Agrypnie
Interview mit Frontmann Torsten zu "F51.4"

Interview

Nach der Auflösung NOCTE OBDUCTAs im Frühsommer des Jahres steht nun Sänger Torsten mit seinem Ein-Mann-Projekt AGRYPNIE und dessen erstem vollwertigen Album in den Startlöchern. Allen zum Teil sicher gerechtfertigten Vergleichen mit seinem ehemaligen Betätigungsfeld zum Trotz strebt er die künstlerische Autonomie an und befindet sich mit „F51.4“ auf einem vielversprechenden Weg, der Szene etwas zu erhalten, was viele mit dem Ableben NOCTE OBDUCTAs für verloren geglaubt haben dürften: Musik mit Tiefgang und Seele. Zeit für eine erste Bestandsaufnahme. Im Gespräch: Torsten, der Unhold.

Agrypnie

Wie sind die Reaktionen auf „F51.4“ bis jetzt? Bist du selber zufrieden mit dem Album? Was erwartest du dir davon und wo soll die Reise mit AGRYPNIE hingehen?

Die Reaktionen sind bisher durchweg positiv. Ich bin sehr zufrieden und stolz auf das Album, da ich ziemlich viel Arbeit und Herzblut investiert habe. Nun kann ich endlich sagen, dass sich all die Mühe und der Stress gelohnt haben. Ein halbes Jahr lang hatte ich fast nichts anderes als das Album in meinem Hirn, irgendwann stresst so was unheimlich. Es gibt zwar einige Stellen, die ich heute anders umsetzen würde, aber ich denke so was ist normal und geht jedem Musiker so. Zur eigenen Musik fehlt einem irgendwie die nötige Distanz und man kann sich nicht zurücklehnen und einfach „nur“ zuhören. Es gibt immer Stellen an denen man sich plötzlich denkt ‚Hey, warum habe ich da nicht das und das gespielt‘ oder ‚Da könnten die Vocals doch etwas lauter sein‘. Also zumindest geht es mir so. Aber insgesamt finde ich das Album sehr gelungen und ich hab mich gefreut wie ein Schneekönig als ich die fertige CD endlich in den Händen halten durfte. Wo die Reise hingehen wird, wird die Zukunft zeigen. Ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen, noch weitere Scheiben zu veröffentlichen und vielleicht auch die Bühne mit meiner Musik unsicher zu machen. Erwartungen habe ich in dem Sinn keine. Ich denke, dass Erwartungen dafür sorgen, dass man sehr schnell auf die Fresse fliegt. Zumindest wenn man Erwartungen dahingehend interpretiert „wie stark die Scheibe denn nun bei den Leuten einschlagen wird“ oder Ähnliches in dieser Richtung. Ich konzentriere mich eher auf Dinge, auf die ich Einfluss habe (oder denke darauf Einfluss zu haben, hähä) und mache mir weniger einen Kopf um Dinge, die sein könnten. Klar, wenn sich keine Sau für deine Musik interessiert wird’s irgendwann, trotz ‚Ich mach das nur für mich‘ schwer weiterzumachen. Es freut einen schon, wenn sich Leute für das interessieren was du machst… Mir ist es wichtiger, eine Scheibe in den Händen zu halten, hinter der ich zu 100% stehe und bei der ich sehe, dass ich mich zur Scheibe davor übertroffen habe (und wenn’s dabei nur um technische Umsetzungen gehen mag), als kreischende Teens, die alle ein Kind von mir haben wollen und dafür irgendeinen Dreck zu veröffentlichen. Das wäre für mich der Punkt, die Sache zu begraben.

Die Veröffentlichung des Albums hat sich ja ziemlich lange hingezogen. Was waren die Gründe für die Verspätung?

Oh ja, da gab es leider mehr als genug und ich glaube ich schaffe es nicht mal mehr alle aufzuzählen. Anfangs hatte ich einen Zeitplan im Kopf, der sich nach wenigen Wochen als absolut utopisch herausstellte, worauf wir den Studiotermin zum ersten Mal verschieben mussten. Nach einigen weiteren Problemen und Verzögerungen hat dann irgendwann SCR (das Label) die Zusammenarbeit mit seinem damaligen Vertrieb aufgegeben und es musste ein neuer gefunden werden. Wieder wurde das Datum verschoben. Zum Schluss hatten wir einen Fehler im Booklet, woraufhin die komplette Auflage leider für den Arsch war. Ich war teilweise einem Nervenzusammenbruch nahe und hatte irgendwann den Gedanken aufgegeben, dass das Album wirklich noch mal rauskommen würde. Außerdem war mir die Sache unheimlich peinlich und es hat mir um die Fans Leid getan, die auf das Album gewartet haben. Ich hoffe, dass beim nächsten Album alles etwas anders laufen wird, aber nach Jahren der Erfahrungen mit NOCTE bin ich bei solchen Sachen leider immer sehr skeptisch.

Du hast praktisch alles selbst gemacht – AGRYPNIE ist ein klassisches Ein-Mann-Projekt. Wobei: ist es eher ein Projekt oder eine tatsächliche Band? Also eher etwas Vorübergehendes, bis du ein neues Betätigungsfeld gefunden hast – oder tatsächlich auch in Zukunft deine Priorität?

Also über die Definition könnte man sich jetzt streiten… Ich spreche von AGRYPNIE aber eigentlich auch eher von einem Projekt als von einer Band. Wobei aber AGRYPNIE für mich einen hohen Stellenwert hat (und das auch schon zu NOCTE-Zeiten), der über „just for fun“ hinausgeht. Mir ist die Musik mit AGRYPNIE sehr wichtig und selbst wenn ich heute eine andere Band hätte, würde ich weiterhin mit AGRYPNIE Musik machen. Das gute an einem Soloprojekt ist, dass man so einer Geschichte eine Priorität geben kann, ohne aber auf Dinge achten zu müssen, ohne die es bei einer „richtigen“ Band nicht geht, wie regelmäßiges gemeinsames Proben zum Beispiel. Ich bin mein eigener Herr und somit kann ich mir die Zeit so einteilen wie ich möchte. Inwieweit sich die Sache noch zur Band mit Konzerten entwickeln wird, oder ob alles so bleibt wie bisher, weiß ich noch nicht genau. Da gebe ich mir im Moment noch etwas Zeit bis ich eine Entscheidung fälle.

Wann und aus welchen Gründen hast du dich entschieden, neben den damals noch aktiven NOCTE OBDUCTA ein weiteres, eigenes Projekt zu starten?

Das war 2004 und die Gründe sind relativ simpel. Ich hatte bei NOCTE keinen Einfluss aufs Songwriting und war nur für den Gesang zuständig. Ich wollte bzw. habe aber auch selbst Songs geschrieben und wollte diese auch irgendwann mal aufnehmen. Deshalb habe ich dann beschlossen, etwas Eigenes zu starten. Der Satz, dass ich bei NOCTE „nur“ der Sänger war, ist übrigens völlig wertfrei zu sehen. Mir hat die Sache unheimlich Spaß gemacht und da mir Marcels Songs sehr gefallen haben, war für mich die Sache, mich dort musikalisch nicht entfalten zu können, nicht weiter tragisch. Nicht ganz schuldlos an der Gründung von AGRYPNIE ist übrigens Claudius von FATED (mit dem ich die Split zusammen gemacht habe), ein guter Freund von mir. Wir haben uns gegenseitig angestachelt, unsere Musik endlich mal aufzunehmen und irgendwann kam die Idee, gemeinsam eine Split zu machen. Die Geschichte war relativ amateurhaft und die Songs dazu sind an den heimischen Rechnern aufgenommen worden. Aber es war eine sehr geile Angelegenheit und für mich der Startschuss, ein richtiges Album aufzunehmen und AGRYPNIE als richtiges Projekt, als „mein Baby“ anzusehen.

Warum hast du auf einen Drum-Computer gesetzt und keinen richtigen Drummer angeheuert? Der Automat ist stellenweise wirklich störend… War es dir ein Anliegen, soviel wie möglich selber zu machen? Oder warum hast du AGRYPNIE als Solo-Projekt angelegt? Hattest du die ewigen Line-Up-Umbesetzungen aus NOCTE-Tagen satt?

Ich gebe dir zwar Recht, dass der Automat an einigen Stellen hätte besser bzw. anders programmiert werden müssen und ich möchte jetzt auch nicht deine Meinung kritisieren, aber ich glaube, dass sich die Tatsache „Programmierung“ im Booklet schon von vorn herein negativ, wenn auch vielleicht nur unterschwellig, auf manche Hörer auswirken kann. Ich selbst werde auch im ersten Moment skeptisch, wenn ich höre oder lese, dass eine Band einen Automaten benutzt hat… Es gibt heute unzählige Bands, die ihre Drums im Studio programmieren, aber nen Drummer ins Booklet schreiben. Oder ihre Drums so dermaßen triggern und durch den Kompressor jagen, dass sie programmiert klingen. Das juckt dann meistens kein Mensch. Wie gesagt, ich würde zwar gerne einige Stellen bei den Drums nachträglich etwas angleichen, aber mir gefallen die programmierten Drums und ich finde nicht, dass sie der Musik schaden. Die Geschichte hat aber natürlich auch einen nicht ganz unwichtigen Hintergrund. Davon abgesehen, dass es mir Spaß macht, die Drums zu programmieren und ich so den größten Einfluss auf das „Gespielte“ habe, hat man natürlich nur einen gewissen Betrag für das Studio zur Verfügung. Deshalb war es von vorn herein ausgeschlossen, die Drums im Studio aufzunehmen. Wenn ich dann die Wahl habe, Drums im Proberaum aufzunehmen, um dann im Studio zu merken, dass man nicht mehr aus ihnen rausholen kann, oder andererseits Drums zu verwenden, die zwar synthetisch klingen, dafür aber eine gute Qualität haben, dürfte klar sein, wofür ich mich entschieden habe.

Wirst du mit AGRYPNIE jemals live spielen?

Das ist im Moment noch nicht sicher, aber ich hätte auf jeden Fall Bock drauf. Das wird wie gesagt die Zukunft bringen…

Verglichen mit dem Split-Demo mit FATED hat sich dein Stil deutlich in Richtung NOCTE OBDUCTA entwickelt. Wie siehst du das und wie kam es dazu?

Nach ein paar Interviews nervt diese Frage so langsam ein klein wenig… hähä… Ehrlich gesagt kann ich es schlecht beurteilen inwieweit sich die Musik beider Bands gleicht, oder ob es einfach nur daran liegt, dass die Leute genauer hinhören und darauf achten, weil ich bei NOCTE der Sänger war. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn die Musik ähnlich klingt und jeder NOCTE-Fan ist bei AGRYPNIE willkommen. Aber ich mache mir darüber überhaupt keine Gedanken und ich habe weder versucht wie NOCTE zu klingen, noch versuche ich nicht, wie sie zu klingen. Ich schreibe meine Musik so, wie es mir liegt und es ist mir wichtig, dass die Leute auf meine Musik achten und nicht darauf, inwieweit sie AGRYPNIE als NOCTE-Ersatz handhaben können.

Marcel hat die Texte zu „F51.4“ beigetragen. Wie würdest du diese Zusammenarbeit einstufen? Eher als eine untrennbare Ehe wie bei Doom Occultas zu Hause (also bei Abbath und Demonaz;-) oder handelt es sich dabei um einen einmaligen Gastbeitrag? Wirst du in Zukunft auch selber Texte schreiben, oder eher schreiben lassen?

Hähä… Ich wusste gar nicht, dass die beiden Jungs so unzertrennlich sind. Also als untrennbare Ehe würde ich es nicht einstufen. Ich habe begonnen, eigene Texte zu verfassen aber ich hoffe auch, dass Marcel wieder einige zum nächsten Album beisteuern wird. Seine Texte sind einfach der Hammer und auf jeden Fall eine Bereicherung meiner Alben. Warum sollte ich also davon nicht profitieren? 🙂

Wie hat sich die Zusammenarbeit gestaltet? Hast du ihm irgendwelche Vorgaben gemacht, eine Richtung angedeutet, in die du textlich gehen möchtest?

So sieht’s aus. Ich hatte Marcel zu jedem Song den Aufbau und eine Art Storyboard geschickt. In den Storyboards stand, worüber die Songs handeln, welche Gefühle, Eindrücke, Geschichten etc. die Texte vermitteln, erzählen sollen. Marcel hatte mit seinen Texten so ziemlich zu 100% den Kern getroffen und so musste ich ihm lediglich bei einigen Songs noch ein paar Zeilen aus der Feder entlocken.

Welche Bedeutung hat der sehr untypische und kryptische Titel „F51.4“?

Das finde mal schön selbst raus. [scheint eine Schlafstörung zu sein. Das nächste mal machen wir unsere Hausaufgaben besser. – Anm. d. Red.]

Die Texte handeln von Isolation, sozialer Vereinsamung und gehen insgesamt sehr kritisch mit der Gesellschaft ins Gericht. Was kotzt dich heute am meisten an?

Das würde den Rahmen hier doch deutlich sprengen. Wenn man heute mit offenen Augen durchs Leben geht, wird es schwer sein, nicht täglich mit Dingen konfrontiert zu werden, die einen ankotzen. Selbst wenn’s manchmal nur banale Sachen sind wie morgens der Affe im Auto vor dir, der die Spur nicht wechselt [Jaaaaaaa!!! – Anm. d. Red.]. Wenngleich ich über so etwas natürlich eher weniger einen Song schreiben würde. Ich habe eine relativ pessimistische Anschauungsweise was die Gesellschaft an sich angeht, aber möchte darüber nicht viel Worte verlieren… Die Texte spiegeln meine Sicht der Dinge wider. Das muss an Informationen darüber reichen.

Marcel hat im letzten Interview für metal.de durchscheinen lassen, dass er zum Teil zu sentimentaler Nostalgie neigt. Wie geht es dir damit? War früher alles besser oder schneidest du gerne alte Zöpfe ab?

Ich schwelge zwar auch sehr gerne in der Vergangenheit, was auch oft mit einer großen Portion Melancholie verbunden ist, gehöre aber definitiv nicht zum „Früher war alles besser“-Schlag. Wenn man zu sehr in der Vergangenheit oder der Zukunft lebt, kann es schnell passieren, dass man das „Jetzt“, die Gegenwart, vernachlässigt.

Auch kam in diesem Interview heraus, dass es „sehr, sehr, sehr viel“ bedarf, um NOCTE OBDUCTA zu Grabe zu tragen. Zwischen dem Interview und der Bekanntgabe der Bandauflösung lag jedoch gerade einmal ein Dreivierteljahr. Als Grund für die Auflösung habt ihr u.a. angegeben, dass euer Schaffen anscheinend nicht mehr wertgeschätzt wird. Wie konnte sich die Lage in so kurzer Zeit so dramatisch zuspitzen?

Ich denke diese Frage kann nur Marcel wirklich beantworten. Es gab zwar einige Dinge, die uns einfach angepisst haben, letzten Endes lag die Entscheidung aber bei Marcel, die Band zu begraben. Ich denke nicht, dass der Prozess, NOCTE zu begraben, nur in diesem Dreiviertel Jahr stattgefunden hat. Ich hätte gerne noch weiterhin mit NOCTE Musik gemacht, aber da er der Songwriter und Chef der Band war, musste ich die Entscheidung akzeptieren.

Inwiefern ist AGRYPNIE für dich eine Verarbeitung des NOCTE-Splits? Wie kommst du damit zurecht? Hältst du die Trennung noch immer für richtig?

Ich halte die Trennung weder für richtig, noch für falsch. Ich akzeptiere die Entscheidung von Marcel und kann sie teilweise nachvollziehen. Mir ging es eine Zeitlang ziemlich schlecht deswegen, aber ich sehe das Ende von NOCTE mittlerweile auch als Gelegenheit für etwas Neues. Ich habe zwar einen Text geschrieben, der eventuell in einem AGRYPNIE-Song Verwendung findet, der sich mit dem Ende von NOCTE befasst, aber ansonsten wird es bei AGRYPNIE keinerlei Verarbeitung des NOCTE-Splits geben. Das sind einfach zwei paar Schuhe, die nichts miteinander zu tun haben.

Wie geht es weiter – einerseits mit AGRYPNIE, andererseits mit NOCTE OBDUCTA? „Sequenzen einer Wanderung“ steht ja anscheinend noch aus…

Ja, das Album steht noch aus und im Moment habe ich auch keine Ahnung, wann wir die Aufnahmen fortsetzen werden. Das nächste AGRYPNIE-Album ist zu ca. 85% fertig geschrieben, aber im Moment muss ich mich auf meine Abschlussprüfung vorbereiten und vernachlässige etwas die Musik. Sobald ich die Prüfung hinter mir habe, werde ich mich wieder dem nächsten Album widmen. Und mich eventuell mal auf die Suche nach Mitstreitern machen. Schauen wir mal…

Galerie mit 10 Bildern: Agrypnie - Summer Breeze Open Air 2022
05.11.2006

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06.12. - 07.12.24metal.de präsentiertDe Mortem Et Diabolum Vol. X - 2024 (Festival)Ancient, The Ruins Of Beverast, Schammasch, Desaster, Sulphur Aeon, Manbryne, Drowned, Worm, The Flight Of Sleipnir, Agrypnie, Ponte Del Diavolo, Naxen, Horns Of Domination, Praise The Plague und Three Eyes Of The Void

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