Another Perfect Day
Another Perfect Day
Interview
Wie aus dem Nichts taucht mit "The Gothenburg Post Scriptum" das Debütalbum von ANOTHER PERFECT DAY auf, und bietet eine feine Mischung aus schwedischem Melodic Death Metal, modernem, progressivem Rock und Doom Metal. Das Studio-Soloprojekt von Kristian "Kohle" Kohlmannslehner hat es wirklich in sich und begeistert mit tollen Melodien, eingängigen Grooves und großem Abwechslungsreichtum. Was hinter dem Ganzen steckt klärten wir mit Kohle in folgendem Interview.
Hallo Kohle. Bisher warst du ja eher als Produzent (u. a. AGATHODAIMON, POWERWOLF, CREMATORY, BENIGHTED u.v.m.) mit deinem Kohlekeller Studio bekannt. Dieser Tage erscheint nun aber das Debütalbum „The Gothenburg Post Scriptum“ deines eigenen Musikprojektes ANOTHER PERFECT DAY. Bereits im Interview aus dem Jahr 2003 mit metal.de hattest du ANOTHER PERFECT DAY als eine ehemalige Band angegeben, mit welcher du etwas aufnehmen wolltest, weshalb du immer mehr Equipment gekauft hattest, und schließlich die Produzenten-Laufbahn eingeschlagen hast. Wann und wie begannen ANOTHER PERFECT DAY und wie verliefen die ersten Jahre?
Puh, da muss ich zum Einstieg aber mein Hirn in Schwung bringen. ANOTHER PERFECT DAY waren meine Jugendband, Anfangs mit Freunden aus der Schule, später mit neuen Mitgliedern und dementsprechend professioneller.
Es gab zwei Demos, mehrere Samplerbeiträge und schließlich nahmen wir 1997 drei Songs bei Andy Classen auf und bekamen einen Deal bei einem kleineren deutschen Label. Zum Debütalbum kam es jedoch niemals und die Band zerbrach. Bis dahin waren wir aber ziemlich aktiv im deutschen Death Metal Underground.
ANOTHER PERFECT DAY waren auch die erste Band, für die ich selbst Aufnahmen machte. Na ja, so verging die Zeit, und eh ich mich versah, stellte ich fest, dass ich viel mehr Produzent als Musiker geworden war.
Hattet ihr den Bandnamen von dem gleichnamigen, sechsten MOTÖRHEAD Album entnommen?
Ja. Ich war und bin großer MOTÖRHEAD Fan. Das Album von 1983 ist eine der ungewöhnlichsten und stärksten Veröffentlichungen der Band. Die Inspiration kam also daher. Musikalisch gab’s allerdings keinerlei wirklichen Einfluss.
Weshalb ging es irgendwann mit der Band nicht mehr weiter?
Wie gesagt, erstens war die Stimmung, nach dem geplatzten Deal, nicht mehr die Beste, zweitens hatte ich als treibende Kraft immer mehr im Studio zu tun, spielte außerdem als Live- oder Studiomusiker in anderen Bands und entsprechend kam ANOTHER PERFECT DAY zum Erliegen. Allerdings wurde die Band nie offiziell aufgelöst, deswegen musste ich nur zugreifen.
Wann kam bei dir die Idee, ANOTHER PERFECT DAY wieder Leben einzuhauchen? In welchem Zeitraum entstanden die neuen Stücke auf „The Gothenburg Post Scriptum“, wurden eventuell auch ältere Songs oder Fragmente verwendet?
Ich stand 2005 eines Tages vor der Situation, mich in eine neue Studiosoftware einzuarbeiten. Ich hatte mich bereits lange davor gedrückt und schließlich begriffen, dass die einzige Möglichkeit, die Software vollends zu begreifen, darin bestand, einen ganzen Song spontan zu schreiben, alle Instrumente einzuspielen und zu mischen. Anders lernt man es nicht. Ich hatte zu dieser Zeit selbst lange keinen harten Metal mehr gemacht und probierte einfach mal. Es klang unmittelbar nach ANOTHER PERFECT DAY. Ich legte also los, abends war der Song fertig und mir ging das Herz auf! Ich war zwar ganz schön heiser, wusste aber, dass ich irgendwie dahin zurückgekehrt war, wo ich hingehörte.
Den Song hatte ich dann in zwei Foren gepostet und bekam unglaublich viel positive Resonanz. Etwa ein halbes Jahr später machte ich dann den nächsten Song auf ähnliche Weise. Aber erst als der Kontakt mit Supreme Chaos Records zustande kam, dachte ich wirklich daran, den Kram zu veröffentlichen. Unter welchem Namen das geschehen würde, war allerdings schnell klar. Irgendwann hab ich dann auch alte Demos gehört und hier und da ein über 10 Jahre altes Riff wiederverwendet. Auch als ich dann wusste, dass es dieses Album geben wird, habe ich mich trotzdem gezwungen, die Spontaneität zu erhalten, durch die der erste Song entstanden war. Ich arbeite mit viel Liebe zum Detail, aber ich habe jede Entscheidung schnell und spontan getroffen. Das gab dem Album eine gewisse Unmittelbarkeit. Keine Ahnung allerdings, ob man das hört.
Der Bonustrack „Composition In Black“ stammt aus dem Jahr 1997 und ist stark vom englischen Death Doom Metal geprägt. Handelt es sich hierbei noch um die Originalaufnahme, oder hast du hier nochmals Hand angelegt? Möchtest du sonst noch Stücke der Demos irgendwann veröffentlichen?
Das ist die Originalaufnahme von 1997, allerdings noch von mir gemastert. Mir war es sehr wichtig, einen alten Song dabeizuhaben. Erstens um zu zeigen, dass die ANOTHER PERFECT DAY Idee schon sehr lange existiert, ich diese Musik also nicht erst seit gestern mache, und zweitens, um der Originalbesetzung Tribut zu zollen.
Es gibt noch zwei weitere Songs von damals. Ich werde mal abwarten, ob es irgendein Interesse daran gibt.
Als Produzent greifst du ja auch oftmals in die Arrangements von Bands ein, nimmst Einfluss in die Musik, gibst Ratschläge, weist Möglichkeiten auf. Hattest du bei „The Gothenburg Post Scriptum“ auch jemanden, der dir mit Rat und Tat zur Seite stand?
Nee, genau das war ja das Schöne! Ich arbeite ja täglich mit Metalmusik und ich bin täglich in größtenteils konstruktiven Diskussionen über Produktionsdetails verwickelt. Als Produzent bin ich mal mehr und mal weniger befugt, Dinge zu entscheiden. Auf jeden Fall habe ich es unglaublich genossen, einfach etwas mal komplett so zu machen, wie ich es geil finde. Ich konnte völlig ohne Druck arbeiten, und wenn ein Part kompositorisch oder klanglich nicht funktionierte, flog er eben raus. Wunderbar! Es stimmt zwar, dass Musik Dialektik und konstruktive, verbale Schlägereien braucht, um zu reifen. Wenn man das aber jeden Tag hat, ist ein „diktatorischer“ Ansatz sehr erholsam.
Ich kann außerdem nicht oft genug betonen, unter welchem Druck viele Bands stehen, der Presse, den Fans den Trends oder sonst was zu entsprechen und hinterherzulaufen; bewusst oder unbewusst. Ich habe einfach gemacht, was ich kann und mag, und wenn keiner das Album braucht, ist es auch völlig ok. Dann geh ich morgen früh wieder ins Studio und produziere neue Platten.
Du kombinierst melodischen Death Metal der Göteborger Schule mit Anleihen aus dem Doom sowie progressivem Rock. Da ich die musikalischen Anfänge von ANOTHER PERFECT DAY nicht kenne, inwiefern hat sich die Musik von ihren Ursprüngen entwickelt, war der Stilbereich damals auch so weit gefächert? Worin siehst du die musikalischen Unterschiede von damals zu heute? Welches sind die hauptsächlichen Einflüsse für dich?
Musik ist Gefühl. Ich mochte schon immer die melancholische, dramatische Seite des Metal. Die Gefühle des ersten ANOTHER PERFECT DAY Demos von 1993 und des Albums von 2010 sind identisch. Die Zutaten sind ähnlich, allerdings war ich damals 15 und bin heute 32. Ich kann mich musikalisch gezielter und effektiver ausdrücken, komme besser auf den Punkt und verliere mich nicht mehr in Einzelheiten. Das neue Material ist eingängiger und grooviger. Groove und Eingängigkeit waren damals eher Fremdworte für mich. Dementsprechend gibt es einen musikalischen Reifeprozess, ich versuche aber noch das gleiche auszudrücken wie damals!
Damals waren sowohl die englische Doom-Death-Schule mit Bands wie ANATHEMA, MY DYING BRIDE und PARADISE LOST sowie die gerade erst entstehende Schweden-Death-Schule mit Bands AT THE GATES, CEREMONIAL OATH und EDGE OF SANITY für mich das Maß der Dinge.
Für mich ist es heute schwer, zu sagen, was mich beeinflusst. Ich werde wohl beim Produzieren unweigerlich beeinflusst, allerdings höre ich privat kaum Musik. Ich versuche wohl irgendwie, den alten Kram mit dem Einfluss der jungen Bands, die zu mir ins Studio kommen, zu kombinieren.
Ist „The Gothenburg Post Scriptum“ deine Beschreibung deiner Musik, oder steckt da eine andere Bedeutung dahinter?
Der Titel hat mir gefallen, auch weil er provokativ ist. Ich rechne auch schon fest damit, Prügel zu bekommen, weil das ja gar kein Göteborg Death Metal sei oder warum auch immer. Die Idee hinter dem Titel war, anschaulich zu machen, dass ich damals in den 90ern bereits genau diese Musik gemacht habe, sie jedoch nie auf die breite Öffentlichkeit losgelassen wurde. Ich nutze also über 10 Jahre später die Chance, meine persönliche Fußnote, mein post scriptum, unter ein wichtiges Kapitel Heavy Metal zu setzen. Ich bin sozusagen ein vergessenes, vielleicht unbedeutendes, Kind dieses Szene, das sich endlich mal Gehör verschafft. Daher der Titel.
Es sind leider keine Texte im Booklet abgedruckt. Wovon handeln denn deine Texte?
Es gibt keine Texte. Mir war die eben beschriebene Spontaneität sehr wichtig, außerdem hat ANOTHER PERFECT DAY keine inhaltliche Aussage. Es geht ausschließlich um den Ausdruck der Musik. Der Gesang ist ein Instrument im Dienste des Gefühls des Klanges. Ich habe mich also sehr bemüht, Laute, Worte oder auch ganze Sätze zu finden, die klanglich das ausdrücken, was der jeweilige Part benötigt. Zum Teil ging das ganz fix, zum Teil war es wirklich harte Arbeit. Das sind zum Teil grammatikalisch einwandfreie Sätze, zum Teil sind es Wortfetzen scheinbar ohne Sinn.
Wie lange hast du insgesamt an der Produktion von „The Gothenburg Post Scriptum“ gearbeitet?
Ich habe alles zwischen Tür und Angel gemacht. Angefangen hab ich 2005 ohne zu wissen, was dabei herauskommt. Ende 2009 habe ich dann alle Aufnahmen von 2005-2009 genommen, Sascha Schiller von SOLAR FRAGMENT nochmals die Drums spielen lassen und alles gemischt. Beim Mischen habe ich versucht, alles möglichst homogen klingen zu lassen, obwohl Gitarren-, Bass- und Gesangsaufnahmen zu völlig unterschiedlichen Zeiten entstanden sind. Ne furchtbare Arbeit war das! Alles in allem bin ich aber zufrieden. Es klingt weitgehend wie aus einem Guss.
Mit Dan Swanö, Karsten „Jagger“ Jäger sowie Arno Menses hast du dir einige Gastsänger angeheuert. Wie kam es zu der Idee und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?
Zunächst mal sind das ja alles total geile Sänger und ich hab mich über deren Arbeit wie ein Kind gefreut.. Jagger und Arno kenne ich aus der Studioarbeit. Mit Dan Swanö hatte ich in der Vergangenheit nur mal kurz Kontakt. In seinem Fall hat das Label ihm die Demos geschickt, er fand’s geil und hat mitgemacht. Das war wirklich eine große Ehre für mich. Swanö hat sich selbst in seinem Studio aufgenommen, Jagger und Arno kamen jeweils in den Kohlekeller. Jagger wohnt bei mir um die Ecke und Arno, welcher nun bei SUBSIGNAL spielt, war nach dem Split von SIEGES EVEN von Rotterdam nach Wiesbaden gezogen. Hat perfekt gepasst. Die Kombination dieser völlig unterschiedlichen Stimmen fand ich sehr reizvoll. Gerade der Kontrast beim Übergang von „The Great Nothing“, wo Arno sehr melodisch und zerbrechlich singt, zu „In The End….The End“ mit Jaggers ganzer Fiesheit ist sehr reizvoll.
Was reizt dich denn eigentlich mehr, die Herausforderung, neue Musik zu erschaffen, oder als Produzent die Aufnahmen anderer Bands zu leiten?
Musik machen ist immer geil. Ich kann auch wirklich nix anderes. Kreativ sind beide Jobs genauso interessant. Ich habe für mich gemerkt, dass ich eher fürs Studio als für on the Road gebaut bin. Ich feile gerne an Details und bin eher der Mann fürs Hintergründige als der Anheizer für die Bühne. So sehe ich meinen Platz eher hinter den Reglern. In Zeiten, in denen kaum jemand noch Platten kauft, gibt es allerdings keine Studioprojekte mehr wie früher. Dementsprechend froh bin ich, diese Platte veröffentlichen zu können.
Wie kam der Kontakt zu Supreme Chaos Records zustande?
Ich hab irgendwann, nachdem ich drei oder vier Songs zusammen hatte, gedacht, ich schick das per Email einfach mal an die ganzen Labels, für die ich gearbeitet hatte. Da gab’s auch überall voll tolle Resonanzen. Vor allem dafür, dass es keine Band, keine Homepage, keine Konzerte, keine Fotos, eben nur ein MP3 gab.
Jeder sagte: „Mensch, haste toll gemacht, aber die Zeiten für Studioprojekte sind vorbei“. Dann kam Robby von SCR und sagte: „Find ich geil, mach ich“.
Wie weit möchtest du mit ANOTHER PERFECT DAY als Band noch gehen? Hast du schon daran gedacht, weitere Mitglieder aufzunehmen, oder möchtest du lieber weiterhin mit Studiogästen arbeiten? Hast du auch Lust, mal Live zu spielen? Sind weitere Alben geplant?
An Live denke ich gerade nicht. Das wäre recht aufwendig, und ich bin mir nicht sicher, ob die Musik Live wirklich gut funktioniert. ANOTHER PERFECT DAY ist ja nicht SICK OF IT ALL. Bei dem Anspruch, den ich da hätte, würde das viel Zeit und Aufwand verschlingen, das wäre bei meiner Studioarbeit momentan kaum möglich. Aber schauen wir mal, was die Zeit bringt. Ob es ein zweites Album gibt, hängt davon ab, ob ich Bock habe eines zu machen. Ich bin aber voll mit Ideen und habe auch schon ein paar tolle Gastsänger im Kopf. Jetzt lehne ich mich aber erst mal zurück und beobachte, ob bzw. wie die Szene auf das Debut reagiert.
Welche Produktionen stehen bei dir in nächster Zeit an?
Veröffentlicht wurden gerade die neue CREMATORY und das Soloprojekt von TYR Sänger Heri namens HELJAREYGA. Aktuell mache ich das Debut von BURDEN, einer sehr geilen Stonermetaltruppe. Demnächst kommen dann SIX REASONS TO KILL, THE OATH, BENIGHTED, A TRAITOR LIKE JUDAS……….viel zu tun!
Wenn du es dir einfach wünschen könntest, welche drei Bands würdest du mal gerne produzieren und was würde dich gerade an diesen Bands besonders reizen?
Zwei Bands, die mir spontan anfangen, sind MY DYING BRIDE und ANATHEMA. Beide Bands sind Jugendhelden von mir und musikalisch unglaublich inspirierend. Klanglich jedoch würde mir da noch was einfallen.
Wenn es mein Terminkalender noch irgendwie zulässt, würde ich mich eventuell auch bereit erklären, die nächste METALLICA zu produzieren. Ich bin aber schon weitgehend gebucht, wird also eher eng:))
Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören dir!
Vielen Dank, dass ich mich hier äußern darf! Alle, die auf melancholischen Metal stehen, möchte ich an schubsen, sich auf MySpace die Platte anzuhören. Sagt mir, was ihr davon haltet. Schreibt mir!
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