Amon Amarth
Amon Amarth
Interview
Die Erfolgskurve von Amon Amarth zeigt stetig nach oben. Von Album zu Album konnte man sich beständig steigern, was dazu führte, dass sich auf dem diesjährigen Wacken Open Air um 12 Uhr mittags die rekordverdächtige Menge von ca. 12000 Menschen vor der Black Stage versammelte, um den fünf Nordmännern und ihren musikalischen Leckerbissen zu lauschen. Jetzt erscheint mit "Versus The World" das mittlerweile vierte Full Length-Album der Schweden, das einmal mehr aufzeigt, dass Amon Amarth noch lange nicht am Zenit ihres Könnens angekommen sind. Grund genug, um bei Fronthüne Johan Hegg, der trotz seiner unheimlich tiefen Stimme äußerst sympathisch wirkt, während seines Aufenthaltes im Metal Blade Office nach dem Befinden zu fragen. Dabei offenbarten sich nicht nur Fakten und Geschichten rund ums neue Album. Nein, es wurden auch überraschende Trink- und Genesungstipps für Erkältete ausgesprochen.
Danke, mir geht es sehr gut! Und so kalt ist es gar nicht. Als ich am Montag Schweden verlassen habe, hat es geschneit und das Thermometer zeigte -7°C. Also ist das hier gar nicht so schlimm. Aber Du klingst ziemlich erkältet.
Ja, das bin ich auch. Der Temperatursturz vom Urlaub zurück nach Deutschland war wohl etwas zu groß.
Ich sage dir mal was. Trink einfach viel Whiskey! Das wird zwar deine Erkältung nicht heilen, aber dafür hast du wenigstens mehr Spass daran, dass du krank bist. (lacht)
Eigentlich keine schlechte Idee. Aber bevor wir hier anfangen zu saufen, lass uns noch ein wenig über euer neues Album sprechen. Ich finde, es geht wieder ein wenig zurück zu den Anfängen. Es ist langsamer und nicht so brutal wie noch „The Crusher“. Würdest du dem zustimmen?
Ich würde dem schon zustimmen. Es ist eine Kombination aus „The Avenger“ und „The Crusher“ mit einigen Ausflügen in „Sorrow Throughout The Nine Worlds“- und „Once Sent From The Golden Hall“-Zeiten, weil „Versus The World“ alle Elemente dieser Alben vereint. Du hast die langsamen Stücke, die brutalen Tracks, die Melodien und Harmonien. Natürlich sind auch neue Bausteine vorhanden, die dieses Album zu einem wichtigen weiteren Schritt in unserer Karriere machen. Nimm z.B. mal den Sound des Berno Studios. Er verschafft unseren melodiösen Parts viel mehr Gewichtung als das noch vorher der Fall war.
Was wollt ihr mit dem Titel „Versus The World“ ausdrücken? Wer soll diesen Kampf kämpfen?
Im Prinzip hat jeder von uns diesen Kampf zu kämpfen. Jeder kennt doch das Gefühl, wenn man auf einmal denkt, dass sich alles und jeder gegen einen verschworen haben und somit die ganze Welt gegen einen allein ist. Hauptsächlich ist es aber eine Message, für seine Sache zu kämpfen, dafür zu kämpfen, für was man selbst steht und das zu tun, was man für richtig hält, obwohl viele versuchen, Dich zu Boden zu bringen und Dir vorzuschreiben, was du zu tun und zu lassen hast. Betrachtet man den Titel mal aus der Sichtweise der Band, dann stellt er auch eine Retrospektive auf unsere Karriere und die letzten zehn Jahre dar. Wir hatten viele Tiefs, die uns aber im Endeffekt nur stärker gemacht haben.
Ist es nicht auch ein Statement gegen die Welt und wie sie heutzutage ist? Das einzige, was man in den Nachrichten sieht, ist Krieg, Terror, Gewalt.
Das kann man da mit Sicherheit auch hinein interpretieren. Aber Primäraussage unsererseits ist das nicht. Es steht aber jedem frei, den Titel für sich selbst zu deuten.
Wie sieht es mit den Texten aus? Eure Themen haben sich nicht verändert, oder?
Nein, es geht immer noch um Wikinger. Aber es gibt ein Konzept auf diesem Album: das Ende der Welt in der nordischen Mythologie. Das passt auch wunderbar zur Musik auf „Versus The World“. Natürlich symbolisieren diese Themen auch uns als Band, denn in Ragnarok wird eine Welt zerstört und eine neue erschaffen. Genauso fühlen wir uns. Die alten Amon Amarth liegen in der Vergangenheit. Jetzt haben wir dieses Album gemacht, was einen neuen Schritt für uns darstellt. Es ist professioneller. Ich denke, wir haben jetzt ein Level erreicht, das uns erlaubt, als Metalband geschätzt zu werden.
Aber irgendwann müssten doch mal die Ideen ausgehen. Woher kommt diese unendliche Faszination für die Wikinger und die nordische Mythologie, die ja augenscheinlich immer wieder in großer Inspiration mündet?
Ich lese sehr sehr viele Bücher darüber. Ich lasse mich z.B. sehr gerne und viel von der Edda inspirieren.
Warum spielt die Farbe des Feuers bei allen euren Coverartworks so eine tragende Rolle?
Feuer ist das kraftvollste Element, das es gibt. Es kann sowohl dein bester Freund, als auch dein größter Feind sein, wenn du nicht vorsichtig bist. Es ist unzuverlässig. Außerdem ist es ein Symbol für Leidenschaft. Und genau das wollen wir mit unserer Musik beschreiben: Kraft und Leidenschaft! Das hat uns seit Anfang unserer Karriere begleitet und ich mag Feuer auch sehr gerne. Feuer ist cool! (lacht)
Ja, es ist warm. Wärmer als dieses Mistwetter hier. Du hattest vorhin schon das Berno Studio erwähnt. Warum fiel eure Wahl auf dieses, als Peter Tägtgren sein Abyss Studio so gut wie dicht gemacht hat?
Bei der Studiowahl hatten wir anfangs mehrere Optionen. Das Studio Fredman in Göteborg wäre z.B. auch noch eine Alternative gewesen. Als wir dann aber einige Produktionen aus dem Berno Studio hörten, wie z.B. The Haunteds „…Made Me Do It“ oder die Alben von The Crown, war es für uns keine Frage mehr. Wir wollten dort aufnehmen. Es war also keine so schwere Entscheidung.
Musstet ihr deswegen eure Arbeitsweise beim Songwriting umstellen?
Nicht wirklich. Wir kommen immer gut vorbereitet ins Studio. Die Songs sind immer schon bis ins Detail ausgearbeitet. Nur manchmal müssen noch Kleinigkeiten daran gemacht werden.
Und wie sah es mit der Arbeit im Studio aus?
Ja, da mussten wir uns diesmal etwas umstellen. Wir konnten nie alle gemeinsam im Studio sein, da wir ja alle neben der Band noch arbeiten müssen und es sehr schwer zu realisieren ist, dass alle gleichzeitig frei bekommen.
Liegt es auch an dieser veränderten Arbeitsweise, dass du deinen Gesangsstil etwas gewechselt hast? Du setzt deine Stimme nur noch sehr selten kreischend hoch ein. Dafür gehst du verstärkt mit tiefem Growling zu Werke.
Das könnte einer der Gründe sein. Ich war immer nur alleine mit Berno im Studio. Kein anderer der Band war anwesend. Aber es war auch ein zum Teil gewollter Prozess, da ich meinen Gesang der textlichen und musikalischen Ausrichtung von „Versus The World“ anpassen wollte. Meiner Meinung nach wäre es nicht gut gewesen, noch solch ein „screamiges“ Album wie „The Crusher“ zu machen. Einen großen Teil hat aber auch das Recordingequipment und die Aufnahmetechnik zu dieser Änderung beigetragen. Ich hatte noch nie ein so dermaßen gutes Mikrofon für meine Aufnahmen benutzen dürfen. Der Sound war so unglaublich klar, dass er schon fast gar nicht mehr zur Musik gepasst hat. Wir mussten ihn nachträglich wieder etwas rauher machen. So etwas mag ich eigentlich nicht, aber es musste einfach sein, weil sich das Endergebnis sonst etwas komisch angehört hätte. Das Mikrofon hat wirklich jeden einzelnen Ton, den ich von mir gab, eingefangen, weswegen man auch an manchen Stellen des Albums so klare und scharfe Vocals hören kann.
Wann habt ihr eigentlich das neue Material geschrieben? Ihr wart auf großer Tournee und habt die Sommerfestivals gespielt. Wann blieb da Zeit für das Songwriting?
Der Großteil der neuen Songs ist auf Tour entstanden. Wir haben z.B. während der Soundchecks immer mal neue Ideen, die wir hatten, einfach ausprobiert. Ich habe auch einige Texte on the road geschrieben.
Schreibst Du alle Texte alleine?
Ja, ich habe alle Texte, bis auf einen, selbst geschrieben.
Wer hat den anderen geschrieben?
Meine Schwester.
Also könnte man sagen, dass ihr sozusagen „Partners in mind“ seid?
Ja, und „Partners in crime“! (lacht) Nein, Spaß beiseite. Man kann wirklich sagen, dass wir beide ziemlich gleich fühlen und denken. Sie hat mir gesagt, dass sie meine Texte sehr gerne mag und sich mit ihnen identifizieren kann. Dabei kann sie mit unserer Musik gar nicht mal so viel anfangen. Sie schickte mir dann mal eine Geschichte zu, die sie „Meine Wahrnehmung der Dinge“ genannt hat. Als ich sie gelesen hatte, wusste ich sofort, dass das die Lyrics zu dem Song „Thousand Years Of Oppression“ werden würden, weil dessen Stimmung durch den Text perfekt eingefangen wurde. Also habe ich diese Geschichte genommen und sie ein wenig überarbeitet, damit sie besser zur Musik passt. Die Hauptidee dazu kam aber von meiner Schwester. Es sind ganz allein ihre Worte.
So etwas nennt man dann wohl einen funktionierenden Familienbetrieb. 🙂 Was ist tourmäßig geplant? Ihr wart die ganze Zeit unterwegs gewesen. Geht ihr jetzt direkt wieder auf große Reise? Da bliebe doch kaum Zeit, diesen Familienbetrieb auch etwas zu pflegen.
Das ist richtig. Und deswegen werden wir auch nicht direkt nach Veröffentlichung wieder auf Tour gehen. Wir haben jetzt erstmal bis Neujahr frei. Dann müssen wir wieder mit dem Üben für die neuen Songs anfangen. Wir hoffen, dass wir so gegen Ende des Frühlings wieder touren können. Eigentlich sollten wir im Januar mit Hypocrisy auf Tour gehen. Das musste aber gecancelt werden, da Peter Tägtgren ein neues Pain-Album aufnehmen muss.
Ihr wart in diesem Jahr auf den Sommerfestivals präsent gewesen. Wie sind deine Gefühle, wenn du an den Gig in Wacken zurückdenkst?
Das war großartig. Das Publikum war unglaublich. Das war auf jeden Fall eines der Highlights in meiner Karriere. Es hat eine Menge Spaß gemacht.
Das glaube ich. Wenn ich jetzt mal zurückdenke, kann ich mich auch nicht daran erinnern, in den letzten Jahren eine so große Menge zu einer solch frühen Uhrzeit vor der Bühne gesehen zu haben.
Ja, das habe ich jetzt auch schon öfters gehört. Wenn das wirklich stimmt, dann ist es natürlich umso großartiger. Man hat mir erzählt, dass es ca 12000 – 15000 Leute gewesen sein sollen. Das ist verdammt viel für unsere Verhältnisse.
Im Nachhinein war die Berichterstattung über das diesjährige W:O:A aber sehr negativ. Gerade die Bands sollen mehr als schlecht behandelt worden sein. Hast du davon etwas mitbekommen?
Ich kann da jetzt natürlich nur für uns sprechen. Das Catering war ausgesprochen gut. Da gibt es nichts, worüber man sich beschweren kann. Beim Transport vom Hotel zum Gelände hat es kleinere Schwierigkeiten gegeben. Immer wenn wir anriefen, weil wir mitgenommen werden wollten, hieß es: „Sorry, wir müssen erst die Bands fahren, die spielen.“ Das ist ja irgendwo auch verständlich, aber im Endeffekt sind wir dann mit dem Taxi gefahren. Das einzige, was wirklich schlimm war, war die Tatsache, dass wir in der ersten Nacht nur ein Hotelzimmer für acht Leute hatten, weil man zwei unserer Schlüssel verloren hatte. Aber das kann passieren. Wir sind ja auch damit fertig geworden, zumal das nur für eine Nacht war.
Was sagst Du im Vergleich dazu zum Summer Breeze, wo ihr auch gespielt habt?
Erstmal sind wir zum Summer Breeze geflogen. Nach Wacken sind wir mit Kleinbussen gefahren. Das kann man schon mal nicht miteinander vergleichen. Beim Summer Breeze sind wir direkt ins Hotel, haben unsere Zimmer bekommen, sind aufs Gelände gefahren, haben gespielt, danach gefeiert und sind am nächsten Tag wieder abgehauen. Das war alles total unkompliziert. Es ist aber auch ein kleineres Festival.
Aber es wächst rasant.
Das stimmt. Aber ich finde, es ist ein großartiges Festival. Es war eine tolle Zeit dort. Wenn es noch ein wenig größer werden würde, wäre ich nicht entäuscht.
Bandintern scheint es auch gut zu laufen. „Versus The World“ ist jetzt das dritte Album, das ihr mit demselben Line-up eingespielt habt. Habt ihr die ultimative Amon Amarth-Besetzung gefunden?
Ich denke schon. Aber du weißt leider nie, was die Zukunft bringt. Johan (Söderberg, Gitarre – Anm. d. Verf.) ist zum Beispiel gerade Vater geworden. Wer weiß, was das für ihn für Einschränkungen mit sich bringt, die auch das Bandleben betreffen. Ich hoffe, es bleibt alles, wie es ist. Hier haben sich fünf Kerle gefunden, die dieselben Visionen, Träume und Ziele für die Band haben. Wir kommen wunderbar miteinander aus. Bei anderen Bands ist das nicht der Fall. Aber man weiß, wie gesagt, nicht, was das Morgen bringt, weswegen ich auch nicht sagen kann, ob wir jetzt so für immer zusammenbleiben.
„Versus The World“ wird auch als limitierte Doppel-CD-Version erscheinen. Wessen Idee war es, dort die ersten Demos und die MCD „Sorrow Throughout The Nine Worlds“ noch mit drauf zu packen?
Das war unsere Idee. Geboren wurde sie, als wir das Original-Tape der Mini-CD wiedergefunden haben. Wir dachten nämlich schon, dass es für immer verloren sei.
Darüber werden sich eure Fans mit Sicherheit freuen. Hast Du noch ein paar Worte direkt an sie?
Checkt das Album an, Leute! Ich hoffe, es gefällt euch. Hoffentlich sehen wir uns auf Tour im nächsten Jahr.
Dann bedanke ich mich für das äußerst entspannte Interview und werde jetzt mal den Whiskey suchen gehen, damit ich Spaß habe beim Kränkeln. 🙂
Ja, tu das! Hier noch ein Tipp für alle deutschen Fans: Leute, trinkt wirklich mehr Whiskey, wenn ihr erkältet seid! Es heilt nicht, aber ihr habt wenigstens mehr Spaß an der Sache. Und das ist es, was zählt!
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!