Arkan
Arkan

Interview

Metal und Orient: Das klang vor einigen Jahren noch wie Huntingtons "Clash Of Cultures". Doch mittlerweile beweisen immer mehr Bands, dass Metal und orientalische, traditionelle Klänge nicht miteinander kollidieren müssen, sondern eindrucksvoll fusionieren können. Die französische Band ARKAN hat mir ihrem Debütalbum "Hilal" ein Paradebeispiel dafür vorgelegt. Unsere Kollegin Vera Matthijssens vom niederländischen ‚Lords Of Metal‘-Webzine hat mit Schlagzeuger Foued ein ausführliches Interview geführt, metal.de präsentiert euch mit freundlicher Genehmigung die dt. Übersetzung.

Ok Jungs, dann lasst uns mal gleich loslegen: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ARKAN zu gründen, und warum wolltest du ARKAN aus der Taufe heben, obwohl du zur gleichen Zeit noch bei THE OLD DEAD TREE am Schlagzeug warst?

Die Idee zu ARKAN liegt schon weit zurück, noch bevor ich überhaupt bei THE OLD DEAD TREE eingestiegen bin. Ich wollte schon immer meinen kulturellen Ursprung mit der Musik kombinieren, die ich so sehr mag. 2005 entschied ich mich dann, ARKAN aus der Taufe zu heben, weil ich spirituell und musikalisch dafür bereit war. Zu diesem Zeitpunkt erlebte die gesamte französische Szene eine unvorhergesehene Wiederbelebung und neue Kraft.

Wir wissen, dass es im Arabisch-Nordafrikanischen Raum keine große Metalgemeinschaft gibt. War es nicht ziemlich schwierig, geeignete Mitstreiter für diese außergewöhnliche Mixtur von brutalem Death Metal und traditioneller Musik zu finden?

Im Vergleich zu den nördlicheren Ländern gibt dort sehr wenig Metalfans, hauptsächlich weil es keine vergleichbaren Netzwerke für die Verbreitung von Musik gibt. Dank des Internets ändert sich das aber, und die Anzahl der Fans steigt beachtlich. Die Zeiten ändern sich, und neue Bands treten ans Tageslicht hervor.
Für ARKAN Musiker zu verpflichten war nicht gerade einfach. Wir hatten das Glück, die Musiker der algerischen Band WORTH in Paris anzutreffen, als sie dort live spielten. Als wir ihnen von unseren Ideen erzählten, und dass es sich dabei um ein Nebenprojekt handeln sollte, waren sie sofort dabei.
Und nun ist ARKAN mittlerweile zu unserer Hauptband geworden, da jeder von uns seine vorherigen Bands verlassen hat.

Ich gehe mal davon aus, dass ihr nun alle in Paris wohnt. Kannst du uns ein bißchen mehr über eure Hintergründe erzählen, und über euer Interesse sowohl an Metal als auch an der traditionellen Musik eures Lebens?

Ja, wir leben alle in Paris. Ich bin auch in Paris geboren, da meine Eltern marokkanischer Abstimmung sind. Abder, Mus und Samir sind in Algerien zur Welt gekommen, und dann wäre da noch Florent, der auch gebürtiger Franzose ist, aber griechische Wurzeln hat. Jedes Bandmitglied sollte die Musik seines Ursprungslandes einbringen, auch wenn wir alle absolute Metalfans sind. Diese Mixtur war ziemlich neu für eine französische Band, und der Wunsch, in die Kulturen unserer Herkunft einzutauchen war verbunden mit dem Gedanken, die Metalszene dieser Länder zu beleben. Darüber hinaus versuchen wir zwischen Menschen mit unterschiedlichen musikalischen und kulturellen Hintergründen eine Brücke zu bauen.
Die kulturellen Unterschiede begegnen uns im alltäglichen Leben. Durch unsere Musik schaffen wir auch einen Standpunkt, der genau das repräsentiert, wofür wir stehen.

Warum habt ihr euch für den Namen ARKAN entschieden? Ich weiß von einem serbischen Mafiaboss, der so heißt, aber das war sicherlich nicht der Grund für diese Wahl, oder? 🙂

Genau richtig, das ist purer Zufall. ARKAN bedeutet im Arabischen soviel wie „Stützpfeiler“. Dieses Wort trägt eine große Bedeutung für uns, weil es hauptsächlich eine Verhaltensweise ist, die respektiert werden soll – eine Verbindung zu unseren Vorfahren. Es markiert die Verknüpfung von dem, was wir sind zu dem, was wir waren. Als Südländer, deren Traditionen, Kultur und Musik sich manchmal mit unserem Leben in Europa überschneiden, müssen wir einen Weg zur Balance finden. „Arkan“ ist eine Art Wegweiser, um diesen Weg bestreiten zu können.

Nach der Veröffentlichung eurer ersten MCD „Burning Flesh“ habt ihr einige Gigs hier und da bestritten. Kannst du uns ein bißchen mehr über diese Zeit und eure Entwicklung nach dem ersten selbstveröffentlichten Tondokument erzählen?

„Burning Flesh“ wurde in Frankreich aufgenommen. Es reflektiert unseren Stand zu der damaligen Zeit. Wir waren eine Death-Metal-Band, die nur wenig Orientalisches in ihrer Musik hatte, da wir befürchteten, jemand würde uns für Extremisten halten. Die Kritiken zu „Burning Flesh“ und unsere Konzerte zeigten uns, wie sehr die Metalfans östliche Musik mochten, und überzeugte uns, künftig viel mehr davon in unsere Musik einfließen zu lassen, was letztendlich zu „Hilal“ geführt hat.

Die vielen traditionellen Instrumente verleihen der Musik ARKANs die ganz spezielle Würze. Viele von denen werden unseren Lesern kaum bekannt sein, darum führe uns bitte ein, was es denn mit „Oûd“, „Cajon“, „Bendir“, „Derbouka“, „Mandola“ und „Tabla“ auf sich hat. Ist deine Bouzouki eine griechische? Wer aus der Band spielt die Instrumente?

Wir haben unsere Musik tatsächlich nicht nur durch musikalische Skalen und Modi bereichert, sondern auch durch die instrumentale Vielfalt. Das „Oûd“ ist eine 12-saitige Gitarre, die wie eine Wassermelone aussieht, man hört sie im Song „Lamma Bada“. Sie ist DAS repräsentative Instrument orientalischer Musik. Das „Bendir“ ist ein Schlaginstrument aus dem südlichen Maghreb mit einem basslastigen Sound. „Derbouka“ und „Tabla“ sind Schlaginstrumente mit einem klaren Klang. Die Bridge von „Groans Of The Abyss“ zeigt sehr gut, was man alles mit einer Derbouka anstellen kann. Das „Cajon“ gehört auch zu den Schlaginstrumenten und kommt aus dem spanischen Raum. Es klingt ziemlich trocken, während die „Mandola“ eine Art kleine Gitarre ist, die sehr hohe Töne produziert. Man hört sie eigentlich auf dem ganzen Album. Die „Bouzouki“ die wir benutzen ähnelt dem griechischen Pendant. Es ähnelt einer Mandoline, und ist in der traditionellen Musik Maghrebs weit verbreitet. Bei uns heißt dieses Instrument „Chaâbi“ und wurde zusammen mit der Derbouka in Algerien von zwei unserer Freunde aufgenommen. Das sind Profi-Musiker, die in der Band DJEMAOUI AFRICA spielen. Mus, Abder und ich haben den Rest selbst eingespielt.

ARKAN verfolgt ein originelles Konzept, in dem sie marokkanische und algerische Einflüsse in extremen Metal einbinden. Welche Metalbands seht ihr als Einfluß oder überhaupt als eure Favoriten?

Wir haben großen Respekt vor Bands, die arabische Klänge in ihre Musik einbinden. Es mag noch nicht viele davon geben, aber sie sind allesamt Pioniere ihrer Stilrichtung. Für uns sind NILE eine der Bands, die den Death Metal revolutioniert haben. Sie haben ägyptische Klänge zum dominanten Element ihrer Musik gemacht. Darüber hinaus bewundern wir Bands, die mit ungewöhnlichen und sehr unterschiedlichen Stilkombinationen neue, unbekannte Horizonte eröffnen.

Was bedeutet der Albumtitel „Hilal“ und wofür steht er?

„Hilal“ bedeutet Halbmond, und das Albumkonzept behandelt das Leben und den Glauben der Menschen des alten Mesopotamiens. Das als „Wiege der Zivilisation“ bekannte Land wurde auch als „fruchtbarer Halbmond“ bezeichnet. „Hilal“ bedeutet darüberhinaus aber noch etwas anderes. Es steht für ein sehr mächtiges Symbol in der arabischen Kultur, und ist in unserem Logo zu sehen. Der Halbmond ist ein Übergang zwischen zwei extremen Zuständen. Damit wollen wir darauf hinweisen, dass unser Weg zwischen den beiden Polen des extremen Südens und Nordens verläuft, und es steht natürlich auf für Metal Musik und traditionelle, nahöstliche Klänge.

Ihr habt zwei exzellente Sänger in eurer Band. Florent übernimmt die Growls und Abder den klaren Gesang. Wer aber hat den traditionellen Gesang übernommen?

Die männlichen arabischen Parts hat Adel Abdellaoui gesungen. Er ist ein professioneller, tunesischer Sänger, der einem namhaften Orchester angehört, in dem sich auch orientalische Größen wie Farid El-Atrache, Fariouz und Oum Kelthoum befinden. Er hat sich Demos des Albums angehört, und wir haben ihn gefragt ob er den Gesang der zwei traditionellen Songs übernehmen wolle. Mit seiner eigentümlichen Stimme verleiht er den Stücken noch mehr Authentizität.
Die weiblichen Parts hat Sarah Layssac eingesungen. Sie ist algerischer Abstammung und Sängerin der französischen Rock-Metal-Band THE OUTBURST. Sie passt sich ziemlich leicht allen möglichen Stimmlagen an, von Rock über Death Metal zu orientalischem Gesang. Wir wollten unbedingt mir ihr zusammenarbeiten und sind mehr als zufrieden mit dem, was wir gemeinsam erschaffen haben.

Kannst du uns ein bißchen mehr über die Texte erzählen? Gibt es ein lyrisches Konzept? Was hat euch beim Schreiben am meisten inspiriert?

Es gibt ein Konzept, und zwar behandelt „Hilal“ die mesopotamische Mythologie. Die Texte sind chronologisch angeordnet, der erste Song „Groans Of The Abyss“ steht also für die Einführung. Die Texte handeln von Legenden über die Zerstörung der Menschheit durch die Götter.
Das Album beginnt auf einem marokkanischen Markt (dem Souk), auf dem sich ein alter Mann bei der Menge Gehör verschaffen und ihnen von den Geschichten der Vorfahren erzählen will. „Hört her ihr Leute, lasst euch von den Vorfahren erzählen!“

Kannst du uns erzählen, wie ihr bei eurer Suche nach einem Label an Season Of Mist gelangt seid und letztendlich dort unterschrieben habt?

Das ist eine lange Geschichte. Als wir nach Schweden unterwegs waren, hatten wir noch kein Label. Da ich schon zu meiner Zeit in THE OLD DEAD TREE mit den Leuten von Season Of Mist Kontakt gehabt hatte, haben sich Freundschaften herausgebildet, aber wir haben zu keinem Zeitpunkt irgendein Label angeschrieben. Wir wollten bei unseren Aufnahmen frei sein, deshalb wollten wir uns erst an Labels wenden, wenn wir ein fertiges Produkt in der Hand hatten. Der Mix des Albums war fast im Kasten, als ich Michael von SOM zwei Songs zum Anhören geschickt habe. Er war begeistert! Gleich nach unserer Rückkehr nach Frankreich haben wir dann bei SOM unterschrieben.

Wie sieht’s mit euren Erfahrungen bei Gigs aus? Spielt ihr hauptsächlich vor Leuten mit ähnlichem Hintergrund oder schaffen es ARKAN, auch das Interesse von anderen Leuten zu wecken?

ARKAN ist eine Metalband, die viele unterschiedliche Zuhörer anlockt. Wir ziehen sowohl Fans von Heavy Metal durch den Groove und klaren Gesang in unseren Songs, als auch Fans von brutalem Death Metal durch unsere ausdrucksstarken Rhythmusparts. Abgesehen davon zielt unsere Musik auf keine spezielle Gruppe von Hörern. Unsere Fans sind nicht notwendigerweise Metaljünger, sie können auch durch die arabische Musik zu uns gelangen. Die Mixtur in unserer Musik sorgt dafür, dass wir auf sehr unterschiedliche Leute bei Auftritten treffen.

Vielleicht können ARKAN ja eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Gemeinschaften bilden, um sie miteinander zu vereinen.

Damit würde ein Traum wahr werden. Wir würden sehr gern auf Tour gehen und unsere Musik von Nordeuropa bis hinunter zum Maghreb spielen. Musik ist eine großartige Möglichkeit, um Menschen zu einen.

Wie sieht es mit Plänen hinsichtlich Liveaktivitäten und Tour aus?

Momentan schauen wir, was möglich ist, noch ist nichts in trockenen Tüchern. Wir hoffen, in Deutschland auftreten zu können. Ich habe dieses Land vor einigen Jahren für mich entdeckt, als ich dort zwei Alben aufgenommen habe und auch dort aufgetreten bin. Metalmusik ist dort sehr fortgeschritten. Die Kombination von verschiedenen Stilen und Klängen ist in der deutschen Musik tief verwurzelt und die Hörer legen viel Wert auf Originalität in der Musik.

Ihr habt das Album bei keinem Geringeren als Fredrik Nordström im Fredman Studio aufgenommen. Erzähl uns mehr von diesem Abenteuer!

Als ich Fredrik zwei vorproduzierte Stücke unseres Album schickte, hörte er sie sich an und antwortete: „Ich mag diese Kebab-Boogie-Mucke!“ Wir haben uns sofort gut verstanden. Für uns ist er eine Legende, und wir wollten unbedingt mit ihm arbeiten, was uns aber ziemlich unmöglich erschien.
Nachdem wir erstmal in Kontakt standen, hat er sich sehr schnell für unser Album interessiert. Als wir im Studio ankamen (wir hatten bereits einige Aufnahmen in Algerien erledigt), brachten wir unsere traditionellen Instrumente mit, die wir bei ihm aufnehmen wollten. Als er meine Instrumente sah, fragte er mich: „Was willst du denn mit diesen lustigen Trommeln anstellen?“ Ich musste ganz schön Überzeugungsarbeit leisten, damit ich sie bei den Aufnahmen einsetzen konnte, das war für ihn einfach Neuland. Aber er hat uns vertraut, und das Resultat ist wirklich umwerfend. Er ist und bleibt der unangefochtene Meister seiner Kunst.

„Hilal“ wurde von Jacob Hansen gemastert, der auch kein Unbekannter ist. Was kannst du uns über diese Kooperation erzählen?

Als wir Jakob den fertigen Mix schickten, brauchte es einige Zeit, bis er wusste, was wir genau wollten. Er machte uns einige Vorschläge und der erste Versuch klang schon ziemlich gut. Jacob hat nie versucht, uns seinen eigenen Stil aufzuoktroyieren, er hat sich mehr uns selbst angepasst. Jacob ist ein absoluter Profi, überraschend bescheiden und mit einem exzellenten Gehör ausgestattet!

Wer hat das Artwork übernommen, und was ist mit den ganzen arabischen Schriftzeichen auf eurer Website?

Wir haben mit EvilCampbell Design zusammengearbeitet, um das Artwork für „Hilal“ zu entwickeln, und wollten, dass sie unsere Wurzeln hervorheben. Von Anfang an war klar, dass es unsere Stilmixtur widerspiegeln sollte, und EvilCampbell Design haben diese Anforderung perfekt umgesetzt. Das Artwork entspricht dem modernen Metal sowie der traditionellen Musik, die wir damit verbunden haben.
Die Kalligraphie ist im Arabischen eine Kunst für sich. Die Schriftzeichen, die man auf der Website sehen kann, sind aber bedeutungslos und einfach zufallsmäßige Kombinationen von arabischen Lettern und Kalligraphien.

Wenn es noch etwas anderes gibt, was es derzeit von euch zu berichten gibt, dann her damit…

Momentan wollen wir nichts Anderes als touren. Wir sind auch dabei, einen Videodreh für „Hilal“ zu organisieren, eventuell für den ersten Song „Groans Of The Abyss“.

Wir sieht’s mit euren Zukunftsplänen aus?

Wir versuchen, im Maghreb Konzerte zu organisieren, da die Festivals jedes Jahr immer größer werden. Und es wäre das Größte, unsere Musik mit den Menschen da unten teilen zu können.

Dankeschön für das Interview! „Hilal“ ist ein Ausnahmealbum! Viel Glück für alles, was ihr euch vorgenommen habt, und vielleicht bis demnächst auf einem Konzert!

Danke auch an dich für dieses sehr interessante Interview.

© 2008 Lords Of Metal

http://www.lordsofmetal.nl/showinterview.php?id=2193

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http://www.myspace.com/arkanband

02.07.2008
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