Arkaea
Interview mit Christian Olde Wolbers
Interview
Eigentlich wollten wir ja nur über Michael Jackson und seinen bahnbrechenden Einfluss auf FEAR FACTORY sprechen, doch dann dachte ich, dass ARKAEA vielleicht das passendere Gesprächsthema war. ARKAEA, dass ist das neueste „brainchild“ von Raymond Herrera und Christian Olde Wolbers, die zusammen mit Jon Howard und Pat Kavanagh von THREAT SIGNAL einen echten Brecher hingelegt haben: „Years In The Darkness“.
Hi Christian, wie geht’s?
Mir geht’s prima… ich trinke hier grad meinen Kaffee, schaue die Nachrichten über Michael Jackson…
…vermutlich schon zum 10 000. Mal heute.
Was anderes kommt auch gar nicht zur Zeit.
Bist du ein Fan von Michael Jackson?
Natürlich! Also ein Fan von seiner Musik, nicht von der Freakshow.
Wollen wir dann mit dem eigentlichen Interview beginnen?
Wieso? Hast du das Memo denn nicht gekriegt? Meine Manager haben mir gesagt, dass ich nur noch Interviews über Michael geben soll.
Also MIR hat keiner was davon gesagt…
Na dann sag ich dir mal was: Ich habe damals auf der Dangerous-Tour 1990 als Assistent-Roadie für Jennifer Batten gearbeitet.
Das war doch die mit der irren Föhnfrisur… und einmal hatte sie auch so ein scharfes Lederoutfit an, soweit ich mich erinnere.
Ja, die war schon ziemlich heiß.
Aber nun zu ARKAEA: Das Logo sieht nicht unbedingt nach Metal aus… eher das Schimpfwort mit „core“ oder „Emo“, hehe.
Hey, das ist ein deutscher Name! Nein, Scherz… Jon und ich saßen vorm Rechner und sind eine ganze Liste von Schriftarten durchgegangen…’Hey, wie sieht die aus? Wie findest du die hier?‘ Und dann fanden wir plötzlich eine, die cool aussah. Weißt du, wir standen ein bisschen unter Zeitdruck, die Myspace-Seite musste gemacht werden, und dann sind wir irgendwie bei diesem Schriftzug geblieben. Klar, der sieht nun nicht gerade Metalmäßig aus, aber das wollte ich auch. Die Leute sehen das, denken „das ist bestimmt irgendwelche Softimucke“…
…und werden dann an die Wand genagelt!
Ganz genau!
Lass mich dich zunächst noch mit einer Sache belästigen, die derzeit durch die Medien geistert, und zu dem du sicherlich schon etliche Statements abgegeben hast: FEAR FACTORY. Was erhoffst du dir, was wäre deiner Meinung nach die beste Lösung für alle?
Nun, das Beste für den Namen FEAR FACTORY, für die Band, für die Fans und die vier Musiker, die sich unter diesem Banner zusammengeschlossen haben wäre, dass sie wieder zusammenkommen, auf Tour gehen und ein Album rausbringen. Eine große Reunion, das wär’s. Ich meine, ich bin ja schließlich kein Idiot. Das Ganze ist ein riesiges Unternehmen, deshalb wäre so eine Lösung für alles und jeden das Richtige. Wir haben ja nicht umsonst lange darauf hingearbeitet um das zu erreichen, was wir mit FEAR FACTORY erreicht haben. Nun ja, unglücklicherweise ist daraus eine große, juristische Schlacht geworden.
Du hast da ein interessantes Stichwort geliefert: business. Ich war ehrlich gesagt ziemlich überrascht von diesem Interview im Metal Hammer, wo Burton ganz kühl ‚business talk‘ abgehalten hat, so als ob FEAR FACTORY wie ein Konzern arbeitet, wo die Leute nach Belieben rausgeschmissen werden können.
Manchmal muss man kühl sein, auch im Musikgeschäft, und wichtige Entscheidungen mittragen, die einem persönlich vielleicht nicht gefallen, die aber das Beste für die Band sind. Es ist ein Geben und Nehmen, man muss Kompromisse eingehen können, wie auch in einer Beziehung. Aber ich weiß nicht so recht, was ich dazu sagen soll. Ich weiß nur, dass Raymond und ich immer da waren, immer am Arbeiten, sozusagen das Fundament der Band. Leider hat man unseren Vorschlag nicht angenommen, sich einfach mal irgendwo zusammen zu setzen und über alles zu reden.
Hoffen wir einfach mal, dass sich das Blatt doch noch zum Guten wendet. Was hat dich eigentlich dazu bewogen, ARKAEA aus der Taufe zu heben?
Ich wollte nicht zwei Jahre tatenlos rumsitzen und warten, dass vielleicht am Ende ein neues FEAR FACTORY-Album dabei rausspringt. Also haben wir das Material genommen, was wir bis dahin geschrieben haben, und uns entschlossen, etwas Neues damit zu machen, um die Zeit zu überbrücken.
…und den Motor am Laufen zu halten…
Ja genau, und irgendwie ist dann daraus eine komplette Band geworden. Ich mache ja abgesehen von der Musik noch vieles mehr in meinem Leben, genauso wie Raymond. Wir wollen immer etwas zu tun haben. Raymond hat z. B. sein eigenes Studio, wo er viel Musik und Soundtracks für Computerspiele produziert.
Das hat ja bei FEAR FACTORY eine lange Tradition.
Und das haben wir Raymond zu verdanken, weil er da immer hinterher war. Zur Zeit sind wieder einige große Spieletitel dabei, ich weiß gar nicht, ob ich von denen überhaupt schon erzählen darf. Jedenfalls haben wir an die 15 Songs nur für solche Spiele geschrieben. Wir sind quasi ständig am musizieren. Wenn wir jammen brauchen wir beide vielleicht eineinhalb Stunden, bis das Grundgerüst zu einem neuen Song steht. Bei uns geht es ziemlich schnell voran.
Raymond ist außerdem noch Teilhaber von zwei Energydrink-Marken, darunter „Cocaine“.
„Cocaine“?? In Deutschland würde er den nicht loswerden, hier wird ja schon Red Bull aus den Regalen verbannt, weil man dort mikroskopisch kleine Spuren von Kokain nachweisen konnte…
Echt? Oh mann…
Wann habt ihr euch konkret dafür entschieden, die bisherigen Songs für das ARKAEA-Album zu verwenden?
Als Raymond und ich merkten, dass wir auf diesen Songs wohl die nächsten Jahre sitzenbleiben würden, haben wir uns entschlossen, etwas Neues zu beginnen. Dann kamen Pat und Jon hinzu; als Jon dann mit dem Gesang zu einigen Stücken begann, haben wir vieles an den Songs verändert. Ursprünglich waren viele Sachen komplexer, riffiger, manches auch technischer, eben der Kram, aus dem die neue Fear Factory Scheibe entstehen sollte. Ich hatte aber nicht das Gefühl, dass das mit Jons Gesang wirklich zusammenpasst, es wirkte irgendwie starr. Seine Stimme klingt sehr offen und groß, und er hat es drauf, zu eher simplen Strukturen richtig ausgefeilte Hooks zu singen. Ich spiele quasi bloß drei Noten und er singt eine ziemlich coole Melodielinie dazu. Das hat oft viel besser funktioniert, als die komplizierteren Stücke. Und deshalb klingt das Album auch so, wie es eben klingt.
Es hat eine Weile gedauert, bis wir herausgearbeitet hatten, wie wir eigentlich klingen wollen. Normalerweise braucht es ja ein Album, bis man als Band einen gewissen Sound etabliert hat. Die DEFTONES, gute Freunde von uns, sind ein gutes Beispiel dafür. Deren erstes und zweites Album klingen total verschieden. Für ARKAEA sehe ich einen ähnlichen Weg, sich so zu entwickeln. Unsere nächste Platte wird auf jeden Fall eine Bombe, das weiß ich jetzt schon. „Locust“ war einer der letzten Songs, die wir geschrieben haben, und bei ihm hatte ich erstmals das Gefühl „das ist unser Sound, unser Stil, unsere Grundlage für alles Kommende“. Momentan hört man noch deutliche Einflüsse beider Bands, aber der Nachfolger wird wesentlich reifer klingen, es wird einen ziemlich großen Sprung nach vorne geben.
„Years In The Darkness“ lebt tatsächlich durch seine zwei großen Grundpfeiler FEAR FACTORY und THREAT SIGNAL, aber dazwischen stehen dann auch Songs wie „Lucid Dreams“, die eine neue Richtung vorgeben. Worin liegen für dich die wichtigsten Unterschiede zwischen ARKAEA und seinen beiden „Spenderbands“?
Interessant, dass du diesen Song ansprichst, denn da habe ich das gleiche Gefühl. Das Anfangsriff hat so ein Feeling von Andy Summers und THE POLICE, sowas könnte ich nie auf einem FEAR-FACTORY-Album unterbringen. Ich habe einfach drauf losgeschrieben, und mich quasi von mir selbst überraschen lassen, was als Nächstes kommt und wie Jon dazu singen wird. Und er hat da dieses Killerhook ausgepackt… ich liebe diesen Song. Wenn du mich nach meinen Lieblingssongs fragen würdest, dann wären es „Locust“, „Gone Tomorrow“, „Awakening“ und „Lucid Dreams“. Wir wollten viel Material auf diesem Album unterbringen, und das möglichst facettenreich. Manchen Alben geht ja aufs Ende hin ein bisschen die Puste aus, aber bei uns kommen dann richtige Kracher wie „The World As One“ oder „Rise Today“. Wir haben in den zwei Jahren wirklich hart daran gearbeitet, dass das Ganze Hand und Fuß hat.
Und mit Terry Date hattet ihr auch einen Mann am Mischpult, der sicherlich für zusätzliche Impulse gesorgt hat. Jemand, der schon mit so vielen unterschiedlichen Bands und Stilen zu tun hatte, hinterlässt seine Spuren.
Ich wollte schon immer mit Terry zusammenarbeiten. Als ich das erste Mal „Badmotorfinger“ (SOUNDGARDEN) hörte, dachte ich nur „Wow, stell dir mal vor mit dem im Studio zu sitzen“. Und dann kam PANTERA mit „Vulgar Display of Power“ und ich konnte kaum glauben, dass das der gleiche Produzent sein sollte. Ich meine, guck dir an, wo der schon überall mitgemischt hat, haufenweise großartige Alben.
Wie seid ihr denn an die Produktion herangegangen, hattet ihr ein bestimmtes Ziel vor Augen?
Ich wollte auf jeden Fall Impulse von den Alben hereinbringen, die ich selber mag. Klar, wir hätten auf „Years In The Darkness“ auch alles selbst erledigen können, aber ich wollte Terry dabei haben, sozusagen als Außenseiter, der unserer Arbeit den letzten Schliff verpasst, das Gemälde vervollständigt. Ich möchte ihn auch beim nächsten Album dabei haben, weil ich glaube, dass er ein Teil unseres Sounds ist.
Ein relativ offensichtlicher Kritikpunkt, den ich bei verschiedenen Reaktionen auf das Album feststellen konnte, war der Klang der Gitarren. Mir ging es eigentlich genauso: Im Vergleich zu Alben mit einem richtig fetten Walzensound erscheint „Years In The Darkness“ etwas schwachbrüstig, auch wenn es für sich allein gestellt ohne Frage knallt wie Sau.
Ich habe beim Mix Terry freie Hand gelassen, seinem Gefühl für die Band vertraut. Es kommt ja immer auf die Gewichtung an, z. B. welche Rolle der Sänger und die Gitarren spielen. Bei manchen Bands stehen die Gitarren im Vordergrund, weil es der Sänger nicht so bringt; aber Jon füllt ein ziemlich weites Spektrum aus, und ich denke, darauf hat sich Terry auch konzentriert. Mir gefällt es, auch wenn ich manchmal denke, dass diese oder jene Stelle vielleicht etwas lauter sein könnte. Es wird einigen so gehen, aber wenn ich dann einen bestimmten Song höre, bin ich mir sicher, dass er den Sound hat, der auch optimal für ihn ist. Vieles ist einfach Gefühlssache – wir haben die Songs nach Gefühl geschrieben und aufgenommen. Ich habe nicht mal, wie ich es sonst meistens gemacht habe, die Gitarrenspuren verdoppelt oder vervierfacht. Eine Gitarre links, eine Gitarre rechts, mehr nicht.
Du arbeitest ja schon seit geraumer Zeit auch als Produzent – ist das bei dir vielleicht wie bei Devin Townsend, der eher zufällig in diese Rolle hineingerutscht ist? Wo liegt dein Fokus?
Momentan gilt meine Konzentration vor allem auf Tour zu gehen und dem neuen Album, was in den nächsten Tagen rauskommt. In der Zeit davor habe ich andere Bands unterstützt, Alben produziert, meine Fähigkeiten verbessert, weil ich wirklich gern im Studio arbeite. Wenn man mit Leuten wie Terry Date im Studio sitzt, macht es immer Spaß ihnen über die Schulter zu schauen und neue Dinge zu lernen. Terry hat mir sogar angeboten, bei ihm im Studio zu arbeiten, vielleicht mache ich das auch für ein paar Alben, einfach um mein Wissen und meine Fähigkeiten zu erweitern.
Würdest du dann irgendwann in ferner Zukunft als Vollzeitproduzent arbeiten wollen?
Klar, warum nicht. Zur Zeit bin ich ja noch jung genug, um auf Tour zu gehen und die Welt zu bereisen, deshalb werde ich das auch noch eine ganze Weile machen. Außerdem spiele ich noch in einer Profi-Soccer-Mannschaft – ich wette, dass wusstest du noch nicht.
Treffer. Also eine Mannschaft die auch an Turnieren und Ligaspielen teilnimmt?
Genau, ich bin Torwart in einer Mannschaft, die in der USL spielt, gleich unterhalb der MLS. Das ist ungefähr das gleiche wie die Bundesliga in Deutschland. Unser Team heißt „Hollywood United Hitmen“. Wir hatten gerade vor ein paar Tagen ein Spiel, 2:1-Sieg für uns. Es ist unser erstes Jahr in der Profiliga.
Schon als Kind habe ich Fussball gespielt, damals als ich noch in Belgien gelebt habe. Ich habe natürlich gehofft, irgendwann Profi werden zu können, aber der Club konnte mit einem Punkrock-hörenden, tätowierten 17-jährigen nicht viel anfangen und ich flog raus.
Das ist zwar schade… aber andererseits auch wieder toll, denn sonst wärst du ja nie bei FEAR FACTORY gelandet, und wir hätten heute nicht so viele tolle Alben!
Haha, ja, das stimmt auch wieder. Und jetzt, wo ich wieder kicken kann, ist es noch besser.
Das Cover macht einen ziemlich düsteren Eindruck. Schlägt sich das auch in den Texten der Songs nieder?
Jon hat sich dazu eigentlich nie sehr deutlich geäußert; ich weiß eigentlich nur bei einem Song richtig Bescheid, bei dem es um sehr persönliche Dinge geht. Normalerweise ist er da immer sehr kurz angebunden, wenn ich ihn frage. „Hey Jon, worum geht’s denn in diesem Song?“ – „Dies und das.“
Jon ist schon echt cool, hängt mit uns ab und ist auch grundsätzlich ein sehr offener Typ, aber wenn es eben um seine Texte geht, hält er sich eher verschlossen und überlässt es dann dem Hörer/Leser, sich seinen Reim darauf zu machen. Viele der Songtitel haben schon etwas Düsteres an sich, und dann natürlich das herrliche Cover. Diese riesige Stadt, wie Gotham City, und dann das schwarze Wasser, was für viele unterschiedliche Dinge stehen kann… eine Katastrophe, ein großer Sturm, oder das Ende der Welt.
Wie sieht es denn eigentlich mit einer Tour aus?
Wir arbeiten noch dran, etwas auf die Beine zu stellen, eventuell im Dezember. Für den Oktober ergibt sich vielleicht ein Package mit ANTHRAX, aber da ist noch nichts sicher. Unser Album kommt in der Hinsicht halt ein bisschen zu spät, weil wir die Festival-Saison verpasst haben. Aber nächstes Jahr sieht es definitiv gut aus. Vor allem in Deutschland würde ich gern ein paar Mal auftreten, weil „Years In The Darkness“ da offensichtlich sehr gut ankommt, jedenfalls nach den bisherigen Reaktionen zu urteilen. Weißt du, Deutschland ist der größte Metalmarkt in Europa, und wenn deine Platte dort erfolgreich ist, ist das eine gute Voraussetzung auch anderswo Erfolg zu haben.
Den Erfolg werdet ihr haben, da bin ich mir ziemlich sicher. Und spätestens in ein paar Tagen werden euch das auch die Fans bestätigen. Vielen Dank für das Interview!
Danke, auch an dich!
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