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Interview mit Collin Leijenaar zum Debütalbum "Harmageddon"
Interview
Mit „Harmageddon“ lieferten Neal-Morse-Drummer Collin Leijenaar und Gitarrist Daniel Fries das Ergebnis ihrer gut sechsjährigen Zusammenarbeit ab. Dass dieses Debütalbum dermaßen ausgereift und rund klingt, dürfte dennoch für einige Überraschung gesorgt haben. Und auch wenn die Musik sich auf den ersten Hör nicht allzu deutlich von Bands wie DREAM THEATER oder SYMPHONY X unterscheidet, bringen AFFECTOR auf subtile Weise doch viel Originalität ein und legen damit eines der Prog-Metal-Highlights des Jahres vor. Das alles ist Grund genug, Kontakt mit Collin Leijenaar aufzunehmen und uns per Mail einige Fragen zum diesjährigen Weltuntergang, biblischen Texten und einer illustren Riege an Gastmusikern von ihm beantworten zu lassen.
Hey Collin, danke dass du uns ein paar Fragen beantwortest. Wie es aussieht, bin ich nicht der einzige, dem euer Debütalbum gefallen hat. Wie fielen die Reaktionen bisher denn insgesamt aus?
Wir waren wirklich überwältigt von den ausgesprochen positiven Reaktionen. Es gab eine Menge großartiger Rezensionen und viele Hörer haben über unsere Facebook-Seite Kontakt mit uns aufgenommen, um uns ihre Meinung über das Album mitzuteilen. Es ist fantastisch, mit den Fans über Facebook kommunizieren zu können.
Die Arbeiten an „Harmageddon“ zogen sich über mehrere Jahre hin. Was hat euch in dieser Zeit denn sonst noch alles auf Trab gehalten?
Viele verschiedene Dinge. Wir haben unser Album geschrieben und aufgenommen, während unser Alltagsleben ganz normal weiterging. Die Grundidee, aus der später AFFECTOR entstanden, stammt aus dem Jahr 2005 und mit dem Songwriting haben wir irgendwann 2006 begonnen. In den letzten sechs Jahren habe ich sieben Europa-Tourneen als Drummer, Bandleader und Tourmanager mit Neal Morse mitgemacht. 2006 habe ich eine Musikschule, die „Novae Popschool Ede“, eröffnet, die rasch zu einer Institution mit rund 400 Schülern und 17 Lehrern anwuchs. 2010 begleitete ich TRANSATLANTIC als Tourmanager auf ihrer Welttournee. Und ich habe bei diversen Projekten und Aufnahmen verschiedener Bands und Künstler mitgearbeitet. Da ein Tag eben auch für mich nur 24 Stunden hat, kannst du dir also vorstellen, wie schnell da die Zeit vergeht! 🙂
Daniel (Fries, Gitarrist – Anm. d. Red.) hat eine Festanstellung als Spezialist für Nephrologie (Nierenheilkunde – Anm. d. Red.) in einem Krankenhaus, kümmert sich um seine Familie mit drei Kindern und unterrichtet darüber hinaus Gitarre. Ted (Leonard, Sänger – Anm. d. Red.) hat auch einen normalen Job und arbeitete darüber hinaus mit seinen anderen Bands. Dasselbe gilt für Mike (LePond, Bassist – Anm. d. Red.), der mit SYMPHONY X viel auf Tour war.
Die Arbeit für Neal Morses Live-Band dürfte dich bereits ziemlich auf Trab halten. Siehst du AFFECTOR da als eine „echte“ Band an, die miteinander Musik machen und regelmäßig Alben veröffentlichen möchte? Oder stellt ihr eher ein Nebenprojekt dar, um das ihr euch kümmern könnt, wenn es der Zeitplan eben zulässt?
AFFECTOR sind eine echte Band die regelmäßig auf Tour gehen und Alben veröffentlichen möchte. Aber da wir auf verschiedenen Kontinenten leben, ist es nicht einfach, zusammen zu kommen, wann immer uns der Sinn danach steht. Und natürlich sind wir auch alle bei unseren anderen Bands oder unseren Jobs stark eingespannt. Aber mit einem guten Zeitmanagement und langfristiger Planung wird es uns möglich sein, immer wieder zu touren und Alben aufzunehmen.
Zunächst fand ich es ziemlich naheliegend, in diesem Jahr ein Album zu veröffentlichen, dass den Weltuntergang thematisiert. Dennoch habt ihr für „Harmageddon“ ein äußerst originelles Konzept entwickelt. Kannst du uns die wichtigsten Punkte noch einmal in deinen eigenen Worten beschreiben?
Da wir das Album im Jahr 2012 veröffentlicht haben, dachten wir, es wäre spaßig, dieses „Ende unserer Welt“ einzubringen, das viele für dieses Jahr vorhersagen. Es gibt auch schon viele Alben, die diese Thematik aufgreifen, aber meistens aus einem anderen Blickwinkel als dem der Bibel. Daher haben wir uns für diese Perspektive entschieden, ohne dass wir den Leuten damit vorschreiben möchten, was sie glauben sollen oder was nicht. Jegliche Anpassung der biblischen Texte hätte bedeutet, eine persönliche Sichtweise einzubringen, da man dafür die Bedeutung des Textes hätte interpretieren müssen. Da wir aber die Zukunft nicht kennen, ist es unmöglich vorherzusehen, was geschehen wird. Darum haben wir uns entschieden, den Text nicht zu verändern und ihn so zu lassen, wie er in der Bibel geschrieben steht.
Wir haben die Textpassagen so ausgewählt, dass wir die Geschichte in einigen wenigen Abschnitten erzählen konnten. Um Daniel zu zitieren: „Es handelt sich um Bibeltexte, welche von biblischer Endzeit-Prophetie handeln, angefangen von der Prophetie vom Leidensweg Christi („Salvation“) bis bin zur Machtübernahme des Anti-Christen und des anschließenden Eingreifens des wiederkehrenden Messiahs.“ Aber wir geben keine persönlichen Erklärungen oder Interpretationen ab. Es liegt am Zuhörer selbst, ob er daraus etwas machen möchte, oder es sein lässt und nur die Musik zu genießen.
Aber ihr seid selbst schon gläubige Menschen?
Ja, wir vier glauben an Gott und deshalb hat auch die Bibel eine wichtige Bedeutung für unsere Leben.
Wie stehen denn deiner Meinung nach die Chancen, dass die Welt 2012 wirklich untergeht?
Ich glaube nicht, dass die Menschen, die heute auf der Erde leben, das Ende der Welt erleben werden. Schon im ersten Jahrhundert haben Leute erzählt, dass das Ende der Welt unmittelbar bevorsteht. Nunja, die Welt ist immernoch hier und ich denke, so wird es noch für eine lange Zeit bleiben.
Fiel es euch leicht, die Musik dem Textkonzept anzupassen? Oder seid ihr dabei auf größere Schwierigkeiten gestoßen?
Es war eine Herausforderung, aber es gab uns auch eine neue Form der kreativen Freiheit. Da der Text ohne die Einhaltung irgendeiner musikalischen Form, eines bestimmten Rhythmuses oder Reimschemas geschrieben wurde, war es unmöglich, dem klassischen Strophe-Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Solo-Refrain-Songschema zu folgen. Das gab uns alle Freiheiten, die Musik und den Text gemeinsam zu arrangieren und hat zu einigen spannenden Wendungen geführt. Daniel und Ted arbeiteten hauptsächlich daran, alle Gesangsparts miteinander in Einklang zu bringen und haben ihnen darüber hinaus auch einige geniale Harmonien hinzugefügt. Ich finde, sie haben einen großartigen Job geleistet, indem sie diese nicht-musikalischen Sätze auf diese Weise zum Fließen brachten.
Hast du dich mit Daniel persönlich getroffen, um an den Demos zu arbeiten, oder habt ihr eure Ideen über das Internet ausgetauscht?
Wir haben in erster Linie über das Internet zusammengearbeitet. Aber da wir nur dreieinhalb Stunden voneinander entfernt wohnen, haben wir uns gelegentlich in meinem Studio getroffen, um an dem Album zu arbeiten.
War es leicht, Mike LePond und Ted Leonard dazu zu bringen, mit euch zusammen zu arbeiten? Oder hattet ihr Probleme, sie davon zu überzeugen?
Daniel kannte sie persönlich und ich habe sie in der Vergangenheit mehrmals bei Tourneen oder Konzerten getroffen. Wir haben sie einfach gefragt, ob sie auf unserem Album spielen und der Band beitreten möchten, und beide haben direkt ja gesagt. Aber lassen wir die beiden doch selbst kurz zu Wort kommen!
Ted Leonard: „Ich war zunächst wegen der Musiker, mit denen eine Zusammenarbeit geplant war, neugierig auf das Projekt. Dann landete die Musik in meinem Posteingang und die musikalische Klasse aller Beteiligter hat mich umgehauen. Collin und Daniel sind absolute MONSTER! Es ist wirklich eine Ehre, ein Teil hiervon zu sein!“
Mike LePond: „Das erste, was mich an dieser Band reizte, waren die Songs. Sie waren ausgesprochen gut geschrieben. Das Textkonzept und das spieltechnische Talent stellten das Sahnehäubchen auf diesem großartigen Projekt dar. Ich denke, es wird von vielen Leuten zum besten Prog-Metal-Album des Jahres gewählt werden.“
Es ist euch auch gelungen, vier fantastische Prog-Keyboarder für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Warst du überrascht, dass sie alle ein Teil von AFFECTOR sein wollten?
Ja, ich war sehr überrascht und fühle mich SEHR geehrt. Als wir darüber sprachen, von wem wir die Keyboards für das Album einspielen lassen würden, dachte ich sofort an Alex Argento. Ich habe seine Musik damals über YouTube entdeckt und mir direkt sein Solo-Album „Ego“ (erschienen 2007 – Anm. d. Red.) besorgt. Es war für mich eines der besten Alben jenes Jahres und ich hoffte sehr, dass ich eines Tages mit ihm zusammenarbeiten könnte. Daher bat ich ihn, der Haupt-Keyboarder auf diesem Album zu sein und glücklicherweise hat er zugesagt.
Aber wir wollten noch weitere Keyboarder für einige Solos hinzuziehen und haben daher angefangen, E-Mails an Derek Sherinian zu schicken. Er spielte alle Keyboards auf „Falling Away & The Fall Of The Beast“ ein, zu dem später Neal Morse ebenfalls ein Solo beisteuerte.
2009 war ich auf Tour mit der NEAL MORSE BAND und wir eröffneten einige Shows für DREAM THEATER. Backstage habe ich mich mit Jordan Rudess über AFFECTOR unterhalten und ihn gefragt, ob er einen Gastbeitrag zu unserem Album beisteuern möchte. Nachdem er unsere Musik gehört hatte, war er dabei. Beim Titelstück „Harmageddon“ und „The Rapture“ hatten wir das Gefühl, dass sie hervorragend zu Jordans Spielweise passen würden.
Wie wichtig war es euch, dass auf „Harmageddon“ ein echtes Orchester zum Einsatz kam?
Mir persönlich war es sehr wichtig. Ich wollte schon immer echte Streichinstrumente bei meinen Projekten verwenden, da das immer besser ist, als sie nur mit einem Synthesizer zu immitieren. Bei echten Instrumenten hat man nicht nur den Klang, sondern auch die Persönlichkeit der Musiker in der Musik. Mir ist das sehr wichtig.
Ich bin sehr glücklich, dass wir sie (das „Sinfonietta Consonus„-Orcheste – Anm. d. Red.) auf unserem Album haben. Ich lernte sie über ein Neal-Morse-Tribute-Stück kennen, das sie gemacht hatten. Wir haben es während der „Testimony 2“-Tour der NEAL MORSE BAND als Intro-Tape für den ersten Set benutzt. Deshalb habe ich Kontakt mit Michal Mierzejewski (dem Dirigenten und Produzenten des Orchesters) aufgenommen und gefragt, ob sie Interesse an einer Zusammenarbeit hätten. Da wir alle unsere Gastmusiker einfach das machen lassen, was ihnen gefällt, gab ich Michal die selbe Freiheit. „Arrangiere und spiel das einfach so, wie du es für passend hältst.“ Er hat mir also einen ganzen Stapel an Stücken geschickt, die ich alle durchgehen und mich entscheiden musste, welche Parts wir verwenden und welche nicht.
Ich liebe die Orchester-Stücke so sehr, dass Rich Mouser und ich beim Mixen dachten, dass es ein Schande wäre, wenn wir uns nur darauf beschränkten, das Orchester innerhalb unserer Kompositionen zu benutzen – dass es vielmehr cool wäre, wenn die Leute die eigentlichen Stücke für sich hören könnten. Daher erstellte ich während der Arbeiten am Mix einen besonderen Bonus-Track aus allen Orchesterstücken. Ich nahm Teile von der gesamten Musik, die sie aufgenommen hatten, und arrangierte sie zu etwas, das wir „HarmaSuite – Orchestral Outtakes“ nennen. Dieser Bonus-Track ist nur auf der Vinyl-Fassung von „Harmageddon“ enthalten, die wiederum nur über unseren Webshop erhältlich ist.
Die größte Stärke von „Harmageddon“ liegt meiner Meinung nach in seinem ausgereiften Songwriting. Müssen wir nun also weitere vier bis sechs Jahre warten, bevor wir einen würdigen Nachfolger erwarten können?
Hoffen wir mal, dass es schneller gehen wird! 🙂 Tatsächlich tauschen Daniel und ich gerade schon eifrig Ideen für die neuen Stücke unseres nächsten Albums miteinander aus. Wir werden sehen, wie lange wir an diesem dann letztlich arbeiten werden, aber unser Hauptaugenmerk liegt auf AFFECTOR, so dass wir hoffentlich in einem oder anderthalb Jahren unser zweites Album veröffentlichen können.
Zuvor würden wir euch aber natürlich gerne auch live erleben können. Gibt es diesbezüglich bereits Pläne?
Ja, wir würden den Release unseres Albums gerne Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres mit einer Tour unterstützen. Es hat sich da für uns ein mögliches Zeitfenster ergeben, das wir gerne nutzen würden.
Da freue ich mich dann bereits drauf. Gibt es zum Abschluss noch etwas, was du den Leuten hier in Deutschland mitteilen möchtest?
Haltet die Unterstützung für progressive Musik und eure Lieblingskünstler auch weiterhin aufrecht und wir hoffen, euch bald auf Tour sehen zu können!
Machen wir und wir freuen uns auch bereits auf euch. Vielen Dank für das Gespräch, Collin!
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