Angelus Apatrida
"Let's make Metal angry again!"
Interview
Freitag, der 13. Was kann da schon schiefgehen? Nun, eine ganze Menge. Trotz allerlei Schwierigkeiten, über die wir an dieser Stelle diskret den Mantel des Schweigens hüllen, fanden wir uns mit Guille pünktlich zum Interview ein. Der Frontmann von ANGELUS APATRIDA plauderte ganz offen über die Entstehung des neuen Albums „Aftermath“, bittere Situationen in der Vergangenheit und besondere Fan-Momente.
Hi! Danke, dass du die Zeit für dieses Interview gefunden hast. Wie geht es dir?
Danke, gleichfalls! Ich kann nicht klagen.
Euer neues Album „Aftermath“ erscheint dieser Tage. Was macht ihr bei ANGELUS APATRIDA normalerweise an so einem Tag, wenn die Uhr Mitternacht zeigt?
Bei unserem letzten Album haben wir uns tatsächlich online in sehr großer Runde mit Leuten vom Label, vom Recording und anderen zusammengefunden und das Release von „Angelus Apatrida“ in der Nacht gefeiert. Das war noch mitten in der Pandemie und wir konnten nicht viel anderes tun, als gemeinsam vor den Bildschirmen abzuhängen.
Dieses Mal haben wir nichts Spezielles geplant. Also, wir werden sicher gemeinsam am Donnerstagabend ein Bier trinken gehen, aber das ist ja nichts so Besonderes (lacht).
Auf die Zahlen werden wir dann an Freitagmorgen gucken, bevor wir zu einer kleinen Promo-Tour aufbrechen, die am 20.10. in Barcelona beginnt und uns durch ganz Spanien führen wird. Wir werden nicht auf die Bühne gehen, aber ganz klassisch in Plattenläden Autogramme geben.
Du hast eben schon die Pandemie angesprochen. Normalerweise würde ich jetzt fragen, wie ihr diese Zeit überstanden habt, aber die Antwort habt ihr selbst schon mit einer kurzen Dokumentation gegeben, die man auf Youtube finden kann. Wer hatte die Idee dafür und wie habt ihr es schließlich umgesetzt?
Eigentlich wollten wir nur einen kleinen Film über unser Konzert in Bilbao im Januar dieses Jahres machen. Dort endete unsere erste große Tour nach der Pandemie vor ausverkauftem Haus und wir wollten zeigen, dass wir alles gut überstanden haben sowie unseren Fans für den Support danken. Dann wurde uns aber klar, dass wir auf der Tour und davor genug Material gesammelt hatten, um mehr daraus zu machen.
Als die Maßnahmen gegen die Pandemie begannen, waren wir gerade in Deutschland unterwegs. In München fand unsere letzte Show statt, danach wurden alle weiteren Konzerte abgesagt und wir mussten nach Hause. Dort setzt der Film an und endet damit, wie wir im April 2023 ins Studio gehen, um „Aftermath“ aufzunehmen.
Wir fanden, dass es für die Fans sicher cool und manchmal auch emotional sein kann, zu erfahren, wie wir diese Monate verbracht haben. Also kommen neben uns selbst auch alle möglichen Leute aus dem Umfeld der Band zu Wort, was sie damals dachten und welchen Problemen sie gegenüberstanden.
„Wir standen kurz davor, ANGELUS APATRIDA aufzulösen.“
Im Sommer 2020 war es echt hart und wir standen kurz davor, ANGELUS APATRIDA aufzulösen, weil einfach kein Geld mehr reinkam. Deswegen steht bei dem Film immer noch die ursprüngliche Idee im Vordergrund: wollen uns damit bei unseren Fans bedanken, dass sie uns in dieser Zeit durch den Kauf von Merchandise und Platten unterstützt haben und so zahlreich auf unseren Konzerten erschienen sind, als es wieder möglich war.
Bezieht sich der Albumtitel „Aftermath“ auch auf diese Situation?
In gewisser Weise schon. Um ehrlich zu sein, war das nicht die erste Idee, die wir für den Titel hatten, aber wir kamen nach einigen Diskussionen zu dem Schluss, dass es zum Cover und der Situation passt. Die generelle Idee ist es, dass du, wenn du eine harte Zeit überstanden hast, auch die Nachbeben überstehen wirst.
Da du schon das Cover ansprichst: Ich habe mich gefragt, ob das Artwork vielleicht an euer letztes Album anknüpft. Dort sahen wir ja ein Waffenversteck mit historischen Figuren des Anarchismus an der Wand, auf „Aftermath“ sehen wir jede Menge tote Typen in Anzügen, so als hätte jemand Gebrauch von diesen Waffen gemacht.
Oh (stutzt). So habe ich das noch gar nicht gesehen. Die einzige Verbindung ist, dass wir wieder mit dem Künstler Gyula Havancsák zusammengearbeitet haben. Von ihm stammt auch dieses Doppel-A-Logo.
Das Cover von „Angelus Apatrida“ verstehe ich eher als düsteres Stillleben. Bei „Aftermath“ war Gyulas Idee, dass es eben unsere Fans waren, die uns durch die Pandemie gebracht haben und nicht irgendwelche Politiker oder Unternehmer in Anzügen.
„Let’s make Metal angry again!“
Ich kann jetzt nur für Spanien sprechen, aber während alle möglichen großen Unternehmen und andere Berufe Unterstützung von der Regierung erhalten haben, waren wir auf unsere Fans angewiesen, die die Band weiter am Laufen gehalten haben. Deswegen triumphiert der Metalhead auf dem Cover über die Anzugträger.
Und ganz ehrlich: es ist ein klassisches Metal-Cover und sieht einfach cool aus. Let’s make Metal angry again (lacht).
Bei diesem Doppel-Anarchismus-A-Logo möchte ich nachhaken: Wie viel Anarchismus findet sich denn in den Texten und der Philosophie von ANGELUS APATRIDA?
Nun, wir sind keine politische Band und haben auch keine Bindung zu Parteien oder anderen politischen Gruppen, auch wenn wir uns natürlich mit dem Antifaschismus als mit der anderen Seite verbunden sehen. Was das Logo angeht, sehe ich es zum Beispiel eher als ästhetische Anlehnung an das Logo von MINISTRY.
Wir singen natürlich über soziale Themen, über Ungerechtigkeiten und kritisieren die Missachtung von Menschenrechten. Da sehen wir uns aber eher in einer Tradition mit Thrash-Metal-, Crossover-, Punk- und Crust-Bands als einer bestimmten politischen Ideologie zugehörig. Wir halten es eher abstrakt, damit es auf persönliche Situationen bezogen werden kann.
Um persönliche Konflikte geht es auch in eurer Single „Cold“, zu der ihr ein Musikvideo gedreht habt.
Ja, total. In „Cold“ geht es um den ewigen Kampf, mit dir selbst ins Reine zu kommen. Mit den guten wie den schlechten Seiten. Das Konzept für das Video stammt vom Regisseur und hat uns sofort überzeugt.
Dementsprechend hat der Song ziemlich harte, aggressive Parts, aber eben auch einen der melodischsten Refrains auf dem Album. Das soll ebenfalls diese Dualität zwischen Gut und Böse widerspiegeln.
Dann kommen wir auch endlich mal zur Musik. Was würdest du sagen, was der größte musikalische Unterschied zwischen „Angelus Apatrida“ und „Aftermath“ ist?
„Angelus Apatrida“ entstand in der Pandemie und klang entsprechend harsch. Wir waren wütend und gleichzeitig verunsichert, wie es weitergehen würde. Da war kein Platz für Melodien. Generell spiegeln sich unsere Emotionen in unserer Musik wieder und in dem Fall klang das Ergebnis eben ziemlich angepisst und düster.
„Aftermath“ ist wie ein Mix aus den drei Alben davor, angefangen mit „Hidden Evolution“, in dem Sinne, dass wir da einiges aus den vergangenen Jahren verarbeitet haben. Ich war in Therapie und bin inzwischen besser in der Lage, auch meine positiven Gedanken musikalisch auszudrücken.
Klar, melodische Parts haben wir bei ANGELUS APATRIDA von Anfang an mit dabei. Unsere Einflüsse beinhalten schließlich auch klassische Heavy-Metal-Gruppen und Bands wie MEGADETH oder ANNIHILATOR, da bleibt das nicht aus. „Cabaret de la Guillotine“ finde ich zum Beispiel sehr melodisch. Auf „Aftermath“ haben wir es aber meiner Meinung nach besser geschafft, Melodie und Härte in Einklang zu bringen. Da sind wir auch wieder bei der Dualität.
Wie läuft bei euch denn generell das Songwriting und gemeinsame Proben ab? Hat sich das vielleicht durch die Pandemie verändert?
Nun, wir leben ja alle etwas auseinander. Nur unser Schlagzeuger Victor und ich wohnen in der selben Stadt. Wir sehen uns also nicht sehr häufig und haben schon vor der Pandemie Wege gelernt, wie wir auf Distanz miteinander arbeiten können.
Allerdings sind wir auch ziemlich häufig auf Tour und deswegen gut aufeinander abgestimmt. Im Proberaum treffen wir uns zu viert deswegen nur sehr selten, aber gleich mache ich mich tatsächlich auf den Weg dorthin, weil wir die neuen Songs vor der anstehenden Tour noch einmal proben wollen.
„Die Ideen für ‚Aftermath‘ sind fast komplett on the road entstanden.“
Das Songwriting findet meistens auf Tour statt. Die Ideen für „Aftermath“ sind komplett on the road entstanden, da wir fast zwei Jahre nur unterwegs waren. Wenn ich dabei eine Idee hatte, habe ich die Melodie gesungen und mit dem Handy aufgenommen, um es später den anderen zu zeigen.
Als wir dann wieder zuhause waren, hatten wir zwei Monate, bevor es ins Studio ging. In dieser Zeit haben wir dann alles ausgearbeitet und an den Songs gefeilt. Zuerst dachte ich, dass das nichts wird, weil das Album nur in meinem Kopf existierte.
Aber dann lief alles verblüffend einfach. Durch die lange Tour waren wir gut aufeinander eingespielt und hatten vor allem die Songs, die wir live gespielt haben im Kopf. Das meinte ich vorhin damit, dass „Aftermath“ wie ein Mix der letzten drei Alben ist, denn in gewisser Weise haben wir uns selbst beeinflusst.
Die Demo-Aufnahmen liefen gut und mir fielen auch schnell die passenden Lyrics ein. Beim Recording haben wir mit den gleichen Leuten wie auf „Angelus Apatrida“ zusammengearbeitet, wodurch das auch gut klappte. Bevor ich mich versah, war „Aftermath“ Realität.
Wie lief denn die Zusammenarbeit mit euren Gast-Musikern? Jamey Jasta und Todd la Torre sind größere Namen. Wie seid ihr mit denen in Kontakt gekommen?
Wir sind mit den meisten gut befreundet, vor allem mit dem Rapper SHO-HAI. Die anderen haben Vocals und Gitarrenspuren beigesteuert, aber „What Kills Us All“ haben wir für ihn geschrieben. Das war von Anfang an so geplant.
Auch mit Pablo von WARCRY stehe ich fast täglich in Kontakt. Er ist dabei, weil ich auf diesem Album keine Soli spiele und das ganz unserem Gitarristen David überlassen habe. Pablo bringt auf „Fire Eyes“ mit seinem eigenen Stil also etwas mehr Abwechslung ins Gitarrenspiel auf dem Album.
„Das lief alles ganz unkompliziert.“
Mit Todd la Torre lief es ähnlich unkompliziert. Er hat uns vor zwei Jahren mit „Angelus Apatrida“ entdeckt und direkt Gefallen an unserer Musik gefunden. Da er mit Zeuss befreundet ist, der den Sound auf „Aftermath“ abgemischt hat, kamen der Kontakt und schließlich die Idee eines Gastauftritts seinerseits schnell zustande.
So war das auch mit Jamey. Wir kannten uns nicht persönlich, aber ich bin ein großer Fan von HATEBREED. Als wir dann durch unseren Auftritt beim Milwaukee Metal Fest, das von Jamey organisiert wird, per E-Mail in Kontakt kamen und er schreib, dass er sich sehr auf uns freuen würde, habe ich ihn einfach mal gefragt, ob er Lust hätte, auf unserem nächsten Album zu hören zu sein. Das hat tatsächlich geklappt (lacht).
Es geht dabei also nicht um Geld. Wir sind befreundet oder sind Fans voneinander. Das lief alles ganz unkompliziert oder zwischengeschaltete Manger oder ähnliches.
Wo wir dann gerade bei großen Namen und Fans sind: In der Dokumentation, über die wir anfangs gesprochen haben, sieht man euch mit leuchtenden Augen durch die Bay Area touren. Nehmen wir mal an, es wäre 1982, ANGELUS APATRIDA wären aber schon so bekannt wie jetzt. Welchen kleinen lokalen Newcomer würdet ihr dort in euer Vorprogramm holen?
Als Opener von uns? Oh Mann (lacht). Über sowas mache ich mir eigentlich keine Gedanken. Das wäre damals vermutlich auch keine große Sache gewesen. Ich meine, METALLICA waren mal Opener für EXODUS.
Aber es wäre natürlich schon cool, wenn wir dann die jungen wilden SLAYER mit dabei hätten, auch wenn sie den Laden vor uns auseinandernehmen würden (lacht). Vielleicht hätten wir auch den frisch gegründeten MEGADETH eine Chance gegeben, kurz nachdem Dave Mustaine bei METALLICA rausgeflogen ist.
Oder direkt MEGADETH und METALLICA gleichzeitig, um ein bisschen Spannung zu erzeugen.
Vielleicht (lacht). Andersherum haben wir ja schon mit fast all diesen Legenden eine Bühne geteilt, aber da waren wir natürlich die Opener. Wir sind vor MEGADETH und ANTHRAX aufgetreten, zweimal vor SLAYER. Im weitesten Sinne auch vor METALLICA, weil sie später auf der gleichen Bühne wie wir beim Hellfest gespielt haben.
Und unsere nächste Tour spielen wir ja mit DEATH ANGEL und SACRED REICH. Das ist schon Wahnsinn, wenn man darüber nachdenkt.
Ja, ich habe schon gesehen, dass ihr in meiner Heimatstadt Bochum gleichzeitig mit DEATH ANGEL aber auf unterschiedlichen Bühnen spielt.
Oh ja (lacht). Wir haben echt alles versucht, um das zu verhindern und haben auch immer noch nicht aufgegeben.
Guille, dann sind wir auch schon am Ende. Man kann ANGELUS APATRIDA in den folgenden Wochen in ganz Europa auf den Bühnen sehen. Viel Erfolg und Spaß dabei! Möchtest du noch was hinzufügen?
Ich hoffe einfach, dass möglichst vielen Leuten unser neues Album „Aftermath“ gefällt. Und wenn das so ist, dann kommt auf jeden Fall live vorbei. Du hast es ja schon gesagt: Gelegenheiten dazu gibt es genug.
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