Amon Amarth
"Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich dafür bezahlt werde, jeden Abend Leute anzubrüllen!"

Interview

AMON AMARTH ist für dich ja sowas wie ein Vollzeitjob. Mich würde interessieren, wie viele Stunden du durchschnittlich mit der Band und allem, was drumherum so anfällt, beschäftigt bist.

Durchschnittlich? Das ist natürlich schwer zu sagen, denn es hängt davon ab, ob wir gerade auf Tour sind oder im Studio, aber ich würde mal sagen, dass es auf jeden Fall keinen Tag gibt, an dem ich mich nicht um irgendetwas kümmern muss. Gerade so unspektakuläre Dinge wie E-Mails schreiben oder beantworten, aber natürlich auch Ideen austauschen, Konzepte entwerfen und so weiter – es gibt immer was zu tun! Aber so würde ich sagen, dass ich in etwa ein bis zwei Stunden am Tag mit AMON AMARTH beschäftigt bin.

Das klingt jetzt erst einmal relativ überschaubar…

Ja, weil Olavi derjenige ist, der das Geschäft führt. Bei ihm sind das sicher mehr Stunden als bei mir. Hinzu kommt, dass ich manchmal etwas nachlässig bin, gerade was E-Mail-Angelegenheiten angeht. Ich lasse ab und an mal einfach was liegen oder schiebe es auf.

Hast du trotzdem manchmal den Wunsch, ein eher geregeltes Leben abseits des Musikerdaseins zu führen?

Das ist wieder so eine schwierige Frage, denn die Antwort ist beides: Ja und nein. Natürlich gibt es Momente, wo du dir denkst, dass ein normales Leben doch gar nicht so schlecht gewesen wäre. Du könntest mehr Zeit mit deiner Frau verbringen oder einfach jeden Tag entspannt abhängen. Auf der anderen Seite müsstest du dir dann aber trotzdem einen Job besorgen und das war’s dann mit dem Abhängen. (lacht) Aber du müsstest nicht mehr so oft weg sein, denn das ist das Schwierigste an der ganzen Sache. Für mich ist das schon hart genug, und ich habe nur eine Frau und Katzen. Manche von den Jungs hingegen haben Kinder, also glaube ich, dass das für sie noch schwieriger ist. Keine Ahnung, wie sie dazu stehen, aber für mich ist es nicht immer leicht.

Auf der anderen Seite habe ich das Glück, genau das machen zu dürfen, was ich liebe: auf einer Bühne stehen. Ich mag das Reisen zwar nicht, aber das ist Teil des Jobs. Shows zu spielen, ist hingegen einfach nur wundervoll. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich dafür bezahlt werde, jeden Abend Leute anzubrüllen – das ist fantastisch! (lacht) Aber um das alles abzukürzen: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wieder das zu machen, womit ich früher mein Geld verdient habe.

Johan Hegg live in Action

Wenn wir schon über dein Privatleben reden, lass uns doch noch kurz bei dem Thema bleiben – und dennoch über etwas komplett anderes anschneiden. Die nordische Mythologie spielt für euch als Band bekanntermaßen eine tragende Rolle. Doch welchen Einfluss haben die altnordischen Sagen und Legenden auf dich und deinen Alltag?

Ich war nie ein besonders gläubiger Mensch. Mein Vater hat mir mal gesagt, dass ich aufgehört habe an einen Gott zu glauben, noch bevor ich nicht mehr an den Weihnachtsmann geglaubt habe – und ich kann mich beim besten Willen an keine Zeit erinnern, in der ich je an den Weihnachtsmann geglaubt habe. Von einem philosophischen Standpunkt aus betrachtet finde ich die nordische Mythologie jedoch sehr inspirierend. Aber das haben Sagen und Legenden wohl so an sich. Auch in der Bibel finden sich einige faszinierende Stellen. Ich denke jedoch, dass ein Gott nicht angebetet oder verehrt werden sollte oder man aus allem gleich eine Religion machen muss. Einige Passagen in der Bibel sind beispielsweise einfach nur verdammt bösartig.

Aber kommen wir zur nordischen Mythologie zurück: Es gibt meiner Meinung nach dort einige Geschichten, die uns noch heute etwas lehren können, beispielsweise wie wir unsere Mitmenschen behandeln sollten, insbesondere wenn es um Ehrlichkeit, Vertrauen oder Loyalität geht. Aber auch wie wir uns gegen unsere Feinde zur Wehr setzen können – und damit meine ich nicht, dass wir ihnen den Kopf abschlagen sollten, sondern dass man sich stets selbst behaupten sollte. Insgesamt sind wir nämlich gar nicht wirklich so weit weg von den Leuten, die noch nach diesen Regeln gelebt haben, wie wir manchmal gerne glauben. Klar, wir sind eine technologisierte Gesellschaft, aber in Sachen Emotion oder Mentalität haben wir uns seit der Wikingerzeit nicht wirklich weiterentwickelt. Wenn es auf die wirklich wichtigen Dinge ankommt, waren die Leute damals so wie wir heute.

Versteh mich aber bitte nicht falsch. Ich hätte nicht gerne damals gelebt, diese Zeiten waren einfach nur furchtbar, denn das Leben war früher viel härter, als es heute ist. Das sollte uns eigentlich zum Nachdenken anregen, denn wir müssen begreifen, wie gut wir es heutzutage eigentlich haben. Also wie gesagt: Auf einer emotionalen und philosophischen Ebene hat mich die nordische Mythologie über die Jahre stark beeinflusst. Wie genau, kann ich aber nicht sagen. Es ist einfach ein bestimmtes Gefühl, das sich nur schwer beschreiben lässt.

Trotzdem hast du es ziemlich gut erklärt, danke dafür! Nun muss ich aber doch die Frage stellen, auf die alle Fans gespannt warten: Was kannst du uns über das kommende Album sagen?

Tut mir leid, ich habe keinerlei Information dazu.

Na gut, dann bleiben wir einfach mal gespannt. Abschließend würde ich gerne noch mit dir ein wenig über die Musikindustrie sprechen, ein Thema, das derzeit ja heiß diskutiert wird. Ihr seid ja jetzt seit fünfundzwanzig Jahren im Geschäft und habt praktisch miterlebt, wie sich die Musikwelt gewandelt hat. Wie bewertest du diese Entwicklung? Lohnt es sich überhaupt noch, Musiker zu werden?

Ich glaube, es ist inzwischen einfach verdammt schwierig. Von der Musik zu leben, ist fast unmöglich geworden. Die Gründe dafür sind vielseitig. Der Markt ist gesättigt mit allen möglichen Bands und Künstlern, da wird es immer schwieriger, herauszustechen oder überhaupt Aufmerksamkeit zu bekommen. So wie wir damals, haben auch die Kinder heutzutage ein sehr romantisiertes Bild davon, was es bedeutet, im Musikgeschäft mitzumischen. Viele junge Bands glauben, dass sie ab dem Zeitpunkt, wo sie einen Plattenvertrag unterschreiben, nicht mehr arbeiten müssen. Zumindest habe ich diesen Eindruck. Das ist natürlich nicht der Fall. Sobald du erst einmal bei einem Label bist, geht die Arbeit erst richtig los. Wenn du da dann deine ganze Kraft reinsteckst, dranbleibst und auch bereit bist, einige Jahre mit deiner Musik nichts zu verdienen, dann kann es sein, dass du an dein Ziel kommst. Wenn du dieses Risiko nicht eingehst, kannst du es eigentlich gleich vergessen. Dass dir die Dinge einfach vor die Füße fallen, wird nicht passieren.

Streamingplattformen wie Spotify stehe ich mit gemischten Gefühlen gegenüber. Zum einen ist es natürlich eine tolle Möglichkeit für junge Bands, ihre Musik unter die Leute zu bringen. Allerdings gibt es dadurch ein so massives Überangebot an Bands und Künstlern, dass du ohne ein Label im Rücken vermutlich gar nicht wahrgenommen wirst. Es ist also ein zweischneidiges Schwert. Eines ist sicher: Für junge Künstler wird es immer schwieriger! Deswegen bin ich wirklich glücklich darüber, dass wir eine gewisse Größe erreicht haben, sodass wir uns über solche Dinge kaum mehr Gedanken machen müssen. Ich hoffe einfach, dass die Streamingindustrie eines Tages so groß ist, dass Künstler tatsächlich davon leben können. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

Ganz bestimmt! Johan, vielen Dank für das tolle Interview. Die letzten Worte gehören dir!

Ich danke dir! An sich habe ich tatsächlich aber gar nichts mehr zu sagen. (lacht)

 

 

 

 

 

 

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Quelle: Johan Hegg, Amon Amarth
25.11.2018

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