Annihilator
Annihilator
Interview
Ein neuer Meilenstein am Himmel von ANNIHILATOR steht in den Startlöchern. Der Thrash-Hammer hört auf den Namen „Annihilator“ und ist das stärkste Album der Band seit langem. Ein gut gelaunter und bei jeder Frage aufrichtiger Jeff Waters stand uns zur Verfügung, um die Fragen mit seiner charmanten Art und Weise zu beantworten.
Willkommen bei Jeff Waters, im wunderschönen Dortmund. Ich liege hier im Bus herum und hab nen Drink in der Hand.
Das „Simple Life Of Jeff Waters“ wenn man so will?
„The Simple Life Of Jeff Waters“, cool, guter Name für eine TV Show! Man, bin ich müde (lacht).
Eure neue Scheibe habt ihr simpel „Annihilator“ betitelt…
Simple life!
…wolltet ihr damit vielleicht ein Statement setzen nach dem Motto „So haben ANNIHILATOR heute zu klingen“?
Du meinst den Titel des Albums? Hm, also eigentlich ist es für mich immer sehr leicht gewesen, nach Fertigstellung eines Albums einen passenden Titel zu finden, indem ich mir einfach die Songtitel angeschaut habe. „Set The World On Fire“ – klasse Titel für das Album. „Alice In Hell“, „King Of The Kill“ – passt! Die meisten Albentitel kommen also von den Namen der Songs. Dieses Mal konnte ich einfach keinen finden, ich hatte nicht eine Idee, wirklich. Also hab ich mich mit ein paar Freunden beraten, welche mich fragten, warum ich das Album nicht einfach „Annihilator“ nenne. Und da das Album dieses mal ziemlich gelungen ist, konnte ich mich mit dem Titel recht schnell anfreunden. Und ein gutes Statement ist es auch, da eine Menge cooler Sachen auf dem Album enthalten sind. Außerdem ist es die vierte Platte mit Dave Padden, und so langsam ist es nicht mehr JEFFS ANNIHILATOR sondern DAVES AND JEFFS ANNIHILATOR.
Meiner Meinung nach versetzt das Material auf „Annihilator“, im Gegensatz zu den letzten Alben wie „Metal“, „Schizo Deluxe“ und „All For You“ den Hörer wieder mehr in die Vergangenheit von ANNIHILATOR. Es klingt einfach wieder hundertprozentig nach ANNIHILATOR. Gab es dafür einen speziellen Grund oder war das ein ganz natürlicher Prozess?
Nein, jedes Album unter dem Banner ANNIHILATOR, bis auf „Set The Wolrd On Fire“, ist nach dem Prinzip entstanden, dass wir einfach ungezwungen in den Proberaum gingen, um ein neues Album aufzunehmen. Ich hatte in dieser Hinsicht nie Druck, außer eben zu einem gewissen Zeitpunkt das Album fertig zu stellen. Das Problem bei „Annihilator“ war eher, dass wir beinahe zuviel Zeit hatten. Insgesamt waren wir sehr entspannt bei der Sache, weil uns niemand im Nacken saß. Die Elemente, die dich an die vergangenen Jahre erinnern, kommen sicher von meinem Gitarrenspiel, was vielleicht wieder verspielter geworden ist. Bei den Aufnahmen und beim Mix konnte ich sehr relaxen und einige Dinge besser machen, was den Sound fetter und die Produktion besser gemacht hat. Außerdem hat Dave seine Parts noch etwas aggressiver und heavier eingesungen…na ja, vielleicht nicht unbedingt heavy…er hat mit mehr Wut im Bauch die Stücke eingesungen. Für mich hört sich das Album irgendwie so an, als hätten wir wieder mehr Leben in die Songs gebracht.
Ist es für dich denn nicht manchmal schwer, bei der Produktion deiner neuen Scheibe nicht den Kopf zu verlieren? Besteht nicht die Gefahr, das Teil vielleicht überzuproduzieren?
Natürlich ist es manchmal viel leichter, jemanden zu engagieren, der sich um den Mix und die Produktion kümmert. Aber ich liebe diese Tätigkeit einfach. Außerdem ist es eine Sache der Kosten. Tausende Euros kann man für solch einen Menschen hinblättern, was auf der anderen Seite wieder gut ist, wenn der Sound entsprechend klingt. Colin Richardson hat sich dem Mix der Platte angenommen, und einen verdammt coolen Job gemacht. Ich habe jedoch ein eigenes Studio, wo ich auch für andere Bands die Produktion, das Mastern und Mixing übernehme. Natürlich verdiene ich damit auch etwas Kohle, aber das sehe ich eher als mein Hobby. Wenn es jedoch um meine eigene Platte geht, dann bin ich auch mit Feuer und Flamme dabei. Na ja, auf jeden Fall hatten wir bei „Annihilator“ bis auf die Deadline keinen großen Druck von außen. Warte mal eben, ich hole mir eine Banane.
Aha, du lebst also ein gesundes Leben, was?
Nein, im Gegenteil. Deswegen muss ich hier auch Obst und andere gesunde Sachen zu mir nehmen. Ich liebe auch das Brot hier in Deutschland. Verdammt lecker. Und Joghurt. Bei uns schmecken die Dinger überhaupt nicht, aber hier…lecker. Wie sagte man dazu noch? (sagt es auf Deutsch) Sahne!
Mir ist aufgefallen, dass ihr, im Gegensatz zu „Metal“, dieses Mal keine Gastmusiker dabei hattet. War diesmal kein Platz bzw. keine Zeit für irgendwelche Gäste?
Bei „Metal“ fing es eigentlich mit Corey Beaulieu (TRIVIUM) an, der mich fragte, ob er nicht ein paar Gitarrenriffs für das Album beisteuern könnte. Ich war natürlich sofort damit einverstanden. Am nächsten Tag kam dann unsere Managerin zu mir und meinte, warum wir nicht auch Alexi (Laiho, CHILDREN OF BODOM) fragen würden, ob er Interesse hätte. Ich hielt es für eine gute Idee, und fragte mich dann, warum wir nicht noch mehr Freunde fragen sollten, u.a. Jeff Loomis (NEVERMORE), Jesper (Strömblad, ex IN FLAMES). Nun ja, egal, wen wir fragten, alle wollten dabei sein. Als wir dies bei der Plattenfirma vorstellten, war diese natürlich ebenfalls begeistert. Es war für uns kein Thema des Geldes oder der Politik, es war einfach nur Spaß. Wenn ich mir nun, nach einem gewissen zeitlichen Abstand, die Scheibe noch mal anhöre, muss ich sagen, dass es ein gutes, aber kein hervorragendes Album war. Heute würde ich dem Album sechs von zehn Punkten geben, mit Zunahme der ganzen Gastmusiker eher sieben Punkte. Es war einfach eine ganz besondere Erfahrung, all diese Leute auf meiner Platte zu haben. Zu sehen wie z.B. Jeff Loomis seine Riffs einspielt, war für mich schon eine ganz besondere Ehre. Beim neuen Album haben wir uns aber wieder auf uns selbst konzentriert. Wir wollten die zu dem Zeitpunkt bestmögliche Platte machen. Ohne irgendwelche Gäste oder Schnickschnack. Natürlich war die Plattenfirma davon nicht sonderlich begeistert. Sie rieten mir, wieder Gäste zu holen und ein paar Bonustracks einzubringen, was ich aber ablehnte. Es ist schon, wie du eben sagtest, ein Statement. Einfach nur gute Musik stand für uns im Fokus.
Natürlich gibt es auch auf „Annihilator“ wieder deine typischen High-Speed-Riffs und Soli, was man bei Nummern wie „The Trend“, „Ambush“ oder „The Other Side“ mehr als deutlich hört. Ist das denn eigentlich dein wirkliches, natürliches Gitarrenspiel oder musst du dich bewusst anstrengen, diese Art zu spielen? Planst du solche Arrangements im Voraus?
Nein, das ist bei mir immer eine fließende Sache. Manchmal kommen bei meinem Spiel recht simple bzw. simpel zu spielende Sachen heraus, dann gibt es aber auch Momente, die technisches Geschick erfordern. Es kommt auch einfach immer auf die Stimmung oder Zeit an, die man gerade hat. So etwas zu planen führt in meinen Augen zu keinem guten Ergebnis. Klar, manchmal wird da schon was Gutes bei rauskommen, auf der anderen Seite entsteht so aber auch ne Menge Schrott.
Bisher konnte man ja auf jedem deiner Album Hits finden, wenn man z.B. an „King Of The Kill“ oder „Alice In Hell“ denkt. Bei diesem Album gibt es ebenfalls eine Menge Songs, die Hitpotential haben und jedem Headbanger in den Arsch treten werden. Hast du eigentlich auch deine persönlichen Favoriten?
Hm, auf jeden Fall „The Trend“, das VAN HALEN-Cover „Romeo Delight“ und „Betrayed“. Beim letzten muss ich etwas sagen, was ich eigentlich nur ungern im Rahmen von ANNIHILATOR zugebe. Da ich aber auch ein großer Metalfan bin, ist es wieder okay. Also, „Betrayed“ ist 80% ANNIHILATOR, 10% SLAYER und 10% TESTAMENT. Ich liebe „Trial By Fire“ z.B., eigentlich alles von TESTAMENT und von SLAYER natürlich auch. Es gibt da schon Einflüsse von diesen Bands. Manche Leute kommen zu mir und sagen, dass sie manche Riffs an SLAYER und Co. erinnern, womit ich diesen Bands unterbewusst meinen Respekt zolle. Ich bin aber auch nicht der außergewöhnlichste Gitarrist der Welt, bei Weitem nicht. Ich bin eher ein guter Gitarrist und Songwriter und ein riesiger Metalfan. That´s it.
Wobei ich sagen muss, dass dein Sound einfach unkopierbar ist. Ich kenne keine Band, die das hinbekommen hat.
Vielen Dank, es ehrt mich natürlich, so etwas zu hören.
Warum habt ihr bei dem neuen Album eigentlich euren typischen ANNIHILATOR-Schriftzug geändert? Habt ihr keine Angst davor, dass das Album dadurch in den Läden von den Fans nicht entdeckt wird? ANTHRAX z.B. hatten mit der „Stomp 442“ dadurch einige Verluste.
Nein. Ich sprach mit dem Künstler über seine Vorstellung des Covers, mit dem Schriftzug der Band auf der Stirn des Mädchens. Ich fragte ihn, wo wir unser Logo hinpacken sollten, worauf er nur meinte, dass wir kein Logo bräuchten, da es ja auf der Stirn geschrieben steht. Ich fragte Dave nach seiner Meinung und er war mehr als begeistert. Aber keine Sorge, das haben wir nur für diese Scheibe gemacht. Beim nächsten Album wird es wieder geändert. Es gibt auch etwas ganz mystisches und mysteriöses auf „Annihilator“, unserem 13. Album (lacht). Unser Sänger, Dave Padden, wurde am Freitag, 13.02.1976 geboren, ich wurde am Freitag, 13.02.1966 geboren. Ich wurde um 13 Uhr geboren, was ja die 13. Stunde ist. Es gibt auf dieser Scheibe 66 Gitarrensoli, was aber nicht ich, sondern jemand von der Plattenfirma gezählt hat. Er meinte nur, dass es aus diesen Gründen das beste Album unserer Geschichte werden würde, oder vielleicht auch das schlechteste (lacht).
Wo wir schon mal beim Cover sind. Was ist denn bloß mit Alice passiert? Gibt es eine spezielle Geschichte zum Cover?
Nun, Moment, ich ersticke gerade an meiner Orange. So, jetzt geht’s. Ich liebe Horrorfilme. Mein Sohn geht in der Regel um halb zehn ins Bett, meine Lady um zehn, halb elf. Ich bleibe meistens bis Mitternacht auf und ziehe mir Horrorfilme rein. Ich weiß nicht genau warum, aber so ist es nun mal. In einer Nacht sah ich dieses Mädchen am Ende meines Bettes in der Luft schwebend und wachte auf. Sie sah ein wenig so aus wie Linda Blair aus „Der Exorzist“ und hatte große, weiße Augen und schaute mich an. Ich bekam darauf fast einen Herzinfarkt, rannte runter zum Computer und schrieb unserem Coverdesigner in Budapest eine E-Mail mit den Worten „Dude, entwirf ein Cover mit Alice, sie ist tot und ein Geist“. Sein Entwurf hatte dann eben dieses Mädchen auf dem Cover mit dem Schriftzug auf der Stirn.
Dave Padden ist ja nach wie vor der Sänger von ANNIHILATOR, nun schon seit vier Alben in Folge. Hast du endlich den Sänger gefunden, den du immer haben wolltest?
Stimmt, er ist nun schon seit vier Alben dabei. Angefangen mit sehr wenig Erfahrung auf der Bühne und beim Gesang, aber mit einem wirklichen Händchen für die Gitarre. Er hat sich in der Zeit sehr gut entwickelt. Ich meine, Gesang und Gitarre zusammen ist ein schwerer Job, vor allem, wenn er meine eigenen Sachen spielen muss. Ich hab es da wesentlich leichter. Er ist wirklich sehr talentiert und hat sich sehr gemausert. Immerhin fing er in einer Band an, die den Titel JEFF WATERS ANNIHILATOR hätte tragen können. Heute würde der Titel JEFFS AND DAVES ANNIHILATOR tragen. Er ist jemand, mit dem ich mir vorstellen könnte, bis ans Ende von ANNIHILATOR zu arbeiten. Ich bin nun 44 Jahre alt und etwa in dem Alter von James Hetfield, Kerry King usw. Aber es gibt auch Musiker wie Bruce Dickinson und Rob Halford, die allesamt älter sind und immer noch Arsch treten können. Und das lässt auch mich weiterarbeiten, ich fühle mich noch immer wie früher.
Also ich muss gestehen, dass ich am Anfang mit Daves Stimme ein paar Probleme hatte, gerade im Vergleich zu der Stimme von Joe Comeau. Aber mit dem neuen Album hat er mich völlig überzeugt.
Ja, alles braucht eben seine Zeit. Ich erinnere mich noch an die ersten Touren mit ihm. Er hatte wirklich die Hosen voll und war total nervös. Ihm fehlte an dieser Stelle auch die Erfahrung. Ihm den Job zu geben hätte auch völlig in die Hose gehen können. Ich sah aber sein Talent und wollte ihn Erfahrung sammeln lassen. Er ist aber auch ein netter Kerl und es hat sich mittlerweile ausbezahlt. Auf „Schizo Deluxe“ hat er einen Wahnsinns Job gemacht. „All For You“ und „Metal“ waren nicht unbedingt seine Steckenpferde, aber auf „Annihilator“ trumpft er wieder auf. Er ist unser Mann. Muss ich das eigentlich noch sagen? Nach vier Alben muss er unser Mann sein! (lacht)
Hatte Dave denn auch die Möglichkeit, für „Annihilator“ ein paar Stücke beizusteuern?
Aber klar, er hat bisher immer zwei Songs mit eingebracht, dieses Mal auch. Wenn ich mich hinsetze um ein Album zu schreiben, berücksichtige ich immer, dass Dave auch zwei Stücke schreibt (lacht). Er ist ein guter Schreiber, seine Stücke sind immer cool. „Coward“ und „Death In Your Eyes“ stammen von ihm.
Die Leute hielten ANNIHILATOR ja immer für ein Synonym für THE JEFF WATERS PROJECT in der Vergangenheit…
Auf jeden Fall! Es war ja auch so.
Du stimmst dem also ohne Einwände zu?
Yep! (lacht) So ist es. Es war natürlich nie meine Absicht, dass es sich so entwickeln würde. Es fing aber schon vor der Zeit von „Alice In Hell“ an, als ich noch mit meinem Kumpel John Bates unterwegs war. Er wollte eigentlich eher nur die Texte für die Songs schreiben. Mit den anderen Jungs aus der damaligen Zeit war es so, dass sie eher in den Metalbars und mit Mädels abhängen wollten. Sie wollten eigentlich viel mehr posen und gut aussehen, mit ihren langen Haaren. Es waren schon gute Musiker, allerdings haben sie nur selten die Zeit damit verbracht, besser zu werden und zu üben. In der Anfangszeit waren wir auch nicht so gut. Irgendwann hatte ich einfach keine Lust mehr, mit all den Mädchen rumzuhängen, jeden Abend besoffen nach Hause zu kommen usw. Ich wollte ein besserer Gitarrist werden und lernen, wie man Songs schreibt. Ich wollte so werden wie James Hetfield, Kerry King und Jeff Hannemann, oder Scott Ian von ANTHRAX. Also blieb ich für ungefähr fünf Jahre in meinem Zimmer und hab gelernt, den Heavy Metal sozusagen studiert. Um das erste Demotape aufzunehmen, konnte ich demnach auf keine anderen Musiker zurückgreifen, weil die immer zu beschäftigt waren. Also musste ich lernen, Schlagzeug und Bass zu spielen, damit ich die Aufnahme selbst machen konnte. Auf dem Demotape „Alice In Hell“ hab ich auch gesungen, und damit immerhin unseren ersten Plattenvertrag bekommen. Und so ist es irgendwann weitergegangen. Jetzt habe ich einen festen Sänger und wenn wir ins Studio gehen, engagieren wir einen Schlagzeuger, einen Bassisten usw. Das ist für uns die normale Vorgehensweise. Live machen wir das mittlerweile genauso. Aber für die Fans, besonders für die neuen Fans, wird ein merkwürdiger Eindruck vermittelt. Es scheint dann so, als ob ich ein Diktator oder ein Arschloch wäre, weil ich immer die Musiker feuere. Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich in der gesamten Geschichte von ANNIHILATOR nur zwei Bandmitglieder aufgefordert habe zu gehen. Und das hatte immer mit schlimmen Alkoholproblemen und Drogen zu tun.
Z.B. bei Randy Rampage?
Nun, er war eigentlich eher die Ausnahme. Er war schon damals eine Legende, da er der Bassist und Sänger einer in Kanada sehr bekannten Punk Band namens D.O.A. war, zu der sogar mal Duff McKagan (GUNS ‚N‘ ROSES) als Kind zu Konzerten kam. Randy war so was wie ein kanadischer Sid Vicious (SEX PISTOLS). Er hat bei ANNIHILATOR auf zwei Alben mitgewirkt, „Alice In Hell“ 1989 und „Criteria For A Black Widow“ 1999. Er ist einer der besten Frontmänner, den man sich wünschen kann. Wenn man aber dieses Image jeden Tag auslebt und immer auf Partys ist, Drogen nimmt usw., wird es schwer. Man kann mit so jemandem nicht hart arbeiten, lange Touren werden problematisch. Er ist jedoch ein wirklich netter Mensch und für unseren Erfolg von „Alice In Hell“ mitverantwortlich. Ohne ihn stände ich jetzt vielleicht nicht hier um ein Interview mit dir zu machen.
Hast du denn mit ehemaligen Bandmitgliedern von ANNIHILATOR Kontakt gehalten?
Ja, mit Randy schreibe ich hin und wieder E-Mails, da wir in verschiedenen Städten leben. Mit den anderen verhält es sich genauso, sie leben mittlerweile auf der ganzen Welt verstreut.
Mit Randy Black auch? Er ist meiner Meinung nach ja auch ein sehr netter Kerl.
Mittlerweile der Schlagzeuger von PRIMAL FEAR. Ein unglaublicher Musiker.
Gab es für dich eigentlich mal eine Zeit, in der du alles hinschmeißen wolltest?
Klar, 1997 oder 1998 hab ich schon mal darüber nachgedacht, danach erst 2005 wieder. 1997 habe ich das Album „Remains“ aufgenommen. Ich hab die Scheibe komplett eingespielt und dabei einen Drumcomputer benutzt. Egal, jedenfalls drehte sich mein ganzes Leben schon immer um Heavy Metal und um die Musik. Aber im Jahr 1997 war Nordamerika der schlimmste Platz auf der ganzen Welt, um echten Heavy Metal zu spielen. Ich weiß, dass hört sich jetzt vielleicht blöd an, aber ich hatte einfach keinen Grund mehr, um zu leben. Zu der Zeit brachen so viele meiner Lieblingsbands auseinander, die Plattenfirmen schickten traditionelle Heavy Metal Bands nach Hause, andere Labels gingen in die Pleite. Es gab für mich damals einfach kein Licht am Ende des Tunnels. Metal war tot, ein Teil meines Lebens war tot. „Remains“ ist ein Album was zeigt, wie ich damals fühlte und wie sehr ich neben der Spur war. Dann ging ich zu einem Konzert von SLAYER, was mein Leben wieder komplett veränderte. SLAYER spielten in den 80ern ja in Stadien und in großen Hallen. Aber zu dieser Zeit mussten selbst SLAYER in den kleinen Clubs spielen. Ich fand das am Anfang sehr, sehr traurig, dass die Jungs so einen Abstieg hinter sich hatten. Als SLAYER allerdings auf der Bühne standen und ein paar Songs gespielt hatten, bemerkte ich die Energie, welche die Jungs versprühten. Ich meine, Kerry King, Tom Araya, Jeff Hannemann und ich glaube Paul Bostaph war zu der Zeit noch dabei, sie gaben alles, sie bangten die ganzen Zeit und fegten über die Bühne, als ob es 1985 wäre. An dem Punkt wurde mir klar: Es ist egal, ob du vor 10 oder 10.000 Leuten spielst, entweder du liebst es, oder du liebst es nicht. Und ich sagte mir „Fuck, I love it!“ Ich hatte wieder Feuer gefangen und seitdem stieg auch die Popularität von ANNIHILATOR langsam wieder an. SLAYER, vielen Dank. Im Jahre 2005 hatte ich einen erneuten Tiefpunkt erreicht. Wir hatten einen Deal mit AFM Records, und der Gründer Andreas Allendörfer kam bei einem Autounfall ums Leben. Das war wirklich schlimm, zumal er noch ein kleines Kind hatte. Dadurch wurde AFM von einer anderen Firma übernommen, welche unserer damaligen Scheibe keinerlei Beachtung schenkte. Wir hatten eine unserer besten Alben im Kasten, aber Dave und ich mussten zusehen, wie das Album starb. Weißt du, es gibt im Leben immer Momente, an denen man aufgeben will. Aber dann, ne Zeit später, hat man seine Meinung wieder geändert und macht weiter. Wir haben 13 Studioalben gemacht, auch in Zeiten, in denen Metal nicht populär war. Wir flogen von Kanada in die ganze Welt, auch wenn diese Reisen sehr teuer waren. Und wir haben nicht die Verkäufe und den Status der großen Bands wie SLAYER, IRON MAIDEN, MEGADETH oder gar METALLICA. Verkäufe! Wir interessieren uns eigentlich nicht sonderlich für Verkäufe, solange wir mit ANNIHILATOR weitermachen können. Wir schaffen es schon, zu überleben. Wir werden nie eine goldene Schallplatte holen, aber darum geht es auch gar nicht. Es ist die Musik.
Wie schaut eigentlich ein Tag im Leben des Jeff Waters aus? Nachdem du aufgestanden bist und das Klo besucht hast!
Hm (überlegt). Du meinst zu Hause?
Ja, ich schätze dich mal als Workaholic ein.
Siehst du diese Frau da hinter mit?
Ja?
Das ist unsere Managerin. Möglicherweise die hübscheste Managerin auf der ganzen Welt. (im Flüsterton) Sie ist auch meine Freundin. Außerdem kann sie sich gut durchsetzen und hat ne Menge Ahnung vom dem Musikbusiness. Ich bin also ein richtiger Glückspilz. Auf jeden Fall kümmern wir beide uns u.a. um das Booking für die Band, wobei ich nicht die ganze Zeit involviert bin. Es ist aber nicht so, dass ich jeden Tag im Studio bin und Songs schreibe. Wenn wir vorhaben, ein neues Album zu schreiben, dann natürlich schon. Dann bin ich drei Monate am Stück beschäftigt. Aufnehmen, die Spuren einspielen usw. Anschließend kommt das Mixing, dann das Mastering. Der ganze Prozess ist sehr interessant. Ich habe dann natürlich keinen normalen Tagesablauf. Es kommt ganz darauf an, an welcher Stelle im Rad ich mich befinde. Dann kommt das Cover, die Website, Endorsement, neue Bandfotos, Pressetermine, Proben für die Tour usw. Das Rad dreht sich immer weiter und ich denke, dass ist bei allen Musikern so. Natürlich gibt es auch schlechte Seiten an der Sache. Man weiß z.B. nie, was auf einen zukommt. Jemand, der einen ganz normalen ine to five Job macht, weiß, was ihn erwartet, am nächsten Tag, in der nächsten Woche. Diese Menschen haben etwas weniger Stress in dieser Hinsicht. Wir haben natürlich den Vorteil, dass wir auf der ganzen Welt unterwegs sind, in tollen Bussen fahren (der Interviewtermin fand in einem stylischen Bus der Firma Gibson Gitarren statt), guten Kaffee trinken und sauleckeren Joghurt essen. Man trifft so viele unterschiedliche Menschen, man bekommt so viel Kultur mit. Ich bin jedenfalls sehr dankbar, dass es so viele Leute gibt, die unsere Musik mögen und uns so ermöglichen, unser Leben zu führen, wie wir es tun.
Und wenn wir schon beim Thema Tour sind, werdet ihr die neue Platte live promoten?
Dieses Mal arbeiten wir etwas anders. Wir werden auf einigen großen Festivals spielen. Die Scheibe kommt im Mai raus und wir werden hierzu erst mal andere Termine wahrnehmen wie Pressetermine, Guitar Clinic usw. In Deutschland werden wir leider auf keinem der großen Festivals spielen, dafür aber in anderen Ländern wie z.B. auf dem Hellfest in Frankreich, oder in Bulgarien. Im nächsten Jahr werdet ihr den Namen ANNIHILATOR nicht mehr hören können, dann werden wir viel mehr beackern. Mal schauen, was noch passiert…
Wenn du mal in die Vergangenheit blickst, was war dein absolutes Highlight in Sachen ANNIHILATOR? Vielleicht die Tour mit JUDAS PRIEST und PANTERA?
Ha, ich wusste, dass du das erwähnen würdest. Ich werde die Geschichte wahrscheinlich mein ganzes Leben lang erzählen müssen. Manche Leute werden jetzt sagen „Mensch Waters, halt mal deine blöde Klappe“. Dabei muss ich allerdings zu meiner Verteidigung erwähnen, dass ich danach gefragt werde! (in einem Atemzug) „Painkiller“-Tour 1991, JUDAS PRIEST Headliner, Special Guest ANNIHILATOR und als Support-Act, damals in Europa noch unbekannt, PANTERA. Sie hatten damals in den U.S.A. „Cowboys From Hell“ bereits veröffentlicht, hier kannte sie aber noch kaum jemand. Das kuriose an der Geschichte ist, dass die Jungs zwei Jahre später wieder nach Europa kamen und jedes ihrer Konzerte war ausverkauft. Die sind möglicherweise einer der härtesten und besten Metalbands aller Zeiten und hatten einen der besten Gitarristen, Dimebag (R.I.P.). Er ist, glaube ich, auf Platz 5 der einflussreichsten Gitarristen aller Zeiten. Keiner von uns hätte gedacht, dass PANTERA mal so groß werden würden. Wir dachten, es sei nur eine weitere Band aus den Staaten. Sie waren nette Leute, sehr originelle Leute, eben Persönlichkeiten. Wir waren zu der Zeit noch bekannter als sie. Und wer wusste schon, was passieren würde. Aber es ist doch so, dass jeder erfolgreich und groß werden könnte. Egal, ob Musiker oder nicht, es gibt keine Grenzen. Das ist auch der Grund, warum man freundlich zu den Leuten sein sollte. Wenn man auf dem Weg nach oben ist, sollte man die Leute unter einem nicht treten. Es kann sein, dass du ihnen noch mal begegnest, wenn es für dich nach unten geht. Dann brauchst du echte Freunde. Daran erinnere ich mich immer, wenn ich an diese Tour denke. Wir waren nett zu den Jungs, sie waren nett zu uns. Wir sind immer noch befreundet, speziell mit Phil (Anselmo, Gesang). Wir sind froh, dass wir uns nicht wie Arschlöcher ihnen gegenüber verhalten haben (lacht).
Dir sagen doch sicher auch die Namen EXCITER, RAZOR oder ANVIL etwas, oder?
Ja, klar.
Was meinst du, ist der Grund, dass diese kanadischen Bands, im Gegensatz zu euch, nie aus dem Underground herausgekommen sind?
ANVIL sind ja immer noch sehr aktiv und ich hoffe, dass die aktuelle Dokumentation über sie ihnen helfen wird, wieder mehr Boden zu fassen. VOIVOD kamen ja etwas später, aber die haben mal mit ANVIL und EXCITER in Kanada getourt. Ich habe sie in verschiedenen Clubs gesehen. Lustig ist, dass Dan Beehler, der ehemalige Sänger und Schlagzeuger von EXCITER, zu mir und meiner Freundin zum Essen kommt, wann immer er kann. Er lebt in der Nachbarschaft. Na ja, jedenfalls denke ich, dass immer Glück und Management eine Rolle spielen, wobei mein Management in den Anfangstagen nicht sonderlich gut war, es aber schaffte, uns z.B. nach Europa zu schicken. Natürlich spielt auch die Plattenfirma eine Rolle. Roadrunner sind ja eine großartige Plattenfirma und sie sind teilweise mit dafür verantwortlich, dass ich noch immer Musik mache. Für kanadische Musiker ist es schwierig, wenn sie ein Management haben, was nicht weiß, was es tut. Obwohl es eigentlich im jeden Land so ist. Wenn niemand für dich da ist, der sich um das Business kümmert und dafür sorgt, dass du weitermachen kannst, wird es schwierig. Und vermutlich ist das bei den meisten Bands ausgeblieben.