Abigor
Abigor

Interview

Zwar haben wir erst Juli, und als nach sechs Jahren Funkstille mit "Fractal Possession" ein neues ABIGOR-Album erschien, war es erst Mai – trotzdem: das Black-Metal-Album des Jahres, das nur durch DEATHSPELL OMEGAs "Fas" ernst zu nehmende Konkurrenz erfahren hat! "FP" ist nicht nur in der Diskographie ABIGORS, die immerhin schon 14 Jahre umfasst, herausragend, sondern auch in seiner immens beeindruckenden Umsetzung einzigartig für den gesamten Black Metal. Es gab viel zu reden – und es wurde viel geredet: TT, verlorener Sohn, erwies sich als überraschend gesprächiger, getriebener Musiker, wie ich in der Black-Metal-Szene selten einen erlebt habe.

Abigor„Fractal Possession“ ist jetzt schon seit einigen Wochen erhältlich – sind die Reaktionen auf dieses Album so ausgefallen, wie Du es erwartet hattest?

Im Großen und Ganzen schon. Eigentlich besser als erwartet, weil fast alle Reviewer sowohl die Essenz, den Ursprung und Kern, als auch die Entwicklung erkannt haben. Ein Review, das sich ausschließlich mit musikalischer Leistung beschäftigt, hätte nämlich das Album im Ganzen nicht beschrieben. Es gab zwar zwei Kritiken, die aus dem Rahmen fielen, aber bei einer war offensichtlich, dass es dem Reviewer total an Referenzen und Verständnis fehlte – was er beschrieben hat, war einfach etwas anderes als FP, und beim zweiten konnte man eindeutig erkennen, dass nur mit der Fast-Forward-Taste durchs Album gesprungen wurde, oder derjenige nur mit einem Ohr bei der Hausarbeit hingehört hat. Das nimmt man zur Kenntnis, aber es hinterlässt keinen Eindruck, so wie fundierte Anerkennung oder Ablehnung.
Sehr beeindruckt hat mich natürlich die Resonanz von anderen Black-Metal-Musikern – Bands, die ich persönlich sehr schätze und respektiere. Das sind erhebende und für mich gar nicht selbstverständliche Momente. Natürlich macht man Musik (als Sammelbegriff für Ton, Text, Layout etc.) für sich selbst, ich buhle nicht um Anerkennung. Aber je mehr man selbst andere Bands schätzt, und da gibt es einige die meines Erachtens nach Großartiges erschaffen, umso mehr schätzt man dann auch die Worte derjenigen über sein eigenes Werk. Speziell von Musikern, die nicht denselben Stil vertreten wie wir – die eher eine sehr ursprüngliche, rohe Variante bevorzugen.

Welche Bands sind das, die Du persönlich im heutigen Black Metal noch respektierst? Was glaubst Du ist es, das diese eher „old school“-orientierten Bands an dem zeitlosen FP schätzen?

DEATHSPELL OMEGA, KATHARSIS, KRIEGSMASCHINE, PESTE NOIR, SVEST, RIDE FOR REVENGE, MGLA, DIASIQUIR, BLACKLODGE, DRASTUS, ANTAEUS, MÜTIILATION, INKISITOR, BLACKDEATH, CLANDESTINE BLAZE, EXORDIUM, NIHIL NOCTURNE, UNCREATION’S DAWN, OFERMOD, MORTUUS, MUSTA SURMA, CORPUS CHRISTII, HERESI, EMIT, LURKER OF CHALICE, ALTER OF PERVERSION, MALIGNANT, VROLOK, NASTROND, SVARTSYN, FUNERAL MIST, OSCULUM NFAME, WARLOGHE, HELL MILITIA und noch viele mehr sind Bands, deren Releases ich persönlich schätze. Sie alle haben ihren eigenen Stil und ein Konzept, das jenseits von Plastikschwertern und Trollen liegt.
Zu deiner zweiten Frage: ursprünglich und roh muss nicht immer oldschool sein. Oldschool sind für mich hauptsächlich MAYHEM- und DARKTHRONE-Kopien. Oft wird „oldschool“ auch nur als Werbung für uneigenständige Bands verwendet, um ein paar Käufer mehr zu rekrutieren. KATHARSIS oder SVEST – das sind z. B. Bands die sehr „roh“ und „direkt“ klingen, was den Sound und vielleicht auch die Herangehensweise betrifft. Aber ihre Riffs und Arrangements sind höchst originell und individuell und alles andere als „old school“. Und so wie ich jede Art von Black Metal schätze, die eigenständig ist, so ist es bei vielen anderen Bands auch so. Nur manche „Fans“ glauben, es wäre Gesetz, dasauf der einen Seite roher, auf der anderen Seite „ausgetüftelter“ Black Metal steht. In Wirklichkeit geht es um etwas anderes… nur weil irgendwas lächerlich „necro“ ist, nur weil etwas simpel und nach Vierspur klingt, deswegen ist das noch lange nicht „true“ – um in deren Terminologie zu bleiben, die ich schon passend finde, um die Intention der Band zu beschreiben. Diese ganzen Unterteilungen finden nur bei sehr fragwürdigen Hörerschaften statt, während integere Bands und Hörer einfach Qualität, Eigenständigkeit und Ernsthaftigkeit fordern – ob roh oder ausproduziert, schnell oder langsam etc, das spielt doch keine Rolle, solange eben die Musik eigenständig und die Konzepte seriös sind!

Bevor PK die Band aufgelöst hat, warst Du bereits ein Album lang nicht mehr dabei. Man hörte damals verschiedene mehr oder weniger offizielle Begründungen dafür, von freiwilligem Ausstieg bis zum Rauswurf wegen persönlicher Probleme. Was ist damals genau geschehen, und welche Erfahrungen hast Du aus dieser Zeit mitgenommen?

Es ist nichts geschehen. Es gab keinen Grund, keinen Zeitpunkt, sondern es war ein Gefühl über eine längere Zeit, die es mir unmöglich machte, ABIGOR einfach so Album nach Album weiterzumachen. Ich bin auch nicht zu irgendeinem Zeitpunkt ausgestiegen oder hatte irgend etwas verkündet, sondern es war einfach vorbei. Ich wollte so nicht weitermachen und bin meinen eigenen Weg gegangen. PK hat sich andere Leute gesucht und ein Album geschrieben etc. Mir war gar nicht klar, dass ABIGOR so weiterexistieren würden. ABIGOR waren ja nie eine Band, wo man sich trifft, im Proberaum Musik macht oder so was. Schon immer war es so – jeder komponiert und schreibt für sich. Man traf sich dann, um die Riffs auszutauschen und uns fürs Studio vorzubereiten. Ich habe keine Musik mehr geschrieben, keine Interviews gegeben, Kontakte gestoppt – sämtliche Brücken abgebrochen. Und ich kann auch verstehen, dass PK mehr als irritiert war, als ich alles sozusagen wegwarf, das wir über die Jahre aufgebaut haben. Diese Entscheidung hat ja auch sein Leben beeinflusst. Dass er sich in Folge in Interviews nicht sonderlich positiv über mich äußerte, ist im Nachhinein natürlich zu verstehen.

Bei mir hat das „Satanized“-Album zu der Erkenntnis geführt, dass Dein kompositorischer und spielerischer Anteil bei ABIGOR immer höher gewesen ist, als ich es angenommen hatte. Ich kann mit dem Album so gut wie nichts anfangen. Wie hast Du es empfunden, als „Deine“ Band ohne Dich weitergespielt hat, und wie schätzt Du „Satanized“ ein?

ABIGOR müssen als Ganzes wahrgenommen werden – wir haben bei keinem einzigen Album je angeführt, wer was komponiert hat. Das war und ist vollkommen unwichtig. Eigentlich genauso unwichtig wie welches Instrument wer spielt.DEATHSPELL OMEGA haben das Konzept der Anonymität ins Extrem geführt, aber im Grunde war das auch schon ein Gedanke, der uns immer für ABIGOR wichtig war – Fokus auf das große Ganze, nicht auf einzelne Musiker. Deswegen findet man nie genauere Infos, wer was genau spielt und schreibt. Da ich nicht nur Gitarre sondern im Studio auch Schlagzeug spiele, denken viele, dass ich hauptsächlich Schlagzeug spiele. Es ist mir völlig gleichgültig, was wer denkt. Im Legacy wurde eine Aussage von mir im Review so interpretiert, dass ich die Musik zu FP alleine geschrieben hätte, was natürlich genauso falsch ist. ABIGOR sind, waren (außer „Satanized“) und werden immer das Produkt von beiden, PK und TT sein. Wer jetzt welchen Track geschrieben hat oder wer hier das Lead spielt, wer welchen Part inne hat, welche Rolle spielt, was soll das? Ist doch völlig gleichgültig. Persönliche Anerkennung brauche ich nicht, zumindest nicht von irgendwelchen Reviewern, Interviewern oder Hörern. Wenn ein Album gewürdigt wird, wird automatisch auch das gewürdigt, was ich daran erschaffen habe. Viel mehr als irgendwelche „TT = drums“-Meldungen verstört mich aber, dass z. B. in einer Kritik die Vocals als „gewöhnlich“ beurteilt wurden, was davon zeugt, dass der Kritiker das Album nur mal so durchgehört hat und nicht die hundert Facetten von ARs Performance wahrgenommen hat. Diese unglaubliche Ignoranz ist etwas, das mich persönlich beleidigt. Nicht, dass irgendwer denkt, ich wäre der Drummer, das ist egal, solange das Album die verdiente Anerkennung bekommt.

Gilt das andersherum für Kritik an Euren Alben auch, hast Du Dir beispielsweise Kritik an Silenius’ Gesang oder an von PK geprägten Songs auch immer im Sinne eines Gesamtwerkes zu Herzen genommen?

Ehrlich gesagt kann man die damaligen, als Silenius die Vocals übernahm, mit den jetzigen Zeiten nicht vergleichen. Trotz guter Verkäufe von einigen Bands war Black Metal nicht omnipräsent in Magazinen, so wie heute. Reviewer, die unsere Alben in den 90ern besprochen haben, hatten einen anderen Bezug – waren entweder aus dem Fanzine-Bereich oder von großen Magazinen, die wiederum BM ganz ablehnten oder vereinzelt auch gut besprochen haben. Und komischerweise haben Leute damals nicht so sehr versucht, etwas an uns persönlich, als TT oder PK, festzumachen – auch dass man jetzt ach-so-gern in Interviews oder auf Internetseiten unsere weltlichen Namen nennt, ist erst jetzt in Mode gekommen. Damals hat man unsere Absicht, ABIGOR als ein Ganzes zu sehen, mehr geachtet. Wir hatten ja sogar bedenken, auf „Opus IV“ zu schreiben, dass die Texte und das Layout im „Horns…“-Teil von mir, im „Blut…“-Teil von PK sind. Aber damals war jedem klar, die Musik kommt bei beiden Teilen von uns, niemand kam auf die Idee, das musikalisch zu hinterfragen, oder sich dafür zu interessieren, wie man mit zweitem Vornamen heißt. Die Pseudonyme wurden nicht zum Spaß gewählt, sondern es hat eine Bedeutung, dass wir weder als „Lord/Count…“ noch unter unserem vollständigen, weltlichen Namen Musik machen – das gehört durchaus untrennbar zu ABIGOR dazu, wie die Tatsache, dass niemals genauere Angaben zu Musik und Instrumentierung gemacht wurde. Written and produced by ABIGOR. Punkt.
Das bedeutet natürlich, um auf deine Frage zurückzukommen, dass Kritik jeden von uns anspricht, weil jeder die „Verantwortung“ über jede Note, jedes Wort zu tragen hat – eben weil etwas „ABIGOR“ ist, und nicht „TT oder PK oder AR“.

Du warst jetzt sechs Jahre lang nicht mit ABIGOR aktiv. Was hat sich in Deinem Kopf in dieser Zeit getan, welche Entwicklungen hast Du durchlebt, welche neuen Eindrücke gesammelt? Was hat letztlich dazu geführt, dass Du wieder zurückgekommen bist?

Mit verschiedensten Musikstilen habe ich mich schon seit jeher beschäftigt, als Hörer. Da gab es jetzt keine Entwicklung, nichts, wo man behaupten kann, dass ich mich plötzlich für das oder das interessiere. Und als aufmerksamer Hörer lernt man sehr viel, von Neuer Musik/Komponisten des 20. Jhdts., Elektronik, Gitarrenmusik etc. Da gab es jetzt keine „neuen Eindrücke“. Ich habe mich auf Tontechnik konzentriert, Audio Engineering als Ausbildung und vielmehr noch selbst gelernt, und über die Jahre ein Studio gebaut – zuerst Gerätschaften gekauft und dann mit zwei anderen ein richtiges Studio gebaut. Es fand natürlich eine Weiterentwicklung statt, auf persönlicher Ebene und auch in Folge auf musikalischer, und wenn man bedenkt, dass ich zu ABIGORs Anfängen ein später Teenager war, so kann man speziell die Jahre im neuen Jahrtausend als spätes „Erwachsenerden“ bezeichnen – etwas, das sich nicht mit ein paar Worten erklären lässt.
Dass ich mit PK und AR unter ABIGOR wieder Black Metal veröffentliche hat damit zu tun, dass man als Black-Metal-Musiker geboren ist – das ist nichts, was man sich aussucht. Wenn ich eine Gitarre in die Hand nehme kommt das heraus. Ich habe kein Bedürfnis, Komposition zu studieren und Neue Musik zu schreiben – jetzt mal salopp formuliert, die Hürden beiseite gelassen. Oder mich ausschließlich mit Synthesizern zu umgeben und nur Elektronik produzieren. Wenn das Umfeld stimmt – die „Szene“, aber speziell Label, Studio und Arbeitsweise – dann gibt es keinen Grund, nicht aktiv zu sein in dem Bereich, der ganz einfach meiner Natur entspricht. Das Resultat, das Album entspricht unseren Persönlichkeiten, daher sind wir ABIGOR. Wir transformieren das, was in uns steckt – was uns gegeben wird, nichts weiter. Wir setzten uns nicht hin und konstruieren Black Metal – sondern wir sind Black Metal. Das ist der einzige Grund, warum wir das tun was wir tun. Wenn du ein wirklich guter Musiker bist, bedeutet das, du bist ein Medium und hast den unbedingten Drang, aktiv zu sein. Du öffnest dich und empfängst Seine Gabe. Wertlose Musik wird hausgemacht von sogenannten „Musikern“, aber interessante und wertvolle Musik wird „nur“ empfangen, gewandelt und wiedergegeben. Gestern habe ich wieder einmal „Nachthymnen“ gehört, und da gibt es eine einfache Textzeile „I am Satan and Satan is me“, ein bei ABIGOR immer wiederkehrender Gedanke. Damit meine ich, meinen wir, niemals diese Pseudo-Selbstverherrlichung. Das bedeutet, durchdrungen zu sein von Seiner Macht und Seiner Gabe. Musik ist Ausdruck dieser Erfahrung und die Verbreitung Seiner Botschaft. Das Instrument zu beherrschen ist schon erstrebens- und lobenswert, aber in letzter Konsequenz darf man sich nicht bedingungslos der Komposition rühmen – deren Ursprung liegt nicht bei uns.

Was ist es denn Deiner Meinung nach, was man aus oder von zeitgenössischer Musik lernen kann?

Wenn du Neue Musik meinst, dann eine Menge, um mal zu untertreiben. Schon die Grundlagen, also die Technik und Perfektion – nicht, um jetzt 100 Noten in der Sekunde spielen zu können, sondern einfach nur, weil dir Können eine Fülle an theoretischen Möglichkeiten bietet, da viele Schranken wegfallen. Wenn du kompositorisch als auch am Instrument großartig bist, kannst du jeden Gedanken in Musik umsetzen, und zwar kompromisslos. Ich möchte nochmals betonen, dass ich nicht von technischer Musik oder von Griffbrettwichsern spreche. Es geht nicht um die ununterbrochene Anwendung oder Zurschaustellung, sondern nur um die prinzipielle Möglichkeit.
Ganz besonders aber ist das Überwinden von den ewig gleichen Harmonien zu lernen. Denn im Endeffekt ist Black Metal ja noch immer „hübsch“ und harmlos, was Tonalität und Melodieführung betrifft. Auch Dynamik findet man im Black Metal so gut wie keine – FP eigentlich eingeschlossen, sieht man von der variierenden Gitarrendichte mal ab. Ein Beispiel ist „Det Som Engang Var“ – hier wurde zwar primitiv aber trotzdem genial von Dynamik Gebrauch gemacht, von schnellen Black Metal Stücken zu Gitarren- zu Keyboardpassagen, die Intensität und Lautstärke variiert. Das ist zwar noch lange nicht die ausgereifte Art von Dynamik, die ich meine, aber zumindest geht es in die Richtung. Es gibt eigentlich nur ein Black-Metal-Album, das einen direkten Neue-Musik-Bezug hat – „Fas“ von DEATHSPELL OMEGA. Trotzdem findet bei allen genannten Dynamik in größeren/gröberen Zyklen statt, während bei Neuer Musik und Klassik diese Lautstärken- und Spannungs-/Intensitätsunterschiede sehr oft und rasch wechseln können.
Von elektronischer Musik kann man etwas anderes lernen, nämlich die Kompositionsweise. Man verliert den Respekt vor den üblichen „Songstrukturen“ und Arbeitsweisen der „Rockmusik“. Vielmehr kann man detailreicher und unbekümmerter arbeiten – wenn du am Computer sitzt und komponierst, nimmst du einfach jede spontane Idee auf, auch wenn es nur eine Note ist – ohne jetzt alles im Zusammenhang 100 mal zu wiederholen, um das auch morgen noch in Erinnerung zu haben und spielen zu können. Man nimmt eine Idee auf, loopt diese und kann 100 verschiedene Spuren in Minuten aufnehmen und probieren. Oder man schneidet unbekümmert das Audiomaterial und ergeht sich in Effektorgien, ohne jetzt „den Song“ im Auge zu behalten. Vielmehr kann man sich auf einzelne Noten konzentrieren und ähnlich wie bei klassischer Notenschrift in den Mikrokosmos der Musik eintauchen. Genauso wie Einflüsse von klassischer/Neuer Musik lehrt einem elektronische Musik erst mal einfach totale Freiheit, verglichen mit althergebrachten Denkweisen beim Komponieren.

Stimmt denn in dieser Szene soweit alles? Einige eher negativ ausgelegte Trends, wie NSBM und Internet-/Forenwahn haben sich ja erst in diesem Jahrtausend wirklich entwickelt. Entspricht das noch Deinen Vorstellungen einer gesunden, fruchtbaren Szene?

Es gibt natürlich eine Menge an abstoßenden Elementen in der Szene, ganz klar bei dieser Größe. Auch diese mit Lineal von der Freundin gezeichneten Corpsepaintbands, auf der Waldlichtung schön in Szene gesetzt fotografiert, die entweder „symphonischen“ oder „guten alten norwegisch beeinflussten“ Black Metal spielen und eigentlich genauso gut Power Metal spielen könnten, was die Einstellung betrifft – auch das ist ein Sektor der nicht den Extremismus vertritt, der unbedingt einer BM-„Band“ zugrunde liegen muss. Extremismus in vielen Formen war immer schon etwas, das uns, also Black Metal, von anderen Metal-Spielarten abgehoben hat. Oder der Trend von jungen Bands, immer noch ein paar bpm schneller zu spielen, ebenfalls schwachsinnig – da gibt es Drummer, die können 270 bmp „blasten“, aber sind sonst total schwach. Das ist so, als würde man als Gitarrist stolz darauf sein, dass man die leere E Saite 3000 mal in der Minute anschlagen kann, aber keinen vernünftigen Ton rausbringen. Und das Wort „blasten“ alleine kotzt mich an – das wurde früher von Grindcore/Death Metal-Bands benutzt und zeigt meiner Meinung gleich, von welcher Richtung die Leute kommen.
Oder eine andere negative Strömung: einige „große“ Bands, die zehn Jahre nach ihrem letzten guten Album einfach noch etwas abkassieren wollen und noch immer behaupten, sie würden Black Metal spielen, was absurd ist.
Was mich betrifft, ist die Sache ganz einfach: ich kaufe und höre das, was mich interessiert. Die – wie du es ausdrückst – „gesunde, fruchtbare“ Szene steht bei mir im Plattenregal, der Rest wird ausgeblendet. Ich versuche in den Interviews zu definieren, was meiner Meinung nach Black Metal ausmacht. Damit beeinflusse ich andere Leute genauso viel oder genauso wenig, als ob ich eine Liste aufstellen würde, so quasi „bitte das und das machen und kaufen und gut/schlecht finden, damit die Szene toll wird“ – das hat keinen Sinn mehr, obwohl die klaren Richtlinien in z. B. Interviews von Euronymous Anfang der 90er schon wichtig waren. Damit wurde klar abgesteckt, wofür Black Metal zu stehen hat.
Ich kann mich beim besten Willen auch nicht politisch korrekt äußern, da Black Metal einfach nicht politisch korrekt ist. Das wäre scheinheilig – wer kein BURZUM- oder MAYHEM- (Thema Faschismus – ich erinnere an Euronymous- als auch Hellhammer-Interviews) oder sogar DARKTHRONE- (man erinnere sich an „Norsk Arisk Black Metal“ oder „jewish behaviour“ oder Grishnacks Texte auf „Transilvanian Hunger“ und „Panzerfaust“, zu einer Zeit als Grishnackh schon bekennender Nazi war) Album besitzt werfe den ersten Stein! Jedes Black-Metal-Interview in den ersten paar Jahren hatte klar menschenverachtende und elitäre, meist faschistoide (unabhängig von links oder rechts) und kriegsverherrlichende Tendenzen. Nimm Interviews von 1992-94, nachzulesen in jedem Magazin. Und ich rede nicht von außergewöhnlich extremen Bands, sondern der ganzen Szene. Diese oberflächliche, scheinheilige correctness, die jetzt gesucht wird, um Black Metal vollends zu etablieren und zu verkaufen, damit kann und will ich nichts zu tun haben. Persönlich kann ich mit politischen Tendenzen nichts anfangen, und es gibt genug im NSBM, das ich nicht gelten lassen kann, aus meiner persönlichen Ansicht heraus als auch meiner deutlich anderen Definition von Black Metal als NSBM. Aber wenn du dir ansiehst, wer gegen NSBM auftritt, wirst du feststellen, dass das die selben sind, die auch gegen andere Formen des Extremismus sind – und daher kann ich mich hier nicht bei diesen Kritikern einreihen.

Hat sich, seitdem Ihr wieder zusammen an ABIGOR arbeitet, etwas in Eurem persönlichen und musikalischen Umgang verändert? Funktioniert etwas wieder, das vor Deinem Ausstieg nicht mehr funktioniert hat?

Wir sind in demselben Dorf aufgewachsen, zusammen in den Kindergarten gegangen. Jetzt nicht als enge Freunde, ich bin ja ein Jahr älter und wir waren nie Klassenkammeraden, aber diese gemeinsamen Wurzeln verbinden natürlich. Wir sind definitiv zwei unterschiedliche, um nicht zu sagen konträre, Charaktere. PK ist ein sehr ruhiger Mensch mit geregeltem Leben, nicht sehr um viele persönliche Kontakte bemüht und ein „konstanter“ Charakter. Ich bin das genaue Gegenteil. Trotzdem gibt es eine Verbindung, eine Art unausgesprochenes Verständnis, das jenseits von normalen Freundschaften steht, das nichts mit so etwas wie „bester Freund“ zu tun hat, wo man sein Seelenleben voreinander ausbreitet oder viel Zeit verbringt. Respekt, Akzeptanz, Verständnis trifft es am ehesten. Schwer zu beschreiben. Verändert hat sich hier nichts, nur in der technischen Umsetzung – wir treffen uns nicht mehr um Musik zu machen, sondern um CD-Rs auszutauschen und Konzepte, musikalische wie inhaltliche, zu entwickeln.

Ich habe auch den Eindruck, dass Du (ganz entgegen jedem Klischee im Black Metal) ein recht kommunikativer Mensch bist. Was bringt Dir der Kontakt zu anderen Menschen, was ziehst Du daraus? Zu welchen Bands und Menschen hast Du heute noch so intensiven Kontakt wie vor zehn oder zwölf Jahren?

Zu keinen Bands von damals, nur zu „neueren“ bands, wenn man das überhaupt so sagen kann, da viele ihr erstes Demo auch schon vor zehn Jahren aufgenommen und erst im neuen Jahrtausend Alben veröffentlicht haben.
Einerseits bin ich definitiv ein kommunikativer Mensch und pflege Kontakte zu verschiedensten Leuten, aber andererseits hasse ich es, im Mittelpunkt oder in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich würde mich nicht als verklemmt bezeichnen, aber schon in den 80ern, als ich noch das eine oder andere Konzert mit Metalbands gespielt habe, war mir die Bühne als solches zuwider. Oder wenn jemand als ABIGOR-„Fan“ ein Autogramm will, was sowieso auf einer Hand abzuzählen ist, weil wir eben nie öffentlich auftreten, aber das berührt mich eher peinlich. Nur um das Bild zurechtzurücken – weil ich kommunikativ bin hat das nichts mit Sich-in-Szene-setzen zu tun.
Was Kontakt zu anderen Menschen bringt ist doch offensichtlich – Austausch an Erfahrungen, Denkanstöße, Inspiration (nicht jetzt unbedingt musikalischer Natur). Hitzige Gespräche bis tief in die Nacht hinein – sehr wichtig, finde ich…

Viele Hörer glauben noch immer, Du seiest ausschließlich Drummer von ABIGOR, in Wirklichkeit verhält es sich aber in der Band ganz anders, wie Du eben schon angesprochen hast. Was tust Du genau in der Band, welche Instrumente spielst Du, wie wichtig sind sie Dir, wann hast Du sie gelernt?

Wie oben schon erwähnt interessiert es mich nicht, Anerkennung für irgendwas zu bekommen. Zu deiner anderen Frage, ich komme aus einer Musikerfamilie und bin eigentlich mit Instrumenten aufgewachsen, es gibt Fotos, wo ich als Dreijähriger aus Kochtöpfen und Möbeln ein Schlagzeug baue, oder im Kindergarten eine Band gründe und mit Holzklötzen Gitarre spiele, oder als Achtjähriger mit der Balalaika, einem Mitbringsel der Russlandreise meiner Großmutter, zu IRON-MAIDEN-Stücken Riffs mitspiele. Damit will ich sagen, dass ich keine herkömmliche „Musikerlaufbahn“ habe, wo man sagen kann da fing dieser Unterricht an, dann hat man das gelernt und die Band gegründet, sondern Musik war immer wichtig, vielleicht sogar immer das Wichtigste. Ich war immer fokussiert auf Musik und Instrumente, und hatte schon auch den üblichen Anfang einer musikalischen Ausbildung – du weißt schon, Blockflöte, dann Klavier etc. Aber Musikunterricht war eine Qual für mich, ich ziehe keine direkte Verbindung zwischen dem Unterricht und meinem Können/Nichtkönnen. Im Oberstufengymnasium musischer Zweig hatte ich klassische Gitarre als Hauptfach für ca. drei Jahre. All das hatte aber keine direkte Wirkung, ich denke, ich bin trotz des bißchen Unterrichts zu 100% Autodidakt. Was vielen komisch vorkommt, ist meine eigentliche Aversion Instrumenten gegenüber – ich liebe das Entstehen von Tracks, das Komponieren, aber wenn es nicht notwendig wäre, würde ich nur mehr Komponieren, ohne ein Instrument in die Hand zu nehmen. Gedanken/Gefühle/wie auch immer man es nennt per Instrumente zu Musik umzuwandeln, das ist ein notwendiges Übel.

Wäre es dann eine Möglichkeit, dass Du zukünftig an den Instrumenten versiertere Sessionmusiker Deine komponierte Musik spielen lässt, damit die Umsetzung möglichst perfekt ist?

Seit FP ist die Umsetzung meiner Meinung nach schon perfekt, aber der Weg dorthin ist halt ein langwieriger, der mir eigentlich nur lästig ist, weil es eben nur mehr um das notwendige Perfektionieren von schon vorhandener Musik geht. Ein Album existiert immer schon als schlampig gespieltes und aufgenommenes Demo vor der eigentlichen Studioaufnahme. Natürlich, es kommen immer wieder Kleinigkeiten dazu, die eigentlich essentiell sind, und Beschäftigung mit Musik ist grundsätzlich immer großartig. Ich würde mir ja auch widersprechen, weil ich dir jeden Arbeitsschritt im Erschaffen eines Black-Metal-Albums fast als spirituelle Erfahrung beschrieben habe, zumindest was gefühlstechnisch in einem vorgeht, wenn man etwas „richtig“ macht. Die Stimmung, in der man sich befindet, wenn man Musik komponiert oder an ihr arbeitet. Trotzdem, ich bleibe dabei, Proben einerseits oder Wiederholungen, bis ein Teil perfekt ist im Studio, ist mir lästig. Wenn jemand denkt, meine Gitarren- oder Schlagzeugparts spielen zu können und die „Drecksarbeit“ machen will, auf meine schlampigen Demos hin sich im Studio wochenlang von mir unterdrücken zu lassen, dann gerne, hahaha… Ich habe das jetzt auf mich bezogen, immer nur von mir gesprochen, weil ich die Einstellung von PK dazu nicht kenne – ob er grundsätzlich am eigentlichen Instrumentespielen etwas findet oder es ihm auch nur ums Komponieren geht…

Ich habe gelesen, Du habest Dich einige Jahre lang nicht mit Metal beschäftigt, stattdessen mit völlig anderen Musikstilen Erfahrungen gesammelt. Warst Du des Metals überdrüssig? Ich beobachte diese Entwicklung bei vielen Metalmusikern, auffälligerweise oft bei den besten und kreativsten – wie erklärst Du Dir das und die Tatsache, dass diese Musiker trotzdem immer wieder zu Metal als Ausdrucksform zurückkehren? Warum bist Du zurückgekehrt und machst noch immer Black Metal?

Abgesehen davon, dass Black Metal weit mehr als eine Musikrichtung ist, sondern eine Ausdrucksform des spirituellen Weges des jeweiligen Protagonisten, so denke ich, dass jeder Musiker, jeder Künstler nur in einem speziellen Fach herausragend ist. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber es hat keinen Sinn, nur weil ich mich mit vielen verschiedenen Sachen beschäftige, auch überall mitmischen zu wollen. Wenn ich die Gitarre zur Hand nehme, dann kommt eben Black Metal heraus – mal als einfache Erklärung, auf rein musikalischer Ebene.
Ich bin definitiv süchtig nach Musik, ich habe begeistert angefangen, Platten zu sammeln, als ich acht Jahre alt war – vorher mussten die Platten meines Vaters herhalten. Und obwohl Metal in den 80ern wirklich spannend war, mit all den Entwicklungen der verschiedenen Stile, waren andere Formen schon immer interessant, für mich schon immer relevant. Ich habe auch jetzt nicht irgendwas neu entdeckt und parallel mit ABIGOR verarbeitet, ich höre elektronische Musik schon so lange wie ABIGOR existieren, also kann man auf „Fractal Possession“ sicher keine neuen Einflüsse meinerseits finden. Auch PK und AR haben einen breiteren Musikgeschmack.
Des Metals überdrüssig bin ich schon lange, eigentlich seitdem Black Metal meines Erachtens nach die Weiterentwicklung von „normalem“ Metal ist – seit den Anfängen der 90er. Alle vorherigen Stile der 80er, sei es Heavy/Thrash/etc. Metal dienen als Pool, aus dem sich Black Metal bedient. Abgesehen von vereinzelten Lieblingsplatten der 80er, VOIVOD, INFERNAL MAJESTY, CARNIVORE, MEKONG DELTA etc., höre ich überhaupt keinen Metal mehr, ausschließlich Black Metal. Black Metal hat alle anderen Metal-Stilrichtungen abgelöst, für mich hat sich jede Art von Metal erledigt, seit es Black Metal gibt – ich höre nicht mal artverwandten Death Metal, seit 15 Jahren. Andere Musikstile interessieren mich viel mehr, wie schon oben erwähnt Neue Musik/zeitgenössische Komponisten, Elektronik, Gitarrenmusik abseits von Metal etc. Bei PK und AR ist das anders.

Im direkten Vergleich mit dem ersten Album, das immerhin fast 15 Jahre zurückliegt, klingen ABIGOR für mich im Kern noch immer wie damals – die Riffs und die Richtung der Stimmung haben sich meiner Ansicht nach nie großartig verändert. Was hat Euch damals dazu inspiriert, was inspiriert Euch heute dazu, Musik zu machen?

Ich war schon immer der Ansicht, dass von Musikern aufgelistete Inspirationen eigentlich nur Wunschlisten sind. Denn musikalische Inspiration findet hauptsächlich auf unbewusster Ebene statt. Du wirst ununterbrochen inspiriert, von allem, was du so hörst, gewollt oder ungewollt. Abneigungen spielen da eine genauso große Rolle wie geschmacklich Passendes.
Wenn wir von damals sprechen, dann kann man behaupten, alle BM-Musiker, die Anfang der 90er BM gespielt haben, können auf die gleichen musikalischen Wurzeln zurückgreifen. BATHORY. 80er-Metal. Thrash Metal und Death Metal. Und die große Welle, die alle mitgerissen hat, alles rund um die Musik – Tapetraden, Fanzines, okkulte Literatur, Corpsepaint Photos, Logos zeichnen, Riffs kreieren und vieles mehr – all das schon bevor man eine richtige Band gegründet hatte…
Ich habe oben behauptet, man empfängt etwas und kehrt mit der Musik sein Inneres nach Außen – daher klingen wir natürlich nicht total anders als zu unserer Anfangszeit. Wenn eine Band wirklich musikalisch nichts mit ihren früheren Veröffentlichungen zu tun hat, beweist dies, dass es zu einem Zeitpunkt – jetzt oder damals – unehrliche, künstlich in eine Richtung geformte Musik war. Oft aus kommerziellen Gründen. Wenn man Musik schafft, die direkt sein Wesen widerspiegelt, kann sie zwar der persönlichen Weiterentwicklung des Musikers entsprechen, aber nicht völlig anders als zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt in der Diskographie sein. Es muss eine Konstante geben, die die Persönlichkeit, die Ehrlichkeit der Musik beweist! Und sei es nur eine bestimmte Art, mit Harmonien und Melodien zu arbeiten.

Einige Freunde und Bekannte von mir haben sich auf interessante Art und Weise zu „Fractal Possession“ geäußert – von „totaler Überwahnsinn“ über „das macht mich irre, kann ich mir nicht am Stück anhören“ bis „völlig emotionsloser MAYHEM-Abklatsch“ war alles dabei. Besonders unverständlich finde ich den Vorwurf, das Album sei emotionslos. Wo steckt für Dich die Emotion in dem Album, wie lässt sie sich beschreiben?

Musik ist eben genau eine Ausdrucksform für Emotionen, die sich nicht in Worte fassen lassen – und man besser mit Musik ausdrückt, als dir jetzt verbale Beschreibungen davon zu geben. Um diese aber rezipieren zu können, setzt es einiges voraus. Der Hörer wird damit nicht viel anfangen können, wenn er in diesem Sinne nicht „vorgebildet“ ist – so wie z.B. Leute, die sich nicht mit Neuer Musik beschäftigen, zwar den technischen Aspekt wertschätzen, damit aber auf emotionaler Ebene nichts anfangen, weil es Hörübung braucht, um all die Eindrücke wirklich zu Emotionen verarbeiten zu können. Dieses „das macht mich irre“ von deinem Freund, das ist ein Statement, das ich sehr schätze. Wenn es jetzt um Kritiken geht – ein Reviewer sollte nicht irgendein x-beliebiger Metalfan sein, sondern speziell von Black Metal Ahnung haben, sich an Referenzen halten, sonst stellt er sich selbst bloß. Dass BLACKLODGE oder DIAPSIQUIR nie zu Vergleichen herangezogen wurden, wundert mich ein wenig, wenn schon ein angeblich elektronisches und wirres Element entdeckt wurde. Das mit „MAYHEM-Abklatsch“ ist halt ein Armutszeugnis der das äußernden Person – man hört Präzision, ein paar wenige elektronische Sounds, technisches Können und sucht verzweifelt nach Anhaltspunkten – und siehe da, auch MAYHEM können spielen, haben einen präzisen Sound, sind „technisch“ in ihrer Darbietung und verwenden Effekte. Schön, toll, da hat man was entdeckt! Jetzt der MAYHEM-Vergleich. Und gleich noch DHG in den Topf, weil die auch solche Stilmittel verwenden. Dein Kollege nennt es „Abklatsch“, dabei fehlt es demjenigen nur an Referenzen und Verständnis. Natürlich kann ich dir jede x-beliebige Band hernehmen und – sogar musiktheoretisch fundiert – als Abklatsch von irgend etwas ableiten, das ist aber absolut lächerlich und über all die Maßen ignorant… es geht natürlich um eine rein persönliche Aversion des Reviewers und ist durch alle anderen Kritiken widerlegt, und ich bezweifle, dass Leute persönliche Verstimmungen in Form eines absurden Kunstgriffes quer durch die Musikgeschichte lesen möchten. Ein fundierter Vergleich, bitte, jederzeit, da MAYHEM musikalisch großartig sind. Aber dann mit Fakten.

Euer neuer Sänger AR hat eine vollkommen andere Stimme als Silenius und gibt der Musik damit einen viel grimmigeren Anstrich. Woher kommt dieser Mann AR? Scheinbar aus dem Nichts, und doch hat er so eine geübte Stimme! Und warum konntet Ihr Silenius nicht dazu bewegen, das ursprüngliche Line-Up zu komplettieren?

Silenius hat mit Black Metal überhaupt nichts mehr zu tun, er stand also nie als dritter Mann zur Diskussion. AR war schon seit dem Anfang, also 1993 in unserem Umfeld – Wien ist nicht allzu groß, und man kannte sich über Ecken. Richtig kennengelernt hatte ich ihn erst bei der ABIGOR-Reunion, ungefähr zum gleichen Zeitpunkt. Wir hatten einige längere Gespräche und daraus resultierend war klar, dass er es versuchen sollte. Unsere Vorstellungen von Black Metal, unsere Interessen, waren übereinstimmend. Viel wichtiger als alles andere war eben diese Übereinstimmung in sozusagen Glaubensfragen. ABIGOR sind keine „neue schwedische orthodoxe“ Black-Metal-Band, doch genauso uneingeschränkt liegt Satanismus allem zugrunde, was ABIGOR ausmacht – Musik, Texte, Layout sind eine Huldigung an Ihn. Nicht die Texte sind eine endlose Litanei an Huldigung, sondern eben das Produkt, das Album als Ganzes stellt diese dar. Wir haben keinen einzigen Ton von AR gehört, bevor wir ins Studio gingen. Aber genau darum geht es – das ist der Unterschied zwischen Satanic Art und Black Rock’n’Roll. Es geht nicht um einen Musikfreak, der schreit, sondern um ernsthafte Konzepte.
Dass seine Stimme so variabel, so vielschichtig ist, das war dann doch eine Überraschung. Er zelebriert jedes Wort, seine Performance ist verständlich, was um einiges direkter und offensiver ist, als wenn man nur „aaiiiaaiiaaiii“ versteht. Auch seine tonal gesungenen Parts heben sich von diesem üblichen pathetischen Kitsch deutlich ab. Es gibt keine Stimme und Interpretation, die besser zu „Fractal Possession“ passt. Außerdem wird er in Zukunft einen Großteil der Texte schreiben, sowie das Konzept miterarbeiten – eine Rolle, die Silenius nie inne hatte.

Fraktale sind mathematische Gebilde, ein hochgradig interessantes Phänomen, bei dem das Große in mehrere formal identische kleine Kopien zerlegt werden kann. Entspricht das der inneren Struktur des Albums, oder haben andere Gründe zu dieser Benennung geführt?

Danke, du hast mir die Beschreibung abgenommen. Ja, man kann jeden Track auf „Fractal Possession“ im Großen und Ganzen als repräsentativ für das ganze Album nehmen – jeder beinhaltet alle Elemente, die auf FP vorkommen.

Gibt es eine „mathematische“, kalkulierte Komponente in Deiner Musik? „Fractal Possession“ ist vollkommen perfekt gespielt und produziert und könnte durchaus kalkuliert wirken (obwohl es das für mich nicht ist). Ist es nicht durchaus eine interessante Vorstellung, Musik einmal zu „berechnen“?

Definitiv eine interessante Vorstellung und wurde in zeitgenössischer Musik auch umgesetzt. Oder nimm die strengen Formen, besser noch die Variationstechniken in der Klassik her – man geht von einem Thema aus und Variationen wurden sozusagen berechnet. Jetzt mal vereinfacht gesagt. Aber unsere Herangehensweise ist eine fundamental andere. Es klingt komisch, aber die Musik, Produktion, eben selbst die Effekte und Edits sind ausschließlich natürlich, intuitiv. Das Gegenteil zu technischer Musik. Kein einziger Ton ist geplant, ist geschrieben um die Musik so oder so scheinen zu lassen – so quasi, hier drei 32tel dazu dann klingt’s komplizierter/technischer… Musik kommt aus der Seele, ist schon vorhanden bevor die Noten jemals auf einem Intrument gespielt werden. Ja, ich denke, das ist das absolute Gegenteil zu technischer oder kalkulierter Musik. Das heißt nicht, dass man nicht mal lange bei einem Riff sitzt – manchmal habe ich Dinge im Kopf, die ich eigentlich gar nicht, und schon gar nicht perfekt, spielen kann. Anspruchsvollere Tappings über mehrere Saiten, aber speziell bei dissonanten Akkorden, die ich vorher „höre“, die aber schwerst umzusetzen und -greifen sind, mit nur fünf Fingern, hehehe. Dann muss ich natürlich so lange sitzen, bis die Finger das tun, was im Inneren schon zu hören ist. Aber das ist eigentlich nur die Umsetzung, nicht das Komponieren – wenn man Musik zuerst „hört“ und dann auf dem Griffbrett realisieren muss. Denn der Geist schert sich einen Dreck um den Stand deines technischen Könnens.

Für mich seid Ihr irgendwo in einer völlig unangreifbaren Grauzone zwischen Purismus und Innovation im Black Metal verortet. Könntest Du das unterschreiben? Wo seht Ihr Euch, was bedeuten Dir diese beiden Pole?

Großartig, vielen Dank. Genau darum geht’s mir – Purismus, ohne wenn und aber. Jedoch diese pure Form weiterentwickeln, zumindest seine ureigenste Richtung, wenn nicht das ganze Genre, was wohl vermessen wäre zu behaupten (nicht aber jedoch zu versuchen). Ich lege ganz großen Wert darauf zu betonen, dass wir nicht versuchen, irgendwelche Einflüsse zu verarbeiten oder Stile zu fusionieren. Wir machen puren Black Metal, der definitiv genauso rein ist wie all die Old-School-DARKTHRONE-Kopien. Mehr noch, Black Metal begann als verstörende, extreme Musikrichtung, die trotz aller Referenzen in die Metalvergangenheit doch innovativ war. „De Mysteriis Dom. Sathanas“, „A Blaze In The Northern Sky“, „Det Som Engang Var“ etc – das waren sehr wohl innovative und extreme Alben, und dieselbigen zu kopieren ist NICHT im Sinne dieser. DARKTHRONE, MAYHEM – auch mit Snorres Mitwirkung, BURZUM etc. waren KEINE Traditionalisten wie diejenigen, die glauben, in deren Geiste Musik zu machen. Da hat wohl wer etwas falsch verstanden. Wenn man im Geiste der alten norwegischen Referenzen Musik machen will, muss man anders klingen als diese – das scheint für viele etwas paradox, ist aber doch einfach zu verstehen. Lustigerweise kapieren das die „Originale“ nicht mal mehr selbst – was wohl daran liegt, dass sie abtrünnig geworden sind und nur mehr uninspirierten Müll machen. Wenn man Seine Gabe, Kreativität, nicht wertschätzt – wenn man Sein Wort nicht verbreitet, wird diese Gabe eben entzogen – damit sind auch gleich die ganzen uninspirierten Alben erklärt, die sich zwar noch gut verkaufen, aber der Preis dafür ist kein geringer…

Euer neues Label EAL ist tief im Underground verwurzelt und für seine handverlesenen Veröffentlichungen bekannt – eine ganz andere Liga als Euer ehemaliges Label Napalm Records. Nun konnte man darüber einige bitterböse Kommentare lesen, was aber genau geschehen ist, habe zumindest ich nie mitbekommen. Würdest Du das bitte einmal aufklären?

Nichts ist geschehen – Napalm hat sich sehr verändert. Von ABIGOR, ILDJARN und NASTROND zu Kommerz und Gothic. Napalm ist ein Unternehmen, eine Firma, wo es um Geld geht und nicht um Musik/Kunst, und das hat mit Black Metal nichts zu tun. Diese Entwicklung war eine langsame, stetige, und so war der Zeitpunkt unserer Erkenntnis auch eher spät. Nichts gegen Napalm jetzt als Prinzip so wie es jetzt ist, ich habe nichts gegen kommerzielle Unternehmen die sich auch als solche verstehen, aber wie gesagt, ABIGOR/Black Metal und Napalm sind verschiedene Welten. Mehr möchte ich nicht sagen, erst gestern bekam ich eine Mail von unserem Anwalt, die mich wieder erstaunt hat, wie frech versucht wird, uns abzuzocken. Soweit ich weiß ist Napalm ziemlich oft vor Gericht, und wie aus der Mail zu entnehmen, ist es ihnen auf Grund einer Rechtsschutzversicherung egal, und bevor sie einen € zahlen, wird lieber prozessiert. Wir versuchen, durch ein Verfahren wenigstens ein paar Cent zu bekommen, die uns zustehen. Frag mal BELPHEGOR, KOROVA, SETHERIAL oder jede andere ex-Napalm Band, obwohl die Antworten kurz ausfallen werden, aus „rechtlichen Gründen“. Mehr will auch ich jetzt nicht sagen, aber es gibt noch eine Menge zu erzählen – warten wir aber lieber ab.

Konzeptionell passt Ihr sehr gut zu EAL – Ihr bezeichnet Euch nach wie vor als satanische Band, soweit ich das verstanden habe. Wer oder was ist Satan für Dich, welche Rolle spielt er in der Musik und in den Texten von „Fractal Possession“ – und warum sind die Texte nicht abgedruckt?

Satan, „der Teufel“, ist allumfassend – ist sowohl Gott als auch nicht fassbare Größe. Seine Erscheinungen sind vielfältig, und alle Manifestationen in verschiedenen Kulturen und Religionen, wie zum Beispiel Luzifer, enthüllen ein Stück, um Sein Mysterium für uns erfassbar zu machen. Deswegen erkenne ich jede Seiner Gestalten an, auch wenn manche davon sogar widersprüchlich scheinen. Und du findest wirklich in allen Kulturen Charaktere, die Er geschickt hat. Selbst verschiedene germanische Götter sind eindeutig teuflische Gestalten – das ist natürlich eine weite Herleitung, vielleicht so revisionistisch wie manche Grishnackh-Aussagen, aber die einzig mögliche Schlussfolgerung, wenn man so wie ich Satan als Quintessenz und Allmacht begreifen will. Sowohl als göttliches Wesen als auch als alles durchdringender philosophischer Gedanke. Nun liegt unser Hauptaugenmerk mit ABIGOR natürlich auf der biblischen/christlichen Manifestation Satans.
Die Texte in der Bandgeschichte basieren eben auf diesem unserem Glauben, sind aber Gedanken, Geschichten, Visionen, Huldigungen. Er ist Ursprung unserer Musik und Grund, warum wir diese erschaffen. „Fractal Possession“ enthält Texte, die von PK über einen längeren Zeitraum verfasst worden sind und nicht direkt in thematischer Verbindung zueinander stehen. Auch AR hat drei Texte auf FP geschrieben. Obwohl wie gesagt der Inhalt variiert, hat sich doch ein wiederkehrendes Thema herauskristallisiert – es werden die scheinheiligen Konzepte von Gut und Böse hinterfragt, auf die Probe gestellt und verhöhnt. Die Weltbilder und Moral selbst jener, die unserer Musik nahestehen. Wenn man diejenigen wirklich in eine Welt wirft, die sie angeblich herbeisehnen, verkommen sie doch zu jämmerlichen Gestalten. Die Texte vollkommen abzudrucken stand, eigentlich ohne bestimmten Grund, nie zur Debatte, und ich finde, dass die Kernaussagen kombiniert mit den Bildern mehr von „Fractal Possession“ preisgeben, als komplette Lyrics das tun würden. Die Essenz der Texte repräsentieren unsere Gedanken mehr als die ausformulierten, weil sie dadurch zu allgemein gültigeren Wahrheiten werden, als Geschichten und persönliche Visionen. Ein zusammenhängendes textliches Konzept abzudrucken ist logisch, und das wird bei unserem nächsten Album auch so sein. Aber FP wurde nicht als solches konzipiert, selbst bei der Gesangsaufnahme und den Edits und Schnitten der Vocals sind wir nicht streng nach den Lyrics vorgegangen. PK hat einen Text geschrieben, AR hat etwas daran umgeschrieben und ich habe dann mit den Gesangsspuren gearbeitet. In jeder Phase wurde etwas geändert – verkürzt, wiederholt, vertauscht oder ergänzt, natürlich nie so, dass der Sinn oder der Zusammenhang verloren geht. Teilweise sind sogar Fragmente abgedruckt, die zum Originaltext gehören, aber gar nicht gesungen wurden, und auch umgekehrt. Je mehr ich darüber nachdenke, um so logischer ist es, dass die Texte nicht als Ganzes abgedruckt sind. Von Anfang an wurde anders damit umgegangen, als das zum Beispiel bei dem Nachfolger sein wird, wo Musik und Texte zwingend und zur Gänze miteinander verbunden sein werden.

Ihr habt das Album in Deinem Studio aufgenommen, und das Ergebnis finde zumindest ich atemberaubend. Mich interessiert, welches Equipment Du im einzelnen benutzt hast. Und: wie darf man sich dieses Studio vorstellen, bestreitest Du Deinen Lebensunterhalt damit, ist es ein Hobby oder dergleichen? Woher hast Du das Know-How, um solch eine Produktion auf die Beine zu stellen?

Also, es sind einerseits die Instrumente, andererseits das Studioequipment, beides zumindest gleich wichtig für das Resultat. Fangen wir mit Ersterem an: seit unseren Demos spielen wir die gleichen BC Rich-Gitarren & Peavy-Combos. Auf unseren 90er-Alben im Hörnix haben wir zu den Peavys noch ein Marshall-Top & Box kombiniert, aber diesen Ballast auf „Fractal Possession“ weggelassen, weil ein Transistor-Combo weitaus mehr schneidet. Weiters ein geborgtes Schlagzeug – Yamaha Maple Custom. Ich habe nie eines besessen, das Aufnahmen gerecht würde, nur hin und wieder eine Schepperkiste. Gitarren und Amps betreffend sind wir aber gerade am austauschen – ich denke, mit „Fractal Possession“ haben wir das Maximum aus dem Equipment herausgeholt, jetzt heißt es etwas anderes auszuprobieren. Ich finde, Transistoren sind für Black Metal wichtig, große Röhrenamps erinnern mich zu sehr an Rock und Blues oder alte JUDAS PRIEST – „warm“ und behäbig, während Transistorcombos schnell und sägend klingen. „Röhre = Qualität, Transistor = minder“ ist auch totaler Blödsinn. Im High-End-Studiobereich findet man Transistoren- als auch Röhrengeräte gleichermaßen, und jedes Gerät hat seinen eigenen Sound, nicht aber im Sinn von „besser“ oder „schlechter“. Zum Einsatz kam an Mikrofonen hauptsächlich Neumann M149 und AKG C414 für Gitarren und Gesang, ein Studer 963 Mischpult, Outboard Geräte: Universal Audio 6176 (610 Preamp mit 1176 Kompressor), Focusrite Red 3 (Stereokompressor), Thermionic Culture – Culture Vulture (Röhrenprozessor), TLA EQ 2 (StereoEQ), TC M3000 (Reverb), Korg Bandecho, Vermona analog Phaser, TC analog Chorus, Akai Filterbank etc. und mit RME Hammerfall-Soundkarte digital/analog gewandelt. Das Studio ist ungefähr 200qm groß, angenehm im ersten Stock eines ehemaligen Fabriksgebäudes gelegen, mit einer Wand durchgehend mit Fenstern bestückt. Ein dunkles Kellerloch entspricht wahrscheinlich eher der Vorstellung eines Black-Metal-Studios, ist aber nicht sehr zuträglich, wenn man konzentriert täglich von früh bis spät arbeiten will.
Das Know-How kommt einfach daher, dass ich mich seit Jahren fast täglich mit Soundtüfteln beschäftige.

Du hast mir einmal geschrieben, wenn es eine Möglichkeit gäbe, Musik direkt aus dem Kopf heraus aufzunehmen, würdest Du auf jedes Instrument der Welt verzichten. Welche technischen Innovationen im Musiksektor würdest Du gerne einmal ausprobieren, und welche Visionen sind es, die Dir im Kopf herumspuken und die nicht umsetzbar sind? Wie weit ist „Fractal Possession“ davon entfernt?

Ja, ich gebe keinen Cent auf „Ehrlichkeit“ und „das ist ja alles live und echt“ und so… Nachdem wir in den 90ern alle Produktionen fast live eingespielt haben – schau nur mal in die Booklets, wie kurz wir immer gebraucht haben, in zwei Tagen waren Drums und Gitarren immer aufgenommen und der Rest war für Synths, Vocals, Mixdown etc – haben wir doch erkannt, dass unsere Art von Black Metal einfach Perfektionismus einfordert. Und jedes Mittel, das uns hilft musikalische Ideen und Visionen umzusetzen, ist uns nur willkommen. PK und AR werden das vielleicht anders sehen, und im Grunde kann ich mit der Idee des Instrumenten-Spielens zu kathartischen Zwecken auch theoretisch etwas anfangen, nur für mich persönlich gilt dies nicht. Ich spiele nicht mehr intuitiv Gitarre so wie früher, wo man auch eine halbe Stunde ohne Ziel spielt und dann kommt der Moment wo man gute Riffs erschafft. Ich hatte zwar schon immer die Musik zuerst im Kopf, aber jetzt ist das noch viel mehr der Fall. Und ich hasse meine technische Unfähigkeit – auch wenn es dumm klingt, aber Perfektion am Instrument, so wie die ganze „Guitar-Hero“-Liga, keine Ahnung ob die heutzutage noch Malmsteen etc. heißen, das wäre wünschenswert als Basis, denn ich bin an einem Punkt, wo ich Black Metal durchaus mit jeder anderen Musik vergleichen wollte, was die Ernsthaftigkeit und Wertigkeit betrifft – nicht nur mit Metal, sondern als eigene, erwachsene, ausgereifte Form. Wenn ich mir ein x-beliebiges „Black“-Metal-Durchschnittsalbum hernehme, mit Blechschwertern und Fantasyover, und ein paar Clowns die im Wald stehen, dann ist das nichts, das ich mit „erwachsene Musik“ beschreiben würde, damit du weißt, was ich meine. Ich rede von objektiv vollwertiger Kunst – gute oder schlechte, aber nie lächerliche, und natürlich genauso kompromisslos wie Black Metal eben zu sein hat. Keine Anbiederung, keine Kompromisse, keine Verwässerung des Konzepts. Und auf einem hohen Niveau, eben Neue Musik als Beispiel. Davon sind wir natürlich weit entfernt, meilenweit, und ich meine jetzt auch nicht, sich nur mehr in Kakophonien auszudrücken – Metal als Grundlage hat absolute Gültigkeit. Primitiv und ursprünglich, ja, auf keinen Fall nur technisch/komplex/kompliziert, doch unbedingt immer seriös. Aber wenn man hin und wieder ein Konzert besucht und die Perfektion eines Orchesters sieht, dunkelste dissonante Klanggebilde auf einen hereinbrechen, wo es nur von Ausbrüchen und Entladungen so wimmelt und das Bild des nett und brav musizierenden Orchesters total fehl am Platz ist – dann wünscht man sich schon, diese unbegrenzte Möglichkeit an Ausdruck und Mittel zu haben, einfach den Käfig „normaler“ Musik zu durchbrechen. Ich habe mich auch ertappt, neuerdings hin und wieder abstrakter als in konkreten Tönen zu „denken“, wo mir eher Dynamik, fließende Tonhöhen und Stimmungen im Kopf herumspuken, Klanggebilde jenseits von „normalen“ Riffs, Wirbelstürme von Tönen direkt aus der Hölle. Aber das umzusetzen würde absolute Perfektion am Instrument bedeuten – etwas, was mir bis jetzt noch nicht als unbedingt erstrebenswert schien. Eben das Fehlen von Perfektion am Instrument macht mich wahnsinnig. Zurück zu deiner Frage: „Fractal Possession“ ist sehr, sehr nahe an der Vision, die wir für dieses Album hatten, eigentlich fast 100%.
Was „technische Innovationen im Musiksektor“ betrifft – der Sprung vom Computerfeind zum Tontechniker war ein riesengroßer, und im Moment beherrsche ich die Technik, die wir zum Umsetzen brauchen. Ich bin sechs Jahre lang täglich vor Computer und Studiogeräten gesessen, mein Bedarf an neuer Technik ist gedeckt. Ich bin auch nicht einer der Sorte, die dauernd neue Software ausprobieren, im Gegenteil: auf meinem Rechner befindet sich nur das für mich absolut Notwendige, und kein Programm mehr. Ich bin kein Computerfreak.

Als nächstes steht bei Euch eine Kooperation mit Zweizz (u.a. DHG) an, die wohl tendenziell elektronischer ausfallen wird. Was gibt es darüber schon zu sagen? Wie seid Ihr mit dem Mann zusammen gekommen und warum gibt es eine Kooperation ausgerechnet mit ihm?

Der Kontakt zu Zweizz besteht über PK. Vielleicht über die Myspace-Site, die PK gemacht hat und am Laufen hält. Wir haben zwei verschiedene Stücke von Zweizz bekommen – ziemlich gerade, mit Verzerrern und Effekten bearbeitete Beats. Diese nahmen wir zum Anlass, zwei durchgehende Stücke zu schreiben, mit einem durchgehenden Tempo pro Track, was für ABIGOR ein Novum darstellt. Es handelt sich auch nicht um eine Zusammenarbeit, sondern eher darum, dass wir eben diese Zweizz-Beats in unseren Tracks verarbeiten. Inwieweit das jetzt passieren wird, wie viel wir davon verwenden werden ist noch unklar, denn wir werden selbst sehr viel eigene Elektronik integrieren, uns steht ja das Equipment und Know-How zur Verfügung. Zweizz machte sich mit FLEURETY und DOEDHEIMSGARD einen Namen, und es ist interessant, dass er die Beziehung zu Black Metal aufrecht erhält, obwohl Zweizz eigentlich etwas total anderes ist. Jedenfalls interessanter, als irgendwelche Black-Rock’n’Roll-Kasperl, die sich ein satanisches Image umhängen und glauben, das habe etwas mit Black Metal zu tun.

Ihr scheint als Band eine „neue Ära“ begonnen zu haben – wie wird das weitergehen, was erwartet uns in der Zukunft? Ohne Lottogewinn auf Seiten der Veranstalter wird es ja wohl, wenn ich Dich richtig verstanden habe, bedauerlicherweise zumindest keine ABIGOR-Konzerte geben…

Eben diese Split mit BLACKLODGE, und eine 7″-Box mit unseren vier Demos. Die nächste große Arbeit wird das Album sein, und hier sind wir schon mittendrin, was das Konzept, aber auch Komposition betrifft. Dass dieses Album ein kohärentes Konzept textlicher und musikalischer Natur haben wird, ist nicht der einzige Unterschied zu FP, auch die Musik wird sich stark unterscheiden – wie du oben erwähnt hast, typisch ABIGOR, aber in anderem Gewand. In den 90ern haben wir für jedes Album einen Schwerpunkt gesetzt, was die Instrumentierung betrifft, und diese Tradition werden wir noch viel stärker fortführen. FP, die BLACKLODGE-Split und das nächste Album, all das wird eine komplett eigene Seite von ABIGOR repräsentieren.

Zum Ende habe ich zwei persönlichere Fragen an Dich: zum einen interessiert mich, als was für einen Charakter Du Dich beschreiben würdest. Mein Eindruck von Dir ist der eines visionären, aber schwer einschätzbaren und eventuell auch unstetigen Menschen – meiner Erfahrung nach die besten Musiker der Welt, aber denkbar schlechte „Bandmusiker“. Trifft es das?

Definitiv. Mit dem Alter hat man sich natürlich nach außen hin mehr unter Kontrolle, und auch Selbstdisziplin kann man sich etwas erarbeiten. Aber rastlos und ruhelos, stimmungsschwankend, getrieben, das trifft sicher auf mich zu. Bandmusiker war ich schon immer ein schlechter, da das ständige Wiederholen von Musik nicht meines ist, das halte ich für verschwendete Zeit. Außerdem muss unbedingt jeder Ton genauso sein, wie ich ihn mir vorstelle. Und das macht die Zusammenarbeit zwischen PK und mir so produktiv: ich akzeptiere jedes Riff, das von ihm kommt und er jedes, das von mir kommt. In der Geschichte von ABIGOR kam es noch nie vor, dass wer am Riff des anderen herumgenörgelt hätte. Natürlich, da ich im Studio auch für das Schlagzeug verantwortlich bin, muss ich hin und wieder ein paar Riffs an Geschwindigkeit und Rhythmik den Drums etwas anpassen, aber abgelehnt wird weder ein Riff von mir noch von PK. Nur so ist das gemeinsame Musizieren möglich, jeder nimmt sich 100% Freiheit für seinen Teil, der andere akzeptiert und respektiert diesen dann.

Du hast in Deinem Leben, soweit ich weiß, einige – auch unschöne – Erfahrungen mit Drogen gemacht. Ich selbst habe keine, bin aber immer wieder fasziniert davon, welche Gründe es für Drogenkonsum gibt und wie Gifte auf den menschlichen Geist und damit auch auf die Kreativität wirken. Welche Rolle misst Du Drogen in der Musik und in Deinem Leben bei?

Das ist nicht so einfach zu beantworten, und hier muss ich auch weiter ausholen, aber mal soviel: Drogen spielen beim Komponieren und Musizieren für ABIGOR absolut keine Rolle. Diese Art von Musik machen wir nicht, bei ABIGOR würde das nie funktionieren. In meinem Leben haben Drogen doch immer eine Rolle gespielt. Aber der Begriff „Drogen“ an sich ist schon ein viel zu weit gefasstes Feld. Die verschiedenen Substanzen, Auswirkungen und Gebrauch/Missbrauch, all das liegt so weit auseinander und hat soviel miteinander zu tun wie die Sportarten „Schach“ und „Iron-Man-Triathlon“. Was hat Alkohol mit Pilzen zu tun, was hat LSD mit Kokain, THC mit Heroin zu tun? Ich kann dir Genaueres gerne per Email erklären, es gibt Drogen, die dich einfach wie Alkohol benebeln und welche, die nur eine natürliche Schranke im Gehirn lahmlegen, also selbst keine Auswirkung haben, aber die 10% Gehirntätigkeit, die wir normalerweise nutzen, auf ein Vielfaches heben. Es gibt Sucht und Schwäche, und auf der anderen Seite starken Umgang, Gebrauch und nicht Missbrauch. Aber erstens hat das nichts mit ABIGOR zu tun, und zweitens – der Hauptgrund, um nur annähernd etwas halbwegs Sinnvolles darüber zu schreiben, müsste ich ein Referat verfassen, das weitaus umfangreicher als das ganze Interview ist.
Drogen und ABIGOR stehen in keinem Zusammenhang und wir können das gerne lang und breit per Email vertiefen, wo ich dir meine Erfahrungen erörtere.

Vielen Dank für das überaus informative Gespräch!

23.07.2007

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