Arch Enemy
im Interview. "Es ist immer Luft nach oben!"
Interview
ARCH ENEMY stehen kurz davor, über Century Media ihr zehntes Album „Will To Power“ zu veröffentlichen. Damit haben sie es so weit gebracht, wie nicht jede Band es schafft. Dass sie mit dem, was sie machen, auch super ankommen, konnte man zuletzt auf ihrer Live-DVD „As The Stages Burn“ sehen, auf der sie ihre Headlinershow beim Wacken Open Air 2016 verewigt haben. Wo will man da als Band eigentlich noch hin? Was hat es mit den trotzigen Texten auf sich? Und was hat Frontfrau Alissa White-Gluz da eigentlich an? Selbige hat sich neben Bandgründer Michael Amott die Zeit genommen, uns genau diese, und natürlich auch weitere, Fragen zu beantworten.
Michael, wie fühlt es sich an, das zehnte ARCH ENEMY Album rauszubringen? Hast du dich selbst an diesem Punkt gesehen, als ihr damals angefangen habt?
Michael: Es fühlt sich natürlich vor allem toll an! Ich habe definitiv nicht damit gerechnet, dass die Band nach über 20 Jahren Bestehen noch relevante Alben machen würde. Ich habe immer zu Künstlern mit so einer Langlebigkeit aufgesehen, und es sieht so aus, als würden wir das mit ARCH ENEMY erreichen, was fantastisch ist!
„Will To Power“ ist das erste Album, auf dem Jeff Loomis vertreten ist. Welchen Einfluss hatte diese Ergänzung auf das Album?
Michael: Jeff hatte keinen Einfluss auf das Songwriting an sich, aber ich denke, Fans von Jeff werden Gefallen an den Solos finden, die er zum Album beigesteuert hat. Er hat einige tolle Leads eingespielt, die euch weghauen werden!
Wenn man dich und Jeff zusammen spielen sieht, merkt man, dass er perfekt reinpasst. Du musst sehr glücklich über diese Entscheidung sein.
Michael: Da stimme ich zu, er passt einfach super rein. Ich bin sehr froh darüber, dass Jeff ein Teil von ARCH ENEMY ist.
Wie kam es zu „Reason To Believe“? Was hat dich plötzlich eine „Ballade“ schreiben lassen?
Michael: Ich wollte schon lange einen ARCH ENEMY Song mit einer solchen Dynamik machen. Dann kam mir endlich die richtige Musik in den Sinn, und es ging nur noch darum, sie sinnvoll zu arrangieren, um daraus einen starken ARCH ENEMY Song zu machen. Der musikalische Teil des Songs hat sich bei einer Jam Session mit meinem Bruder Chris Amott (ex-ARCH ENEMY) letztes Jahr ergeben. Ich habe einen Text dazu geschrieben und ihn Alissa und den Jungs gezeigt. Auf dem Album ist dann alles perfekt zusammengekommen, denke ich. „Reason To Believe“ ist ein Song, auf den ich sehr stolz bin!
Alissa, dein Klargesang bei „Reason To Believe“ ist schon was Neues für ARCH ENEMY, aber nicht für dich selbst. Können wir damit rechnen, dass Klargesang an Bedeutung gewinnt, oder war das eine einmalige Sache?
Alissa: Ich denke, dass ARCH ENEMY sich immer auf die Fahne geschrieben hat, tolle Musik ohne Rücksicht auf Grenzen zu machen. Ich war auch schon immer so. Wir bedienen keine Titel und Erwartungen, wir wollen einfach tolle Musik machen. „Reason To Believe“ hat nach cleanem Gesang verlangt, und sollte das irgendein künftiger ARCH ENEMY Song auch tun, bin ich sicher, dass wir das alle gerne wieder einbauen werden. Es gibt aber keine wirklichen Pläne, und der Song ist keinesfalls ein „großer Wandel“ für die Band. Es ist einfach cool, manchmal eine andere Art von heavy aufzuzeigen.
Hast du einen Gesangsstil, den du präferierst?
Alissa: Ich mag es, einen Gesang zu kreieren, der den Leuten Gänsehaut beschert. Ob das jetzt mit Schreien, Flüstern, melodischem Gesang oder etwas anderem ist – ich habe Spaß an allem, sogar sehr viel. Ich liebe das Singen wirklich sehr.
Wenn ich den meisten/allen ARCH ENEMY Lyrics einen Stempel aufdrücken müsste, wäre das wohl „ungehorsam“. Was hat dich zu deinem Anteil an den Texten auf „Will To Power“ inspiriert? Kannst du uns einige Songs kurz abreißen?
Alissa: Da stimme ich zu! Michael und ich teilen uns das Texten zu gleichen Teilen, wie auch auf „War Eternal“. In „The Eagle Flies Alone“ geht es zum Beispiel darum, selbstbewusst anders zu sein, Individualität zu akzeptieren und zu feiern, auch wenn sie oft mit Einsamkeit einhergeht. „The Race“ ist mehr ein Weckruf an die Leute, damit sie ihre Bequemlichkeit aufgeben und tatsächliche Veränderungen in der Welt einleiten.
„Murder Scene“ ist ein etwas kleiner angelegter Song, von dem ich möchte, dass die Leute sich damit identifizieren, wenn sie ihn anhören. Es geht um das unausweichliche „Abtöten“ von Leuten, denen wir auf unserem Lebensweg begegnen. Fast jede zwischenmenschliche Beziehung, die man hat oder haben wird, wird irgendwann ihr Ende finden. Manchmal ist es besser, sie zu Grabe zu tragen, bevor sie zu schadhaft wird. Es geht darum, wie jemandes Name jahrelang Freude und Trost bringen und dann plötzlich eine Quelle von Unbehagen und Ablehnung werden kann. Das ist ein Teil des Lebens, den wir alle mitmachen. Ich dachte mir, dass er ein wenig Poesie vertragen könnte.
Ich entschuldige mich für die etwas oberflächliche Frage, aber wer hat dein Bühnenoutfit entworfen? Früher bist du auch in mehr oder weniger normalen Klamotten aufgetreten, jetzt hast du ein recht kultiges Outfit, das du immer trägst. Gab es dafür spezielle Gründe?
Alissa: Ich habe eigentlich nie „normale“ Klamotten getragen. Ich mache meine Outfits immer selbst, mit der Hilfe von Freunden, schon seit der High School. Was ist normal? Ich kenne den Begriff nicht. Ich war Künstlerin bevor ich Sängerin wurde, und obwohl meine Musikkarriere mir keine Zeit mehr dafür lässt, mich auf einer Leinwand auszudrücken, ist mein Körper eine tolle Leinwand, die viele Blicke auf sich zieht. Ich sehe also jede Show als eine Art Ausstellung. Mein neustes Outfit wurde von mir selbst, Jessica Nicole von Peepshow Clothing und Lindsay Hearts von FoxBlood Clothing entworfen. Es ist von H.R. Giger inspiriert. Ich baue auch gerne kleine Hinweise in meine Klamotten ein. Die Fans haben gerade angefangen, zu bemerken, dass auf den Bändern an meinen Armen Lyrics von „Will To Power“ stehen, als kleiner Vorgeschmack, bevor das Album rauskommt.
Galerie mit 20 Bildern: Arch Enemy - Rockharz 2017Ich habe Fans gesehen, die krampfhaft an Konzertfotos ranzoomen, um die Texte zu lesen, und das ist genau das, was ich will. Ich wollte, dass die Live-Fotos aussehen, als ob die Lyrics explosionsartig von meinem Körper weggesprengt werden. Ich bin schließlich die Sängerin, und es ist meine Pflicht, diese Worte allabendlich an tausende offene Ohren zu liefern. Ich will, dass eine ARCH ENEMY Show nicht nur unterhält, sondern auch inspiriert, fasziniert und spannend ist. Für mich ist es Performance Art. Das Album aufzunehmen ist das Malen des Bildes, die Show ist die Ausstellung in der Galerie.
Michael, welche Songs auf „Will To Power“ sind dir besonders wichtig, und warum?
Michael: Ich bin da noch zu nah dran, nachdem ich all meine kreative Energie in den langen Schaffensprozess des Albums gesteckt habe. Ich habe also noch nicht viel Abstand in meiner Perspektive. Natürlich sticht das erwähnte „Reason To Believe“ raus, das ist sehr anders für ARCH ENEMY. Aus Songwriter-Sicht war „Blood In The Water“ ein Song, den zu schreiben und aufzunehmen sehr befriedigend war. Aus Gitarristen-Sicht hat „Dreams Of Retribution“ sehr viel Spaß gemacht!
Würdest du ARCH ENEMY als politische Band bezeichnen? Man kann eure Texte so deuten, aber es gibt keine offensichtliche Agenda. Wie siehst du das?
Michael: Naja, ich denke, Bands mit einer offensichtlichen Agenda, sei sie politisch, religiös, oder was auch immer, sind meistens sehr langweilig. Ich halte ARCH ENEMY da lieber raus, während ich mir das Recht vorbehalte, unsere Sicht auf die Welt durch unsere Kunst aufzuzeigen, ohne zu moralisieren. Die Leute dazu bringen, nachzudenken, ohne ihnen zu sagen, was sie denken sollen.
Ich habe echt Probleme damit, das „Will To Power“ Cover zu interpretieren, aber ich gehe mal davon aus, dass da eine Symbolik dahintersteckt. Kannst du die mal erklären?
Michael: Ich weiß, was du meinst, aber wenn es um Kunst geht, muss man nicht immer alles verstehen, oder? Meine Interpretation des Artworks kann sich von der der anderen Bandmitglieder oder der Fans unterscheiden, und ich denke, das macht es cool und interessant.
Ich nehme mal Bezug auf die erste Frage. Ihr habt es schon echt weit gebracht. Welche anderen Ziele habt ihr und wie wollt ihr die erreichen? Anders gesagt, wo siehst du ARCH ENEMY in ein paar weiteren Alben?
Michael: Persönlich betrachtet habe ich nie wirklich erwartet, so weit zu kommen. Alles ab diesem Punkt ist also der Zuckerguss obendrauf, wie man so schön sagt. Mit dem zunehmenden Erfolg von ARCH ENEMY sehen wir uns mit neuen Herausforderungen konfrontiert, und wir arbeiten beispielsweise daran, unsere Konzerte aufregender und interessanter zu machen. Es ist immer Luft nach oben!
Gibt es von deiner Seite noch eine Abschlussbemerkung?
Michael: Danke für das coole Interview! Jeder sollte mal „Will To Power“ auschecken, das am 8. September rauskommt. Ich hoffe, wir sehen uns alle auf der kommenden Tour! Metal ist für immer!
Ganz lieben Dank für das Interview!