Alter Bridge
Interview mit Gitarrist Mark Tremonti
Interview
Mit ‚“Fortress“ haben ALTER BRIDGE die besten Argumente in der Hand, auch weiterhin als die vielleicht wichtigste melodische Rockband an der Schwelle zum Metal von sich Reden zu machen. Wir sprachen mit Gitarrist Mark Tremonti über das neue Album, und versuchten unter Anderem zu klären, warum für die Band aus Florida in Europa alles ein bisschen einfacher zu sein scheint als zu Hause in den Staaten.
Hallo, Mark, du bist nun schon eine Weile mit der Promo zum neuen ALTER BRIDGE-Album „Fortress“ beschäftigt. Wie sind die bisherigen Reaktionen ausgefallen?
Hervorragend. Alle, die in diese Promo involviert sind, das Label, unsere Freunde aus der Band, aber auch die Fans haben das bisher gehörte großartig aufgenommen. Ich bin also sehr zufrieden.
Viele haben sicher erwartet, dass ihr jetzt anfangt, kommerzielle Rockballaden zu schreiben, die viel Airplay bekommen und so weiter. Aber genau das ist nicht passiert, „Fortress“ ist nicht nur eins der besten Alben, die ihr bisher veröffentlicht habt, sondern auch eines der härtesten und kompromisslosesten. Woher kamen die Inspiration und die Energie?
Wir wollten diesmal ein paar Schritte weiter gehen als je zuvor, die Musik spannend und unvorhersehbar halten. Ich mochte das Heavy-Zeug schon immer sehr gerne, und als diesmal Myles, ich und der Rest der Band zusammenkamen waren wir uns alle einig. Jeder hatte hier ein lautes Riff und dort einen kräftigen Refrain, und deshalb ist „Fortress“ so eine High-Energy-Platte geworden. Und es passiert auch viel mehr als auf den Alben zuvor.
Das stimmt, einige Songs haben schon beinahe einen progressiven Ansatz. Der Titelsong ist ein Epos in der Tradition von „Blackbird“, was Viele freuen wird, die sich gefragt haben, ob es solche Songs von euch noch mal zu hören geben würde. Und ein paar andere Songs gibt es auch noch, die recht progressiv sind, nicht im technischen Sinne, sondern aufgrund ihrer Struktur und Tiefe. Ist das der entscheidende Ansatz, der euch davon abhält, mehr in Richtung Kommerz zu tendieren? Längere, anspruchsvollere Nummern zu schreiben?
Die Songs, die du angesprochen hast, sollen den Hörer überraschen, ganze Geschichten erzählen und nicht nach dem typischen Strophe-Refrain-Prinzip aufgebaut sein. Wir haben viel Zeit mit der Vorproduktion verbracht und damit, die einzelnen Songteile vor den endgültigen Arrangements immer wieder auseinanderzunehmen und neu zusammenzubauen. Im Titelsong zum Beispiel gibt es viele Tempo- und Stimmungswechsel, ein paar Breaks und viele unvorhersehbare Dinge, damit es spannend bleibt für den Hörer.
In der Zeit zwischen eurem letzten Album und „Fortress“ ist Einiges passiert. Myles war mit Slash unterwegs, du hast deine Soloscheibe aufgenommen. Haben diese Erfahrungen die Arbeit mit der neuen Scheibe beeinflusst und sind Alter Bridge vielleicht sogar eine etwas andere Band geworden?
Es ist wichtig, dass man sich von Zeit zu Zeit selbst herausfordert, und wenn das tut, wird man von diesen Erlebnissen immer lernen. Vor Allem sammelt man Erfahrung, eignet sich neue Fähigkeiten an. Die Erfahrungen haben Myles und mich einige Schritte vorangebracht, als Musiker, aber auch ganz persönlich. Auf „Fortress“ singe ich nun einen Song komplett selbst, das habe ich zuvor nur bei meinem Soloprojekt getan. Weil mir das sehr gelegen kam und weil wir wie Eingangs gesagt Dinge ausprobieren wollten, die wir mit Alter Bridge noch nie zuvor getan haben, singe ich jetzt die Lead-Vocals zu „Waters Rising“.
Zwei Sänger in einer Band sind nichts Alltägliches, vor Allem wenn sie so unterschiedlich klingen, wie ihr beide. Sicherlich ist das eine Möglichkeit für euch, viel mehr Emotionen zu transportieren, als andere Bands.
Ich habe mich bisher immer zurückgehalten. Myles ist ein toller Sänger und ich will ihm seine Aufgabe nicht weg nehmen. Diesmal hat es sich einfach richtig angefühlt, das zu tun, unser Sänger ist aber Myles, und das Wasser werde ich ihm da auch nicht reichen können
Myles schreibt auch die meisten Texte für Alter Bridge. Kannst du mir trotzdem etwas zu den lyrischen Inhalten auf “Fortress“ erzählen? Vielleicht gibt es einen oder zwei, mit einer speziellen Bedeutung für die gesamte Band?
Es gibt ein paar Songs auf dem Album, zum Beispiel „Bleed It Dry“ und „Waters Rising“; die recht apokalyptisch sind. Bei einigen geht es um schwierige zwischenmenschliche Beziehungen und “All Ends Will“ ist ein sehr positiv klingender Track mit einer aufbauenden Message. Kämpfe für deine Ziele und tu das, was für dich richtig ist, nicht das, was andere von dir wollen. „Fortress“ ist also nicht durchgehend düster und negativ. „Cry Of Achilles“ transportiert meiner Meinung nach ein ähnlich positiven Spirit.
Obwohl du in mehreren Bands aktiv bist, hast du mal in einem Interview gesagt, dass es für dich kein Problem ist, beim Songwriting zu entscheiden, ob ein Song besser zu Alter Bridge oder zu Creed passt. Was sind für dich die entscheidenden Merkmale, ob eine Nummer zur einen oder zur anderen Band gehört?
Alter Bridge ist experimenteller, Creed sind sehr straight-forward. Bei Creed ist auch vieles sehr ähnlich und auf gewisse Weise vorhersehbar. Bei Alter Bridge ist das nicht so, da haben wir als Musiker viel mehr Freiheiten. Außerdem singen Myles und Scott so unterschiedlich, dass es für mich kein Problem ist, beide Bands schon im kreativen Prozess auseinander zu halten. Seit Myles Engagement bei Slash versuche ich auch, Alter Bridge etwas näher am Heavy Metal zu platzieren. Die ganz harten Dinge, Thrash und Speed Metal, die ich ja sehr mag, verarbeite ich aber eher in meinem Soloprojekt.
Wie schwierig ist es für dich, dich in deinen Sänger hineinzuversetzen? Du bist zwar ein guter Sänger, aber Myles hat eine ganz andere Stimme als du. Wie sieht das beim Schreiben aus? Präsentierst du Myles die fertigen Songs oder ändert er auch mal ein paar Arrangements, um es besser singen zu können?
Ich schreibe ganz am Anfang im Grunde keine Songs, sondern nur Songteile. Ich versuche nicht so viel Zeit damit zu verbringen, die Nummern schon fertig zu stellen. Das fände ich nicht sehr respektvoll gegenüber der Band, ihnen einfach etwas vorzulegen, was sie dann spielen sollen, gerade, wenn man wie wir mit Myles noch einen zweiten Songwriter in der Band hat. Myles macht das im Übrigen ganz genauso. Wenn wir dann zusammenkommen, präsentiere zum Beispiel ich einen meiner Lieblingsrefrains und frage Myles, ob er eine passende Strophe dazu hat. Und bei den Bridges und Soli geht es genauso. Wenn die Scheibe fertig ist, dann haben wir sie zusammen geschrieben und sie uns nicht gegenseitig vordiktiert. Das finde ich sehr wichtig.
Erzähle mir doch bitte ein bisschen was zur Produktion. Wo habt ihr aufgenommen und wie lief das Ganze ab?
Myles kam mich für einige Zeit besuchen und wir haben ein paar Wochen damit verbracht, ausgestattet mit Laptops und akustischen Gitarren Ideen zu sammeln. Die Vorgabe war „ein Song pro Tag“. Am Ende hatten wir 15 oder 16, und dann begann die Vorproduktion mit der gesamten Band. Zu diesem Zeiptunkt wird unser Produzent Elvis das fünfte Bandmitglied. Dabei halten wir die Kompositionen recht spontan und probieren verschiedene Varianten aus, bevor wir uns dann für eine entscheiden. Die Vorproduktion war der Zeitpunkt, bei der die Songs überhaupt erst zu ihrer Klasse fande, das war bei „Fortress“ der entscheidende kreative Faktor.
Manche Musiker sagen, dass das Songwriting nur eine Notwendigkeit sei um Songs zu haben, die man live spielen kann. Siehst du das auch so oder magst du beide Prozesse gleichermaßen?
Ich mag beides. Auf Tour sammle ich ständig Ideen, und bei Myles ist es genauso. Ich denke jetzt schon über die nächste Platte nach. (lacht). Wenn mir etwas einfällt, nehme ich es auf, und vielleicht wird man es auf dem nächsten Album zu hören bekommen.
Was inspiriert sich zum Songwriting? Gibt es bestimmte Stimmungen oder Situationen, in denen es dir besonders gut von der Hand geht?
Ich kann besser Songs schreiben, wenn gute Dinge passieren, bei negativen Erlebnissen bin ich nicht so inspiriert. Auf Tour geht das aber immer. Am liebsten arbeite ich in der Nacht und alleine. Auf Tour irgendwo backstage oder in einem Zimmer, und zu Hause in meinem Studio. Ich tue mir schwer, wenn Andere dabei sind.
Viele Musiker sagen ja, dass sie kreativer sind, wenn sie negative Erlebnisse haben.
Bei den Texten ist das manchmal so. Die Songs selbst schreibe ich aber lieber in positiver Stimmung.
Verglichen mit deinen Anfängen mit Creed und Alter Bridge, wie viel schwieriger ist es geworden, Musiker zu sein, wenn man all die Veränderungen betrachtet, die die Musikwelt in der Zwischenzeit heimgesucht haben?
Es ist schwieriger als je zuvor. Es ist ein absolutes Glück, das wir eine treue Fanbase haben. Wenn wir eine neue Band wären, die ganz am Anfang stehen, hätte ich Angst, weil es so schwierig geworden ist, sich ein Publikum zu erarbeiten. Geld verdienen kann man nur, wenn es Menschen gibt, die sich für deine Musik interessieren. Für uns ist es schon schwierig, die Kosten zu stemmen, die mit dem Musikmachen zusammenhängen, die Crew zu bezahlen und so weiter.
Sind Alter Bridge immer noch erfolgreicher in Europa als in den USA? Woran glaubst du liegt das?
Ja, das stimmt, in den USA hört man eher das, was im Radio und im Fernsehen läuft, und das ist in der Regel simpleres und eingängigeres Zeug. Progressive Musik läuft da nicht, Tool sind die einzige Ausnahme. Ansonsten ähnelt sich das, was aus dem Rockbereich berücksichtigt wird sehr. In Kanada und Europa sind die Menschen diesbezüglich offener. Dort kann man mit anspruchsvolleren Sachen viel mehr Leute erreichen. In den USA geht es nur ums Geld. Es läuft die Musik, die am meisten Geld einbringt. Die Plattenlabels bezahlen dafür, dass ein Song im Radio läuft, und das ist so gut wie nie der beste, sondern der, der die Massen am schnellsten erreicht. Wenn man keine hunderttausende Dollars ausgibt, wird man nicht berücksichtigt.
Ich glaube, in Europa hört man nicht so sehr auf das, was die Radiostationen den Menschen vorsetzen, sondern man informiert sich selbst über seine Musik.
Da könntest du Recht haben, das ist eine sehr gute Sache.