Zum Erstschlag holt dieser Tage VVEREVVOLF GREHV aus Nebraska mit einem besonders schwerverdaulichen Brocken aus. Nicht, dass man erwarten würde, es bei „Zombie Aesthetics“ mit einem tanzbaren Elektronik-Verschnitt zu tun zu haben, nur weil VVEREVVOLF GREHV ein Soloprojekt des THE-FAINT-Gitarristen Dapose ist – immerhin wurde es auf Relapse veröffentlicht. Die Unverfrorenheit, mit der sämtliche stilistische Konventionen einfach auf die Müllhalde verfrachtet und schlichtweg vergessen werden, schockt dann aber doch.
Mit verzerrten Schreien, dissonanten Melodieversatzstücken und allerlei Geräuschen, die beim besten Willen nicht einzuordnen und schon gar nicht adäquat zu beschreiben sind, beginnt das erste Stück, das treffenderweise „Emancipation of Dissonance“ betitelt wurde. Beinahe hat man sich schon mit musikalischer Tortur abgefunden, da setzt nach einer Minute die Gitarre ein: Ein metallisches Riff gibt Halt und vermittelt inmitten des musikalischen Chaos‘ ein Gefühl der Geborgenheit. Die Gewissheit, dass „Zombie Aesthetics“ doch nicht ganz so leicht zu überstehen sein wird, liefert erst der bestialisch durch die musikalische Trümmerlandschaft holzende digitale Schlagzeuger.
Wer schon immer mal wissen wollte, was passiert, wenn man Grind-Ästhetik in ein wildes Potpourri aus allen möglichen und unmöglichen Arten von Musik übersetzt, dürfte mit VVEREVVOLF GREHV an genau den Richtigen geraten sein. Da werden Death-Metal-Riffs von Synthiepopanleihen begleitet, verzerrtes Kreischen streitet sich mit Power Noise in einem Malstrom aus seltsamem Klicken und zwischendrin schimmert gar ein wenig Drone durch die mit Samples parodierten Elektrobeats. Dann und wann schaut ZWEIZZ in einer etwas verschärften Form vorbei, in der einen oder anderen Wendung lauern gar die neuen ABIGOR.
Doch der erste Eindruck einer unerträglichen Überfrachtung muss bald, will sagen nach einigen Durchläufen, revidiert werden: Die Mischung funktioniert nämlich grandios. Zu verantworten haben das nicht so sehr die Riffs, die zwar für rar gesäten Wiedererkennungswert sorgen, im Großen und Ganzen aber reichlich zerfahren wirken. Vielmehr liegt im Rhythmus eine beruhigende Konsistenz, die trotz aller Hektik den roten Faden immer in greifbarer Nähe hält.
„Zombie Aesthetics“ ist unmenschlich. Das Schlagzeug irgendwie nicht so maschinell klingen zu lassen hat sich Dapose da erst gar keine Mühe gegeben. Wer Atmosphäre, Einfühlungsvermögen oder Emotion für unabdingbar hält, wird mit VVEREVVOLF GREHV keine Freude haben. Trotzdem ist es keine berechnete Musik; der Wahnsinn lauert in der Gesamtheit hinter jedem neuen Geräusch. Die Kunst auf diesem Album ist nicht die Zusammenführung aller Klänge zum zentralen Stück mit ein wenig schmückendem Beiwerk, sondern die Auftrennung in Konsistentes und Widersprüchliches. Hat man diesen Schritt einmal getan, schwindet der experimentelle Charme natürlich ein wenig; zugleich bereitet „Zombie Aesthetics“ aber ungemein Freude. Hier und da noch ein wenig zwingender zu wirken, würde diesen Stil vollkommen abrunden – in die richtige Richtung geht Dapose aber auf alle Fälle.
Hier gibt es keine fesselnden Riffs, die nur für sich selbst sprechen: Erst im Zusammenhang wird alles erkenntlich. Es ist eher die Freude am Experimentieren, eine abstrakte Freude, wie sie einem etwa ein gutes Gemälde vermittelt, ohne auf einer emotionalen Ebene berühren zu müssen oder dass das Bewusstsein sich in ihm verliert. Und was ist „Zombie Aesthetics“ letzten Endes anderes als eine Collage?
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