Anaal Nathrakh
Interview mit Dave Hunt über die Weiten von "Eschaton"
Interview
Während andere „grosse“ Metalmagazine ANAAL NATHRAKH mit völlig belanglosem Mist und dämlichen Fragespielchen belästigen (Insider wissen, um welches – hier nicht weiter erwähnenswertes – Magazin es sich handelt), wollte ich die Gelegenheit nutzen, um das sympathische und wahnwitzige Duo ein wenig zum neuen Album zu befragen, und darüber hinaus noch einiges mehr… Mit Vitriol stand mir zum Glück auch ein sehr auskunftsfreudiger und geduldiger Gesprächspartner zur Verfügung, und heraus kam ein sehr tiefgründiges und facettenreiches Interview über den britischen Drachen, der sich anschickt, das Ende der Welt zu verkünden…
Bevor wir loslegen, muss ich Euch zu Eurem neuesten Meisterwerk „Eschaton“ gratulieren – es zeigt mal wieder, dass ANAAL NATHRAKH eine unaufhaltsame Black Metal Macht sind!
Ich bin sicher, dass metal.de nicht das einzige Magazin ist, welches das Album gerade abfeiert – wie sahen denn die bisherigen Reaktionen aus?
Vielen herzlichen Dank, es freut mich, dass Dir das Album gefällt. Ich habe mir das metal.de Review ins Englische übersetzt, um es ein paar Leuten zu zeigen, deshalb weiß ich auch, was drin steht. Die Reaktionen waren im Prinzip durch die Bank sehr ermutigend, wir haben wirklich tolle Reviews bekommen. Ich habe mich auch im Internet umgesehen, was die Leute über unser Album denken, und bin auf ein griechisches Review gestoßen, in dem der Typ meinte, es höre sich an wie ein Staubsauger. Der war ganz offensichtlich kein Experte für extremen Metal! Wir machen keine Musik, nur um dann die Meinungen der Leute darüber zu lesen, aber natürlich ist es immer schön, wenn anderen etwas gefällt, was man selbst erschaffen hat. Deshalb sind wir mit den bisherigen Reaktionen überaus glücklich. Manche meinen sogar, dass es eins der besten Alben im extremen Metal Sektor wäre, was wirklich sehr liebenswürdig von ihnen ist.
Obwohl ihr mittlerweile zu den alten Hasen im Black Metal Geschäft zählt, mit einer ganzen Latte Releases im Gepäck, gibt es noch eine ganze Menge Leute, für die Ihr ein unbeschriebenes Blatt seid. Für diese, bald mit dem ANAAL NATHRAKH Virus infizierten Seelen, gestatte uns kurz einen Blick zurück, wie Ihr Euch als Band zusammen gefunden habt. Was war die zündende Idee, welches Konzept steht hinter ANAAL NATHRAKH und wofür steht der obskure Name?
Es ist irgendwie seltsam – manche Leute denken, wir wären schon jahrelang unterwegs und jedem bekannt, und andere wissen nicht, wer wir sind, und haben bis vor letztem Jahr oder so nix von uns gehört. Das hat hoffentlich auch was Gutes, weil uns somit auch neue Leute kennenlernen.
Wie auch immer, wir wurden erschaffen, um Euch zu töten. Absolut brutaler, wilder, extremer Metal der sich anhört, als würde Dein Schädel eingedrückt werden, der aber dennoch einprägsam und vielschichtig ist. Wir haben in der Vergangenheit zwei Alben, eine EP und eine Demo-Kollektion veröffentlicht, und sind nun mit unserem dritten Album „Eschaton“ am Start. Keine Märchengeschichten, kein Wandern im Wald mit Folk Musik – einfach abgefucktes Adrenalin und abgrundtiefer Hass.
Einer der wesentlichen Faktoren, die Euch als seriöse Band nach vorn gebracht haben, war Euer Erfolg auf dem Internetportal mp3.com. Euer legendäres MAYHEM-Cover „De Mysteriis Dom Sathanas“ hat die Spitzenzahl von über 30,000 Downloads erreicht, und dazu beigetragen, Euren Namen in die Lande zu tragen. Wie seht Ihr diese Entwicklung? Was denkt Ihr über das Internet, betreffend Musikdownloads, Portale und Hörer-Communities?
Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nicht, diesen Song bei mp3.com hochgeladen zu haben – der Song, den wir am meisten beworben haben, war „Pandemonic Hyperblast“. Aber es stimmt, die Seite hat sehr dazu beigetragen, den Leuten Musik näher zu bringen, die sie sonst niemals gehört hätten. Es geschah zur Geburtsstunde des mp3-Siegeszugs, und mp3.com war ein Forum für Bands und Musik, welches eine sehr reichhaltige Quelle für Material war, das man sonst wohl kaum zu Gehör bekommen hätte. Natürlich gab’s dort auch jede Menge Scheiß, sogar richtig berühmten – aber es war großartig, um obskure Juwelen zu entdecken. Es war für mich DER Ort, an dem ich eine Menge Bands kennen- und später auch lieben lernte, z.B. DISGORGE oder GOATSBLOOD. Es ist wirklich eine Schande, dass das Geld nun Einzug gefunden und das Portal ruiniert hat; mit der neuen Version der Seite hab‘ ich mich seit Jahren nicht mehr befasst. Ich nehme an, MySpace dient nun einem ähnlichen Zweck, aber da herrschen andere Vorstellungen, die es geringwertiger machen, so weit es mich betrifft.
Allgemein ist das Internet ein fantastisches Werkzeug, vor allem wenn sich Deine Interessen außerhalb des Mainstreams bewegen. Und Musik ist eins der Felder, in dem es sich wirklich auszeichnet. Es kann eine wunderbare Ressource sein, solange man nicht meint, es wäre das Ein-und-Alles der Welt, wie manche Leute denken.
Die Verbindung Musik und Internet bringt uns zu einem der Hauptthemen der Musikindustrie: Piraterie und illegale Downloads. Was ist Eure Meinung zu Slogans wie „Copy Kills Music“? Es gibt sehr viele Positionen innerhalb dieser Diskussion – manche Musiker sind absolut gegen illegales Downloaden, weil sie ganz einfach gesagt keinen Lohn für ihre kreative Arbeit bekommen. Andere Musiker unterstützen Piraterie, weil sie das Gefühl haben, die Musik gehöre nicht der Musikindustrie. MOBY argumentiert z.B., dass er glücklich über jeden ist, der seine Musik hört, egal ob er diese nun gekauft oder illegalerweise heruntergeladen hat. Ich würde sehr gern Eure persönliche Meinung diesbezüglich erfahren. Auf welche Weise könnten sich illegale Downloads auf ANAAL NATHRAKH auswirken?
Ja, die Kehrseite des Internets für Bands ist die Piraterie – natürlich offenbart es Verbreitung, und ich kenne etliche Leute, die uns hören, weil sie uns mal irgendwann illegal runtergeladen haben. Auf andere Weise hätten sie die Band nie gehört, aber nun sind sie Fans und kaufen unsere CDs, was wirklich großartig ist – wir werden bekannter, und sie bekommen neue Musik, und hoffentlich auch etwas, was ihnen etwas bedeutet und sie zum Nachdenken anregt. Aber das muss man immer in Relation mit der Tatsache sehen, dass eine Band ohne Verkäufe nicht weitermachen kann. Mit etwas Glück wird es mehr und mehr Leute geben, die vernünftig genug sind und diese Downloads dazu nutzen, neue Musik kennenzulernen. Sie können über das Netz etwas über Bands erfahren und sich deren Kram anhören, und dann kaufen sie sich das, was ihnen gefällt.
Aber die Folge von blinder Piraterie ist der Tod von Bands – wenn Plattenfirmen merken, dass ihre Releases keine Verkaufszahlen erreichen, streichen sie das Geld, das Bands benötigen, um aufzunehmen und auf Tour zu gehen. Natürlich ist es abstoßend, Geld in Verbindung mit Musik zu sehen, wenigstens ist es das für mich. Aber es ist nun mal Fakt, dass Bands ohne Geld nicht überleben können. MOBY kann es sich leisten, glücklich über jeden zu sein, der seine Musik hört, weil er so viele Platten verkauft hat, dass das Einbrechen der Verkaufszahlen nicht das Ende der Welt für ihn wäre. Bei Musik wie der unsrigen können die Bands meistens nicht mal davon leben, und wenn die Plattenfirmen keine Vorschüsse, etc. leisten würden, könnten die Bands nicht ins Studio, um neue Alben aufzunehmen.
Wir sind in der glücklichen Lage, alles selbst aufnehmen zu können, aber andere Bands nicht. Und selbst in unserem Fall könnten wir nicht ewig weitermachen, wenn niemand unsere CDs kauft. Wie würde es Dir gefallen, monatelang zu arbeiten und nicht dafür bezahlt zu werden? Es ist eine Schande, aber so sieht’s nun mal aus.
Das Internet und seine Technologien haben neue Mittel und Wege in der Welt der Musik erschlossen, aber es gibt immer noch die „alten“ Technologien wie das Radio, um Bands und ihre Musik zu fördern. Ich denke mal, ihr ahnt, worauf ich hinaus will… 2003 wurdet ihr vom legendären DJ John Peel gefragt, eine seiner berühmten Sessions zu spielen. Was könnt ihr uns darüber erzählen, und was denkt ihr über John Peel, jetzt, wo er leider von uns gegangen ist?
Es war surreal. Wir hätten niemals daran gedacht, dass sich jemand wie John Peel für uns interessiert; als ich also eines Tages einen Anruf bekam, und mir jemand sagte, er wäre John Peels Produzent bei Radio 1, war ich ein bißchen von den Socken. Als wir uns dann die Show anhörten, und John so enthusiastisch über die Musik war, die wir auf seinen Wunsch für ihn aufgenommen hatten, also das war schon ein unglaubliches Gefühl. Er war nicht wie jeder andere – die Rolle, die er in den Anfangsjahren des extremen Metals gespielt hat, um Bands wie CARCASS und BOLT THROWER Gehör zu verschaffen, war riesig. Es war deshalb großartig für uns, nun zu dem „Club“ der Bands zu gehören, die für ihn eine Peel Session gespielt haben.
Die Aufnahmen selbst waren auch ein bißchen surreal – wir befanden uns geradewegs über der Halle mit dem Studio der BBC Philharmoniker, wir sahen TV Promis und so weiter. Und die Ausrüstung, die wir benutzten, war einfach lächerlich – das Mischpult war mehr wert, als unsere Häuser. Ein Effektgerät, was sie im Mix benutzt haben, kostete über 4000 Pfund. Ein Effekt! Aber es lief sehr gut, und wie ich schon sagte, war John Peel sehr angetan von dem, was wir ihm ablieferten. Wenig später baten uns BBC, wiederzukommen und eine weitere Session aufzunehmen – es war diese, die uns dazu gebracht hat, eine Live Band auf die Beine zu stellen, und eine weitere großartige Erfahrung; ohne sie hätten wir wohl nie live gespielt. Der BBC ist hier einiges zu verdanken!
Live-Auftritte sind in gewisser Weise problematisch für ein 2-Mann-Unternehmen wie Euch. Ihr habt die Peel-Session mit Shane Embury, Nick Barker und Chemical Nova gezockt – wie kam es zu dieser Konstellation? Soweit ich richtig informiert bin, habt ihr nur zwei weitere Gigs gespielt (im Dezember 2005), darunter wieder mit Shane Embury sowie Danny Herrera, beide bestens bekannt durch NAPALM DEATH. Wie war es, mit den beiden zu spielen? Gibt es Pläne für neue Gigs, und mit welchem (gewünschten) Line-Up könnten sie stattfinden?
Vergiss nicht Ventnor, er hat die Leads auf unseren Alben gespielt und auch jede Live-Ausgeburt mit uns gezockt. Wie ich bereits sagte, war es nicht die Peel-Session, für die wir die Live-Band zusammenstellten, es war die Rock Show Session (ebenfalls auf BBC Radio 1). Wir haben die Jungs einfach gefragt, ob sie mit uns spielen könnten und ob sie es überhaupt wollten. Das war alles, was wir machen mussten – sie fanden unsere Musik gut und waren froh, mit uns arbeiten zu können, also war es erstaunlich einfach. Bis wir im Rehearsal Studio waren, und mit Nick am Schlagzeug anfingen die Songs zu spielen, wußten wir nicht, dass es tatsächlich möglich war, die Songs auch live angemessen rüberzubringen. Aber das war es, und mehr noch, es hörte sich verdammt gut an. Einer unserer Freunde, der zu uns runter kam um uns zuzuschauen, lief aus dem Raum, weil ihm, so dachte er, der Kopf explodieren würde. Brutal. Und dann, mit Danny am Set – nunja, er ist einfach der Blast Master. In musikalischer Hinsicht war es also großartig, mit solch talentierten Jungs zu spielen, und natürlich war es auch für uns persönlich toll, mit diesen Leuten zu arbeiten, von deren Musik wir schon seit Jahren Fans waren. Soweit es uns betrifft, waren die Shows ein absoluter Erfolg, und die Reviews, die ich darüber gelesen habe, scheinen der gleichen Meinung zu sein. Einfach total abgefuckte Brutalität. Und es scheint, dass von den Leuten auch einiges erwartet wurde – viele von denen kannten all unsere Songs, und so.
Also – ja, es wird weitere Shows geben, und solange jeder der Beteiligten Zeit dafür hat, auch mit dem gleichen Line-Up. Ich sehe keinen Grund, warum nicht. Natürlich sind die Jungs von NAPALM DEATH immer ziemlich beschäftigt, und wir sind ja auch kein Napalm Nebenprojekt. Wenn es also Shows gibt, dann rechnet mit ANAAL NATHRAKH live, nicht irgendwas anderes. Wir werden sehen, was sich ergibt, aber ich denke, es wird bald Neuigkeiten geben.
Lass uns nun zu „Eschaton“ übergehen. Von mir persönlich ausgehend, seit „Total Fucking Necro“ aus dem Untergrund gekrochen ist, habt ihr mich als Fan nie enttäuscht. Kein einziger Song eures Demos und der folgenden Werke, der mich nicht hätte begeistern können, jedes Eurer Alben ein wahrer Killer – Brutaler und düsterer Black Metal, der eine absolut dunkle Atmosphäre verbreitet, so wie tausende Bands gern klingen würden, aber kläglich scheitern.
Was kannst Du uns über die ‚Genese‘ von „Eschaton“ erzählen, vor allem zum Kompositions- und Produktionsprozess? Wer außer Euch war noch daran beteiligt? Einige unserer Leser sind sehr daran interessiert, wer die einzelnen instrumentalen Parts übernommen hat (z.B. ob Danny Herrera oder Shane Embury in den Aufnahmesessions dabei waren).
Nochmals, danke. Unsere Alben entstehen sowohl in einer sehr langen Schaffensphase als auch sehr schnell. Ich weiss, das klingt verwirrend, aber es funktioniert derart, dass wir eine ganze Weile darüber sprechen, was wir vorhaben, und Ideen sammeln. Aber wenn dann die Zeit gekommen ist, dass Album zu machen, wenn die Masse an Ideen einen kritischen Punkt erreicht hat, geht alles ziemlich schnell. Mick geht ins Studio und fängt an, die Songs zu schreiben. Wenn er erstmal eine Idee in seinem Kopf hat, kann er daraus sehr schnell einen ganzen Song basteln. Weil wir so arbeiten, ist es also keine lange Kompositionsphase, gefolgt von einer kurzen Aufnahmezeit im Studio. Es ist eher so, dass Mick ins Studio geht, ein, zwei Songs aufnimmt, dann für eine Weile aufhört um dann wieder zurückzukommen, und mehr Material einzuhämmern. Es entsteht also innerhalb von Tagen und Wochen, aber wenn man das alles zusammenzählt, brauchen wir eigentlich viel weniger Zeit im Studio, als viele andere Bands.
Den gleichen Ansatz verfolgen wir auch, wenn ich den Gesang übernehme. Diese Spontaneität ist sehr wichtig für uns – es verschafft der Musik ein grösseres Gefühl von Druck, wie ein Rausch. Und dieses unmittelbare Gefühl ist sehr wichtig für unseren Sound. Wir verbringen eine Menge Zeit vor den eigentlichen Aufnahmen damit, über alles nachzudenken, so dass wir uns beim Aufnehmen nicht mehr den Kopf zerbrechen müssen und die Musik sich selbst überlassen können.
Was mir besonders aufgefallen ist, sind die melodischen Parts, vor allem in den Choruslinien und beim klaren Gesang. Hab ich nur klarer Gesang gesagt? Natürlich ist der Rest nichtsdestoweniger beeindruckend! Es markiert einen leichten Wechsel in der musikalischen Entwicklung – ist es ein kontinuierlicher Prozess? Wie werden sich ANAAL NATHRAKH weiterentwickeln, in welche Richtung werdet Ihr gehen?
In der Tat hat es auf allen unseren bisherigen Releases klaren Gesang gegeben, anfangs halt nur im Hintergrund. Manche Leute meinen, wir wären nun weich geworden, aber sie könnten gar nicht falscher liegen. Ich würde sagen, „Eschaton“ ist unser extremstes Werk seit unserem Debüt. Wir sind einfach nicht daran interessiert, auf der Stelle zu treten. Wir entwickeln uns stetig weiter und probieren Neues aus. ANAAL NATHRAKH ist ungestüme Musik, die manchmal wie die Hölle selbst klingt, die uns aber dennoch genug Raum bietet, um viele unterschiedliche Dinge auszuprobieren. Wir haben keine Blaupausen oder irgendeinen Plan, dem wir folgen, dafür ist das alles viel zu chaotisch. Wir tun einfach das, was sich natürlicherweise ergibt – nichts wird im Voraus wirklich geplant, und es gab keine richtige Absicht, klaren Gesang mit einzubauen. Wir haben’s einfach gemacht, aus einem Grund: weil wir dachten, es würde sich großartig anhören, und einen guten Kontrast zu den wirklich krassen Parts der Musik bilden – es ist eine Gegenüberstellung. Manche Leute sagen, ohne Dunkelheit gäbe es kein Licht. Wir sind das Gegenteil – das Licht, die Strahlen des Sonnenlichts, die durch das Dach der Hölle scheinen, heben nur den Horror von allem anderen hervor. Ich denke mal, deshalb fallen vielen Leuten diese Parts auf – sie stechen hervor, und lassen Dich erkennen, was eigentlich passiert. Ich hab keine Ahnung, wie wir uns in Zukunft entwickeln – wir sind genau wie jeder andere gespannt, was wir als Nächstes tun werden.
Manche Leute, mit denen ich mich unterhalten habe, meinten auch, dass Dave eine weitaus bessere Gesangsleistung abliefert, als bei seiner anderen Band BENEDICTION. Wäre interessant von Dave zu erfahren, wo er diesbezüglich den Unterschied zwischen BENEDICTION und ANAAL NATHRAKH sieht.
ANAAL NATHRAKH ist unser Baby, wir können tun, was immer wir wollen. Wir haben das ganze Ding selbst aus der Taufe gehoben, wir haben den Sound geformt und haben Kontrolle über alles, was wir tun. Was BENEDICTION betrifft, sind sie schon seit langem unterwegs und hatten ihren eigenen Sound, längst bevor ich dazu kam. Deshalb ist es für mich eher eine Frage der Anpassung an das, was für die jeweilige Band nötig ist. Das soll nicht heißen, dass ich ein unterschiedliches Maß an Engagement habe, oder sowas ähnliches – Ich gebe mein Bestes, egal wobei. Aber BENEDICTION ist BENEDICTION – eines der Hauptmerkmale der Band ist, dass sie klingt wie BENEDICTION und sonst niemand. Es ist also ziemlich strikt, wenn’s darum geht, was angebracht ist – nicht als Einschränkung, sondern einfach als Tatsache. Sowohl die Art, wie ich singe und auch die Texte, die ich schreibe, müssen sich dieser Tatsache unterordnen. Stell Dir vor, Du wärst Kellner und Dein Gast hätte Burger und Fritten bestellt – Du würdest ihm ja keinen Salat bringen. Es ist eine Ehre und Vergnügen mit einer Band wie BENEDICTION zu arbeiten, und es war eine großartige Möglichkeit, rauszukommen und die Welt auf Tour zu sehen. Und das ist es noch immer, und ich freue mich schon, mehr davon in Zukunft zu machen.
Aber die Arbeit bei ANAAL NATHRAKH ist mehr mein „Baby“. Am besten lässt sich das so beschreiben: Bei BENEDICTION geht es darum, mit einem speziellen Sound zu spielen, und so gut wie möglich zu sein, während es bei ANAAL NATHRAKH mehr um das persönliche Gefühl geht. Sie sind bei sehr erfüllend, nur halt in unterschiedlicher Weise.
…um gleich noch eine fiese Frage hinterher zu werfen: Wenn sich Dave für eine der beiden Bands entscheiden müsste, welche würde er auswählen? Ist eine der Bands „wichtiger“ für ihn?
Darauf gibt es eigentlich keine Antwort. Wen von Deinen Geschwistern oder Kindern würdest Du denn auswählen?
Wenn ich mich recht erinnere, stammt „Eschaton“ aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie ‚Apokalypse‘ oder das Ende der Welt. Ich weiss, dass ihr nix von Euren Lyrics rausrückt, aber es wäre sehr interessant, wenigstens einen kleinen Einblick in das lyrische Konzept von „Eschaton“ zu bekommen. Und wo wir gerade dabei sind, könntet Ihr uns auch etwas über das Artwork erzählen. Ich finde die Verbindung des semantischen Konzepts von „Eschaton“ mit den Fraktalen (und ihren mathematischen und chaotischen Implikationen) sehr faszinierend.
Nun ja, es ist nicht das einzige Konzept, von dem dieses Album handelt, aber den Rest muss schon jeder für sich selbst erschließen. Aber es geht schon um das Ende der Welt, wie es durch den Albumtitel ausgedrückt wird. Und, ja, es ist auch an die Fraktale gebunden. Ich bin ursprünglich über die Zeitwellen-Theorie darauf gestossen, welche Bedeutung der 21. Dezember 2012 hat. Dieses Datum hat für eine Reihe von Leuten eine grosse Bedeutung, angefangen von den Mayas im alten Südamerika bis heute, wo Leute Berechnungen darüber anstellen. Alle sagen eine gewaltige Veränderung der Gesellschaft voraus, wenn nicht sogar das Ende der Welt. Der Typ, der diese Idee vorantrieb (vgl. Terence McKenna, Anm. d. Verf.), mag vielleicht ein Spinner gewesen sein, aber die Idee erschien mir sehr interessant und denkwürdig für ANAAL NATHRAKH. Das Ende der Welt ist faszinierend, vor allem wenn man an die Welt und die Menschheit von einer Perspektive herangeht, die mit Hass und Misanthropie ausgefüllt ist. Die Theorie besagt, dass man die menschliche Geschichte als Perioden betrachten kann, von sogenannten ‚Neuerungswellen‘ – also wann grosse wissenschaftliche und kulturelle Fortschritte gemacht werden – und von alternierenden Perioden der Konsolidierung – wenn die Menschheit sich, metaphorisch gesehen, zurücklehnt, anstatt sich nach vorn zu bewegen. Der Bau der Pyramiden wäre ein Optimum einer solchen Neuerungswelle, gleiches gilt auch für die Mondlanung, und so weiter. Diese Perioden folgen einem Muster, die man als Fraktale interpretieren kann (deshalb die Fraktale im Artwork), und weil sie einem Muster folgen, kann man vorhersagen, wie sie sich in der Zukunft verhalten werden. Der Typ hinter dieser Theorie meinte, das im Dezember 2012 ein kritischer Punkt erreicht werde, wenn die Instanz der Neuerung so profund sein wird, dass sie das Ende unseres Lebens, unserer Zivilisation bedeute. Es könnte auch das Ende der Welt bedeuten. Ich behaupte nicht zu wissen, was passieren wird, aber die Idee ist faszinierend.
Die Menschen sind seit jeher mit dem Gedanken der Sterblichkeit besessen – das älteste, bekannte Werk der Literatur ist das Gilgamesch-Epos, und es handelt genau davon. Also die ultimative Sterblichkeit – das Ende allen Lebens – das ist hochinteressant. Wird es geschehen? Wie wird es geschehen? Würden wir es verdienen? „Eschaton“ befasst sich zumindest zum Teil mit diesen Fragen, und die Antworten, die es gibt, sind nicht gerade Freude erweckend.
„Eschaton“ erscheint wie sein Vorgänger über Season of Mist. Seid Ihr zufrieden mit ihrer Arbeit? Wie gestaltet sich das Arbeitsklima zwischen Euch als Band und dem Team von Season of Mist?
Kein Label ist perfekt, aber SoM sind definitiv sehr hilfsbereit und verantwortungsvoll. Von allen Problemen, die mir bisher mit Labels untergekommen sind, hatte ich keins mit SoM und sie scheinen echt enthusiastisch bei der Sache zu sein. Gemessen an dem, was ich bisher von anderen Labels gesehen habe, könnten wir uns gar nichts besseres wünschen. Wir haben einen Vertrag über zwei Alben unterschrieben, der jetzt mit „Eschaton“ erfüllt ist. Wir wissen zur Zeit nicht, was wir hinsichtlich unseres nächsten Albums unternehmen werden, aber wir würden SoM nicht links liegen lassen. Und das soll was heißen.
Um die vorangegangene Frage um einen zusätzlichen Aspekt zu erweitern: Auf welche Weise unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit SoM von den bisherigen Labels? Es gab da ja einigen Ärger mit Mordgrimm und Earache, vor allem wegen der kürzlich erschienenen Re-Releases von „The Codex Necro“ und „When Fire Rains Down From The Sky, Mankind Will Reap As It Has Sown“. Könnt Ihr darüber etwas erzählen, oder ist dieses Kapitel bereits abgeschlossen?
Geschehen ist geschehen, es macht wenig Sinn darüber noch Worte zu verlieren, ich schau lieber nach vorn in die Zukunft.
Wo wir gerade bei Labels und all dem Kram sind – Wie sieht’s mit Eurer allgemeinen Haltung gegenüber der Musikindustrie aus?
Nun, ganz allgemein…sie stinkt. CDs werden zu widersinnigen Preisen in den Läden verkauft – hier in Großbritannien sind es meist um die 12-16 Pfund. Was glaubst Du wieviel davon in den Händen der Künstler landet? Gewöhnlich ist es ungefähr 1 Pfund. Der Rest geht ans Label, an die Vertriebe, die Läden und so weiter. Ich glaube kaum, dass das die meisten Leute als fair bezeichnen würden. Aber man muss sich damit abfinden, dass die Sache nunmal so läuft, und das beste Label finden. Wir haben das gemacht, und SoM hat sich meiner Meinung nach als gute Wahl erwiesen. Mick arbeitet gerade mit Shane Embury an FETO, einem neuen Label, wo wir viel mehr Kontrolle über das, was passiert, haben werden. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob es in der Lage sein wird, das nächste ANAAL NATHRAKH Album zu veröffentlichen. Es ist sicherlich ein Weg, um sich jeglichen Ärger mit Labels zu ersparen – startet Euer eigenes!
Wir haben ja bereits zu Beginn des Interviews über das Konzept von ANAAL NATHRAKH gesprochen. Ihr kommt aus Großbritannien, was nun nicht gerade das stereotypische Black Metal Land ist (obwohl hier ein paar echt großartige Bands dem Untergrund entsprungen sind). Eure Heimat ist Birmingham, vielleicht DER musikalische Höllenschlund Großbritanniens. Die Kriegsmaschine NAPALM DEATH wurde dort gegründet und auch ihr früheres Mitglied Mick Harris (SCORN, LULL, WEAKENER) pflegt diese seltsame Hassliebe zu dieser Stadt. In welcher Art und Weise hat Euch Birmingham beeinflußt bzw. tut es dies noch immer?
Ich denke mal, die Aussage, Birmingham sei ein Höllenschlund, ist im Laufe der Jahre von verschiedenen Leuten ziemlich übertrieben worden. Vergiss nicht, als BLACK SABBATH hier aufgewachsen sind, befanden sie sich in der frischen Nachkriegszeit. Birmingham hat eine industrielle Geschichte, und wurde davon natürlich schwer getroffen, und genau das war die Welt, die diese Jungs zu sehen bekamen. Diese Eindrücke haben sicherlich auch ihre in den Medien geäußerten Meinungen beeinflusst. Eine weitere Folge seiner Industriegeschichte ist die Verschmutzung, es gibt keine sonderlich inspirierende Architektur und die Leute aus den reicheren Gegenden schauen auf diese Stadt herab. Die wirtschaftlichen Probleme während der 70er und 80er wirkten sich ebenfalls sehr stark aus, und in dieser Welt wuchsen die Jungs von NAPALM DEATH auf. Soziale Ungerechtigkeit, Arbeitslosigkeit und natürlich die politischen Reaktionen darauf. Aber ich glaube kaum, dass sich das von anderen grossen Industriestädten unterscheidet. Es ist einfach so, dass die Leute hier manchmal eine ziemlich geringschätzige und düstere Selbsteinschätzung haben. Und es ist oft schwer für Aussenstehende, die positiveren Seiten über den lokalen Charakter zu sehen, z.B. Widerstandskraft und ein starker Sinn für Humor. Aus Birmingham zu kommen, scheint die Leute hier bodenständiger und realistischer zu machen. Und nur weil jemand denkt, dass Du irgendwas bist – dick, arm, schlecht gebildet, was auch immer – heißt es nicht, das Du’s auch bist. Sartre war auch nicht komplett bescheuert, weißt Du. Birmingham hat sich auch in den letzten 10-15 Jahren ziemlich verändert. Es ist nicht mehr dieser bedrückende Ort, der er mal vor einem oder zwei Jahrzehnten war. Wir als Individuen sind Produkte unserer Umgebung, mit all den guten und schlechten Dingen, die diese beinhaltet. Aber wir sind nicht so schwerfällig und engstirnig, wie es uns der Stereotyp weismachen will. Wir schauen nicht auf unsere Heimat herab.
Was sind Eure musikalischen Einflüsse? Mannomann, die ganze Zeit laber ich hier über ANAAL NATHRAKH und Black Metal ohne Euch mal zu fragen, wie IHR Eure Musik beschreiben würdet. Ist es Black Metal oder vielleicht noch mehr? Was macht für Euch ‚Black Metal‘ aus?
Nun ja, wir haben mit Black Metal angefangen. Wir haben nicht wirklich versucht, unser Genre zu verkörpern, aber es war die Grundidee. Es war auch das letzte Mal, dass wir wirklich über Genres nachgedacht haben – wir kümmern uns einfach nicht drum. Black Metal ist für mich frühe BURZUM, DARKTHRONE; ULVERs „Nattens Madrigal“ ist eins meiner Lieblings BM-Alben. Es gibt einen gewissen Spirit, der manchen ähnlich klingenden Bands innewohnt, sie zu Teilen eines bestimmten Stils macht oder sie zumindest damit identifiziert. Aber für mich wird Black Metal über diese Alben definiert. Deshalb nehme ich an, dass man aufgrund unserer Einstellung und der Tatsache, dass uns Black Metal Fans mögen (also allgemein, manchmal nicht die absoluten ‚Kvlt‘-Fans), sagen könnte, wir sind damit verbunden. Aber es geschieht nicht richtig bewußt, wie spielen einfach das, was am besten zu ANAAL NATHRAKH passt. Ich kenne eine Menge Leute, die uns mögen, obwohl sie eher nicht auf Black Metal stehen, und auch umgekehrt.
Die grosse Mehrheit der Bands hasst es, in eine Schublade gesteckt zu werden oder einen bestimmten Stempel aufgedrückt zu bekommen (zumindest sagen sie das…). Was haltet Ihr von Musikjournalisten, die sich an festen Genres festklammern oder sich verwirrende Stilbezeichnungen wie z.b. „Psycho-Avantgarde-Post-Modern-Cyber-Black’n’Roll“ ausdenken? Wie sind Eure Erfahrungen mit den Medien generell?
Wir hassen es nicht wirklich, bezeichnet zu werden, wir geben einfach nix darauf. Die Leute können unsere Musik nennen, wie sie wollen, wir orientieren uns nur daran, ob wir zufrieden sind mit dem, was wir machen, und ob es die Leute, die es hören, auch mögen. Ich finde es ziemlich verwirrend, wenn ich merke, dass Reviews aus der Perspektive eines Stils geschrieben worden sind – letztens hab ich eins gelesen, dass, obwohl es gut ausfiel, doch recht angepisst klang, weil wir nicht ganz so Industrial-mäßig klingen, wie man es von einer Industrial-Band erwartet. Als ob wir versuchen würden so zu klingen und dann daran scheitern. Einfach lächerlich. Aber wenn die Leute unsere Musik so aufnehmen, wie sie ist, und solche Stilbezeichnungen nur dafür benutzen, um sie irgendwie zu beschreiben, ist das schon ok.
So, jetzt möchte ich den Kreis mit einer allerletzten, auf die Zukunft schielende, Frage schließen: „Eschaton“ erobert zur Zeit die Szene – was kommt als Nächstes? Gibt es irgendwelche Pläne für die nicht allzu ferne Zukunft? Irgendwelche Veröffentlichungen oder Nebenprojekte, über die unsere Leser etwas wissen sollten?
Was die unmittelbare Zukunft betrifft, arbeiten wir an anderen Dingen. Es gibt eine Phase nach der Veröffentlichung eines Albums, in der man in aller Ruhe beobachten kann, wie es angenommen wird.
Wir mixen das neue MISTRESS Album, Mick arbeitet am Label und die EXPLODER CD, die darüber veröffentlicht wird, ich werde mich um die BENEDICTION Songs des nächsten Albums kümmern, und so weiter und so fort. Und dann werden wir wohl auch bald wieder die Bühnen entern. Wir haben nicht vor, eine vorhersehbare Tourband zu werden – wir wollen die Dinge alle etwas spontaner angehen. Aber es wird sicherlich bald einige Shows und Events geben. Mit etwas Glück werden wir mindestens ein Festival bald ankündigen. Und wenn die Zeit kommt, werden sich die Tore zur Hölle öffnen…
Ok, das reicht dann auch wirklich für heute, ich hab Euch lang genug mit meinen Fragen genervt 😉 Herzlichen Dank für Eure Geduld in diesem Interview-Marathon – die letzten Worte gehören natürlich Euch!
Danke für den Support. Ich hoffe, es ist ein lesenswertes Interview geworden. Ich kann’s auf den Tod nicht ausstehen, wenn Leute meine Zeit mit scheinheiligem Mist verschwenden, und will selbiges nicht mit der Zeit anderer Leute tun.
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