Ahab
Vier Persönlichkeiten, eine Entität

Interview

Dieser Tage erscheint mit „Live Prey“ das erste Live-Album von AHAB. Mit Schlagzeuger Cornelius Althammer sprachen wir darüber, wie das deutsche Funeral-Doom-Flaggschiff durch die derzeitige Corona-Krise steuert, das neue Album und AHAB-Konzerte generell. 

Hi und danke, dass Du dir in diesen Tagen die Zeit für diese Fragen nimmst. Mal direkt gefragt: Wie ist denn die Lage bei AHAB angesichts der Corona-Krise?

Hi-ho und danke der Nachfrage. Ich denke, dass wir es, wie die meisten Menschen in Deutschland, noch ziemlich gut getroffen haben. Einige von uns können im Homeoffice arbeiten, andere haben zufällig gerade Elternzeit – und so weiter. Ich für meinen Teil übe deutlich mehr Schlagzeug als sonst. Finanziell funktioniert das für mich, als einzigem Berufsmusiker bei AHAB, gerade eben so.

„Finanziell funktioniert das für mich gerade eben so.“

Ich muss nicht an mein Erspartes, habe aber viel mehr Zeit. Wenn man das mit Zuständen in Italien, Spanien oder vielen weiteren Orten dieser Welt vergleicht, ist das geradezu paradiesisch zu nennen.

Für Oktober ist eine viertägige Tour durch Deutschland geplant, im August beginnt der Vorverkauf. Das ist noch eine Weile hin, also sind wir mal optimistisch. Wie sehen eure Vorbereitungen für die Termine bisher aus?

Ganz ehrlich? Bisher besteht die Vorbereitung aus bangen und hoffen. Ich sehe das leider noch nicht passieren. (Zwischenzeitlich wurden Großveranstaltungen bis einschließlich Oktober untersagt. Inwieweit dies kleiner Konzerte betrifft, ist noch unklar, Anm. der Red.)

Viele Bands und Labels streamen jetzt Konzerte, teilweise auch mit „Eintrittsgeld“. Wie denkt darüber und würdet ihr bei AHAB das notfalls als Alternative in Betracht ziehen?

Wir haben das tatsächlich gerade selber auch gemacht (am 30.05., Anm. der Red.). In Weinheim, im Café Central, ein Club, in dem ich in meiner Jugend ziemlich viel Zeit verbracht habe. Statt einem festen Eintrittspreis konnte man spenden, oder eben auch nicht. Es war natürlich super, mit den Jungs mal wieder zu rocken, schließlich ist die letzte AHAB-Show am 21.12.2019 gewesen. Auch war die Arbeit mit den Kameraleuten und dem Team vom Central sehr erfrischend nach solch einer Durststrecke. Aber ehrlicherweise muss ich zugeben, dass das überhaupt kein Ersatz für eine Liveshow war.

Live motzt ihr euer Set mit Audio-Einspielern und gerne auch mit visuellen Hilfsmitteln auf. Wie gestaltet sich dafür die Planung und wer bei euch in der Band kümmert sich darum? Oder macht das wer Externes?

Die ganze Audio-Geschichte ist auf meinem Mist gewachsen. Irgendwann kamen wir zu dem Punkt, dass uns die Pausen zwischen den Songs zu lange dauerten. Trotzdem sind diese Pausen unmöglich zu verkürzen. Denn Wasser trinken, Gitarre stimmen und auch noch Brille putzen verlangen von Daniel (Droste, Gitarre und Gesang, Anm. der Red.) gleich drei unumgängliche Zwischensongaktivitäten, die auf einem Konzert schon einmal für die ein oder andere Länge sorgen können. Und glücklicherweise bietet AHABs thematische Grundausrichtung reichlich Nährboden, das Ganze jederzeit atmosphärisch ansprechend gestalten zu können.

„Unsere Grundausrichtung bietet reichlich Nährboden, für atmosphärisch ansprechende Gestaltung.“

Optisch ist eigentlich gar nicht so viel Außergewöhnliches los. Unser Bassist Stephan hat Ende letzten Jahres zwei Nebelsäulen (oder wie auch immer sowas heißt) gekauft, mit denen er während der Show Akzente setzt, beziehungsweise vor der Show gerne argloses Bühnenpersonal oder Mitmusiker zunebelt. Alles Weitere ist wohl „Glück mit dem Lichtmann des Hauses“ zu nennen.

Bald erscheint mit „Live Prey“ euer erstes Live-Album, auf dem man zumindest die Audio-Einspieler hören kann. Warum hat das eigentlich so lange gedauert und wie ist es nun dazu gekommen?

Da das ganze ja tatsächlich eher ein Zufallsprodukt ist und die Show nicht für einen Mitschnitt geplant war, hat es erstmal gedauert, bis ich überhaupt davon erfahren habe, dass der Tontechniker den Abend aufgenommen hatte. Dann brachte mich Jacob von Low Fidelity Assaults auf die Idee, das zu veröffentlichen. Nach unserer Anfrage bei Napalm Records, ob man da wohl ein offizielles Bootleg auf Tape draus machen könne, wurden die ihrerseits neugierig. Als sie die Aufnahme dann gehört hatten, kamen sie mit der Idee um die Ecke, das doch lieber gleich regulär zu veröffentlichen.

Dazu kommt, dass der Mitschnitt leider nur als eine Stereospur, also die gesamte Band auf links und rechts verteilt, vorlag, nicht etwa als Multitrack-Projekt mit einer Spur für jedes Instrument. Es war eine ziemlich fummelige, zeitraubende Arbeit, das ganze schlussendlich so fett und differenziert auf Platte zu bannen. Ich habe in dieser Zeit zumindest eine ganz neue Tiefe in dem Begriff „Equalizer“ entdeckt. Viele, viele Schritte und Zwischenschritte, die das Ganze dann drei Jahre haben werden lassen, bis „Live Prey“ fertig war.

In dem dazugehörigen Musik-Video, das sich auf YouTube findet, ist auch Bildmaterial eurer Shows zu sehen. Das macht eigentlich auch Bock auf eine DVD oder Bluray. Wie sehen eure Gedanken dazu aus?

Klar, es ist immer schön, zur Musik auch Bild zu haben. Aus unseren hundert und aberhundert Stunden Videomaterial Liveshots von „Old Thunder“ herauszupicken und das ganze aber noch als Nostalgiefilm, wenn man das so nennen mag, anzulegen, war ebenfalls sehr zeitaufwändig. In diesem Stil sehe ich allerdings keinen kompletten Datenträger wie DVD oder Bluray. Das ist in Zeiten von Youtube einfach veraltet und es würde wohl auch schnell langweilig werden, uns sieben Songs nacheinander abwechselnd auf der Bühne rocken und backstage rumblödeln zu sehen.

„Die Produktionskosten wären astronomisch.“

Ganz anders wäre es natürlich, wenn wir eine Show in einem speziellen Setting filmen würden. In einem alten Segelschiff, auf einem Fjord, im Weltraum oder ähnliches – nur, um mal herumzuspinnen. Allerdings wären für so etwas, aller Wahrscheinlichkeit nach, die Produktionskosten astronomisch. Aber man sollte niemals nie sagen. Ich bin für spannende Projekte immer offen.

Auf „Live Prey“ sind ausschließlich Songs eures ersten Albums „The Call of the Wretched Sea“ zu finden. Wie sieht eigentlich die Arbeit mit solchen alten Songs aus, wenn ihr sie für eine Live-Show vorbereitet? Also, fallen euch zum Beispiel noch Stellen auf, die man ausbessern könnte oder ähnliches?

Das ist eben mit der Grund, das ganze so zu überhaupt zu veröffentlichen. Mir als Schlagzeuger ist natürlich schon vor Jahren die ein oder andere Schwäche, um das vorsichtig zu formulieren, an meinem Drumming auf „The Call of the Wretched Sea“ aufgefallen. Und Stephans Basslinien sind bei jedem der Songs komplett neu komponiert worden. Er war ja damals noch gar nicht dabei, als das Album aufgenommen wurde. Insgesamt ist das jetzt eine viel musikalischere Angelegenheit, als die ursprüngliche Aufnahme und somit veröffentlichungsrelevant.

Was hat es mit dem schlichten Schwarz-Weiß-Cover von „Live Prey“ auf sich? Ist das die alte Illustration einer Moby Dick-Ausgabe oder eine neue Kreation?

Das ist eine neue Kreation. Die Idee war, ganz simpel, Das Cover von „The Call of the Wretched Sea“ im Stile eines naiven Holzschnittes nachzubilden, aber das ist ja ziemlich offensichtlich. Jedenfalls steckt da keine tiefere Weisheit dahinter.

Letztes Jahr konnte ihr das fünfzehnjährige Bestehen der Band feiern. Was würdet ihr sagen, aufgrund der Erfahrung all dieser Jahre, was macht AHAB als Band aus?

Ganz klar unsere vier Persönlichkeiten. Droste, Hector, Wandernoth, Althammer. Völlig undenkbar, eine dieser Komponenten auszutauschen. Über die Jahre ist tiefes Vertrauen und eine starke Freundschaft gewachsen, die aus AHAB eine Entität machen, die weit mehr ist, als die Summe ihrer Teile.

Zu guter Letzt noch die Frage, wie es mit einem neuen Studio-Album aussieht. Kollege Klug hat „The Boats of the Glen Carrig“ damals in tiefen Tönen gelobt und ist sicher nicht der einzige, der sehnsüchtig auf den Nachfolger wartet.

Das tun wir bandintern auch, das kannst Du mir glauben. Es gibt auch tatsächlich inzwischen mehrere Songgerüste und viele Fragmente und eine lyrische Grundlage ist gewählt. Es ist also ein Licht am Ende des Tunnels erkennbar.

„AHAB ist eine Entität, die weit mehr ist, als die Summe ihrer Teile.“

Just in diesem Moment bin ich am planen, wie sich wohl der Sommer gestalten könnte. Und damit meine ich in erster Linie Proberaumaufenthalte. Darüber hinaus bleibt ja nicht wirklich viel.

Vielen Dank noch einmal für die Beantwortung der Fragen. Wenn alles gut läuft, sehen wir uns im Oktober. Wenn ihr noch was anzumerken habt, nur her damit.

Vielen Dank für Euer stetiges Interesse an uns. Bleibt stark, bleibt gesund und schaut nach vorne: Sobald Konzerte wieder möglich sind, werden das wahrscheinlich die intensivsten und besten live-musikalischen Erfahrungen sein, die wir je gemacht haben werden.

Galerie mit 15 Bildern: Ahab - Soulcrusher Festival 2023
Quelle: Interview mit Cornelius Althammer, 02.06.2020
20.06.2020

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