Es soll ja Leute geben, denen dreht sich schon der Magen rum, wenn sie nur das Wort „Visual Kei“ hören. Androgyne Japaner reichen wohl aus, damit dem durchschnittlichen Mitteleuropäer etwas mulmig werden kann. Der Rezensent ist da schon hartgesottener und wagt sich an die drei Maxi-Singles heran –
und ist zunächst verblüfft. Fast schon avantgardistisch dröhnt es da aus den Boxen, die schweren Gitarren sind eindeutig aus den härteren Metalgefilden entliehen, irgendetwas grunzt und krächzt im Hintergrund. Dumpf entsinnt man sich: Dunkler Musik haben sich die Herren von DIO nach eigener Aussage verschrieben, um den Stereotypen ihres Genres zu entfliehen, was immerhin geglückt zu sein scheint.
Doch zu früh gefreut. Eh man sich versieht, setzt der Gesang ein, der irgendwo zwischen getretenem Hund und unprofessioneller Theatralik steht, und nichts ist mehr wie vorher. Irgendjemand hat Unmengen Weichspüler an den Gitarren verschwendet und ein radiotauglicher Kehrvers dudelt vor sich hin – belangloses Trallala, soweit das Auge reicht. Sicher, eingängig, gut gespielt und professionell arrangiert ist diese Mixtur aus seichtem Alternativgeschrammel, wie man es von MITViva kennt, und Metalcore allemal, leider aber auch nicht mehr. Eigentlich ist das schade, denn einige sehr schöne Melodien haben sich die Herren da ja schon ausgedacht. Dummerweise reicht das noch nicht aus, um eine Dreiviertelstunde Musik hörenswert zu machen, denn als Ganzes betrachtet sind die Stücke viel zu harmlos.
Sieht man sich einmal die Bilder im Beiheft oder diverse Konzertmitschnitte (DIO beehrten beispielsweise letztes Jahr die Japan-Expo in Frankreich) an, wird man sowieso das Gefühl nicht los, es mehr mit einer Modenschau als mit einer ernstzunehmenden Musikgruppe zu tun zu haben. Quasi ein wenig Musik als schmuckes, massenverträgliches Accessoire, weil’s eben dazugehört – und ansonsten eher andere Dinge im Sinn. Korrigiert mich, wenn ich das zu verbissen sehe, aber eine Subkultur, die zufrieden ist, modische Subkultur zu sein, hat (in der Musikindustrie) noch niemand gebraucht.
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