MILÙ – das Projekt der Sängerin Anke Hachfeld dürfte vor allem all jenen ein Begriff sein, die sie noch von ihren Zeiten bei (den 2006 aufgelösten) MILA MAR kennen. Mit „Longing Speaks With Many Tongues“ erschien Anfang dieses Jahres nunmehr ihr zweites Soloalbum und überzeugt besonders durch eins: Ihre unverwechselbare und unglaublich vielseitige Stimme, die – nebenbei bemerkt – ganze vier Oktaven umfasst…
Mystisch und weltentrückt eröffnet „Tara“ das musikalische Werk. Einzig sphärische Klänge und Ankes imposante Stimme dominieren diesen träumerischen Prolog, der durch den orakelhaften und geheimnisvollen Klang einer namenlosen Phantasiesprache eine unglaubliche Atmosphäre zu erschaffen vermag. Nicht zuletzt wegen dieses Umstandes erinnert das Eröffnungsstück stark an die großartigen DEAD CAN DANCE und könnte sich ohne große Probleme auf der Tracklist des ’87er Meisterwerks „Within The Realm Of A Dying Sun“ einreihen. Grenzüberschreitend, melancholisch und wirklichkeitsfern erklingt „Longing Speaks With Many Tongues“, lebt nicht durch imposante instrumentelle Kompositionen, sondern schlicht – und wahrlich ergreifend – durch das wunderbare Hachfeld’sche Sangesorgan.
Das Knistern einer alten Platte und eine schmucklose Klaviermelodie bilden den Beginn von „Swan“, der durch den fragilen und sentimentalen Klang von Ankes Stimme unvermeidlich tiefe Gefühle erwachen lässt. Mit „Window“ hat sich dann ein kurzes Instrumental auf das Album geschlichen, das durch kleine elektronische Spielereien und dunkle Pianoakkorde auch ohne vokale Beilagen überzeugen kann. Vermutlich ist es gerade diese kleine Pause, die die Gänsehaut beim folgenden Stück „Goodbye“ noch stärker als zuvor hervortreten lässt – der wohl traurigste Song von „Longing Speaks With Many Tongues“ kreiert eine Stimmung voller Wehmut und Trübsinn, tönt klagend und gebrochen. Das im Vergleich zum Rest der Aufnahmen fast schon klassisch arrangierte „Nacht“ bildet den gelungenen Schlusspunkt der fünfzigminütigen Klangreise und die nachfolgende Stille legt sich bedächtig wie ein Schleier auf die Ohren. Doch wer ein paar Momente verstreichen lässt, wird erneut aus der Ruhe gerissen und letztlich mit einem kalten Schauer auf dem Rücken in der Nacht zurückgelassen…
Wer ohne reißerische Arrangements und ausgetüftelte, virtuose Songstrukturen nicht leben kann, der wird sich mit „Longing Speaks With Many Tongues“ wohl außerordentlich schwer tun. Liebt man aber puristische, wehmütige Klangfarben und weiblichen Gesang, wie er facettenreicher kaum sein kann, sollte man sich MILÙs Zweitwerk unbedingt ins eigene Kämmerlein holen und sich dem Bann ihrer spiritistischen Musik hingeben.
Bei der zierlichen Anke Hachfeld frage ich mich immer, woher sie ihre unglaubliche Stimme (sowohl Volumen als auch Stimmumfang betreffend)holt. Longing Speaks With Many Tongues gefällt mir zwar besser als Ankes erstes Soloalbum, aber im Vergleich zu den ersten beiden Mila Mar Alben fehlt es den Songs noch immer zu häufig an Dynamik und auch an Abwechslung. Swan ist eine positive Ausnahme.Ich fürchte, auf ein Album voller Djangas werde ich wohl vergeblich warten… Unterm Strich ist das Ganze ok, aber die Songs fesseln mich nicht dauerhaft. Ähnlich geht es mir auch mit Pesephone. Aufgeschlossenen Fans ambienter Klänge empfehle ich, mal reinzuhören.
Grüße: der Herr Kröte, erkältet