut in Szene setzen kann. Durch CYPHONISM wusste ich außerdem schon, wie er arbeitet. Er ist ein sehr, sehr präziser Mensch, der sehr viel Wert darauf legt, dass alles auch so abläuft, wie es geplant ist. Entsprechend ist alles gut durchgeplant, sehr gut strukturiert, nicht nur das Recording, sondern auch alles drum herum. Egal ob das jetzt den Dateiaustausch angeht, wie Dateistrukturen auszusehen haben, was wir von ihm kriegen, was er von uns bekommt oder auch der komplette zeitliche und finanzielle Hintergrund. Das ganze Management ist sehr, sehr professionell aufgestellt bei ihm. Also haben wir gesagt: „Okay, da bekommen wir für das Geld, was wir bezahlen, auf jeden Fall eine extrem gute Leistung und es ist um die Ecke.“ Wir können einfach nach der Arbeit nach Wolfsburg fahren, ein paar Stunden Stunden Gitarre aufnehmen und wieder nach Hause fahren, in der nächsten Woche das Gleiche noch mal machen, usw.
Dann gehen wir doch auch mal ein wenig ins Detail, was das neue Album angeht. „Sing To Me Sweet Void“ ist, würde ich sagen, ziemlich komplex und vereint vielleicht noch ein bisschen mehr unterschiedliche Stilrichtungen als vorher. Gerade auch bezüglich des Themas Saxophon, auf das wir später noch einmal zu sprechen kommen. Habt Ihr dabei nie den Gedanken gehabt: „Scheiße, vielleicht denken die Leute irgendwann, dass das jetzt echt zu viel ist?“
P.: Nee. Ich zumindest nicht. Ich weiß ganz genau, dass die Alben, die wir mit ASCIAN machen, immer diese Mischung haben werden aus Doom, aus Black Metal, aus Post-Metal und Post-Rock, da das eben unsere essentiellen Einflüsse sind und wir das auch alles unterbringen möchten. Dass wir jetzt halt mal ein Saxophon on top haben, ist für mich einfach nur ein geiles Feature. Wir hatten die Idee und dann hat sich das irgendwie gut ergeben und so was ist auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen. Wir haben auf dem Album zum Beispiel auch mehr Synthesizer drauf, in Form von Flächensounds und Klavieren, die wir auf dem alten Album noch nicht hatten. Es kann also komplex werden, es kann auch noch komplexer werden, aber vielleicht auch wieder rudimentärer, auf dem nächsten Album. Da wird nichts ausgeschlossen. Solange wir das Gefühl haben, der Song oder der Release klingt noch wie wir und geht nicht zu sehr in eine Richtung, sondern vereint immer noch alle unsere Einflüsse und Geschmacksrichtungen und wir sind alle glücklich damit, ist das vollkommen in Ordnung.
T.: Genau. Das einzige, was wir im Laufe der Zeit bemerkt haben ist, dass wir damals auf der „Elysion“ die Songs ein wenig zu stark durchgemixt haben. All die Stile, Doom, Black Metal, Post-Metal waren irgendwie ziemlich durcheinander. Die Idee war daher zunächst, das auf einem neuen Album zu trennen. Man fängt beispielsweise ganz langsam an, was auch tatsächlich so gekommen ist, und der schnellste und Black-Metal-lastigste Song steht am Ende. Ursprünglich hatten wir aber versucht, irgendwo einen Cut zu machen, aus den Songs beispielsweise eine Hälfte Doom- und eine Hälfte Black Metal zu machen. Das hat sich total falsch angefühlt. Dadurch wurde das Ganze total lahm. Jetzt haben wir doch alles ein bisschen durchgemischt, wodurch es letztlich besser zusammenpasst.
P.: Wir haben uns einfach mehr Gedanken darüber gemacht, an welche Stelle des Albums wir welche Songs setzen und wie man über diese 65 Minuten, was ja nicht gerade wenig ist, einen möglichst guten dramaturgischen Bogen spannt, der irgendwie Sinn ergibt beim Hören. Wir wollten also nicht, dass unbedingt in jedem Song alle Parts enthalten sein müssen, wodurch jeder Song wieder ein bisschen gleich klingen würde, sondern ein Song ist vielleicht sehr blumig, der nächste dafür wieder schwarzmetallischer, ein Song in der Mitte hat alles ein bisschen mit dabei und so weiter.
Dann kommen wir mal, wie schon angekündigt, zum großen Thema Saxophon. Dima von WHITE WARD hat das für das Album eingespielt. Wie seid Ihr auf Dima gekommen und wie hat das mit der Zusammenarbeit funktioniert?
T.: Bei uns ist es immer so, dass einer von uns quasi der Hauptschreiber eines Songs ist. In dem Fall, bei „The Odium Palace“ war ich das, da der ja eher rifflastig ist und ich hatte schon ganz früh die Idee, dass ich mal was mit Saxophon machen wollte. Schon ganz lange habe ich die Idee im Kopf und sage: „Zu Doom passt das doch irgendwie.“ Zumindest in meinem mein Kopf passt das zu Doom. Wir haben dann immer mal verschiedene Ideen durchgespielt und zwischenzeitlich wieder verworfen. Meine Schwester spielt in einer Bigband auch Saxophon, daher hatten hatten wir sie auch mal gefragt, aber sie hatte wenig Zeit und hat ohnehin mit Metal nicht so richtig was am Hut. Irgendwann fielen uns dann WHITE WARD ein, da sowohl wir beide als auch S. und A. die gerne hören. Also sagten wir uns: „Das ist jetzt eine nicht völlig andere Richtung, aber schon ein wenig anders als das, was WHITE WARD sonst machen, fragen wir den doch einfach mal.“ Damals hatte der Krieg in der Ukraine schon begonnen und wir wussten gar nicht, was mit denen überhaupt ist, ob man sie überhaupt erreichen kann.
Letztendlich habe ich sie einfach angeschrieben, dass wir ganz gerne etwas zusammen mit Dima machen würden, den Song dazu geschickt und gefragt wie man ihn erreichen kann. Die Jungs haben dann vermittelt und Dima sagte auch ziemlich zügig: „Ja, ich mache das.“ Wir haben auch da verschiedene Ideen durchgespielt. Ursprünglich hatten wir etwas eher jazziges, schnelleres im Kopf. Ich dachte, das könnte als Kontrapunkt funktionieren, zu der langsamen Instrumentierung eher etwas verfrickeltes, so wie es oft ja auch bei bei WHITE WARD ist. Das passte aber irgendwie überhaupt nicht. Es war ja meine Idee, die Dima sozusagen aus meinem Kopf herausgesaugt und eingespielt hat, aber das war total total doof, überhaupt nicht stimmungsvoll. Also sagten wir: „Nee, mach mal anders.“ Und da hat er einfach anders gemacht. Zusätzlich hatte er noch zwei, drei andere Dinger rausgehauen, innerhalb von kürzester Zeit und das Ergebnis hört man ja jetzt. Die Zusammenarbeit lief extrem professionell mit Dima, er hatte da auch überhaupt keine Berührungsängste. Er hat das einfach eingespielt, hat das Material sofort rübergeschickt, hat es auch gleich mit Effekten belegt, die er am liebsten hat, mit viel Hall und Echo. Das haben wir dann auch so übernommen.
Das neue Album habt Ihr ja, im Gegensatz zu „Elysion“ in Eigenregie herausgebracht. Es ist ja noch nicht veröffentlicht, Ihr seid quasi mitten in der Promo-Phase, aber was habt Ihr denn bislang für einen Eindruck? Wie läuft es denn? Es ist ja immer ein bisschen die Frage, wenn Du als Band im Underground-Bereich aktiv bist, suchst Du Dir jetzt ein Label und was für ein Label muss es dann sein. Habt Ihr da Tipps, die Ihr anderen Bands geben würdet?
P.: Die Erfahrung, die wir gemacht haben: Wir haben von MDD bzw. Black Sunset genau das bekommen, was vereinbart war. Es ist also definitiv nicht so, dass wir da irgendwie über den Tisch gezogen wurden. Wir haben etwas vereinbart und das, was im Vertrag stand, haben wir auch bekommen. So ehrlich muss man sein. Wir haben nur für uns entschieden, dass sich das für uns nicht gelohnt hat. Der Kosten-Nutzen-Faktor passte am Ende nicht, so dass wir jetzt gesagt haben, wir bekommen das auch selber hin. Es ist natürlich viel mehr Arbeit, alles selber zu machen und nicht einfach zu sagen: „Hier ist Geld, ich gebe das ab, macht mal!“ Das Gute daran ist, dass man zum einen volle Kontrolle hat, man hat keine Deadlines, kann alles so machen, wie einem das gerade passt. Die Deadlines setzen wir uns einfach nur selber. Wenn wir sie verschieben, müssen wir damit leben und niemand anderes. Wir haben aber natürlich auch die volle finanzielle Kontrolle über die Situation. Was kostet der Kram für uns in der Produktion? Bekommen wir es irgendwo günstiger hin? Lassen wir die CDs in Werk A oder B pressen? Darüber hatten wir bei Black Sunset keine Kontrolle. Die haben gesagt, wir machen CDs, dann wurden CDs gemacht. Wir hatten jetzt viel mehr Auswahl, viel mehr Kontrolle darüber und alles, was wir damit verdienen, bleibt bei uns hängen. Wir müssen nichts mehr abgeben. Wir haben auch den kompletten digitalen Vertrieb für das alte Album wieder bei uns. Das heißt jeder Cent, der irgendwie generiert wird, geht an uns. Was ich anderen jungen Bands raten würde, die vielleicht überlegen, zu einem Label zu gehen? Kurz: Macht es nicht! Es lohnt sich einfach nicht.
Zumindest im Underground lohnt es sich eigentlich nicht. Es gibt Label, die wirklich faire Deals haben. Das ist aber ein Vertrag, der passt auf eine halbe Seite. Das Label sagt, wir machen 500 CDs, wir bezahlen die als Label selber, ihr bekommt 100 oder 200 zugeschickt. Jeder macht mit seinem Anteil, was er will. Fertig. Dann hast du als Band keine Rechte abgetreten, das ist nur ein reiner Bandübernahmevertrag, über den das Label die Berechtigung bekommt, diese CDs zu pressen und die Vereinbarung ist auf 500 Stück limitiert. Wenn die ausverkauft sein sollten, dann können Band und Label sagen, wir machen eine Vertragserweiterung, es dürfen noch mal 200 gepresst werden. Bei uns war es zum Beispiel so, dass wir Geld an das Label bezahlt haben und mit diesem Geld wurde dann gehaushaltet, Promo gemacht, die Pressung usw. finanziert. Damit hatten wir im Grunde das volle Risiko, da wir das Label ja bezahlt haben und damit im Grunde schon viele Kosten abgedeckt waren, das Label hatte hier relativ wenig Risiko. Wenn man aber ein sehr cooles kleines Label irgendwo findet, die mit Passion daran gehen und an die Band glauben, deswegen Risiko eingehen und die CD-Pressung bezahlen, dann ist es ein fairer Deal, dann können beide daran gewinnen und das Label ist auch daran interessiert eine gute Promo zu machen, denn sie haben ja im Vorfeld Geld investiert. Aber Verträge, bei denen man als Band alles bezahlt und das Label hat kein Risiko, sind keine fairen Verträge. Wenn, dann sollten beide Seiten ein Risiko zu vielleicht gleichen Teilen zu tragen haben, bzw. das Label tendenziell ein eher höheres, da sie in der Regel mehr finanzielle Mittel haben. Ansonsten: Selber machen! Man muss natürlich viel lesen, viel vergleichen und sich auch mal die Abende um die Ohren schlagen. Nachher hat man aber eigentlich nur Vorteile, wenn man es selber macht.
Man hat natürlich keine Vertriebswege. Das ist relativ schwierig ohne Label. Unsere CD wird also nicht im Saturn stehen oder bei Amazon. Aber es ist natürlich die Frage, ob man das braucht, als Undergroundband in einem Undergroundgenre, die in diesem Undergroundgenre eine noch kleinere Nische besetzt. Für uns ist Bandcamp immer noch das Beste. Das ist ein faires Modell und man kann den Kram direkt bei uns kaufen. Man kann uns einfach anschreiben auf Instagram, auf Konzerten bei uns kaufen, oder eben im Bandshop. Der Käufer weiß, wo das Geld hingeht, wir verschicken alles selber. Es kommt also alles von der Band direkt und nicht von irgendeinem namenlosen Versender aus Warehouse XY. Das ist gerade im Undergroundbereich, wo viel über Passion von Musikern und Fans läuft, einfach der beste Deal.
T.: Was ich jungen Bands allerdings auch raten würde: Wenn man die Zeit und die Muße hat, kann man durchaus die ganzen kleinen Underground-Labels anschreiben, mit einer guten Promoseite, mit ordentlich verlinkten Songs und Videos. Das sind ja meistens Einzelpersonen oder zumindest wenige, die das machen und das Label als Liebhaberei das ganze Jahr betreiben. Wenn die darauf anspringen, stehen sie ja auch zu 100% hinter der Musik. Wir haben mehrmals erlebt, dass Labels sich gemeldet haben, die wir angeschrieben haben und sagten: „Wir finden eure Musik cool, aber wir finden sie nicht so cool, dass wir sie bei uns machen würden, da wir nur die Sachen machen, von denen wir 110-Prozentig überzeugt sind.“
Aus diesem Grund haben die eben auch ein Standing in der Szene. Dafür fehlte uns jetzt am Ende zugegebenermaßen ein bisschen die Zeit, denn wir wollten das Album auch einfach rausbringen. Vor einem halben, bzw. Dreivierteljahr, als wir die Entscheidung getroffen haben, das in Eigenregie zu machen, hätte man ja auch anfangen können mit Labelsuche. Ich glaube sogar, dass wir mit dem Album auch ein Label gefunden hätten, da ich das Album für so gut halte, dass das jemand zu 100% überzeugt hätte. Wir sind jetzt aber den anderen Weg gegangen und es tut mir auch nicht Leid, dass wir das so gemacht haben.
Zum Schluss: Ihr seid eine Band mit Musikern aus Braunschweig und Würzburg. Genauer: Euer Sänger S. lebt in Würzburg, der Rest in Braunschweig und Umgebung. Wie funktioniert das eigentlich, mit Proben und so?
T.: Das ist schwierig. Aber tatsächlich: Wir haben ja unseren Proberaum hier in Braunschweig und spielen dort zu dritt, wir beide und unser Schlagzeuger A. Wir üben dort, vor allen Dingen auch aktuell für die anstehenden Shows, die Songs auch ein. Wir probieren auch Ideen immer mal wieder im Proberaum aus, das haben wir auch fürs letzte Album gemacht, aber so eine klassische Proberaumband sind wir eigentlich nicht. Es ist schon eher so, dass wir unsere Songs letztendlich im Heimstudio entwerfen. Zu Corona-Zeiten musste das so sein, aber es hat sich eigentlich auch bewährt. Ich habe beispielsweise eine Idee, nehme sie auf, schicke sie an P. Er hört es sich an und sagt: „Ich habe das und das dazu“. So geht man sozusagen schon mit einem halben Song in den Proberaum, probiert mit A. zusammen ein paar Sachen aus und wenn der Song schon fast fertig ist, wird S. eigentlich erst mit eingebunden. Natürlich singt er dann nicht einfach nur irgendwas darauf, sondern sagt auch, ob er das okay findet oder nicht so gut. Möglicherweise gefällt ihm ein Part auch überhaupt nicht und er kann darauf gar nicht singen. Wir haben auch schon mal einen Song verworfen, weil er letztendlich mit S. zusammen einfach nicht diesen ASCIAN-Flow hatte. Wenn wir aber nicht gerade anstehende Gigs haben ist es eher so, dass wir uns vielleicht einmal im halben Jahr alle zusammen treffen, S. kommt also wirklich nur sehr selten dazu.
P.: Das Gute daran ist auch, dass es dadurch professionell genug ist, jeder seine Parts lernt und wir kommen eigentlich nur noch für den Feinschliff im Proberaum zusammen. So reicht es oft auch, wenn wir vor einem Konzert alle zusammen so eine Art Generalprobe machen. Vorher haben wir beide dann mit A. schon ein paar Mal geprobt, die Songs quasi einstudiert, die Lichtshow programmiert, haben geguckt, dass das generell alles funktioniert, was wir uns technisch vornehmen. S. übt die Songs allein zu Hause für sich, macht seine Übungen. Er singt sie auch zu Hause ein, wenn er Demos hat und kommt dann meistens für ein Wochenende vorbei, so dass es sich auch lohnt und wir zwei große Sessions machen können. So ist das, was man sonst mit einmal pro Woche Probe über einen oder mehrere Monate ziehen würde komprimiert auf ein Wochenende. Das hat bis jetzt immer sehr, sehr gut funktioniert.
Einige Dinge werden ja auch von Dir, eingesungen, P. Wie entscheidet Ihr eigentlich, wer was übernimmt oder ist das eher Bauchgefühl?
P.: Vieles ist tatsächlich Bauchgefühl und richtet sich danach, was der Song braucht. In den meisten Fällen singe ich ja das Black-Metal-Gekeife im Hintergrund, in der Regel mit viel Hall drauf, atmosphärische Geschichten, die so klingen, als wäre ich irgendwo in der Ferne. Wenn der Song oder die Stelle so etwas braucht, dann schauen wir erst einmal, wie es klingt, wenn S. sie in erster Linie einsingt. Ich muss ja Gitarre spielen, nicht zu singen ist also einfacher. S. hat allerdings, was die hohen Screams angeht, eine komplett andere Stimmfarbe im Vergleich zu mir. In solchen Fällen gucken wir einfach, was besser klingt. So singen wir das dann auch im Studio, S. hat seine Parts, ich singe die Backgroundsachen. Manchmal singen wir allerdings auch zusammen, oder ich steuere Screams bei, die leicht versetzt zu ihm sind. Das kann eine Person nicht alleine machen, vor allem nicht live.
Wenn der Song dann fertig und aufgenommen ist, stehen wir im Proberaum und ich schaue, ob ich das an der Stelle überhaupt kann, spielen und singen zeitgleich. Zur Not kann ich dann eben nicht das Solo spielen und dabei singen oder wir tauschen dann doch die Rhythmusgitarre und T. spielt das Solo. In den meisten Fällen funktioniert es aber intuitiv ganz gut, dass ich dann sage: „Hey, das ist ein Part, bei dem kann ich auch singen kann.“ Zu Black-Metal-Geschrammel kann ich beispielsweise auch singen, wenn das jetzt aber ein super rhythmischer Part ist, fällt es mir extrem schwer und ich mache es in aller Regel nicht. Dann muss S. das alleine stemmen.
Vielen Dank für Eure Zeit – möchtet Ihr zum Abschluss noch was los werden?
P.: Ja, kommt alle zum Stygian Pilgrims 2024, das wird geil.
T.: Das wird es auf jeden Fall. Wir werden dort auch eine umfangreiche Release Show mit fast allen Songs von „Sing To Me, Sweet Void“ spielen, so viel kann ich zumindest schon verraten.