Adversam
Adversam
Interview
Um ADVERSAM war es sehr lange sehr still. Die Wiederauferstehung allein wäre also schon Grund genug, der Band ein paar Fragen zu schicken, auch wenn "Proclama" nicht so großartig wäre, wie es tatsächlich ist. Die Antworten aus Italien ließen zwar etwas auf sich warten, aber neun Jahre hat es immerhin nicht gedauert. Das kann man wohl als Erfolg werten.
Erzähle uns für den Anfang doch mal, was Ihr all die Jahre getrieben habt. Warum die lange Pause? Ich bin der Meinung, dass „Animadverte“ ein ziemlich gutes Album war, ein vielversprechender Beginn Eurer „Karriere“. Warum ist aus dieser „Karriere“ dennoch vorläufig nicht sonderlich viel geworden?
Mit unserem ersten Album lief es für uns in Italien ziemlich gut, und anderswo auch nicht übel. Die Promotion des Album hat uns viel Zeit gekostet, und im Laufe der Jahre hat es viele Besetzungswechsel in der Band gegeben, die jegliches Vorankommen mehr oder weniger verhindert haben. Als wir endlich etwas Stabilität erreicht hatten, begannen wir sofort mit der Arbeit am neuen Album. Theoretisch hätten wir das Album früher rausbringen können, aber wir gehen normalerweise erst ins Studio, wenn wir wirklich gut vorbereitet sind. Wir wollen nicht auf technische Spielereien zurückgreifen müssen, um einen eventuellen Mangel an Vorbereitung zu vertuschen. In dieser Hinsicht ist „Proclama“ ein ehrliches Album. Auch wir sind der Meinung, dass „Animadverte“ für uns ein gelungener Einstand war, der von Kritikern und Publikum entsprechend gewürdigt wurde. Wir waren uns darüber im Klaren, dass es nicht einfach sein würde, einen würdigen Nachfolger aufzunehmen. Mit „Proclama“ sind wir überzeugt, dies geschafft zu haben, das Album zeigt die natürliche Weiterentwicklung von ADVERSAM.
Euer Stil hat sich in den letzten zehn Jahren nicht allzu drastisch verändert. Vielleicht ist jetzt ein bisschen mehr Schweden im Mix, und auch mit den Keys habt Ihr hier und da etwas experimentiert, aber insgesamt ist „Proclama“ eine kompaktere, konzentriertere und tödlichere Runderneuerung des Debüts. Wie habt Ihr es geschafft, die Scheibe so frei von neumodischen Einflüssen zu halten? Was motiviert Euch allgemein, die Musik zu machen, die Ihr macht, was sind Eure Einflüsse?
Wenn wir komponieren, sind wir nicht daran interessiert, wie andere BM-Bands zu klingen. Es geht uns nicht darum, nach Norwegen oder Schweden zu klingen, wir sind in erster Linie unseren Ideen verpflichtet, wollen die besten Lösungen für ihre Umsetzung finden. Man muss bedenken, dass ADVERSAM auf eine lange Geschichte zurückblickt, auch wenn wir nicht sonderlich viel Zeug rausgebracht haben. Wir haben in den Jahren nach „Animadverte“ nie aufgehört, Black Metal zu spielen, und daran wird wohl auch liegen, dass wir keine neumodischen Einflüsse haben. Außerdem ist es für uns schon wichtig, nicht in der grauen Masse unterzugehen. Und dann ist da noch unsere Art, Musik zu schreiben. Bei ADVERSAM geht es darum, die Seele eines Stückes zu finden und herauszuarbeiten. Wenn unsere Priorität darin besteht, aus UNSEREN Ideen die bestmögliche Musik zu formen, dann ist doch völlig klar, dass unsere wichtigsten Einflüsse dabei persönliche Erfahrungen, Interessen und Motive sind, nicht irgendwelche äußeren Dinge wie momentane Musiktrends. „Proclama“ ist ADVERSAM! Wie „Animadverte“, auf dem gleichen Niveau, nur eben neun Jahre später. So müssen ADVERSAM im Jahre 2008 klingen, etwas Anderes ist gar nicht möglich.
Was unsere Einflüsse betrifft, muss auch unsere Heimatstadt Turin erwähnt werden. Turin ist ständig in Nebel gehüllt und hat eine großartige okkulte und magische Geschichte. Besonders im Winter kann man in den Straßen diese unglaubliche Atmosphäre spüren, das ist sehr weit von den üblichen Italienklischees entfernt.
Denkst Du, dass Eure Interpretation von Black Metal Euch im Weg stehen könnte, den „Erfolg“ zu haben, den Ihr verdient, weil der gemeine (jüngere) Hörer mit diesem Stil nichts mehr anfangen kann, ihn schlicht nicht versteht? Ich habe ein paar ziemlich schlimme Kritiken gelesen, über deren Ahnungslosigkeit man gleichzeitig lachen und heulen möchte. Da Ihr Eure Musik schon seit geraumer Zeit spielt, ist Euch das wahrscheinlich mehr oder weniger egal. Aber frustierend kann derlei Ignoranz schon sein, oder?
Unwissende Kritiker sind uns egal, um sowas kümmern wir uns nicht. Natürlich kann es sein, dass jüngere Hörer unsere musikalischen Intentionen nicht nachvollziehen können. Ich denke aber, dass gute Hörer „Proclama“ durchaus zu schätzen wissen – jetzt und in der Zukunft, wenn die ganzen ahnungslosen Schwätzer weitergezogen sind. ADVERSAM spielen seit 1996 Black Metal, und bisher sind wir auch ohne Unterstützung von Ignoranten zurecht gekommen.
Ihr habt „Proclama“ über einen ziemlich langen Zeitraum aufgenommen, das Booklet zumindest verrät „recorded in 2006 and 2007“. Nun seid Ihr ja sicher nicht zwei Jahre im Studio gewesen, wie lange also hat der Aufnahmeprozess an sich gedauert? Ich frage vor allem deshalb, weil „Proclama“ ziemlich gut klingt, sauber genug für Eure Raserei, aber dennoch weit entfernt von überproduziert. Und während heutzutage fast alles totgetriggert wird, wirkt sogar das Schlagzeug sehr natürlich. Wie wichtig ist es für Euch, den richtigen Klang zu haben? Oder ist die einzige Aufgabe der Produktion, die Musik nicht zu verderben?
ADVERSAM ist eine Black-Metal-Band – roh und schnell, gleichzeitig aber durchaus technisch und mit besonderem Augenmerk auf melodische Kompositionen. Als Musiker wollen wir unsere Instrumente so gut wie möglich beherrschen, und natürlich wollen wir kein halbgares Material aufnehmen. Schon deshalb ist es wichtig, viel als Band zusammen zu spielen. Das hilft dann natürlich auch im Studio: Wenn man ordentlich spielen kann, dann ist auch der Sound gleich viel klarer. Sich aufs Studio vorzubereiten, ist mitunter harte Arbeit, aber unsere Art BM verlangt schlicht eine ganze Menge Spielpraxis. Und letztendlich hilft das auch den Songs, die zwar komplex sind, aber dennoch direkt auf den Punkt kommen und die Seele der Musik offenlegen; wild und kalt, Fleisch und Blut.
Mit Triggern können wir nichts anfangen; übermäßiges Triggern klingt unecht und macht Musik langweilig.
Einige der Texte auf „Proclama“ stammen von Quellen außerhalb der Band oder wurden zumindest von jenen beeinflusst. Nach welchen Richtlinien entscheidet Ihr, was ins ADVERSAM-Universam passt? Habt Ihr keine Angst, dass Eure eigenen Texte neben z.B. Goethe-Zitaten nicht mehr so großartig wirken? Ganz allgemein, wie wichtig sind für Euch die Texte im vergleich zur Musik? Und was, in ganz wenigen Worten, ist Eure „Botschaft“?
Die Texte entstehen meist durch Zufall. Musik kann einen Text inspirieren, oder umgekehrt. Wenn man etwas liest, kann man dadurch zu ein paar Zeilen inspiriert werden – nur um hinterher festzustellen, dass der Originaltext ein bestimmtes Konzept einfach am besten ausdrückt. Musik und Texte sind gleich wichtig, aber ADVERSAM existiert nicht, um eine bestimmte Botschaft zu verbreiten. Die Texte sind unsere persönliche Interpretation von Realität, Erfahrungen und Emotionen, die zu Musik geworden sind. Wir hoffen, dass der Hörer sich emotional mit unserer Musik identifizieren kann. Die Texte sind als unsere Interpretation zu verstehen, nicht als Botschaft.
Jetzt zu etwas ganz Anderem: Wird man Euch auf Tour sehen können? Wenn ich mich recht entsinne, wart Ihr ja mit „Animadverte“ nicht großartig unterwegs, nicht mal nach Süddeutschland habt Ihr es geschafft. Wird sich das jetzt ändern?
Es wäre schön, eine Tour zu organisieren, nachdem wir es mit „Animadverte“ tatsächlich nur bis in die Schweiz geschafft haben. Aber wir haben natürlich alle richtige Arbeit, da ist das schwer zu koordinieren. Das schließt natürlich nicht aus, für einzelne Gigs nach Deutschland zu kommen, derlei lässt sich ja viel leichter einrichten.
Wie seid Ihr eigentlich an Euer Label geraten? Und warum gerade Bloodred Horizon Records? Ehrlich gesagt wirkt der Verein ja schon ziemlich klein für eine Band wie ADVERSAM. Hat BHR die Möglichkeiten, Euch beim Touren und mit Merchandise zu unterstützen? Seid Ihr mit der Labelarbeit bisher zufrieden?
BHR ist eine der Plattenfirmen, an die wir unser Promomaterial geschickt haben. Für uns war es wichtig, mit einer ausländischen Firma zusammen zu arbeiten, und das Angebot von Bloodred Horizon schien uns einfach das beste. Bisher sind wir mit BHR sehr zufrieden. Das Label ist zwar noch relativ jung, aber die Leute dort wissen, was sie tun. Wir brauchen keine Plattenfirma, die nur den Umsatz im Auge hat. Außerdem ist uns wichtig, dass BHR „Proclama“ auch deswegen heraus gebracht haben, weil sie unsere Musik sehr schätzen.
Um noch kurz beim Label zu bleiben: Wird es „Proclama“ auch auf Vinyl geben? Kurz genug ist das Album ja, um bequem auf einen Zwölfzöller zu passen. Wie stehst Du generell zum in den letzten Jahren doch extrem gewachsenen Interesse an LPs?
Momentan gibt es für „Proclama“ noch keine Vinylpläne, aber das wäre natürlich großartig! Vinyl ist halt schon ein Objekt der Verehrung, auch weil die Auflagen normalerweise eher mickrig sind. Und natürlich ist so eine große Platte reiner und echter als eine CD, kann nicht so einfach kopiert werden, das macht Vinyl durchaus wertvoll.
In letzter Zeit kam aus Italien eine Menge guter Musik. Bands wie ADVERSAM oder die ganzen ATMF-Truppen spielen mit den besten BM, der momentan gemacht wird. Selbst von Euch sind einige in durchaus interessanten Projekten bschäftigt (NEFARIUM, NATASSIEVILA). Hast Du die Entwicklung in Italien eigentlich aktiv verfolgt? Irgendwelche Empfehlungen?
Außer ein paar persönlichen Bekanntschaften verfolgen wir kaum, was in der italienischen Szene passiert. Und im Laufe der Jahre ist ja auch nicht sonderlich viel Interessantes rausgekommen. Momentan gibt es ohne Zweifel ein paar wirklich gute Projekte, aber die italienische Herkunft ist halt immer noch kein gute Werbung (UGLUK? -Ed.). Man muss sich wohl außerhalb des BM umschauen, um eine italienische Band zu finden, die international bekannt ist und geschätzt wird.
Bevor wir zum Ende kommen, musst Du uns natürlich noch etwas zum nächsten Album erzählen. Werdet Ihr weiterhin nur vier Minuten pro Jahr komponieren? Oder kommt das nächste Album noch vor 2017? Musikalisch muss man keine allzu drastischen Veränderungen fürchten, oder?
Wir arbeiten bereits am nächsten Album, und wenn alles glatt geht, werden wir schon Ende dieses Jahres wieder im Studio sein. Natürlich wird es gewisse Änderungen geben, ganz einfach weil wir uns als Band und vor allem als Individuen ständig weiter entwickeln. Aber ein typisches ADVERSAM-Album wird es selbstverständlich trotzdem, da muss man sich keine Sorgen machen.
Das war’s. Vielen Dank für Deine Zeit. Die letzten Worte gehören Dir.
Danke für das Interview. Wir hoffen, dass wir bald mal bei Euch spielen können, um Missverständnisse gerade zu rücken, die oberflächliche und ahnungslose Kritikenschreiber verursacht haben. Da kann sich dann jeder selbst überzeugen, wofür ADVERSAM stehen.
Vielen Dank!
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