Atrocity
Der Meister über die letzte Episode der Okkult-Trilogie

Interview

Nachdem man ATROCITY auch als das Chamäleon des deutschen Death Metal bezeichnen könnte, hat sich während den letzten zehn Jahren mit der Album-Trilogie „Okkult I-III“ eine Rückbesinnung zu den ursprünglich harten bis brutalen Klängen eingestellt. Welche Geschichte hinter diesem Konzept steckt haben wir kurz vor der Veröffentlichung von „Okkult III“ von Bandkopf und Produzent Alex Krull erfahren.

Hey Alex, wie geht´s?

Nun ja, aktuell wird ja gerade alles turbulenter. Was die Band betrifft, ist aber alles in Ordnung.

Seit der Pre-Listening-Session im Oktober, als gerade mal vier, fünf Leute „Okkult III“ hören durften, sind in der Zwischenzeit bestimmt mehr Leute in den Genuss gekommen, oder? Wie ist denn das Echo?

Brutal! Das Feedback war bisher wahnsinnig geil. Zumindest von den Leuten, die mit mir gesprochen haben. Gerade hat mir jemand, der uns schon seit „Todessehnsucht“ kennt, gesagt, dass „Okkult IIII“ in seinen Augen das bisher beste ATROCITY-Album ist. Als Du im Studio warst, war das Feedback ja schon geil. Auch jetzt, wo die Videos rausgekommen sind, haben sich alte Freunde und langjährige Wegbegleiter der Band gemeldet, die ganz überrascht waren. Hatten die etwa gedacht wir liefern Käse ab, oder was (lacht)?

Du hast die Okkult-Trilogie mal als dunkel, episch und brutal bezeichnet. Besitzen diese Attribute aus Deiner Sicht immer noch Gültigkeit?

Man könnte ja immer etwas Neues aus dem Hut zaubern. Aber das umschreibt es eigentlich wirklich perfekt. Bösartig wäre dahingehend noch passend, als dass die Topics jeweils sehr extrem sind. Letztlich war genau das die Intension für die Trilogie. Die dunkle Seite der Menschheit ist eben kein Kinderfasching.

Mit dem dritten Teil ist die Okkult-Geschichte jetzt beendet. Gib uns doch noch einmal einen kurzen Überblick zu den Hintergründen…

Nun, ich bin ein Geschichts-Verrückter und interessierte mich schon immer für grenzwertig okkulte Dinge und die Umstände, wie es zu epochalen Ereignissen gekommen ist. Momentan erleben wir das alle. In der Menschheitsgeschichte war es schon immer so, dass es wellenartig zu Ereignissen gekommen ist, die schwerwiegende Folgen hatten. Das ist der Lauf der Dinge. Aber die Menschen lernen einfach nicht daraus. Darum ging es auch schon, als ich die „Atlantis“-Platte damals mit ganz viel Recherche gemacht hatte. Klar hat mich das Thema interessiert und am Anfang steht erstmal die griechische Mythologie und irgendwelche Flutlegenden, die es auch in Afrika und Lateinamerika gibt. Letztendlich findest Du das in der Bibel ja auch. Diese Flut war also ein epochales Großereignis, das im Ergebnis eine hochentwickelte Zivilisation untergehen ließ. Prinzipiell war´s das… Aber es geht dann immer weiter in spirituelle Welten, in denen Leute behaupten, sie haben rituellen Kontakt zu ihren Vorfahren. Oder es kommen Ufologen daher, die die These vertreten, dass irgendwelche Außerirdische herumexperimentiert haben. Oder dann kamen die Nazis, die irgendwann Abgesandte ins Himalaya geschickt haben, die dort nach atlantischen Vorfahren suchen sollten. Das ist natürlich für die Tonne. Die Essenz aus alldem ist aber – und das gilt eben auch für die Okkult-Trilogie – dass man gewisse Dinge von ganz verschiedenen Perspektiven aus beleuchten und interpretieren kann.

Menschen lassen sich in politischer und religiöser Hinsicht am besten mit Furcht manipulieren. Das gilt für eine Demokratie genauso wie für eine Diktatur oder Aristokratie oder eine religiöse Gemeinschaft. Wenn Du Dich nach den Regeln verhälst, kommst Du in den Himmel. Tust Du es nicht, kommst Du in die Hölle. Oder in den Knast. Oder schlimmeres. Leute, die sich nicht anpassen, werden diffamiert oder kommen unter die Räder. Das alles lässt sich aktuell sehr gut beobachten. Aus besten Freunden und Familien werden dann plötzlich Todfeinde.

Natürlich kann man Verschwörungstheorien anstellen, aber es werden ja viele schreckliche Dinge von Organisationen und religiösen Gemeinschaften verheimlicht, die Stück für Stück ans Tageslicht kommen. Man muss nur an die pädophilen Priester denken, deren Taten über Jahrzehnte vertuscht worden sind. Die werden jetzt strafversetzt, anstatt sie der Gerichtsbarkeit zu überführen. Um solche Dinge geht es bei Okkult. Es ist lange nicht damit getan, über Rituale und Satanismus zu sprechen und das Thema Okkultismus darauf zu beschränken.

Wenn man bedenkt, wie viele indigene Völker und Kulturen, wie die beispielsweise die Mayas, ausradiert worden sind, damit deren Wissen nicht weitergereicht werden konnte… Nur um die eigene Machtposition nicht zu gefährden.

Ein weiteres Feld, um das es in der Trilogie geht, ist die menschliche Psyche. Um Serienmörder, die Dinge tun, die kein Tier dem anderen antun würde. Und zu guter Letzt beschäftigt sich Okkult auch mit der Geisterwelt und der Frage, was nach dem Tod passiert. Ob es eine menschliche Seele überhaupt gibt. All diese Themen würden sich auf ein einziges Album gar nicht packen lassen und mittlerweile arbeiten wir jetzt seit zehn Jahren an der Serie.

Eine Schatzsuche gibt es auch, oder?

Ja, genau! Es gibt ja keine offiziellen Bonustracks zu den Alben. Die haben wir als Finderlohn zur Schatzsuche hinterlegt. Noch läuft die erste Geo-Schatzsuche durch sechs europäische Länder. Am Ende wartet eine 24 Karat-Gold-CD. Hinweise findet man auf der ersten Okkult-CD über einen Zahlencode. Sobald die erste Schatzsuche beendet ist, geht es mit Nummer zwei und drei in Nordamerika und Asien weiter. Letztlich soll das aber ein für sich stehendes, zeitloses Projekt sein, das mit den eigentlichen Releases nichts zu tun hat. Der glückliche Finder der CD wird dann hoffentlich noch einen CD-Player besitzen (lacht).

Das ist ein spannendes Projekt. Aber wählt man als Musiker dafür nicht automatisch weniger starke Songs? Immerhin werden vielleicht nicht allzu viele Menschen in den Genuss kommen, das Ergebnis auch zu hören…

Darüber haben wir bandintern auch gesprochen. Aber so darf man an die Sache nicht herangehen. Eines ist klar: Der- oder diejenigen, die den Schatz finden, sollen auch mit einem echten Schatz belohnt werden.

Während der Listening-Session zum neuen Album warst Du extrem enthusiastisch. Hat sich die Aufregung mittlerweile gelegt, oder bist Du vielleicht sogar noch nervöser, ob sich das bisher positive Feedback nach der Veröffentlichung bestätigt?

Nun, ich bin ja schon eine ganze Weile dabei. Diese kindliche Vorfreude habe ich mir aber irgendwie immer bewahrt. Diese Flamme und der Spirit etwas Neues anzugehen, bleibt auch unantastbar. Auch wenn viele immer wieder vergessen, dass ATROCITY im Laufe der Zeit vielen Türen eingetreten und Mauern eingerissen haben, ohne einfach auf irgendeinen Zug aufzuspringen… Da werde ich dann schon grantig, wenn jemand sagt, wir hätten uns einen neuen Trend herausgefischt. Nur weil wir, abgesehen von „Werk 80“ kommerziell gesehen nicht unbedingt die erfolgreichste Band sind – weder mit deutschen Texten, noch mit Techno Death Metal oder Vampir-Alben. Für mich als Künstler geht es eben um andere Dinge. Ich will mich künstlerisch ausdrücken können und mich nicht beschränken lassen. Wenn es überhaupt ein Gesetz im Heavy Metal gibt dann dieses: Breaking The Law. Es wundert mich schon, wie der Umgang mit Künstlern teilweise ist, die sich auch mal trauen, etwas anders zu machen. Da wünsche ich mich manchmal schon etwas mehr Offenheit. Von Gesellschaft verlangt man ja auch gegenseitigen Respekt.

Was den Enthusiasmus angeht: Egal ob ich mit ATROCITY arbeite oder Bands hier im Studio produziere. Da gebe ich immer alles und natürlich gehe ich mit Herzblut an die Sache heran. Es ist ja auch nicht so, dass wir jedes Jahr eine neue Platte mit ATROCITY rausbringen. Das ist so wie bei meinen Kumpels von SODOM und DESTRUCTION. Wenn ein Album erscheint, dann macht es eben „bumm“. Dann muss es knallen.

Auch in Sachen Cover-Gestaltung habt Ihr in der Vergangenheit die gängigen Konventionen beiseitegelassen. Man denke nur an „Todessehnsucht“ oder auch „Werk 80“. Wer ist denn für das Artwork zu „Okkult III“ verantwortlich?

Wir arbeiten schon seit Jahren mit Stefan Heilemann zusammen. Er hat seinen eigenen Stil gefunden, der einen hohen Wiedererkennungswert besitzt.

Du sagtest kürzlich, dass „Malicious Sukkubus“ das Zentrum von „Okkult III“ darstellt. Erzähle uns doch bitte mehr darüber.

Interessanter Weise habe ich den Song in den letzten Tagen sehr oft gehört, weil wir gerade ein Video produziert haben, das mit seinen sieben Minuten ja vielmehr ein Kurzfilm ist. Da waren Zoe (CRADLE OF FILTH) und Elina (LEAVES EYES) als Gastsängerinnen natürlich auch dabei und es war wirklich abenteuerlich. Wir haben an verschiedenen, teilweise schwer zugänglichen Orten gedreht. Weil wir diese bestimmte Atmosphäre einfangen wollten. Den Aufwand hat der Song aber verdient, weil er sehr facettenreich ist. Im Vorfeld hatte Zoe den Song gehört und wollte unbedingt mitwirken, was super war. Ihr Growling bringt diese hexenmäßige Stimmung ein, während ich aus Elina ein Dämonen-Weib machen wollte (lacht). Insofern war es einfach genial, weil genau die richtigen Leute zusammengekommen sind, um an dem Stück zusammen zu arbeiten. Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die kannst Du Dir nicht besser ausdenken. Der Song schlägt ähnlich wie „Sky Turned Red“ („Todessehnsucht“) eine Brücke zum Rest des Albums. Auch wenn sich „Malicious Sukkubus“ noch mehr nach einem Soundtrack zu „Das Omen“ anhört (lacht). Und jetzt ist der Song das Sahnehäubchen, das Herzstück der Platte.

Stichwort Video-Clips: Alle Songs auf „Okkult III“ erzählen ihre eigenen Geschichten, die sich eigentlich allesamt wunderbar in bewegten Bildern ausdrücken ließen. Wie viele Videos sind noch geplant?

Fünf Videos wird es geben. Hätten wir das Budget, könnten wir aber tatsächlich zu jedem Song ein richtig geiles Video machen. Gerade im Metal, wo wir ja eine sehr bildreiche Sprache verwenden, ist das natürlich auch sehr einladend. Mir würden da schon ein paar schöne Sachen einfallen. Die Frage ist aber, ob das dann noch gesendet werden würde (lacht).

Welches ist Dein persönlicher Lieblingssong von der Trilogie?

Die Frage ist hart. Frag mal eine Mutter nach ihrem Lieblingskind (lacht)… Gut, als Einleitung ist zum Beispiel „Desecration Of God“ schon sehr gut. Der Song besitzt vieles, was für die Serie steht. Gleichzeitig habe ich von vielen Leuten gehört, dass sie „Bleeding For Blasphemy“ bevorzugen, für das wir beispielsweise kein Video gemacht haben (lacht). „Shadowmaker“ oder „Death By Metal“ sind auch geile Songs…

Was steht als nächstes an? Ich hoffe mal, eine großangelegte Tour…

Ja, das ist natürlich absolut in unserem Sinne. Eine Tour ist schon in Planung. Festivals wären natürlich auch toll, allerdings erscheint die Platte im Januar und da ist das Booking oftmals schon abgeschlossen. Aber wir werden ja nicht nur für ein Jahr mit der Scheibe unterwegs sein.

18.01.2023

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