Agnostic Front
Interview mit Roger Miret zu "My Life, My Way"
Interview
Was muss, bzw. soll man noch über diese Band großartig zur Ankündigung sagen, was nicht schon alle wissen? Jeder sollte sie kennen, bzw. zumindest von ihnen gehört haben. AGNOSTIC FRONT sind eine nicht mehr wegzudenkende Größe an der Hardcore-Spitze. Jedes neue Album ist wie eine ausufernde Straßenschlacht; „My Life My Way“ führt diesen Titel räudig fort. Frontbrüller und Hardcore-Ikone Roger Miret stellte sich Fragen zum Alter, zum Spirit des Hardcores und zum Skateboarden.
Hallo Roger! Ich muss schon staunen – ich kenne euch seit „Victim In Pain“ und was soll ich sagen, ihr werdet immer besser und besser! Auch wenn ich gerne auf die alten Alben zurück blicke, reißen eure letzten Veröffentlichungen jeden verdammten Arsch auf! Ihr werdet offenbar nicht älter, sondern immer heftiger! Euer Ehrgeiz, heftigen Hardcore zu zocken lässt offenbar nicht nach. Wie haltet ihr euch diesbezüglich bei Laune? Pflicht gegenüber den Fans oder ist es die Lebenseinstellung die euch dazu treibt?
Es sind die Fans, die immer wieder zu unseren Konzerten kommen, um uns spielen zu sehen. Es sind die Fans, die uns erzählen, wie sehr ihnen unsere Songs durchs Leben geholfen haben – genau das macht das Ganze so wertvoll, genau darum sind wir immer noch da. Ich habe immer hart und mit echter Hingabe gearbeitet. Das Gefühl, was mir unsere Musik verschafft, motiviert mich Jahr für Jahr immer weiterzumachen.
Wo ich gerade „Victim In Pain“ anspreche – Das Teil kam 1984 raus, wenn ich mich recht erinnere. Das sind 27 Jahre Abstand zu „My Life My Way“. Siehst du trotzdem noch Parallelen zu früher oder fühlen sich die alten Alben mittlerweile ein wenig fremd an?
Ich würde nicht sagen ‚fremd‘, aber manchmal, wenn ich mir unseren alten Kram anhöre, denke ich mir, „Wow, wir waren damals ganz schön abgefahren.“ Seit 1982 spielen wir, haben viel erlebt, viel mitgemacht und über die Jahrzehnte viele Musiker kommen und gehen gesehen. Wir haben uns immer weiterentwickelt.
Ihr seid im Laufe der Jahre immer metallischer geworden. Würdest du sagen, dass AGNOSTIC FRONT immer noch reiner Hardcore sind (bezogen auf die Punk-Wurzeln) oder würdest du heute einen anderen Terminus verwenden, bzw. mit einbauen?
AGNOSTIC FRONT werden immer eine Hardcore-Band sein. Hardcore entsprang aus dem Punk Rock, war aber viel aggressiver. Dazu haben wir dann noch ein bisschen Thrash hinzugefügt und waren damit 1986 („Cause For Alarm“) eine der ersten Bands, die das ausprobierte. Hardcore ist Lifestyle. Wir leben Hardcore, jeden Tag.
„My Life My Way“ ist ein cooler Arschtreter vor dem Herrn geworden. Die Produktion ist fett, die Songs rüpeln einfach alles aus dem Weg und überhaupt möchte man am liebsten mit geschwellten Nackenmuskeln wie von Henry Rollins durch die Gegend latschen und sämtliche Idioten verdreschen. Eure Musik macht immer noch aggressiv, aber nicht so dumm Anarcho, sondern eher wie der Aufruf zum Widerstand! Old School lebt! Fuck the modern! Alle anderen sind Weicheier! Weißt du was ich meine? Kannst du das nachvollziehen?
Absolut, denn genauso lebe ich auch. Jeder Song nimmt dich auf eine andere Reise mit, vom Anfang bis zum Ende. Es ist hart, schnell und melodisch, alles zur selben Zeit.
Wie gestaltet sich der lyrische Aspekt? Was können wir da heutzutage, explizit natürlich auf dem neuen Album erwarten. Immer noch Straßengeschichten oder verarbeitest du mittlerweile andere Themen?
Auf diesem Album geht es vor allem um die harten Zeiten, die wir durchlebt haben, wie wir zu einem besseren Leben gefunden haben. Gleich das erste Stück „City Streets“ erzählt davon, wie die Straße mich zu einer stärkeren Person gemacht hat. Mehr als eine bloße Erinnerung ist ein Stück, in dem es darum geht, Familienmitglieder zu verlieren, aber sie dennoch im Herzen zu behalten. „My Life My Way“ ist ein Song über uns, und wie wir stets unser eigenes Ding durchgezogen haben. Man kann schon sagen, dass es ein persönliches Album ist.
Nur du und Vinnie gehört noch zur Urbesetzung wenn ich richtig liege. Ich gehe mal davon aus, dass die anderen Jungs jünger sind als ihr. Ich meine, versteh‘ mich nicht falsch, ihr seid noch längst keine alten Knacker, aber gleichaltrige und gleichzeitig neue/frische Bandmitglieder zu finden ist auch sicher nicht einfach oder?! Fühlt sich das nicht komisch an, so junge Springer zwischen euch zu haben, die „euren“ Sound spielen?
Nun, wir haben einen Schlagzeuger gefunden, der tatsächlich ziemlich nah an unserem Alter ist. Die jüngeren, das sind Joe und Mike, aber junge Hühner sind das deswegen noch lange nicht. Wir hatten schon immer jüngere Musiker in unseren Reihen. Das braucht man auch, wenn man frisch bleiben und das Feuer am Leben halten will. Sie treiben auch mich an, härter zu arbeiten. Ich kann immer noch mit ihnen mithalten, und Stigma feiert jedes Mal so, als wäre er noch 25.
Wie funktioniert das Songwriting überhaupt bei euch? Alles von den alten Hasen oder haben die anderen auch Mitsprache-, bzw. Mitschreiberecht?
Wir arbeiten als Band zusammen, und wir haben uns echt angestrengt, um dieses Album auf die Beine zu stellen. Alle beteiligen sich mit ihren Ideen an den Songs, so unterschiedlich sie auch sein mögen. Genau das macht dieses Album auch so einzigartig.
Viele Fans oder überhaupt Musikbegeisterte glauben, dass Bands wie AGNOSTIC FRONT mittlerweile locker von ihren Einnahmen leben können… Ich schätze einfach mal, dass die Realität bei dir/euch anders aussieht oder? Wie holst du die fehlenden Tantiemen rein, um deine Familie zu ernähren?
Jeder Tag ist ein neuer Kampf. Ich habe eine Frau und zwei Kinder zuhause, und arbeite jeden Tag. Auftragsarbeiten, Haussanierung – wir müssen das, wenn wir überleben wollen. Manche der Jungs sind derzeit sogar arbeitslos…
Erzähl doch in diesem Zusammenhang auch gleich mal was von American Made Kustom.
Das sind mein Partner Todd Hubert (der übrigens das Cover des Albums entworfen hat) und ich. Wir arbeiten schon seit geraumer Zeit zusammen. Unser Merchandising umfasst vor allem Bikerkleidung für Männer und Frauen.
Mir kommt grad eine etwas seltsame Frage auf: Hast du eigentlich Hobbies, bzw. überhaupt Zeit dafür? Ich stell‘ mir grad Roger Miret vor, der mit einem Skateboard den Kids zeigt, wie es geht, haha.
Ich bin kein großer Skateboarder, aber ich bastle ganz gern an Autos rum. Ich bin in einem Verein, der sich ‚The Rumblers‘ nennt. Wir veranstalten jedes Jahr einige Shows, die sich über die Jahre zu ziemlich großen Events gemausert haben, mit Hot Rodstern und haufenweise coolen Klamotten. Zwischen den drei Bands, in denen ich spiele, meinem Job, meiner Frau und meinen Kindern hab ich also alle Hände voll zu tun, soviel ist sicher.
Welche Musik ziehst du dir denn zuhause rein? Hast du bestimmte Favoriten?
Derzeit sind meine Favoriten die THE CHOSEN ONES aus Buffalo, NY, und WISDOM IN CHAINS aus Pennsylvania. Ich hör mich alles mögliche an, angefangen bei THE CLASH über BRUCE SPRINGSTEEN bis zu JOHNNY CASH.
Gibt es eigentlich noch etwas, dass du gerne mit AGNOSTIC FRONT erreichen würdest?
Wir hoffen einfach, die Fackel noch so lange wie möglich tragen zu können. Neue Alben rausbringen und den Rest der Welt kennenlernen. Neue Freunde gewinnen.
Du hast auch noch andere musikalische Projekte am Start soweit ich mitbekommen habe. Erzähl doch mal bitte davon.
ROGER MIRET AND THE DISASTERS bringen demnächst ein neues Album auf Century Media raus, unser bisher bestes, und ein weiteres Album, auf das ich sehr stolz bin. Ich singe auch in einer Band namens THE ALLIGATORS, wo auch ein paar Jungs von INSTEAD dabei sind. Da kommt auch noch ein Album dieses Jahr.
Zurück zu AGNOSTIC FRONT. Ihr werdet doch hoffentlich „My Life My Way“ gebührend auf der Bühne promoten oder? Stehen Dates in Deutschland an?
Wir sind gerade dabei, eine Tour zusammenzustellen, im Juli soll’s losgehen. Ihr werdet uns also auf jeden Fall bald erleben können – und das nicht nur dieses Jahr!
Habt ihr schon eine Vorstellung davon, wie ihr die Setlist gestalten werdet? Ich meine, nach so vielen Jahren und entsprechenden Alben ist die Auswahl sicher nicht einfach. Wie verteilt ihr die Gewichtung zwischen altem und neuerem Material? Weißt du diesbezüglich, was sich die Fans wünschen?
Die Auswahl fällt uns bei der Masse an Songs wirklich sehr schwer. Es ist beinahe unmöglich, wirklich alles abzudecken und jeden glücklich zu machen. Wir werden ein paar unserer Klassiker spielen, aber auch Songs vom neuen Album. Wir werden mit den drei Videosongs anfangen, um zu testen wie sie ankommen. Danach dann gerne mehr.
Roger, ich danke dir für das Beantworten meiner Fragen. Es fiel mir nicht leicht, aus meinen gefühlten 400 Fragen, die ich hätte stellen können, ein paar herauszufischen 😉 Starkes Album und macht weiter so!
Danke ebenfalls!
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